Kategorie: New Work

Open Strategy in der Sozialwirtschaft

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Strategieentwicklung geschieht – leicht überspitzt – so, dass eine Auswahl meist hochrangiger Mitarbeiter* innen, Führungskräfte, Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat… in geschlossenem Kämmerlein sitzen und sich Gedanken um die Zukunft der Organisation machen: Was sind die zukünftig wichtigen Themen, mit denen sich unsere Organisation befassen muss? Wie gelingt es, die strategisch relevanten Themen in Ziele und diese dann in operationalisierbare Teilziele herunterzubrechen? Heraus kommen oft Hochglanzbroschüren mit der neuen Strategie oder die Strategie wird in hübscher Form auf der Homepage präsentiert oder bei der nächsten Jahreshauptversammlung vorgestellt. Vielmehr passiert … genau … nicht.

Wichtig ist also, die Umsetzung der Strategie vor die Aufhübschung der Strategie zu stellen, damit überhaupt etwas passiert. Dazu legt man – so mein Verständnis – Verantwortliche fest, die die einzelnen Themen „unter sich“ haben (klingt immer noch bewusst sperrig). Die Verantwortlichen suchen sich dann die für die Umsetzung wichtigen Menschen im Unternehmen und beginnen, möglichst iterativ, also in kurzen Schleifen, an der Umsetzung zu arbeiten. Gegen dieses Vorgehen der Strategieentwicklung und -umsetzung nicht sonderlich viel einzuwenden. Ich habe dazu schon ein paar Beiträge verfasst.

Open strategy als Kritik an der geschlossenen Strategie

Einzuwenden ist jedoch, dass der Prozess bis zur fertigen Strategie, die Strategieentwicklung also, von wenigen Menschen der Organisation allein, im mehr oder weniger stillen Kämmerlein, im Elfenbeinturm oder in der Einöde (je nach Organisation) durchlaufen wird. Hier setzt der Ansatz „open strategy“ an.

Open Strategy ist die Abkehr von der skizzierten Norm, dass Strategien immer vom oberen Management zu entwickeln sind. Open Strategy ist damit zum einen ein inklusiver und transparenter Ansatz zur Formulierung einer Strategie, bei dem möglichst alle, interne wie externe, Stakeholder der Organisation miteinbezogen werden und zum anderen ein Ansatz zur transparenten Darstellung der Strategie nach außen, um darüber wieder Feedback der Umwelt aufnehmen zu können.

Open Strategy, digitale Transformation und soziale Organisationen

Die Vorteile eines entsprechenden, meist über interne Blogs, Wikis, Enterprise Social Networks (ESN) etc., also IT-gestützten, Prozesses liegen auf der Hand: Es wird das kreative Potenzial aller an einer Organisation interessierten Stakeholder aufgegriffen und mit einbezogen. Strategische Entscheidungen haben darauf basierend deutlich mehr Rückhalt bzw. Akzeptanz im Unternehmen.

Für die hier spezifisch im Fokus stehenden Organisationen der Sozialwirtschaft ergeben sich aus einem möglichst offenen Vorgehen und einer Transparenz in der Darstellung der Strategie mindestens die Aspekte Öffentlichkeit, gesellschaftliche Veränderungen und organisationsinterne Besonderheiten sozialer Organisationen, die beachtenswert sind. Hinzu kommt noch ein kurzer Blick auf Selbstorganisation und den open strategy Ansatz.

Open strategy und öffentliche Interessen an sozialen Organisationen

So ist zum einen das Interesse der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der Politik an den Entwicklungen sozialer Organisationen von besonderer Bedeutung, da soziale Organisationen im Wesentlichen über externe Gelder, Steuergelder etc., finanziert werden. Die Frage also, welche Investitionen bspw. ein Wohlfahrtsverband in Zukunft plant, ist für mehr Menschen von Interesse, als die Frage, ob der Fliesenleger um die Ecke eine gute Auftragssituation hat. Spannend ist dies auch, da in einigen Regionen Deutschlands einzelne Wohlfahrtsverbände bzw. Soziale Träger beinahe als Monopolisten die soziale Versorgung gewährleisten und darüber auch eine enorme Arbeitsmarktrelevanz besitzen. Der Stellenabbau von Mercedes trifft Stuttgart genauso wie die neue Strategie der Caritas in Region XY die jeweilige Region beeinflusst.

