Kategorie: Organisationsentwicklung

Wie du Widerstand in Veränderungsprozessen begegnen kannst

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Klima, KI, Fachkräftemangel, neue gesetzliche Vorgaben, knapper werdende Mittel, Nachfolge usw. Die Notwendigkeit zur Veränderung in den Organisationen der Sozialen Arbeit liegt auf der Hand. Ich will hier nicht das große, leider inzwischen überstrapazierte Wort „Transformation“ in den Mund nehmen. Aber dass sich etwas bewegen muss, dass sich etwas verändern muss, im Kleinen wie im Großen, das ist klar. Immer wieder und ganz aktuell in einem Lehrauftrag zum Thema Change Management taucht die Frage auf, wie man mit Widerstand in Veränderungsprozessen umgehen kann. Widerstand wird dabei vor allem als Hindernis für Veränderungsprozesse gesehen, das es zu beseitigen gilt. Ich möchte in diesem Beitrag aber auch die Funktion von Widerstand als Ausdruck aufkommender Probleme betonen, die aktiv angegangen werden sollten. Denn neben dem Umstand, dass wir „unser Veränderungsziel schnell erreichen wollen“, wollen wir ja irgendwie auch „die Mitarbeiter:innen bei der Zielerreichung mitnehmen“. Und beide Perspektiven sind wichtig! Im Folgenden soll daher ein Überblick über die Ursachen von Widerstand in Veränderungsprozessen, die Bedeutung des Umgangs damit und praktische Strategien zur erfolgreichen Umsetzung von Veränderungen in Organisationen der Sozialen Arbeit gegeben werden.

Obwohl schon viel zu diesem Thema geschrieben wurde, nutze ich den Blog hier zum einen als eigenen Reflexionsraum, in dem ich mich mit Themen und manchmal auch noch unausgegorenen Ideen auseinandersetze. Zum anderen dient der Blog aber auch als Material- und Methodensammlung, auf die Du bei deinen Fragen zurückgreifen kannst.

Widerstand in Veränderungsprozessen – eine Einführung

Grundsätzlich ist relevant, dass sich Organisationen als soziale Systeme „strukturell konservativ“ verhalten und erst dann verändern, „wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind, wenn sie die Grenze des Machbaren erreicht haben“ (Seliger 2022: 14f). Da Organisationen aber nicht im luftleeren Raum agieren, sondern in eine bzw. ihre sich verändernde Umwelt eingebunden sind, müssen Veränderungen entsprechend in der Organisation verarbeitet werden, da sich das soziale System Organisation sonst nicht und vor allem nicht selbst erhalten kann (vgl. näher bspw. hier).

Doch trotz der Notwendigkeit von Veränderungen lösen Veränderungsprozesse häufig Widerstände bei den Mitarbeitenden aus. Und es sollte klar sein, dass ignorierter oder falsch interpretierter Widerstand den Erfolg von Veränderungsprozessen erheblich beeinträchtigt (vgl. z.B. Schein, 2009). Die aktive Auseinandersetzung mit den Ursachen und Ausdrucksformen von Widerstand erhöht daher die Effektivität des Veränderungsprozesses und fördert zudem das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeitenden.

Aber:

Was ist Widerstand?

Es ist wichtig zu verstehen, dass Widerstand ein natürlicher Bestandteil von Veränderungsprozessen ist, aber oft negativ konnotiert wird. Hier lohnt sich eine differenzierte Betrachtung.

Von Widerstand in Veränderungsprozessen kann dann gesprochen werden, wenn ein Veränderungsvorhaben aus zunächst nicht erkennbaren Gründen bei einzelnen Personen, Teams, Gruppen oder der gesamten Belegschaft auf Ablehnung stößt, nicht nachvollziehbare Vorbehalte hervorruft oder durch passives Verhalten unterlaufen wird.

Widerstand bedeutet also zunächst einmal Verweigerung von Engagement – eine bewusste oder unbewusste Reaktion, die sich auf die Sachebene (fachlich-inhaltlich), die Beziehungsebene („die Beteiligten sind doof“) oder die Zeitebene („zu schnell, zu langsam oder aktuell unpassend“) bezieht.

Widerstand wird häufig – und vor allem von der Gegenseite – als Hindernis wahrgenommen, erfüllt aber eine wichtige systemstabilisierende Funktion, die nicht nur negativ zu sehen ist: Er hilft, den Status quo und die Handlungsfreiheit zu erhalten. In diesem Sinne kann Widerstand sogar positiv interpretiert werden, da er zunächst die Frage aufwirft, ob die Veränderung des Status quo überhaupt sinnvoll, funktional und notwendig ist.

Widerstand als Ausdruck von Unsicherheit, Informationsdefiziten oder auch unbewältigten Ängsten bedeutet jedoch nicht, dass „nichts gelernt“ wird oder die Entwicklung stagniert.

Vielmehr kann Widerstand als Vorbote von Lösungen gesehen werden – als Signal, dass die eingeschlagene Richtung möglicherweise nicht als sinnvoll empfunden wird oder noch etwas fehlt. Es ist also eine Frage der Sichtweise der Führungskraft (oder auch des/der Berater:in), ob Widerstand als Blockade oder als Chance wahrgenommen wird.

Darauf aufbauend ist es dann entscheidend, wie mit Widerstand umgegangen wird. Für das Gelingen von Veränderungsprozessen ist es daher relevant, Widerstand nicht persönlich zu nehmen, sondern als Botschaft und Kommunikationsangebot zu verstehen. Widerstand ist ein Feedback, das darauf hinweist, dass (zumindest aus Sicht der widerständigen Mitarbeitenden) Anpassungsbedarf besteht – sei es in der Kommunikation, in den Zielen, im Tempo oder in den Vorgehensweisen und Methoden des Veränderungsprozesses.

Entsprechend interpretiert und genutzt, eröffnet Widerstand somit die Möglichkeit, den Veränderungsprozess zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Widerstand aus individueller Perspektive

Um Widerstand aus individueller Perspektive zu erfassen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, welche elementaren Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sein müssen, damit Menschen „gut arbeiten“ können. Hierzu ist aus meiner Sicht das SCARF-Modell (mehr dazu hier) passend, in dem die folgenden fünf elementaren Grundbedürfnisse des Menschen definiert werden:

– Status (Anerkennung)
– Certainty (Sicherheit)
– Autonomy (Selbstbestimmung)
– Relatedness (Verbundenheit) und
– Fairness.

Wichtig ist, dass die Ausprägung der Grundbedürfnisse bei jedem Menschen individuell ist. „Das heißt, was für den einen eine massive Bedrohung ist, mag Dich nur minimal bewegen. Oder umgekehrt“ (klick).

Mit Blick auf Veränderungsprozesse unter Bezugnahme auf dieses Modell wird deutlich, dass – als Beispiel – die Einführung neuer digitaler Tools die Sicherheit der Mitarbeiter:innen reduziert – z.B. aufgrund bislang nicht vorhandener Kompetenzen im Umgang mit den neuen Tools. Darüber hinaus sinkt aber auch der Aspekt „Status“ bzw. Anerkennung, da unklar ist, welche Leistungen als „anerkennenswert“ bewertet werden. Außerdem werden neue und gut ausgestattete Arbeitsumgebungen von anderen Mitarbeiter:innen vielleicht als unfair wahrgenommen. Und es kann auch sein, dass durch die digitale Transformation und die damit verbundenen neuen Anforderungen bisher feste Teams und Gruppen aufgelöst werden und damit die Bindung an das bisherige Team sinkt.

So ist es verständlich, dass Widerstände entstehen und beispielsweise die Einführung neuer digitaler Tools nicht von allen als „Heilsbringer“ erlebt und damit deutlich erschwert wird.

Unterschiedliche Geschwindigkeit, oder: Der Widerstandkanon

Bevor ich zu Ansätzen für den Umgang mit Widerständen gegen Veränderungsprozesse in der eigenen Organisation komme, möchte ich noch auf eine interessante Beobachtung hinweisen.

Zum Verständnis dieser Beobachtung zunächst ein Hinweis auf die im Zusammenhang mit dem Umgang mit Widerständen häufig verwendete Veränderungskurve nach Kübler-Ross/Streich vgl. bspw. hier.

