Nur ein kurzer Zwischenruf, der die Frage beantworten soll: Wie geht es mit meinem Podcast weiter, wenn wir irgendwann wieder in eine wie auch immer geartete „Post-Corona-Normalität“ zurückkehren?
Ich nutze den Blog hier ja immer wieder als Lernraum, um meine eigenen Gedanken zu sortieren. Das müsst ihr dann ausbaden, in dem ihr meine nicht immer ausgegorenen Gedanken ertragen müsst 😉 Nein, ernsthaft: Ich habe in den ersten Tagen des Lockdowns in meinem Keller gesessen und mit dem Podcast neu begonnen, wie ich es immer mal wieder tue. Ich habe damit angefangen, Menschen zu interviewen, von denen ich glaube, dass sie etwas zu sagen haben. Ich habe dabei zunächst einen Fokus auf den Umgang mit der Corona-Krise gelegt: Wie reagieren Entscheider* innen der Sozialwirtschaft auf die aktuellen Entwicklungen? Aber schon bei den bisherigen Folgen ist festzustellen, dass die angesprochenen Themen mindestens aus zwei Perspektiven weit über eine „Krise“ hinausreichen:
Herausforderungen durch kontinuierlichen Wandel
Zum einen befanden wir uns auch vor der Krise in einer gesellschaftlichen Umbruchsituation. Nicht umsonst gab es Begriffe wie die „VUCA-Welt“, die sich an einer zunehmenden Komplexität und hohen Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen festmachen, und das nicht erst seit gestern:
„Die Geschwindigkeit der Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft steigt unaufhaltsam; der Anpassungsdruck auf Unternehmen und Institutionen nimmt ständig zu.“
Next Practice (Peter Kruse, 2004, 11)
Hier sei allein der „Megatrend“ Digitalisierung erwähnt, um die Auswirkungen auch auf die Sozialwirtschaft zu verdeutlichen:
„Der digitale Wandel wird die Gesellschaf und damit auch die Sozialwirtschaft (…) entscheidend prägen“
Helmut Kreidenweis (Hrsg.): Digitaler Wandel in der Sozialwirtschaft. Grundlagen – Strategien – Praxis. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2018.
Und übergreifend bringt Wolf-Rainer Wendt die Herausforderungen des kontinuierlichen gesellschaftlichen Wandels und die darin liegenden Chancen für die Soziale Arbeit wie folgt auf den Punkt:
„Die Hilfestellung passt sich den Lebenslagen im Wandel an. Die generalistische Natur der Profession [Sozialer Arbeit] bewährt sich bei dieser Anpassung des Sorgens und der Versorgung. Soziale Arbeit zeichnet sich nicht durch die Spezifik der Probleme aus, mit denen sie beschäftigt wird, sondern in der wissenschaftlich reflektierten und ethisch fundierten Wahrnehmung dessen, was sozial gefragt ist. Daraus – bei aktuellen und in dauernden Herausforderungen – gewinnt die Profession ihren Auftrag.“
W. R. Wendt (2020, 57): Kurze Geschichte der Sozialen Arbeit, Springer, Wiesbaden.
Wir sind VUKA-Profis, sag ich doch 😉
Herausforderungen durch die Krise
Zum anderen werden die sozialen Themen nicht abreißen. Im Gegenteil: Die Herausforderungen, die uns durch die Corona-Krise auch und vor allem im Sozial- und Gesundheitswesen „beschert“ worden sind, werden zukünftig völlig neue Fragen aufwerfen, von denen hier nur ein paar aufgezählt werden:
- Welche Organisationen haben die Krise wie überstanden und warum?
- Welche neuen Geschäftsmodelle sozialer Organisationen lassen sich erkennen? Welche alten Modelle haben überlebt und warum?
- Welche Arbeitsfelder werden sich wie weiter entwickeln?
- Wie gelingt die Ausbildung von Menschen, die in einer zukünftigen Sozialen Arbeit arbeiten wollen?
- Wie reagiert die Politik auf die neuen Anforderungen und sozialen Problemlagen, die durch die Krise hervorgerufen werden?
- Woher soll das Geld kommen, dass wir für unsere Arbeit benötigen?
- (Wie) lässt sich Zukunft der Sozialen Arbeit ganz neu denken (und machen)?