Open Strategy und gesellschaftliche Entwicklungen

Zum anderen ist der Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen insgesamt zu richten: Davon ausgehend, dass an dem VUKA-Narrativ irgendwas dran ist, stellt sich die Frage, wie mit zunehmender Komplexität, die zu einer höheren Unsicherheit und Mehrdeutigkeit in Verbindung mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit führt, umzugehen ist. Ja, hier spielt auch die digitale Transformation mit rein, aber eben nicht nur. Digitalisierung, verstanden als eine Möglichkeit, das Leben der Menschen zu verbessern, existiert – gerade aus Blick sozialer Organisationen – nicht „an sich“, sondern entfaltet die Möglichkeiten in der Frage, wie wir in der Nutzung von Technologie das Leben von Menschen wirklich verbessern können. Digitalisierung ist Werkzeug, das wir für unsere Zwecke nutzen können und müssen, nicht Zweck an sich.

Kurz: Der Umgang mit Fragen gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die für Soziale Organisationen viel unmittelbarere Auswirkungen haben als für andere Unternehmen und Funktionssysteme, gelingt nur gemeinsam, im Austausch, im Abgleich der Interessen, in Kooperation, im Wir. Oder noch konkreter: Wer Digitalisierung als ein Strategiefeld der aktuellen Unternehmensstrategie formuliert oder gar eine eigene Digitalisierungsstrategie erarbeiten will, ist gut beraten, nicht die IT-Abteilung (die Digitalisierungsexperten) allein mit der Umsetzung zu beauftragen. Viel sinnvoller ist es, die Entwicklung und Veröffentlichung der eigenen Strategie mit möglichst vielen Interessengruppen gemeinsam in crossfunktionalen Teams zu verwirklichen.

Open Strategy und der Blick in Soziale Organisation

Der Blick in soziale Organisationen zeigt abschließend, dass das Interesse der Mitarbeiter* innen an den Entwicklungen der eigenen Organisation hoch und oftmals höher als in „normalen“ Organisationen ist. Hintergrund sind hier wiederum mindestens zwei Sichtweisen:

Zum einen identifizieren sich die Mitarbeiter*innen in sozialen Berufen stärker über ihren Beruf, ihre Profession. Die Berufliche Identität ist ein viel diskutierter Aspekt in der Sozialen Arbeit. Entsprechend wählerisch sind die Menschen in dem, was die Organisationen als Visionen, Strategien, Werte und Ziele nach außen vermitteln und nach innen leben. Eine Organisation in konfessioneller Trägerschaft tut gut daran, die entsprechenden Werte nicht nur ins Leitbild zu schreiben oder im Verhältnis zu Nutzer *innen, sondern auch im Verhältnis zu den eigenen Mitarbeiter*innen zu leben. Und genauso interessiert sind die Mitarbeiter*innen an der Mitgestaltung der zukünftigen Ausrichtung der Organisation.

Zum anderen findet die Wertschöpfung sozialer Organisationen als „front-line organizations“ an der Basis statt: Der Erzieher am Kind ebenso wie die Beraterin in der Drogenberatung ist Ausweis der Qualität der sozialen Organisation. Die Geschäftsführung leistet – etwas überspitzt – reine Unterstützungsarbeit, damit die Menschen an der Basis ihre Arbeit möglichst gut machen können. Die Menschen an der Basis jedoch nicht (oder kaum) in den Entwicklungsprozess der Strategie mit einzubeziehen, ist fahrlässig. Wiederum das Thema Digitalisierung als Beispiel aufgreifend ist es notwendig, die Fachkräfte mit in die Frage einzubinden, ob und wie digitale Technologien jetzt und in Zukunft zu nutzen sind. Ansonsten wird der Widerstand der Mitarbeiter* innen groß sein.

Open Strategy und Selbstorganisation

Hier noch abschließend ein weiterer Gedanke: Viele Organisationen rufen gerade händeringend nach selbstbestimmt, eigenverantwortlich oder gar autonom arbeitenden Mitarbeiter* innen. Wie jedoch sollten Mitarbeiter* innen selbstorganisiert arbeiten können, wenn ihnen eine Strategie vor die Nase gesetzt wird, an der sie nicht im Ansatz beteiligt waren? Kurz: Selbstorganisation erfordert Transparenz und Beteiligung – das gilt auch für den Prozess der Entwicklung und der Veröffentlichung der Strategie. Nur aus Transparenz und Beteiligung erfolgt dann auch selbstorganisiert Strategieumsetzung.

Die Jungs von „Corporate Rebels“ schreiben zu radikaler Tranparenz:

After visiting 100+ pioneering organizations around the globe we found radical transparency to be an important characteristic of the progressives. Simply, people are more involved, perform better, and have higher trust if their leaders foster a culture of transparency (instead of a traditional culture of secrecy).

Grenzen des open strategy Ansatzes?