Demnach durchlaufen Menschen (und auch Organisationen) in Veränderungsprozessen die folgenden 7 Phasen:

Phase 1: Schock
Phase 2: Ablehnung
Phase 3: Rationale Akzeptanz
Phase 4: Emotionale Akzeptanz
Phase 5: Lernen
Phase 6: Erkenntnis
Phase 7: Integration

Mir geht es hier nicht um das Modell als solches, sondern um die Erkenntnis, dass immer individuelle Unterschiede im Umgang mit Veränderungen zu berücksichtigen sind: Nicht alle Menschen durchlaufen die Phasen in der gleichen Reihenfolge, erleben sie auf die gleiche Weise oder auch in der gleichen Geschwindigkeit.

Und der Blick auf Veränderungsprozesse zeigt, dass diese häufig auf der Ebene der Geschäftsführung, des Vorstandes oder der Führungsebenen konzipiert bzw. angestoßen werden. Die Analyse des Ist-Zustandes und der Abgleich mit den gewünschten Soll-Zuständen ist Aufgabe des Managements, um daraus Entscheidungen über das weitere Vorgehen abzuleiten.

Wenn aber die Geschäftsführung die Notwendigkeit von Veränderungen erkannt und entsprechende Schritte eingeleitet hat, heißt das noch lange nicht, dass die darunter liegenden Ebenen – Bereichs-, Abteilungs- und Teamleitungen, geschweige denn die Mitarbeitenden – diese Notwendigkeit ebenfalls erkannt haben.

Vielmehr entsteht ein „emotionaler Kanon“ durch die Ungleichzeitigkeit der Auseinandersetzung mit der Veränderung:

Während z.B. die Geschäftsleitung schon in Phase 4 oder 5 der Veränderungskurve angekommen ist, hängt die Ebene der Bereichsleitungen noch in Phase 2 oder 3. Und die Mitarbeitenden stehen noch ganz am Anfang und sind geschockt, dass überhaupt eine Veränderung notwendig ist.

Kurz: Die einen sind schon durch und auf dem Weg der Integration, während die anderen noch in den ersten Phasen stecken. Von daher ist es naiv anzunehmen, dass alle Mitarbeitenden auf allen Ebenen die gleiche „Begeisterung“ für die Veränderung haben, nur weil jetzt darüber informiert wurde.

Möglichkeiten zum Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen

Aber wie kannst Du nun konkret in Deiner Organisation mit Widerstand umgehen? Dazu hier einige praxisnahe Strategien:

1. Die eigene Rolle im Umgang mit Widerstand annehmen

Als Führungskraft trägst Du die Verantwortung für den Veränderungsprozess und die erfolgreiche Kommunikation im Veränderungsprozess. Das bedeutet, dass Du die Verantwortung trägst, die Mitarbeitenden nicht nur durch die Veränderung zu begleiten, sondern sie aktiv zu unterstützen.

Die Art und Weise, wie Führungskräfte mit ihren eigenen Widerständen und denen ihrer Mitarbeitenden umgehen, ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor. Denn Widersprüche zwischen den gegebenen Informationen und dem gezeigten Verhalten der Führungskraft fördern den Widerstand der Mitarbeitenden gegen geplante Veränderungen (vgl. Stabenow, 2018:3).

Dementsprechend ist hier eine offene und individuell reflektierte Haltung gegenüber dem Veränderungsprozess und dem eigenen Widerstand wesentlich:

  • Wie gehst Du mit Veränderung um?
  • Wie schätzt Du Deinen Widerstand gegenüber dem Prozess ein?
  • Wie gelingt Dir ein guter Umgang mit Deinen eigenen Herausforderungen?
  • Was gibt Dir Anerkennung, Sicherheit, Verbundenheit?

Dabei ist ein Blick auf die Zusammenarbeit innerhalb des Führungsteams hilfreich. Transparenz, regelmäßiger Austausch und ehrliche Reflexion über den Umgang mit Widerstand im Führungsteam sind unerlässlich, um einheitlich, klar und „authentisch“ zu handeln. So wird vermieden, dass widersprüchliche Signale gesendet werden, die die Verunsicherung der Mitarbeitenden verstärken können.

Kurz: Wer seine Verantwortung im Umgang mit Widerstand bewusst wahrnimmt und einen konstruktiven Umgang vorlebt, schafft die Basis für einen erfolgreichen Veränderungsprozess. Ein transparenter, reflektierter und lösungsorientierter Umgang mit Herausforderungen fördert nicht nur das Vertrauen der Mitarbeitenden, sondern stärkt auch die Resilienz der gesamten Organisation.

2. Verständnis für die Gründe des Widerstands entwickeln

Bevor Du Maßnahmen ergreifst, ist es essenziell, die Ursachen des Widerstands zu identifizieren. Häufig resultiert dieser aus:

  • Angst vor dem Unbekannten: Veränderungen erzeugen Unsicherheit (siehe SCARF-Modell) und können Ängste hervorrufen, sei es vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder vor neuen Aufgaben.
  • Mangel an Informationen: Unzureichende oder unklare Kommunikation führt zu Unsicherheit und Missverständnissen. Und da gelingende Kommunikation unwahrscheinlich ist, da sie verschiedene Hindernisse überwinden muss (Verstehensproblem, Distanzproblem, Erfolgsproblem, vgl. bspw. hier) ist das mit der Information gar nicht trivial.
  • Überforderung: Mitarbeitende sehen sich mit zusätzlichen Belastungen konfrontiert, was gerade in sowieso schon belasteten Organisationen zur kompletten Überforderung bis hin zu individuellem und organisationalen Burnout führen kann.
  • Fehlende Kompetenzen: Es besteht Unsicherheit darüber, ob die eigenen Fähigkeiten den neuen Anforderungen entsprechen. Denn neben dem „Wollen“, der Lust auf Veränderung, geht es auch immer um ein „Können“, also der Frage, ob sich die Mitarbeitenden kompetent fühlen (und sind), die neue Situation bearbeiten zu können.
  • Unpassendes Tempo: Das Veränderungstempo wird als zu schnell empfunden, wodurch Anpassungsschwierigkeiten entstehen – siehe Widerstandskanon.

Allein das Kennen der Gründe kann helfen, gezielt auf die Widerstände eingehen und entsprechende Unterstützungsangebote schaffen zu können. Das „Erkennen können“ setzt jedoch psychologische Sicherheit voraus, um überhaupt an die wirklichen Themen zu kommen.

3. Offene und transparente Kommunikation fördern

Trotz aller kommunikativen Herausforderungen bleibt eine klare und regelmäßige Kommunikation ein Schlüssel, um Unsicherheiten zu minimieren. Es geht darum, die Mitarbeitenden so früh wie möglich (nicht so früh wie möglich) über die geplanten Veränderungen, die Gründe und die erwarteten Auswirkungen zu informieren.

Dabei sollten verschiedene Kommunikationskanäle und -formate (Dialogräume, E-Mail, Podcast, Video…) genutzt werden, um sicherzustellen, dass alle erreicht werden. Und es versteht sich (fast) von selbst, dass nicht nur sachliche Aspekte kommuniziert werden, sondern auch die emotionale Seite berücksichtigt werden muss.

4. Mitarbeitende aktiv einbinden

Es hilft, die Mitarbeitenden von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubeziehen und ihre Meinungen und Ideen einzuholen (vgl. Stabenow, 2018:3).

Dies kann durch Workshops, Dialog- und Feedbackrunden oder in Arbeitsgruppen geschehen. Eine aktive Einbindung fördert das Gefühl der Mitbestimmung und baut Widerstände ab. Zudem können so wertvolles Wissen und Erfahrungen der Mitarbeitenden genutzt werden, um den Veränderungsprozess effektiver zu gestalten.

Wichtig ist dabei, nicht nur so zu tun, als ob: Mitarbeitende merken sehr schnell, wenn es sich um eine reine „Scheinbeteiligung“ handelt und ihre Meinung zwar gehört, aber nicht weiter genutzt wird. Auch hier hilft eine klare Kommunikation: „Wir wollen Deine Meinung hören, aber es ist noch nicht entschieden, ob genau Deine Meinung in den Veränderungsprozess einfließt!“

5. Schulungen und Weiterbildungen anbieten

Stelle sicher, dass Deine Mitarbeitenden über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Biete gezielte Aus- und Weiterbildungen an, um Wissens- und Kompetenzlücken zu schliessen und Sicherheit im Umgang mit den neuen Aufgaben zu vermitteln. Dies erhöht nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch das Selbstvertrauen der Mitarbeitenden und trägt letztlich zum Aspekt „Anerkennung“ des SCARF-Modells bei.