Diese und viele, viele weitere Fragen kommen jetzt erst auf. Diese Fragen müssen neu gestellt und mögliche Antworten neu geordnet werden.
(Wie) lässt sich die Zukunft der Sozialen Arbeit ganz neu denken (und machen)?
Insbesondere an der letzten Frage bin ich hängen geblieben. Diese Frage lässt sich jedoch aus zwei Perspektiven betrachten.
Perspektive 1 ist ein „Ausgehen von dem, was wir kennen“, also die Frage: Wie sieht eine Soziale Arbeit der Zukunft aus? Damit gehe ich schon in den Grundannahmen davon aus, dass es Soziale Arbeit braucht und sie in einer ähnlichen Form, eben nur „optimiert“, weiter existiert.
Perspektive 2 weitet jedoch den Blick: Wie sieht die Zukunft der Sozialen Arbeit aus? Damit lässt sich auch eine Zukunft ohne oder eine Zukunft mit einer vielleicht völlig neuen Herangehensweise an die Lösung sozialer Probleme zumindest andenken. Denn, mal ehrlich: Warum auch nicht?
Aktuell wird soviel in Frage gestellt, dass wir den Break dafür nutzen können, auch große Fragen neu zu stellen: Brauchen wir den Kapitalismus in der Art, wie er in Deutschland existiert oder wie sähen ganz neue Ansätze aus? Brauchen wir wirklich alle Institutionen, die wir haben? Welche kann man wie verändern? Wie kann gesamtgesellschaftlicher Wandel, Transformation, gelingen? Wie retten wir die Welt? Und idealerweise ohne Blutvergießen?
Ja, für meinen Podcast ein wenig groß, die Fragen, aber grundsätzlich ließe sich doch neu denken. Und dazu will ich versuchen, mit spannenden Menschen zu sprechen – zur Zukunft der Sozialen Arbeit.
Die Zukunft der Arbeit beeinflusst die Zukunft der Sozialen Arbeit
Übrigens finde ich die Verbindung der Zukunft der Sozialen Arbeit mit der Zukunft der Arbeit insgesamt immer noch mehr als spannend:
Soziale Arbeit lässt sich nicht ohne Arbeit denken. Das zeigt sich auf der einen Seite natürlich in der Bereitstellung professioneller, personenbezogener sozialer Dienstleistungen (klingt sperrig, ist aber so). In der Sozialen Arbeit verdienen Menschen Geld mit Hilfe. Soziale Arbeit ist, wie eine Haustür zunächst Tür ist, zunächst Arbeit.
Und auf der anderen Seite fällt Soziale Arbeit nicht einfach so von den Bäumen, sondern muss finanziert werden. Da Soziale Dienstleistungen jedoch (zumindest aktuell) als öffentliche Güter durch Steuergelder ermöglicht werden, bedarf es dieser Gelder und der politischen Steuerung. Aber auch hier ließe sich neu denken und an Alternativen überlegen: Wie wäre es mit einem bedingungslosen Sozialeinkommen, mit dem sich Menschen soziale Dienstleistungen frei einkaufen können? Klar, mir sind die Grenzen bewusst, aber ähnlich wie das persönliche Budget könnten bürokratische Hürden abgebaut werden. Wichtiger aber noch wäre, dass die Inanspruchnahme von sozialen Dienstleistungen nicht mehr schambehaftet stattfindet und als persönliches Versagen, als „durch’s Netz gefallen“ gilt. Soziale Arbeit ist systemrelevant!
Wie gesagt, das ist laut gedacht, hat Lücken und muss vertieft werden. Aber da kommt der Podcast ins Spiel:
Zukunft der Sozialen Arbeit: Wer hilft beim Denken?
Wer fällt Euch konkret ein, wenn es darum geht, das Hilfesystem, angefangen von Seiten der Nutzer* innen Sozialer Arbeit über die Kostenträger, die Politik und Gesetzgebung bis hin zu den Organisationen und den Mitarbeiter* innen neu zu denken? Wer muss unbedingt eingeladen werden, damit es zukunftsweisend vorwärtsgehen kann?
Schreibt mir eure Ideen und Vorschläge doch einfach hier in die Kommentare oder per mail an he@ideequadrat.org
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