Open strategy setzt – in der Entwicklung und der Verbreitung – auf Partizipation und Transparenz. Das leuchtet ein und (hoffentlich) jeder wird die skizzierten Vorteile zumindest intellektuell verstehen (was noch nicht „umsetzen“ bedeutet).

Gleichzeitig zeigt uns Corona gerade, dass viele Notwendigkeiten im Kontext der Digitalisierung sozialer Organisationen „unter Zwang“ umgesetzt wurden. Partizipation war angesichts der unmittelbaren Notwendigkeit der Umstellung auf Distanz, Homeoffice etc. ein irgendwo im Hinterkopf schlummerndes Konzept, das jedoch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stand. Daraus folgt zumindest die Frage, wo strategische Entscheidungen ohne Beteiligung umzusetzen und die Schmerzen und den Widerstand auszuhalten sind, um dafür wirklich einige Schritte weiterzukommen?

Anders gewendet zeigt sich jedoch, dass Veränderungen, auch und gerade strategische, langfristige und umfassende Veränderungen, immer einen Anlass, ein Anliegen bzw. ein echtes Problem brauchen:

Wir können noch so lange über Digitalisierung reden und theoretisch Digitalisierungsinitiativen fordern. Wenn es eigentlich noch kein Problem gibt, Veränderung also auf Einsicht basieren muss, wird es nicht leicht. Wenn also Kostenträger keine Finanzierung von digitaler Infrastruktur ermöglichen, die Mitarbeiter* innen im Studium kein Wort zur Digitalisierung hören, die Organisationen Faxe verschicken usw. bleibt unklar, warum Digitalisierung wichtig sein sollte. Erst dann, wenn das Problem jedoch unmittelbar an die Tür klopft, wird es notwendig, sich wirklich zu bewegen.

Und dann wiederum macht es mehr Sinn, sich gemeinsam, offen und transparent zu bewegen. Das kann man bspw. durch open strategy Ansätze im Kleinen wie im Großen lernen.

Und wie jetzt?

Abschließend wird in Blogs ja immer gefordert, irgendwelche Handlungsanleitungen mit an die Hand zu geben. Das ist berechtigt, jedoch angesichts der Komplexität des Feldes kaum erfolgsversprechend. So sehe ich auf die Frage „Und wie jetzt?“ die Antwort „Kommt drauf an!“ als leider passend an. Denn es kommt an auf

  • Eure Organisation: Wer seid ihr? Wohin wollt ihr? In welcher Umwelt agiert ihr?
  • die Kultur Eurer Organisationen: Wie offen lebt ihr Beteiligung bislang?
  • Strukturen und bisherige Strategien: Wie funktioniert ihr als Organisation? Wie digital seid ihr?
  • die Zukunft: Wie transparent, partizipativ und offen wollt ihr sein? Und warum überhaupt?

Im bereits zitierten Beitrag auf dem lesenswerten Blog „Corporate Rebels“ heißt es als abschließender Tipp sehr passend:

„Pioneering organizations believe radical transparency is vital, at all levels of the organization and on almost all topics. The starting point is simple: all information should be made public.“

Radical Transparency: Powerful Example of How to Fight a Toxic Workplace

Das ist einfach(er gesagt als getan): Alles öffentlich machen. Und damit auch die Strategie! Auf geht’s…

Und mehr folgt hoffentlich in weiteren Beiträgen zum Thema…


Wie läuft die Strategieentwicklung und -umsetzung bei Euch ab? Wo seht ihr Chancen und Möglichkeiten eines entsprechend offenen Ansatzes der Strategieentwicklung? Und wo sind Grenzen? Diskutiert gerne hier im Blog oder sonstwo im Netz… 😉

Hier könnt ihr Euch übrigens an einen kleinen Austausch zum Thema bei Twitter beteiligen (open, halt…):

Zitiervorschlag: Epe, Hendrik (2020): „Open Strategy in der Sozialwirtschaft“. In: IdeeQuadrat – Beratung, Entwicklung, Inspiration. (Abgerufen unter: https://www.ideequadrat.org/open-strategy-sozialwirtschaft/)

Zwischen Hoffnung und Schuld: Widersprüche in der Führung sozialer Organisationen

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In den letzten Wochen und Monaten habe ich in verschiedenen Veranstaltungen die Frage behandelt: Wie gelingt Führung sozialer Organisationen? Hinzu kamen aktuell Ergänzungen wie „in der Krise“ oder „digitale Führung“ oder ähnliches. Alle Veranstaltungen waren (aus meiner Sicht zumindest) sehr zufriedenstellend: Wir konnten gemeinsam Führung reflektieren, Herausforderungen für die jeweiligen Organisationen ansprechen und konkrete Stolpersteine und Möglichkeiten eruieren. Und ja: Das geht auch digital (auch wenn der Fokus der Videokonferenzen echt zehrt).

