Das Leben ist eins der Schwersten. Als Entscheider*in, als Führungskraft und Managerin ist es heute mehr als relevant, „die“ Digitalisierung auf dem Schirm zu haben. Sie brauchen digitale Kompetenz als Mensch, Sie brauchen Digitale Führungsfähigkeiten im Sinne eines digital leaderships, Sie müssen digital kommunizieren und selbstverständlich muss Ihre Organisation digital fit sein – whatever that means – um in der digitalen Transformation nicht unterzugehen. In diesem Gewusel habe ich selbst vor Kurzem noch geschrieben, dass es digitaler Strategien für Ihre Organisation bedarf und ich stehe immer noch dazu. Sogar auf meinem Laptop steht der Spruch „Digitalisiert’s eich!“
Und gleichzeitig schreibe ich hier, dass der Fokus auf das Thema Digitalisierung gefährlich sein soll?
Der Fokus auf die Digitalisierung allein ist gefährlich?
Spätestens hier bedarf es einer Erläuterung:
Wie bereits des Öfteren betont, stehen (nicht nur) soziale Organisationen heute vor der Herausforderung, die sich ergebenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse und gleichzeitig die branchenspezifischen Wandlungsprozesse „zu bewältigen“ (bewältigen klingt so, als wäre es wie ein Berg, der irgendwann bestiegen ist).
Das war im Übrigen schon immer so, jedoch erhöht die digitale Transformation den Druck auf alle Bereiche, da – als ein Beispiel – neue Geschäftsmodelle einfacher und schneller umzusetzen sind.
Als ein Beispiel ist die Überlegung, die auf viele Träger verteilte, dezentral organisierte offene Kinder- und Jugendarbeit in Freiburg mit einer guten, an das Buurtzorg-Modell angelehnten Struktur zu disrupieren, nicht so weit von der Realität entfernt. Digitalisierung ist dabei insofern notwendig, als die Organisation durch ein ESN – ein Enterprise Social Network – zusammengehalten werden muss.
Andere Beispiele sind natürlich Plattformen wie betreut.de o.ä., die vormals originäre Leistungen sozialer Träger kundenorientiert und marktkonform anbieten. Hier finden sich inzwischen viele verschiedene Ideen und gute Projekte, wie soziale Organisationen selbst versuchen, digitale, innovative Wege zu beschreiten.
Und gleichzeitig zeigt sich schon hier, dass der Fokus auf das Thema Digitalisierung allein nicht ausreichend ist, um soziale Organisationen zeitgemäß gestalten zu können.
Beispiel Innovation: Es braucht mehr als flache Hierarchien
Meine damalige Master-Thesis zur Frage, wie es sozialen Organisationen trotz begrenzter Mitteln gelingen kann, ihre Innovationsfähigkeit zu steigern, habe ich auf dem systemisch orientierten, ganzheitlichen St. Galler Management Modell aufgebaut.
Das St. Galler Modell unterscheidet die sechs Grundkategorien
- „Umweltsphären“,
- „Anspruchsgruppen“,
- „Interaktionsthemen“,
- „Ordnungsmomente“ (Strategie, Struktur, Kultur),
- „Prozesse“ sowie
- „Entwicklungsmodi“,
die aus organisationstheoretischer Sicht die verschiedenen Organisationskontexte aufzeigen, in denen ein Unternehmen als komplexes soziales System eingelagert ist.
Die Steigerung der Innovationsfähigkeit – das als ein sehr naheliegendes Ergebnis der Arbeit – bedarf viel mehr als den alleinigen Fokus auf eine losgelöste Grundkategorie.
So ist der Fokus auf das Ordnungsmoment „Struktur“ der Organisation selbstverständlich wichtig: Wenn die Hierarchien flacher sind, steigt die Möglichkeit neuer Lösungen, da die Mitarbeiter*innen selbstorganisierter zusammenarbeiten müssen und jeder einzelne mehr Verantwortung übernimmt.