6. Emotionale Unterstützung bieten

Veränderungen können Stress und Unsicherheit auslösen. Zeige Einfühlungsvermögen und biete Unterstützung an, sei es durch Gespräche, Coaching oder externe Beratungsangebote. Ein offenes Ohr für die Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden signalisiert Wertschätzung und stärkt das Vertrauen in die Führung.

7. Positive Aspekte der Veränderung betonen

Betone die Vorteile und Chancen der Veränderung. Zeige auf, wie die Neuerungen und Veränderungen den Arbeitsalltag erleichtern, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten oder die Organisation insgesamt stärken. Ein positiver Ausblick kann helfen, Vorbehalte abzubauen und Motivation zu schaffen.

Gleichzeitig ist es nicht verkehrt, auch die eigenen Unsicherheiten im Veränderungsprozess (soweit möglich) transparent zu machen: Auch Du wirst Unsicherheiten spüren, da Veränderungen in komplexen sozialen Systemen trotz aller Voraussicht und Planung nie „planmäßig“ verlaufen. Insbesondere die Veränderung formaler Strukturen (Ziele, Entscheidungswege, Prozesse, Personal) hat immer auch Auswirkungen auf die Kultur der Organisation, nur: Welche Auswirkungen genau, ist unklar.

8. Geduld und Flexibilität zeigen

Veränderungsprozesse brauchen Zeit und Energie. Sei geduldig und bereit, den Prozess anzupassen, wenn unerwartete Hindernisse auftauchen. Flexibilität und das Eingehen auf Feedback zeigen, dass du den Prozess ernst nimmst und bereit bist, gemeinsam Lösungen zu finden.

Fazit

Widerstand in Veränderungsprozessen ist kein Zeichen von Unwillen oder Sturheit. Basierend auf der Grundannahme des Konstruktivismus, nach der jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit erschafft – also konstruiert – agiert jede:r Mitarbeiter:in aus seiner individuellen Perspektive „rational“ – auch in Veränderungsprozessen.

Widerstand ist daher meist Ausdruck von Unsicherheit, Angst oder Überforderung. Nimmt man als Führungskraft diese Signale ernst und geht proaktiv darauf ein, kann es besser gelingen, den Veränderungsprozess positiv zu gestalten und tatsächlich Fortschritte zu erzielen.

Widerstand ist dann eher eine Chance zur Reflexion und Verbesserung als eine reine „Abwehr“.

Quellen:

  • Schein, E. H. (2009). Führung und Veränderungsmanagement. Zürich, Switzerland: EHP.
  • Seliger, Ruth (2022): Systemische Beratung der Gesellschaft. Strategien für die Transformation. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
  • Stabenow, M. (2018). Widerstände im Change-Prozess erfolgreich überwinden. In F. C. Brodbeck (Hrsg.), Evidenzbasierte Wirtschaftspsychologie, (23). Ludwig-Maximilians-Universität München. http://www.evidenzbasiertesmanagement.de.

Was wäre wenn, oder: meine Reflexion 2025

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Kurz vorab: Meine Reflexion 2025, die Du hier liest, ist keine fertige Strategie oder sowas… Eher laut gedacht. Wenn Du Lust hast, gerne lesen und kommentieren, bin gespannt auf Deine Gedanken…


Irgendwann dieser Tage kam mir die Idee, jeden meiner Newsletter im Jahr 2025 mit einem (möglichst passenden) Songtitel zu versehen. Die Idee zum Newsletter basiert auf dem Song „Im Zweifel für den Zweifel“ von Tocotronic. Das hörte ich, als ich (nicht nur) über das vergangene Jahr nachdachte, verbunden mit einem Ausblick auf das kommende Jahr – mein Jahr, das politische Jahr, das Jahr der Welt:

„Im Zweifel für den Zweifel
Das Zaudern und den Zorn
Im Zweifel fürs Zerreißen
Der eigenen Uniform
Im Zweifel für den Zweifel
Und die Unfassbarkeit
Für die innere Zerknirschung
Wenn man die Zähne zeigt
Im Zweifel fürs Zusammenklappen
Vor gesamtem Saal
Mein Leben wird Zerrüttung
Meine Existenz Skandal“

Der Duden definiert Zweifel als „Bedenken, schwankende Ungewissheit, ob man jemandem oder einer Aussage glauben darf, ob ein Vorgehen, eine Handlung richtig und gut ist, ob etwas gelingen kann o.ä.“. (klick).

Zweifel sind Zustände der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Hypothesen, da widersprüchliche oder unzureichende Gründe kein sicheres Urteil oder keine sichere Entscheidung zulassen.

Ich füge dem Zweifel ein „Bewußtsein“ hinzu – das „bewußte Zweifeln“.

Denn wenn vertraute Gewissheiten überall und immer in Frage gestellt werden, besteht die Gefahr, in der permanenten Erschütterung gefühlter Sicherheiten, in der permanenten Entscheidungsunsicherheit, im ständigen Abwägen und der Unentschlossenheit zwischen a und b wie Buridans Esel zwischen den Heuhaufen zu verhungern oder eben zu ver-zweifeln.

Verzweiflung jedoch ist alles andere als erstrebenswert, handlungsleitend oder sinnvoll (wenn auch manchmal verständlich).

Und trotz (oder gerade wegen) aller Herausforderungen, Unsicherheiten, Fragen und gefühlten Dramatik der Welt:

Im Zweifel für den Zweifel!

Es gilt, den Zweifel und die Unentschiedenheit zu umarmen und gleichzeitig nicht zu verzweifeln – das ist die große Kunst, die „Zukunftskompetenz 2025“ für unsere „VUCA-Welt“! Wobei, wahrscheinlich kann man auch daran zweifeln 😉 Und wenn ich mein Jahr 2024 reflektiere und gleichzeitig den Zustand der Welt betrachte, ist Ambiguitätstoleranz mehr als wichtig – die Fähigkeit und sozialarbeiterische Grundkompetenz, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen.

Der Blick auf drei Jahre Selbständigkeit hat von mir (und von den Menschen in meiner Nähe) alle Ambiguitätstoleranz im Auf und Ab zwischen himmelhohem Jauchzen, meiner Klarheit und sicheren Erkenntnis, dass ich auf genau dem richtigen Weg bin auf der einen und dem (Gott sei Dank nicht zu Tode) betrübten Zweifel auf der anderen Seite abverlangt.

Der Start ins vierte Jahr der Selbständigkeit ist bei mir natürlich immer noch von Zweifel geprägt. Wahrscheinlich werden die Zweifel nie ganz versiegen, da ich als Selbständiger in einem Angestelltenland wie Deutschland immer irgendwie als Fremdkörper wahrgenommen werde und auch von außen gezweifelt wird:

„Selbständig, wirklich? Selbst und ständig, haha. Immer arbeiten? Keinen Urlaub? Keine gesicherte Rente? Ich könnte das ja nicht!“

Musst du ja auch nicht, alles gut… Hinzu kommt eine Angestelltenlandpolitik, die nicht im geringsten auf die Bedürfnisse selbständig arbeitender Menschen abgestimmt ist. Da soll man nicht zweifeln?

Wobei auch hier wieder Zweifel angebracht sind, denn ist es nicht so, dass das größte Bedürfnis aller Eltern ist, dass die Kinder selbständig werden – solange, bis sie tatsächlich selbständig werden wollen?

„So hab ich das ja nicht gemeint…!“ Jaja…

Ich könnte noch lange meinen Gedanken freien Lauf lassen. Anstatt aber meine random Gedanken zu lesen willst Du wahrscheinlich (und ich selbst auch) lieber wissen, wie es mir so ergangen ist im letzten Jahr und wie mein Ausblick aussieht, oder?

Also strukturierter. Im Sinne einer „Start-Stop-Continue“-Retrospektive möchte ich daher in meiner Reflexion 2025 nur formulieren, was ich im Jahr 2025 neu beginnen, womit ich aufhören und was ich aus 2024 beibehalten möchte:

Start: Was ich 2025 neu beginnen und/oder ausprobieren will!