Was ist direkte und indirekte Führung?

Das Subsidiaritätsprinzip als handlungsleitendes Prinzip zur Gestaltung zeitgemäßer sozialer Organisationen

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Meine These seit Beginn der Beschäftigung mit der Gestaltung sozialer Organisationen lautet: Soziale Organisationen sind (eigentlich) perfekte Organisationen, um den Herausforderungen gesellschaftlichen Wandels gewachsen zu sein.

Diese These begründet sich zum einen aus den vielfältigen Anforderungen unterschiedlichster Funktionssysteme, denen sich soziale Organisationen als pluralistische Organisationen gegenüber sehen: Soziale Organisationen müssen den Anforderungen des Wirtschaftssystems und des Politik- sowie Rechtssystems ebenso gerecht werden wie – je nach Arbeitsfeld – den Anforderungen des Bildungssystems oder des Gesundheitssystems. Ein Umgang mit dieser Komplexität kann nur gelingen, wenn die Organisationen nicht einem klassischen, zweckrationalen Organisationsverständnis folgen.

Zum anderen begründet sich die These durch die Art der Organisationen als „front-line organizations“: Auch wenn der Begriff arg nach militärischer Logik klingt, sagt er nur aus, dass die Wertschöpfung der Organisationen durch die Professionellen unmittelbar an der Basis erfolgt: Geschäftsmodelle Sozialer Organisationen (ja, sowas gibt es) basieren nicht auf der angeblich herausragenden Arbeit der Führungskräfte und schon gar nicht auf Maschinen oder digitalen Technologien, sondern auf der Arbeit von Menschen mit Menschen, in der Beziehung, im direkten Kontakt. Maschinen, digitale Technologien ebenso wie die Führung können (und müssen) Unterstützung leisten, damit die Arbeit bestmöglich umgesetzt werden kann.

Daraus folgt, dass Soziale Arbeit – wenn sie denn erfolgreich sein soll – nur durch selbstorganisierte, möglichst autonom agierende Teams gelingen kann: Die Menschen an der Basis entscheiden selbst, was in der jeweiligen Situation gut und richtig ist. Sie orientieren sich an ihrer Profession, ihrer persönlichen Haltung sowie an organisationalen Prinzipien.

Selbstorganisation wiederum ist eins der wesentlichen Prinzipien zeitgemäßer und damit „agiler“ (im Sinne von anpassungsfähiger) Organisationen. Die anderen Prinzipien sind – mit Blick auf die Menschen – Ganzheitlichkeit und – mit Blick auf die Vision – der organisationale Sinn. Ich habe bereits hier ausgeführt, warum Selbstorganisation, Ganzheitlichkeit und Sinn nicht nur als Prinzipien für zeitgemäße Organisationen, sondern auch als grundlegend für gelingende soziale Organisationen gelten können.

Subsidiarität als Grundprinzip der Selbststeuerung

Meine o.g. These wird – drittens – unterstützt durch das die Arbeit sozialer Organisationen prägende Subsidiaritätsprinzip. Jeder Studierende der Sozialen Arbeit lernt im ersten Semester wenn nicht die Bedeutung, so zumindest das Wort „Subsidiaritätsprinzip kennen. Zur Wiederholung des im Studium hoffentlich Gelernten:

„Das S.sprinzip ist ein Strukturprinzip einer freiheitlichen und menschenwürdigen Staats- und Gesellschaftsordnung. Es verpflichtet den Staat ebenso zur Aktivität wie zur Selbstbeschränkung. Es verpflichtet ihn zur Hilfe für die kleineren und untergeordneten Gliederungen (Länder, Kreise, Kommunen, Selbstverwaltungseinrichtungen), um der einzelnen Bürger und der Familien willen, aber es verbietet ihm auch die Intervention in deren Aufgaben, wenn diese sie aus eigenen Kräften erfüllen können. Können sie diese Aufgaben aus eigenen Kräften nicht erfüllen – z. B. im Bildungs- oder Sozialbereich – dann verpflichtet das S.sprinzip den Staat darüber hinaus, diese Aufgaben nicht gleich an sich zu ziehen, sondern Wege zu suchen, auf denen sich die Selbsthilfekräfte stärken lassen. Dem S.sprinzip eignet also eine positive, den Staat aktivierende, und eine negative, ihn abwehrende und zugleich vor Überforderung schützende Dimension. Beiden Dimensionen zugleich gerecht zu werden, ist das dauernde und häufig kontroverse Geschäft der Politik.“ (Spieker M. (2020): Subsidiarität).