Der alleinige Fokus auf den Abbau der Hierarchien jedoch trägt die Gefahr in sich, das Konfliktpotential in der Organisation enorm ansteigen zu lassen: Wer ist denn eigentlich zuständig und wer entscheidet denn jetzt? Einen spannenden Podcast zur Entscheidungsfrage in flachen Hierarchien findet sich hier. Die Mitarbeiter*innen haben zwar gute Ideen, kommen aufgrund interner Konflikte jedoch kaum zur Umsetzung.
Kurz: Zur Steigerung der Innovationsfähigkeit bedarf es mehr als der Abeit an einem Ordnungsmoment der Organisation.
Digitalisierung: Same, same, but different!
Und genauso so ist es mit der Digitalisierung:
Wenn der Fokus der aktuellen Bemühungen rein auf der Frage liegt, wie sich Ihre Organisation „digitalisieren“ lässt, wie Sie den nächsten Prozess digitalisieren und wie Sie innerhalb Ihrer Organisation und nach außen kommunizieren, verlieren Sie viele relevante Aspekte aus dem Blick, die mindestens ebenso wichtig sind. Der reine Fokus auf die Grundkategorie Prozesse – um das obige Modell aufzugreifen – ist zu kurz.
Wenn Sie daran interessiert sind, wie Sie Ihre Organisation zeitgemäß gestalten, dann muss sich der Blick über die Digitalisierung hinaus weiten.
Strategieentwicklung für zeitgemäße Organisationen als Beispiel
Das wird an Ihrer Organisationsstrategie sehr deutlich:
Ja, es ist wichtig, eine Digitalstrategie für Ihre Organisation zu entwickeln. Diese Digitalstrategie muss jedoch eingebunden sein in die Gesamtstrategie Ihrer Organisation.
Und der Blick auf die Gesamtstrategie zeigt, dass Digitalisierung ein strategischer Baustein ist, oder besser: sein sollte! Aber eben nur ein Baustein.
Die Strategie der Organisation in Zeiten eines radikalen Fachkräftemangels ohne den Bereich „Personal“ zu denken, ist mehr als gefährlich (wenn Sie nicht so enden wollen, wie die öffentliche Verwaltung in manchen Teilen).
Und das Thema „Nachhaltigkeit“ ist – als weiteres Beispiel – ebenfalls hochgradig relevant und bezieht nicht nur (aber bitte auch) die Aspekte verstärkten Umweltschutzes mit ein, sondern auch die finanzielle Nachhaltigkeit zur Sicherung des Überlebens der Organisation.
Weitere Themen gefällig: Wie wollen Sie führen? Welche politischen, technologischen, ökonomischen und rechtlichen Herausforderungen steht Ihre Organisation neben den technologischen Herausforderungen gegenüber? Wer sind Ihre Stakeholder heute? Wer sind zukünftige Stakeholder? Welche Produkte und Geschäftsmodelle gehen Sie in Zukunft an?
All diese Fragen müssen in der Gestaltung der strategischen Ausrichtung Ihrer Organisation ihre Berücksichtigung finden.
Und eben nicht nur die technologischen bzw. digitalen Fragen – auch und gerade wenn es aktuell in manchen Diskussionen so scheint, als wäre Digitalisierung das einzig relevante Thema!
How to Strategieentwicklung für zeitgemäße Organisationen 😉
Aber wie gehen Sie am Besten vor, wenn tausend Themen Ihre Aufmerksamkeit erfordern, aber gleichzeitig die zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen begrenzt sind? Wie gelingt Strategieentwicklung und übergreifend die Entwicklung zeitgemäßer Organisationen über die den Fokus auf die Digitalisierung hinaus? Und wie gelingt die Strategieumsetzung? Denn daran hapert es in vielen Organisationen… Oder wissen Sie eigentlich, was in der Strategie Ihrer Organisation stand?
Diese und mehr Fragen werde ich in den nächsten Beiträgen hier aufgreifen.
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