Das Problem vorab: Ich bin Neu-Beginner by nature.

Es fällt mir schwer, Nein zu sagen. Das ist auf der einen Seite schön und super hilfreich. Dadurch stolpere ich immer wieder in neue Projekte, neue Herausforderungen und neue Lernmöglichkeiten. 

Um nur ein paar Beispiele zu nennen habe ich 2024…

  • …neu begonnen, mich in das Arbeitsfeld der stationären Altenhilfe einzuarbeiten und Einrichtungen in der Veränderung der Arbeitsabläufe bzgl. des Personalbemessungsverfahrens (Modellprogramm nach § 8 Abs. 3b SGB XI) begleiten dürfen (hier mehr dazu).
  • …neu begonnen, nicht mehr alleine, sondern mit (m)einer (Premium-)Praktikantin Marion zu arbeiten – ein, wenn nicht das, Highlight des Jahres (Danke für Deine Zeit, Geduld und alles andere 😉 
  • …18 neue Blogbeiträge (hier entlang) und vier Podcast-Episoden (hier entlang) veröffentlicht. 
  • …das Fachcamp Soziale Arbeit gemeinsam mit Christian an den Start gebracht (der hier noch einmal eine schöne Zusammenfassung verfasst hat). 
  • …ein paar Fachbeiträge verfasst und veröffentlicht (hier mehr dazu).
  • …exakt 50 Newsletter neu geschrieben und zuletzt an mehr als 750 Menschen verschickt.

Und 2025?

Schön wäre, wenn mich der hilfreiche Satz „Stop starting, start finishing!“ leiten würde – aber da sind sie wieder, die Zweifel…

Ich versuche es trotzdem und will 2025 damit beginnen, weniger zu beginnen und mehr fertig zu stellen! Wobei – eine paar neue Ideen hab ich da im Hinterkopf 😉

Wieder mehr Sport!

Klar ist, dass ich wieder mehr Sport treiben will – das klingt nach Standardvorsatz, aber ich meine es ernst, denn ich habe meinen Körper 2024 tatsächlich etwas vernachlässigt.

Professioneller arbeiten!

Ich mache mir schon länger Gedanken, wie es gelingen kann, meine Leistungen und Angebote zu professionalisieren und damit noch effektiver und effizienter zu gestalten. Klingt vielleicht komisch, so als wäre ich nicht professionell, effektiv oder effizient unterwegs.

Aber mir geht es darum, noch besser zu erkennen, wie es gelingen kann, mit meinen Kund:innen an den für sie wirklich relevanten Themen und Herausforderungen zu arbeiten. Das erhöht zum einen meine eigene Zufriedenheit. Vor allem aber erhöht es den Nutzen für die begleiteten Personen, Teams und Organisationen.

Gerade in Zeiten wachsender Herausforderungen, knapper Budgets und schwieriger Rahmenbedingungen sind Effektivität („das Richtige tun!“) und Effizienz („das Richtige richtig tun!“) mehr als relevant.

Stationäre Altenhilfe vertiefen!

Und dann gibt es da noch die Arbeit in den Organisationen der stationären Altenhilfe. Fachlich unterstützt durch einen Pflegewissenschaftler, der lustigerweise direkt um die Ecke wohnt, werden wir in die Organisationsentwicklung rund um die Personalbemessung in der Altenhilfe verstärkt einsteigen. Hier habe ich – wie oben geschrieben – im letzten Jahr bereits erste, spannende und sehr erfolgreiche Schritte unternommen. Und wir wollen dieses zukünftig hochgradig relevante Themenfeld weiter ausbauen.

Falls Du also Lust hast auf erste Einblicke, schau doch mal unter www.percura.de vorbei. Und falls Du Menschen aus der stationären Altenhilfe kennst, für die das Angebot interessant sein könnte, sag gerne Bescheid!

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das nicht alles gewesen sein. Dazu kenne ich mich und meinen Kopf zu gut (auch wenn er immer mal wieder nervt).

Stop: Was ich 2025 anders machen und/oder womit ich aufhören will!

Klar, nicht mehr soviel gleichzeitig, siehe oben. Aber das klappt vermutlich sowieso nicht 😉

Nicht mehr immer schnell alles alleine machen

Bislang habe ich Ideen und Projekte sehr schnell und effizient umgesetzt – aber eben alleine. Das hat auch seine Berechtigung und ich bin nicht umsonst als „Solopreneur“ unterwegs.

Aber das letzte Jahr und die Zusammenarbeit mit Marion hat mir gezeigt, dass es nicht nur Spaß macht, Dinge stärker im Team zu machen, sondern auch die Ergebnisse für meine Kund:innen deutlich verbessert – auch wenn es mehr Abstimmung, Diskussion und Verständigung braucht und damit der Aufwand und am Ende natürlich auch die Kosten höher sind.

Entsprechend steht der Versuch an, die Zusammenarbeit mit anderen Menschen – einmal für IdeeQuadrat und dann auch bei percura.de – zu stärken.

Vielleicht als Vorsatz formuliert:

Bei Ideen, Projekten und Aktivitäten kurz nachdenken: Ist es gut, wenn ich das schnell alleine mache und dann ist es vorbei – oder dient es meinen Kund:innen mehr, wenn ich – statt meine Energie direkt in die Umsetzung zu stecken – sie lieber erst einmal dafür einsetze, das Vorhaben mit anderen Menschen anzugehen, um dadurch mehr Wirkung zu erzeugen?

Schlechte Gewohnheiten und Routinen verändern

Manchmal komme ich mir vor wie der Schuster mit den falschen Schuhen:

Ich plädiere für die Gestaltung funktionaler Strukturen in den Organisationen, die ich begleite. Ich plädiere für Rollenklarheit, für die Einführung sinnvoller Regeln und Vorgaben, dafür, „den Menschen aus dem Mittelpunkt zu nehmen, damit die Organisation funktioniert“. Statt an die Menschen zu appellieren, endlich eine andere „Haltung“ einzunehmen, plädiere ich für die Gestaltung der Verhältnisse. Ich schreibe sogar vom „end of new work as we know it…“ und bin davon sehr überzeugt.

Im Kern geht es in vielen Punkten meiner Arbeit darum, gute Organisationsgewohnheiten zu gestalten und dysfunktionale Organisationsgewohnheiten abzustellen bzw. zu verändern.

Gleichzeitig sind viele meiner persönlichen und beruflichen Strukturen, Regeln und Gewohnheiten wenig förderlich. Das liegt daran, dass ich ein ziemlich ungeregeltes Leben führe. Ich stehe nicht jeden Morgen zur gleichen Zeit auf, nehme meine Brotdose und gehe ins Büro.

Jeder Tag ist anders, manchmal radikal anders – von Tagen, an denen ich keinen einzigen Termin habe und eigentlich im Bett bleiben könnte, bis hin zu Wochen, in denen ich jeden Tag an einem anderen Ort bin, verbunden durch mehr oder weniger planbare Zugverbindungen.

Neben der Unterschiedlichkeit meines Leben hat das mit den Gewohnheiten aber auch damit zu tun, dass ich für mich persönlich noch kein gutes System gefunden habe, um an meinen Gewohnheiten zu arbeiten und sie zu verändern. Ich würde mich als undisziplinierten Menschen definieren, aber alle Literatur zu diesem Thema sagt, dass es viel weniger auf Disziplin ankommt, als auf die Gestaltung von Systemen zur Gewohnheitsänderung – sag ich ja (zumindest gegenüber meinen Kund:innen ;-).

Als Vorsatz formuliert:

Im Jahr 2025 will ich unangemessene, schlechte, ungesunde Gewohnheiten reduzieren, indem ich für mich bessere Systeme schaffe, die mir helfen, diese Gewohnheiten einzuhalten. Und dieser Vorsatz hat dann auch wieder viel mit dem „professionellen Arbeiten“ zu tun (s.o.).

Continue – Was war hilfreich und was will ich fortsetzen?

Ehrlich gesagt würde es mir sehr reichen, wenn mein Jahr 2025 ähnlich verlaufen würde wie 2024.