Für mich ist insbesondere spannend, dass es dem Staat verboten ist, in die Arbeit und die Aufgaben der untergeordneten Teilsysteme einzugreifen, wenn diese sie aus eigenen Kräften erfüllen können. Wenn jedoch die eigenen Kräfte nicht ausreichen, wird die übergeordnete Stelle (der Staat, in diesem Fall) verpflichtet, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben: Die untergeordnete Stelle wird darin unterstützt, selbstbestimmt und autonom handeln zu können.

Übertragen auf Organisationen lässt sich festhalten, dass es unter Voraussetzung des Subsidiaritätsprinzips nicht rein selbstorganisierte Organisationen geben muss (und kann). Es ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass die an der Basis agierenden Kräfte von der übergeordneten Ebene darin unterstützt werden (sollten), sich selbst zu helfen – sofern sie ihre eigenen Aufgaben nicht allein bewältigen können.

Das Subsidiaritätsprinzip verlangt dienende Führung

Führung wird damit zur „dienenden Führung“: einer Führung also, die die Menschen an der Basis, dort, wo die Wertschöpfung sozialer Organisationen stattfindet, unterstützt, damit sie ihre Arbeit autonom und selbstbestimmt und damit bestmöglich machen können.

Gerade in Zeiten von Corona, von Lockdown und Homeoffice wird dies vielen Führungskräften schmerzlich bewusst: In der operativen Arbeit werden sie nicht gebraucht. Gebraucht werden sie aber, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Arbeit auch unter erschwerten Bedingungen gut gelingen kann. Das kann die strategische Weiterentwicklung der Organisation bedeuten. Das kann aber auch bedeuten, einfach mal Pizza und Bier zu bestellen. Und im einfachsten Fall kann es bedeuten, den Mitarbeiter*innen zu vertrauen und einfach mal nichts zu tun. Wie im Subsidiaritätsprinzip angelegt:

Es ist der übergeordneten Stelle verboten, in die Arbeit und die Aufgaben des untergeordneten Teilsystems einzugreifen, wenn dieses die Arbeit aus eigener Kraft erfüllen kann.

Das Kapital sozialer Organisationen

Abschließend sei nur noch der Verweis darauf gestattet, dass es – nicht nur mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip – jeder Führungskraft mehr als einleuchten sollte, dass das wirkliche Kapital jeder sozialen Organisation bei den Menschen an der Basis liegt.

Die Menschen, die Sozialarbeiter* innen, die Pflegekräfte, die Erzieher *innen, sind in ihrer Entwicklung so zu unterstützen, dass sie ihre Arbeit bestmöglich, selbstbestimmt und autonom erledigen können. Das jedoch zeigt sich leider nicht in allen sozialen Organisationen, geschweige denn in der gesellschaftlichen Wertschätzung dieser Berufsgruppen. Klatschen allein hilft hier nicht.

Quo Vadis IdeeQuadrat Podcast: Soziale Arbeit der Zukunft vs. Zukunft der Sozialen Arbeit!?

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Nur ein kurzer Zwischenruf, der die Frage beantworten soll: Wie geht es mit meinem Podcast weiter, wenn wir irgendwann wieder in eine wie auch immer geartete „Post-Corona-Normalität“ zurückkehren?

Ich nutze den Blog hier ja immer wieder als Lernraum, um meine eigenen Gedanken zu sortieren. Das müsst ihr dann ausbaden, in dem ihr meine nicht immer ausgegorenen Gedanken ertragen müsst 😉 Nein, ernsthaft: Ich habe in den ersten Tagen des Lockdowns in meinem Keller gesessen und mit dem Podcast neu begonnen, wie ich es immer mal wieder tue. Ich habe damit angefangen, Menschen zu interviewen, von denen ich glaube, dass sie etwas zu sagen haben. Ich habe dabei zunächst einen Fokus auf den Umgang mit der Corona-Krise gelegt: Wie reagieren Entscheider* innen der Sozialwirtschaft auf die aktuellen Entwicklungen? Aber schon bei den bisherigen Folgen ist festzustellen, dass die angesprochenen Themen mindestens aus zwei Perspektiven weit über eine „Krise“ hinausreichen:

Das innere Team in der Krise

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Welche Partei wählst Du? Klar, musst Du hier nicht beantworten, aber mir fällt auf, dass ich es zunehmend schwerer finde, eine einfache Antwort auf die gestellte Frage geben zu können: Grundsätzlich stimme ich vielen Positionen der Grünen zu. Gleichzeitig erachte das Engagement der FDP für die Unterstützung von Selbständigen als sinnvoll. Schön wäre, wenn die FDP irgendwas mit liberaler Politik zu tun hätte, dann wäre ich wahrscheinlich noch mehr bei ihr. Gleichzeitig kann ich in ein paar Punkten die Positionen der Linken unterstützen. Entsprechend schwer fällt mir die Antwort.

Genauso schwer fällt mir die Antwort auf die Frage „Wie geht’s Dir eigentlich?“

Inspect and Adapt, oder: Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die (Zeit nach der) Krise

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In der Coronakrise wird alles auf den Kopf gestellt: Menschen müssen von zu Hause arbeiten, auch wenn die eigene Organisation nicht im Traum daran gedacht hat, ein HomeOffice Konzept zu erarbeiten. Die Digitalisierung und selbst die Digitalisierung der Sozialen Arbeit, bekommt unfreiwillig einen Boost, den wir mit noch so vielen Vorträgen und Workshops nicht hinbekommen hätten. Menschen müssen Menschen „remote“, also aus der Distanz beraten, begleiten, schützen, fördern, obwohl der analoge Beziehungsaufbau eines der wesentlichen Werkzeuge sozialer Arbeit war, ist (und aller Voraussicht nach bleibt).

Zwangsagilisierung führt zu neuer Organisationskultur

Das ist alles spannend, schön und nett und funktioniert sogar so beängstigend gut, dass wir nach der Krise nicht wieder einfach so zur 8-Stunden Präsenz am Schreibtisch im Büro zurückkehren können, nur damit der Chef oder manchmal auch die Chefin das eigene Gefühl bestätigt sieht, die Schäfchen im Trockenen zu haben aka die Angestellten vor den Bildschirmen sitzen zu sehen.

Auch langwierige, Kaffee- und Keks-geprägte Teamsitzungen, die besser eine E-Mail geworden wären, lassen sich zukünftig nur noch schwer realisieren, wenn es gleichzeitig möglich ist, Veranstaltungen der Sozialen Arbeit mit mehr als 200 Teilnehmer*innen zielführend und komplett online durchzuführen.

Die durch die Krise geforderte Zwangsagilisierung der Organisationen wird neue Organisationskulturen hinterlassen, sofern, ja, sofern die Organisationen noch bestehen.

Denn – auch wenn es hart ist – wird auch dies in der Krise deutlich: Organisationen, die schon vor der Krise hinsichtlich ihrer ökonomischen Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells „auf Kante genäht“ waren, werden nach der Krise nicht mehr existieren. Das trifft, so hart es ist, nicht nur lustige StartUps in Berlin, sondern auch soziale Organisationen.

Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die Zeit nach der Krise

Entsprechend ist es schon jetzt, während der Krise, relevant, aktuelle, in der Krise aufkommende Probleme anzugehen und Strategien sowie Strukturen Ihrer Organisation für die Zeit nach der Krise, für morgen und übermorgen, zu gestalten.

Das klingt jedoch einfacher als die Bearbeitung dann in der Realität ist.

Denn bislang musste Strategieentwicklung doch irgendwie ein langwieriger Prozess sein, der immer in einer Hochglanzbroschüre endet, die niemand liest, geschweige denn die darin enthaltenen Aspekte umsetzt, oder?

Aktuell brauchen wir eine andere, eine kompakte und radikal lösungsorientierte Vorgehensweise der Strategie- und Organisationsentwicklung.

Strategieentwicklung und -umsetzung anhand von „Inspect and adapt“

Sehr einfach formuliert (und mehr ist es auch tatsächlich nicht) lässt sich das Vorgehen an dem Scrum-Event „Inspect and Adapt“ orientieren:

In diesem Event in der agilen Methode Scrum prüft (inspect) das Team nach jedem Sprint, also jeder iterativen Schleife, wo es aktuell steht und was erreicht wurde. Dabei werden Aspekte deutlich, die zu verbessern sind, noch fehlen, die Schmerzen bereiten oder auch unbedingt in die Zukunft geführt werden sollten.

Entsprechend werden Maßnahmen zur Umsetzung der Veränderungen vereinbart (adapt).

Dieses einfache Vorgehen lässt sich für die Strategie- und auch einige Aspekte der Organisationsentwicklung wie folgt adaptieren (adapt, haha…):

1. Den Status Quo und aktuelle Erkenntnisse erfassen (inspect)

Das klingt immer so lapidar: Natürlich bist Du als Führungskraft im Status Quo drin. Du siehst doch das Chaos um dich herum. Und von Problemen hast Du echt genug. Warum also damit beginnen, den Status Quo und damit die Erkenntnisse (ein anderes Wort für Probleme, aber eben auch für Innovationen) zu erfassen?