Nach dem privat-emotional verkackten Jahr 2023 war 2024 für mich persönlich wirklich gut – familiär, wirtschaftlich, gesundheitlich. Somit erstmal auf Holz klopfen – ein ähnliches Jahr wäre schon was, aber wie 2023 familiär und wie auch 2024 politisch gezeigt hat, ist die Zukunft nicht planbar – VUCA-Welt und so.

Meine Branche

Ja, ich habe oben von der Entwicklung hin zur stationären Altenhilfe gesprochen, das ist ein neues Arbeitsfeld innerhalb meiner Branche, aber eben keine neue Branche.

Ich bin – wie schon oft gesagt – davon überzeugt, dass die Gesundheits- und Sozialwirtschaft vor enormen Herausforderungen steht.

Und ich möchte trotz aller Herausforderungen, schwieriger Rahmenbedingungen, knapper Budgets, bürokratischer Vorgaben etc. weiterhin meinen Beitrag dazu leisten, diese Herausforderungen anzugehen und aus Perspektive der Organisationsentwicklung zu begleiten – weil es Sinn macht!

Arbeit mit Führungskräften

2024 durfte ich einzelne Führungskräfte, Führungsduos und Führungsteams auf verschiedenen Ebenen über einen längeren Zeitraum begleiten.

Abgesehen davon, dass diese individuelleren Begleitungen sehr viel Spaß machen, werden in Zukunft die Menschen an den entscheidenden Stellen (an denen formale Entscheidungen getroffen werden können) gefordert sein, ihre Teams und Organisationen bei allen Herausforderungen zu begleiten.

Und auch hier würde ich gerne meinen Betrag (weiterhin) leisten und vielleicht hier und da ausbauen (sag‘ Bescheid, wenn das für Dich interessant ist)…

Als Fazit meiner Reflexion 2025 – mein Jahresmotto!

Eingestiegen in diese Reflexion bin ich ja mit dem Zweifel. Beim Zweifel sind immer mehrere Perspektiven denkbar. Um es einfach zu halten: Nach hinten und nach vorne. Das Ganze kombiniere ich jetzt mit meinem Jahresmotto. Darüber bin ich bei Nele Hirsch gestolpert, die ein Jahresmotto für 2025 ausgewählt hat (hier mehr dazu). Die Idee dahinter finde ich spannend und interessant vor allem, ob im Rückblick auf dann 2025 das Jahresmotto getragen hat.

Ich habe die Weihnachts- und Dazwischentage genutzt um über mein Jahresmotto nachzudenken. Gar nicht so einfach, ehrlich gesagt, aber ich bin zu folgendem Motto gekommen:

„What if…“

Das Motto passt zum Zweifel. Und der Blick nach hinten wäre die negative Perspektive auf „What if…?“: Was wäre gewesen, wenn ich mich anders entschieden hätte – hätte, hätte, Fahrradkette…

Aber der Blick nach vorne ist spannender:

„Was wäre (in Zukunft) möglich, wenn…?“

Und diese Brille mit dem Blick nach vorne will ich hier auflassen und zum Beispiel für mich persönlich überlegen:

  • Was wäre (in Zukunft) möglich, wenn ich mit meiner Arbeit nicht nur meine Familie ernähren, sondern auch so arbeiten könnte, dass ich die negativen Seiten der Arbeit so weit wie möglich reduzieren kann?
  • Was wäre möglich, wenn es mit IdeeQuadrat und den Zielen dahinter wirklich klappen würde?
  • Was wäre möglich, wenn ich mit meiner Arbeit wirklich etwas bewirken und – wie in meiner Vision formuliert – einen Beitrag für soziale Organisationen leisten könnte, die als Vorreiter gesellschaftlicher Transformation ihren wirkungsvollen Beitrag für eine lebenswerte Gesellschaft nachhaltig leisten?

Der Blick kann aber auch nach außen gerichtet werden, auf die Sozialwirtschaft insgesamt zum Beispiel:

  • Was wäre möglich, wenn die Player der Sozialwirtschaft noch stärker als bislang zusammen arbeiten und die Herausforderungen gemeinsam angehen würden?
  • Was wäre, wenn die großen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, gelöst werden?
  • Was wäre, wenn wir die Wohlfahrt wirklich mutig neu denken, wie es bspw. Jonas hier in dem Podcast sehr treffend auf den Punkt bringt?
  • Was wäre, wenn der Fachkräftemangel nicht zum Kollaps, sondern zu neuen, innovativen wie exnovativen Lösungen führt?

Und so weiter und so fort…

Dann gilt es noch, vom Denken ins Handeln zu kommen, aber ohne die Vorstellung einer denkbaren Zukunft wird’s nix mit der Realisierung der Zukunft…

What if…?

Abschließend bin ich gespannt, ob ich das mit den Liedtiteln durchhalte – bei theoretisch rund 50 Newslettern, die ich im Jahr 2025 schreiben will – ich habe aber schon mal auf Spotify meine Newsletter-Playlist begonnen – gerne folgen 😉

P.S.: Und falls Du Lust hast, im Jahr 2025 an dem „What if…“ für Deine Organisation zu arbeiten, sag‘ gerne Bescheid

Wie geht spannungsbasiertes Arbeiten? Ein Leitfaden!

Spannungen im Team? Was auf den ersten Blick negativ klingt, ist in Wirklichkeit ein ungenutzter Schatz! Gerade in Teams sozialer Organisationen, in denen es um Menschen, Kommunikation und komplexe Herausforderungen geht, sind Spannungen ständige Begleiter. Doch statt sie zu ignorieren oder als Störfaktor zu betrachten, bietet spannungsbasiertes Arbeiten eine praktische Möglichkeit, sie zu nutzen – als Treibstoff für Veränderung und Weiterentwicklung. Doch wie geht spannungsorientiertes Arbeiten?

Dieser Beitrag gibt dir als Teamleitung eine Einführung in spannungsbasiertes Arbeiten, zeigt auf, warum es sich lohnt, sich damit zu beschäftigen und liefert konkrete Werkzeuge für die Umsetzung in deinem Team.

Was ist spannungsbasiertes Arbeiten?

Leider ist der Begriff „Spannung“ im Deutschen negativ besetzt. Neutral betrachtet bedeutet Spannung aber einfach den Unterschied zwischen dem, was ist und dem, was sein könnte (Ist – Soll). Negative Spannungen entstehen z.B. durch unklare Rollen der Teammitglieder, fehlende Informationen oder einen nicht optimal ablaufenden Prozess. Positive Spannungen sind z.B. Ideen, wie Prozesse verbessert, Rollen geklärt oder Informationen transparenter weitergegeben werden können.

Ein Beispiel: Anna, Sozialarbeiterin in einem Jugendprojekt, hat das Gefühl, dass ihre Verantwortlichkeiten nicht klar definiert sind. Das verursacht Unsicherheit, Überlastung und Frust – sie weiß nicht, ob sie bestimmte Aufgaben übernehmen muss oder delegieren kann. Diese Unklarheit ist eine Spannung!

Statt Spannungen als etwas Störendes zu sehen, sind sie eine Chance: Sie zeigen nur auf, wo Entwicklung notwendig ist. Spannungsbasiertes Arbeiten bedeutet, diese Spannungen sichtbar und damit besprechbar zu machen, sie zu thematisieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Der Kern spannungsbasierten Arbeitens ist also die einfache Frage:

„Was brauchst du?“

Warum spannungsbasiertes Arbeiten?

…der komplexe Arbeitsalltag

Gerade in Teams der Sozialen Arbeit ist der Alltag häufig geprägt von:

  • Hoher Arbeitsbelastung
  • Emotionalen Herausforderungen (z. B. schwierige Klient:innen-Situationen)
  • Rollenunklarheiten und unklaren Zuständigkeiten („diffuse Allzuständigkeit“, wie es Thiersch so passend nennt)
  • Kommunikationsproblemen im Team

Spannungen im negativen Sinne gehören dazu. Aber auch Spannungen im positiven Sinne sollten nicht „unter den Teppich gekehrt“ werden. Spannungen bieten Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten, können zu innovativen Lösungen führen und damit das Team voranbringen. Es gilt also…

… das Potenzial von Spannungen zur Veränderung zu nutzen

Spannungen können zu positiven Veränderungen führen, wenn man sie als Impuls begreift:

  • Unklare Rollen? Zeit, Aufgaben klar zu verteilen!
  • Fehlende Kommunikation? Strukturen schaffen, um regelmäßig Informationen zu teilen.
  • Emotionale Belastung? Raum schaffen, um darüber zu sprechen und gemeinsam Unterstützung zu bieten.
  • neue Ideen? Möglichkeiten Andenken, wie diese umgesetzt werden können.