Weil es enorm wichtig ist, gerade in der Krise (oder spätestens kurz danach) einen Schritt zurück zu treten und genau zu beleuchten, was denn jetzt gerade vorgefunden wird. Hilfreiche Fragen dazu sind:

  • Wie sieht der Status Quo aus?
  • Wo genau liegen unsere aktuellen Schwierigkeiten und Probleme?
    • Als hilfreiches Tool zur Orientierung greife ich in Beratungen gerne auf das St. Galler Management Modell zurück, da es sehr ganzheitlich die Organisation in den Blick nimmt und nichts vergessen wird.
    • Leistungserbringung (bspw. Geschäfts-, Führungs- und Unterstützungsprozesse, Strategie, Struktur, Personal, finanzielle Ressourcen…)?
    • Anstehende Entscheidungen (bspw. bezogen auf das Personal, auf Investitionen, Projekte, zeitliche Fristen…)
    • Interne Kommunikation (bspw. Meetingkultur, Home Office…)
  • Was läuft gerade außerordentlich gut (bspw. Solidarität, Kooperation)?
  • Lassen sich Muster erkennen?

Praxistipp: Wo sammelt ihr in deiner Organisation aktuelle Fragen, Probleme und neue Ideen, die nicht unmittelbar angegangen werden können, aber auch nicht verloren gehen dürfen?

Da Du jetzt sicherlich irgendwie digital arbeitest, macht es Sinn, an einem Ort (bspw. in deinem Notizprogramm, Evernote, OneNote o.ä. oder als Team) eine Themensammlung aufzumachen. Diese kann beim nächsten Strategiereview durchgegangen werden.

2. Ableitung von Hypothesen

Spannungen, Probleme, Herausforderungen aber auch neue Praktiken und Innovationen gibt es gerade angesichts der aktuellen Krise zuhauf. Diese, positiven wie negativen, teilweise Widersprüchen Entwicklungen, zu erkennen, ist gut und wichtig. Ohne Konflikte und Dissens jedoch ist das Treffen von guten Entscheidungen schwer möglich.

  • Aber wie stehen die Herausforderungen und Konflikte, die Spannungen etc. zu Ihrer Arbeit, zu Deiner Organisation oder noch globaler: zum Zweck der Organisation?
  • Und was lässt sich daraus ableiten? Was ist zu tun, um die Probleme zu bewältigen und was ist zu tun, um die Innovationen zu bewahren? Und natürlich:
  • Welche Chancen lassen sich erkennen und welche Lösungsansätze werden gesehen?

Diese Fragen sind Teil des 2. Schritts:

Der Bewertung der unter Schritt 1 gewonnenen Aspekte und der Ableitung daraus gewonnener Erkenntnisse, neuer Ideen und Praktiken.

Dabei ist es relevant, jede Spannung, Herausforderung und neue Idee kurz in den Blick zu nehmen und eine Hypothese abzuleiten: „Wenn wir dies tun, passiert dies.“ „Wenn dieses Szenario eintritt, kommt es zu folgenden Auswirkungen.“ „Wenn wir uns um dieses Thema nicht kümmern, passiert dies.“ Es gilt hier, verschiedene Szenarien, Ideen für den jeweiligen Aspekt, zu entwickeln.

Und auch dieser Schritt muss nicht in langen Diskussionen enden, sondern kann sehr schnell gehen 😉

3. Iterativ testen, was wie wirklich wirkt (adapt)

Für die in Schritt 1 gesammelten und anhand der Kategorien des St. Galler Management Modells systematisch geordneten durch die Krise entstandenen Aspekte, die sich ggf. auch in Clustern abbilden lassen, wurden in Schritt 2 Hypothesen gebildet, die in Schritt 3 getestet werden:

  • Treten die in den Hypothesen formulierten Vorannahmen ein oder nicht?
  • Welche erwünschten oder auch unerwünschten Nebenwirkungen treten ein?
  • Welche überhaupt nicht berücksichtigten Wirkungen treten ein?
  • Was lässt sich daraus ableiten?

Um aber diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig, für die einzelnen Themenbereiche Verantwortliche festzulegen, die sich um die Umsetzung der Themen kümmern. Wieder mache ich gerne den Vergleich zu Scrum auf: Die Verantwortlichen lassen sich mit den „Product Ownern“ vergleichen: Sie müssen nicht selbst das Ergebnis umsetzen, sondern sind vielmehr verantwortlich dafür, dass die Umsetzung angemessen und im Sinne der Organisation läuft.

Die Verantwortlichen sollten sich ein passendes Team suchen, das die für die Umsetzung notwendigen Kompetenzen mitbringt. Hier macht es deutlich mehr Sinn, auf Freiwilligkeit zu setzen. Zwang senkt die Motivation, aber dazu muss man nicht so viel sagen.

Du solltest nur ebenfalls bei den sog. „Zuständigkeiten“ vorsichtig sein. Derjenige, der für Thema XY zuständig ist, muss in der aktuellen Krise nicht der Beste für das Thema sein. Denn aktuell werden viele Einrichtungen so durchgeschüttelt, dass sich auch die angeblich strukturgebenenden Zuständigkeiten neu mischen (müssen).

Wer für was zuständig ist, lässt sich nicht mehr einfach sagen. Und diese Unsicherheit gilt es auszuhalten.

(Virtuelle) Rahmenbedingungen

Kurzzeitstrategie

Noch ein paar kurze Infos, wie ich die Begleitung bei den vorgestellten Punkten aktuell online sicherstelle (was natürlich auch einfach kopiert werden kann ohne Begleitung):

Da analoge Treffen aktuell eher schwer möglich sind und im kompletten Führungskreis einer Organisation auch nicht sinnvoll erscheinen, arbeite ich natürlich digital. Die Möglichkeiten sind faszinierend und – ein paar Aspekte (stabiles Netz bspw.) vorausgesetzt, nicht so kompliziert.

Ich arbeite mit Bluejeans als tool für die Videokonferenz. Parallel dazu baue ich eine Online-Whiteboard mit Mural, einer für die Basics kostenfrei gut nutzbaren App zur Visualisierung von Arbeitsergebnissen.

Damit gelingt die Kommunikation mit Blick in die Augen und gleichzeitig die Visualisierung der Diskussion und der Ergebnisse.

Zeitlich sind aus der bisherigen Erfahrung Sitzungen mit drei Mal zwei Stunden Länge sinnvoll: Zwei Stunden sind lang genug, um einzuchecken, Nebengespräche zu führen und gut digital zu arbeiten. Sie sind aber auch kurz genug um die Fokussierung, die bei den Videokonferenzen krass ist, aufrecht zu erhalten. Und die Durchführung anhand von drei Sitzungen ermöglicht die Reflexion zwischen den Sitzungen.


Macht das für Deine Organisation Sinn? Dann kurz anrufen oder ne Mail schreiben. Ich freu mich auf Dich und Deine Einrichtung!

Mitarbeitergespräche in der Krise – muss das?

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Zum Thema Mitarbeitergespräche bin ich persönlich zwiegespalten.

Auf der einen Seite ist es irgendwie sehr befremdlich, einmal im Jahr mit seinen Vorgesetzten zu sprechen und basierend auf diesem Gespräch zu überlegen, wie es das nächste Jahr weitergehen soll.

It’s Time for New Work!

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Ist es im Zuge der Corona-Krise gerade etwas ruhig geworden um das Thema New Work?

Ach ja, kurz:

Man darf und durfte New Work noch nie mit der Gestaltung von Organisationen verwechseln, auch wenn – davon bin ich auch immer noch überzeugt – Werthaltungen, die hinter dem New Work Konzept stecken, mehr als hilfreich für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen sind:

Demut

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Ich sitze am Schreibtisch, den ich so oft schon genutzt habe für die Möglichkeiten, meine Gedanken zu formulieren, oftmals unfertige Gedanken, neue Ideen, offene Projekte und vieles mehr. Seit ein paar Tagen nutze ich den Schreibtisch viel mehr als sonst. HomeOffice, wie bei vielen von Euch.

Dafür bin ich mehr als dankbar: Ich kann von zu Hause aus arbeiten, bin dafür eingerichtet und habe dies auch vor Corona getan. Ich bin auch dankbar dafür, dass nicht mein komplettes Geschäft einbricht und ich noch einige digitale Projekte beenden kann, einige Anfragen für die digitale Begleitung und Moderation von Krisenmeetings und Hilfestellungen annehmen kann und mich dazu auch technisch gerüstet fühle.

Gleichzeitig sitze ich vor den Nachrichten, dem Computer, vor Twitter und allen möglichen anderen Kanälen und fühle mich wie das Kaninchen vor der Schlange:

Workshop Digitale Transformation? So, und doch anders!

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Nach den tollen Anregungen, die ich von Euch auf meinen Tweet zur Frage der Gestaltung eines zweitägigen Workshops zur Digitalen Transformation in einem sozialen Träger bekommen habe, will ich hiermit einen kurzen „Review“ des Workshop Digitale Transformation versuchen.