Spannungsbasiertes Arbeiten lädt dazu ein, Veränderungen proaktiv anzugehen, statt abzuwarten, bis Konflikte entstehen oder Ideen versanden.

Wie geht spannungsbasiertes Arbeiten konkret?

Spannungen im Spannungsspeicher sichtbar machen

Der erste Schritt ist, einen „Spannungsspeicher“ zu schaffen – einen Ort, an dem alle Spannungen transparent gesammelt werden.

Spannungsspeicher können…

  • …eine Wand oder ein Flipchart mit Post-its,
  • …ein digitales Tool (z. B. in Tools wie Trello oder Meistertask
  • …ein digitales Whiteboard* (ich nutze zum Beispiel Conceptboard) oder
  • …ein einfaches Dokument (Word oder Excel) sein.

Regel: Jede:r kann und sollte seine Spannungen jederzeit notieren – anonym oder offen. Wichtig ist: Es geht nicht darum, Schuldige zu finden, sondern um Entwicklung.

Praxisbeispiel: Bei Teammeetings in einem Jugendzentrum gibt es ein Whiteboard für Spannungen. Mitarbeitende schreiben ihre Anliegen auf Post-its, die dann gesammelt und besprochen werden.

Vier Räume: Es ist sehr hilfreich, den Spannungsspeicher in vier „Räume“ zu unterteilen:

  • Individueller Raum: Spannungen in Bezug auf Dich selbst (bspw. hast Du das Bedürfnis, deine Arbeitszeit zu reduzieren, eine Weiterbildung zu machen oder Deine Rolle im Team zu schärfen).
  • Beziehungsraum: Spannungen in Bezug auf Eure Beziehungen im Team (bspw. siehst Du aufkommende Konflikte, fühlst Dich in Deinem Büro mit Kollegin XY unwohl oder würdest gerne eine Weihnachtsfeier veranstalten)
  • Operativer Raum: Spannungen in Bezug auf Deine fachliche Arbeit (bspw. habt ihr ein Konzept zu überarbeiten, eine neue Idee für ein pädagogisches Angebot oder Du willst kollegiale Beratung zu einem fachlichen Thema)
  • Organisationsraum: Spannungen in Bezug darauf, wie ihr im Team zusammenarbeitet (bspw. hast Du Ideen für Verbesserungen von Prozessen oder Du bist unzufrieden mit der strategischen Ausrichtung und würdest diese gerne weiterentwickeln)

Über die Sammlung der Spannungen und die Einteilung dieser in die vier Räume dient der Spannungsspeicher automatisch als Gliederung und Tagesordnung für Deine Teamsitzungen.

Die Lösungsfrage: „Was brauchst du?“

Sobald die Spannungen gesammelt sind, wird jede Spannung im Team bearbeitet. Manchmal ist es hilfreich, die Spannungen im Voraus zu priorisieren, wenn nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um alle Spannungen in einer Sitzung zu bearbeiten. Tipp: Spannungen im Beziehungsraum sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden 😉

Und dann kommt die Kernfrage ins Spiel:

„Was brauchst du, um diese Spannung zu lösen?“

Die Antwort darauf ist individuell und könnte eine der folgenden sein:

  • Informationen teilen: „Ich brauche Klarheit darüber, wer in diesem Projekt was macht.“
  • Informationen erhalten: „Mir fehlt die Info zu den nächsten Schritten des Projekts.“
  • To-Dos formulieren: „Ich würde gerne, dass jemand bei X unterstützt.“
  • Strukturen anpassen: „Es braucht eine neue Regelung für unsere Teammeetings.“

Beispiel: Stefan, Teamleiter eines Wohnprojekts, bringt eine Spannung ein: „Die Dienstpläne sind oft unklar, was zu Überstunden führt.“ Nach der Frage „Was brauchst du?“, antwortet er: „Ich brauche eine transparente und digitale Lösung für die Dienstpläne.“ Das Team beschließt, eine neue Software einzuführen.

Daraus wiederum kann dann ein Vorschlag erarbeitet werden, der gemeinsam im Team (bspw. mithilfe der Konsent-Moderation) entschieden wird.

Regelmäßige Räume schaffen

Damit spannungsbasiertes Arbeiten langfristig funktioniert, braucht es Routinen:

  • Regelmäßige Meetings, z. B. wöchentlich in der Teamsitzung oder mindestens monatlich, um Spannungen zu besprechen
  • Klares Vorgehen, wie mit Spannungen umgegangen wird und wer welche Lösungen umsetzt
  • Ein offenes Klima, in dem Spannungen wertschätzend eingebracht werden können (es geht um die Entwicklung des Teams)

Spannungsbasiertes Arbeiten: Herausforderungen und Tipps zur Umsetzung

Widerstand im Team

Vielleicht sind Deine Mitarbeitenden zunächst skeptisch gegenüber der neuen Vorgehensweise. Hier hilft es,…

  • klar zu kommunizieren, dass Spannungen nicht nur negativ und damit keine reine Kritik sind, sondern Entwicklungsmöglichkeiten vom Ist- zu einem gewünschten Soll-Zustand.
  • positive Beispiele zu teilen, wie das Bearbeiten von Spannungen zu Verbesserungen geführt hat
  • auszuprobieren!

Besonders der letzte Punkt kann hilfreich sein: Anstatt einfach zu beschließen, dass ab sofort spannungsbasiert gearbeitet wird, ist es hilfreich, dem Team eine Probezeit einzuräumen: „Wir probieren das jetzt für die nächsten sechs Monate aus und reflektieren dann, ob es uns weiterhilft!“

Die Festlegung eines „Mindesthaltbarkeitsdatums“ (Danke für den Hinweis an Sandra Bils im Buch „Exnovation und Innovation“) hilft bei allen Entscheidungen enorm, da klar wird, dass bis zu diesem Datum die Entscheidung nicht ständig in Frage gestellt wird, sondern dass dann definitiv reflektiert wird, ob das Gewünschte eingetreten ist.

Spannungen richtig formulieren

Spannungen sollten klar und sachlich formuliert werden, z. B.:

  • Nicht: „Niemand informiert mich!“
  • Sondern: „Mir fehlt eine klare Kommunikation zu Projekt X.“

Geduld haben

Die Methode braucht Zeit. Je öfter Du sie anwendest, desto mehr wird sie zur Routine – und desto leichter wird es, Spannungen zu nutzen.

Fazit: Spannungen als Chance begreifen

Spannungsbasiertes Arbeiten bietet Teams in der Sozialen Arbeit die Möglichkeit, proaktiv und wertschätzend miteinander zu arbeiten. Spannungen sind nicht nur Probleme, die gelöst werden müssen, sondern auch wertvolle Impulse und Ideen für die Weiterentwicklung. Mit der Frage „Was brauchst Du?“ schafft man Raum für Veränderung im Team und verbessert die Zusammenarbeit nachhaltig.

Ob mit Flipchart, digitalem Tool oder einfach mit Wand und Post-Its – fange klein an, bleibe dran und genieße die positiven Effekte – mehr Klarheit, weniger Frust und Konflikte, neue Ideen und ein Team, das gemeinsam wächst.

P.S.: Noch ein praktischer Tipp für den Start:
Nehmt euer nächstes Teammeeting als Gelegenheit und stellt die Frage: „Welche Spannungen nehmt ihr wahr? Was braucht ihr, um sie zu lösen?“ Probiert es aus!

Und hier kannst Du Dir den Beitrag als PDF herunterladen, um das spannungsbasierte Arbeiten in Deinem Team einzuführen.

Methoden für Exnovation II: Mit der Fokus-Block-Methode Unterbrechungen exnovieren

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Wahrscheinlich ist Dein Alltag von ständigen Unterbrechungen geprägt: Anfragen von Mitarbeitenden, E-Mails, spontane Gespräche, Termine und dringende Entscheidungen sorgen dafür, dass konzentriertes Arbeiten oft zur Ausnahme wird. Doch gerade Führungsaufgaben wie strategische Planung, Teamentwicklung oder die Gestaltung von Veränderungsprozessen erfordern echte Konzentration und Zeit. Die Fokus-Block-Methode (Engl. Time-Blocking) kann hier eine effektive Methode für Führungskräfte sein, wiederkehrende Unterbrechungen zu „exnovieren“ und produktiv an den wirklich wichtigen Aufgaben zu arbeiten. Denn – soviel ist klar – wenn du Deinen Kalender nicht kontrollierst, wird er Dich kontrollieren.

Im Folgenden findest Du eine kurze Einführung, was Exnovation ist und warum wir das dringend brauchen. Und dann findest Du eine Beschreibung der „Fokus-Block-Methode“ (auch bekannt als Time-Blocking).

Was ist die Fokus-Block-Methode?

Die Fokus-Block-Methode basiert auf der Idee, dass intensive, ungestörte Arbeitsphasen die Qualität und Geschwindigkeit der Arbeit erheblich verbessern. Hierbei werden bestimmte Zeitblöcke im Kalender ausschließlich für fokussiertes Arbeiten reserviert. Während dieser Zeit arbeitest Du ohne Ablenkungen an einer klar definierten Aufgabe.

Merkmale eines Fokus-Blocks:

Ein Fokus-Block zeichnet sich durch bestimmte Merkmale aus, die ihn zu einer effektiven Methode für konzentriertes Arbeiten machen. 

  • Ein Fokus-Block hat klar abgegrenzte Zeiträume, die typischerweise zwischen 60 und 120 Minuten liegen. Diese Zeitspanne ist ideal, um tief in eine Aufgabe einzutauchen, ohne dass die Konzentration nachlässt. Wichtig ist, dass der Fokus-Block im Kalender fest eingeplant ist und als unverhandelbare Arbeitszeit betrachtet wird. 
  • Während des Fokus-Blocks liegt die Konzentration auf einer einzigen Aufgabe. Multitasking ist ausdrücklich ausgeschlossen, da es nachweislich die Effizienz und die Qualität der Arbeit mindert. Stattdessen widmest Du Deine volle Aufmerksamkeit einer klar definierten Tätigkeit – sei es die Vorbereitung eines wichtigen Berichts, das Entwickeln eines Konzeptes oder das Durchdenken strategischer Entscheidungen. 
  • Ein weiteres zentrales Merkmal eines Fokus-Blocks ist die Minimierung von Ablenkungen. Um in den Arbeitsfluss zu kommen und produktiv zu bleiben, sollten E-Mails, Anrufe und spontane Gespräche während dieser Zeit tabu sein. Stelle sicher, dass Du Dein Team darüber informierst und technische Benachrichtigungen auf Deinen Geräten deaktivierst. Eine störungsfreie Umgebung ist der Schlüssel, um die Effektivität Deiner Fokus-Zeit voll auszuschöpfen. 

Mit diesen Merkmalen hilft Dir ein Fokus-Block, Deine Arbeit gezielt zu strukturieren und das Beste aus Deiner produktiven Zeit herauszuholen.

Wie funktioniert die Fokus-Block-Methode?

Nicht alle Aufgaben erfordern ungestörte Zeit. Um Deine Fokus-Blöcke effektiv zu nutzen, solltest Du Dich auf Tätigkeiten konzentrieren, die besondere Aufmerksamkeit und Konzentration verlangen. Dazu gehören Aufgaben, bei denen Kreativität und strategisches Denken gefragt sind, wie die Entwicklung neuer Konzepte oder innovativer Lösungsansätze. Auch analytische Arbeiten, beispielsweise das Auswerten von Berichten oder Zahlen, erfordern präzises und tiefgehendes Arbeiten. Tätigkeiten mit hoher Entscheidungsrelevanz, wie die Planung neuer Projekte oder das Abwägen wichtiger Optionen, profitieren ebenfalls stark von ungestörten Arbeitsphasen.

Um diese Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, solltest Du feste Fokus-Blöcke in Deinem Kalender reservieren. Blockiere gezielt Zeiträume, in denen Du Dich ohne Ablenkung auf Deine wichtigsten Aufgaben konzentrieren kannst. Ein strukturierter Kalender mit regelmäßigen Fokuszeiten hilft Dir, Deine Prioritäten klar zu setzen und produktive Arbeitsgewohnheiten zu entwickeln. Beispiel: Jeden Donnerstagvormittag von 07:30 bis 09:30 Uhr (das ist übrigens meine Newsletter-Zeit ;-). Blockiere diese Zeiten explizit und kommuniziere das auch an Dein Team.

Um Deinen Fokus-Block optimal zu nutzen, ist es wichtig, Störungen so weit wie möglich zu minimieren und eine Umgebung zu schaffen, die produktives Arbeiten ermöglicht. Schalte Benachrichtigungen auf Deinem Telefon und Computer konsequent aus, um Dich nicht von eingehenden Nachrichten oder E-Mails ablenken zu lassen. Informiere Dein Team rechtzeitig darüber, dass Du während des Fokus-Blocks nicht gestört werden kannst – es sei denn, es handelt sich um echte Notfälle (kleiner Tipp: Erst wenn man zweimal direkt hintereinander anruft, ist es ein echter Notfall). Damit alle Bescheid wissen, kannst Du diese Regel klar kommunizieren, zum Beispiel in einem Teammeeting oder auch durch sichtbare Hinweise an Deinem Arbeitsplatz. Wenn möglich, wähle einen separaten Raum, um Ablenkungen weiter zu reduzieren und Dich vollständig auf Deine Aufgabe zu konzentrieren.

Darüber hinaus solltest Du bereits im Vorfeld genau planen, welche Aufgabe Du im Fokus-Block bearbeiten möchtest. Eine klare Zielsetzung verhindert, dass Du Dich während der Arbeitsphase mit unnötigen Entscheidungen oder Vorbereitungen aufhältst. Beispiele für sinnvolle Aufgaben im Fokus-Block könnten die Überarbeitung eines Förderkonzepts sein, die gründliche Vorbereitung eines wichtigen Mitarbeitergesprächs oder die detaillierte Analyse der finanziellen Lage Deiner Einrichtung. Mit einer klaren Planung und einem störungsfreien Arbeitsumfeld schaffst Du ideale Voraussetzungen für tiefes und effektives Arbeiten.

Drei Praxisbeispiele

Beispiel 1: Strategische Planung im Wohlfahrtsverband: Eine Geschäftsführerin reserviert jeden Montagvormittag zwei Stunden, um strategische Themen zu bearbeiten, z. B. die Vorbereitung von Kooperationen oder die Entwicklung neuer Dienstleistungen. Sie stellt fest, dass diese konzentrierten Arbeitsphasen nicht nur ihre Produktivität steigerten, sondern auch helfen, den Überblick über langfristige Ziele zu behalten.

Beispiel 2: Personalentwicklung in einer Pflegeeinrichtung: Ein Bereichsleiter nutzt wöchentliche Fokus-Blöcke, um individuelle Entwicklungspläne für seine Mitarbeitenden zu erstellen. Diese strukturierte Herangehensweise (und das Ergebnis) verbessert die Motivation und Leistungsfähigkeit seines Teams deutlich.

Beispiel 3: Mein Newsletter ;-): Ich bin nicht unbedingt super, wenn es darum geht, Routinen zu etablieren. Aber mir gelingt es (fast) immer, meinen Newsletter am Freitag morgen zu versenden. Dafür habe ich mir jeden Donnerstag morgen zwei Stunden (von 07.30 Uhr – 09.30 Uhr) in meinem Kalender geblockt. Ach ja, falls Du Bock auf den Newsletter hast und prüfen willst, ob meine Routine funktioniert, kannst Du ihn hier abonnieren 😉

Herausforderungen bei der Umsetzung

Die Umsetzung von Fokus-Blöcken kann anfangs auf einige Herausforderungen stoßen, besonders in Organisationen der Sozialwirtschaft, wo offene Türen und schnelle Verfügbarkeit oft als selbstverständlich gelten. Dein Team könnte den neuen Ansatz zunächst kritisch sehen, daher ist es entscheidend, die Methode transparent zu erklären. Kommuniziere klar, warum ungestörte Zeit für Dich wichtig ist und wie das gesamte Team von den Ergebnissen Deiner fokussierten Arbeit profitiert – beispielsweise durch bessere Planung, klarere Entscheidungen oder fundiertere Strategien. Eine offene und ehrliche Kommunikation hilft dabei, Akzeptanz zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden.

Darüber hinaus erfordert der Fokus-Block von Dir Selbstdisziplin. Es kann verlockend sein, die reservierte Zeit für kurzfristige Anliegen zu unterbrechen oder zu verschieben. Um die Vorteile der Methode wirklich zu nutzen, solltest Du konsequent daran festhalten. Deine langfristige Produktivität und die Qualität Deiner Arbeit hängen entscheidend davon ab, dass Du Dich an Deine Fokus-Blöcke hältst.

Gleichzeitig ist es wichtig, flexibel zu bleiben – schon wieder ein Dilemma 😉 Aber gerade in der Sozialen Arbeit treten oft unvorhersehbare, dringende Ereignisse auf, die Deine sofortige Aufmerksamkeit erfordern. Wenn das passiert, ist es völlig in Ordnung, den Fokus-Block auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Entscheidend ist, dass Du nicht aufgibst, sondern die Methode an die Gegebenheiten anpasst.

Und schließlich: Probiere aus, was für Dich funktioniert! Manche Menschen arbeiten am besten am Morgen, andere finden nachmittags die nötige Ruhe. Ich selbst habe zum Beispiel einen Fokus-Block zum Schreiben meines Newsletters oder für meine wöchentliche Reflexion eingeplant. Es hat eine Weile gedauert, bis ich den für mich und meinen Alltag am besten passenden Zeitpunkt gefunden habe. Sei geduldig mit Dir selbst, experimentiere und finde heraus, was Dir hilft, Deinen Fokus optimal zu nutzen.

Tipps zur erfolgreichen Umsetzung

Wenn Du den Fokus-Block-Arbeitsansatz in Deinen Alltag integrieren möchtest, ist es sinnvoll, zunächst mit kurzen Fokus-Blöcken zu starten. Beginne mit 30 Minuten, um Dich an das konzentrierte Arbeiten zu gewöhnen, und steigere die Dauer schrittweise. So kannst Du die Methode ohne Druck ausprobieren und herausfinden, was für Dich funktioniert. Mir hilft übrigens – um überhaupt mit der Arbeit zu starten – die Pomodoro-Technik.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, eine Routine zu etablieren. Plane Deine Fokus-Blöcke regelmäßig zur gleichen Zeit, beispielsweise immer am Vormittag oder an bestimmten Tagen der Woche. Durch diese Wiederholung entwickelst Du eine Gewohnheit, die Deine Produktivität nachhaltig unterstützt. Dein Kalender wird dadurch zu einem verlässlichen Werkzeug, das Dir hilft, Deine Arbeitszeit besser zu strukturieren.

Um Ablenkungen vorzubeugen, solltest Du alle verfügbaren Hilfsmittel nutzen. Aktiviere zum Beispiel den „Nicht stören“-Modus auf Deinem Smartphone und Computer oder reserviere Dir einen separaten Raum, in dem Du ungestört arbeiten kannst. Solche einfachen Maßnahmen schaffen eine Umgebung, in der Du Dich voll und ganz auf Deine Aufgaben konzentrieren kannst.

Baue außerdem eine regelmäßige Reflexion in Deinen Arbeitsprozess ein. Überprüfe, welche Ergebnisse Du in Deinen Fokus-Blöcken erzielt hast, und ob der gewählte Ansatz für Dich funktioniert. Wenn Du feststellst, dass bestimmte Zeiten oder Aufgaben besser oder schlechter geeignet sind, passe Deinen Fokus-Block entsprechend an. Mit der Kombination aus klarer Planung, Routine und kontinuierlicher Optimierung kannst Du das volle Potenzial dieser Methode ausschöpfen.

Die Vorteile der Fokus-Block-Methode für Führungskräfte

Der Fokus-Block-Arbeitsansatz bringt zahlreiche Vorteile mit sich, die Deine Arbeit und Dein Wohlbefinden nachhaltig verbessern können.

Einer der größten Vorteile ist die höhere Produktivität. Wenn Du ungestört arbeitest, kannst Du Dich voll auf eine Aufgabe konzentrieren und sie schneller sowie effizienter erledigen. Anstatt Dich von Unterbrechungen aus dem Konzept bringen zu lassen, kommst Du in einen Arbeitsfluss, der Deine Leistung spürbar steigert.

Darüber hinaus führen Fokus-Blöcke zu besseren Ergebnissen, insbesondere bei komplexen und strategischen Aufgaben. Projekte, die analytisches Denken, kreative Lösungen oder langfristige Planungen erfordern, profitieren enorm davon, wenn Du Dir die Zeit nimmst, Dich intensiv damit auseinanderzusetzen. Tiefgehender Fokus hilft Dir, qualitativ hochwertige Entscheidungen zu treffen und innovative Ansätze zu entwickeln.

Ein weiterer Vorteil ist die Stressreduktion. Klare Arbeitsphasen, in denen Du Dich auf das Wesentliche konzentrieren kannst, geben Dir das Gefühl, die Kontrolle über Deinen Tag zu haben. Anstatt von einer Aufgabe zur nächsten zu springen, hast Du die Gewissheit, wirklich etwas geschafft zu haben. Dies reduziert das Gefühl der Überforderung und sorgt für mehr Zufriedenheit im Arbeitsalltag.

Schließlich setzt Du mit Fokus-Blöcken auch eine wichtige Vorbildfunktion. Indem Du achtsam und konzentriert arbeitest, förderst Du eine Kultur, die diese Werte in Deinem Team stärkt. Deine Mitarbeitenden sehen, wie Du klare Prioritäten setzt und gezielt an wichtigen Aufgaben arbeitest, und übernehmen diese Haltung möglicherweise selbst. Auf diese Weise wirkt sich Deine eigene Arbeitsweise positiv auf das gesamte Team aus und schafft eine Atmosphäre, in der konzentriertes Arbeiten geschätzt wird. Mit Fokus-Blöcken schaffst Du also nicht nur produktivere und zufriedenere Arbeitsphasen für Dich selbst, sondern trägst auch dazu bei, die Arbeitskultur in Deinem Umfeld nachhaltig zu verbessern.

Fazit: Zeit für das Wesentliche schaffen

Fokus-Blöcke im Kalender bieten Führungskräften in der Sozialwirtschaft eine effektive Möglichkeit, produktiver zu arbeiten und trotz eines oft hektischen Arbeitsumfelds Raum für die wichtigen Aufgaben zu schaffen. Schon wenige Stunden ungestörten Arbeitens pro Woche können Deinen Alltag wirklich transformieren.

Und jetzt Du:

  • Wann hast Du zuletzt eine Aufgabe in tiefer Konzentration abgeschlossen – und wie hat sich das auf das Ergebnis ausgewirkt?

P.S.: Ähnlich wie die Fokus-Blöcke funktioniert auch das Time Boxing, das Task Batching und das Day Theming (lustige englische Begrifflichkeiten…).

Methoden für Exnovation I: Ecocycle Planning – ein Werkzeug zur Reflexion von Angeboten und Dienstleistungen

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Als Führungskraft in der Sozialwirtschaft stehst du oft vor der Frage, wie du mit knappen Ressourcen das Beste für deine Organisation erreichen kannst. Es geht darum, innovative Ansätze voranzutreiben, aber auch alte Strukturen loszulassen, die nicht mehr zielführend sind. Genau dafür ist Ecocycle Planning ein praktisches Werkzeug, das dir hilft, die Aktivitäten deiner Organisation strategisch zu bewerten, weiterzuentwickeln und vor allem auch loszulassen.

Im Folgenden findest Du eine kurze Einführung, was Exnovation ist und warum wir das dringend brauchen. Und dann findest Du eine praxistaugliche Beschreibung der Methode Ecocycle Planning – eine (nicht nur) Exnovationsmethode aus den „Liberating Structures“.

Was ist Exnovation – und warum überhaupt?

Der Blick auf die aktuellen Herausforderungen, vor denen Organisationen und wir als Gesellschaft stehen, erfordert weniger.

Neben den dringend notwendigen Innovationen brauchen wir in Zukunft unbedingt auch Exnovationen, verstanden als Verzicht auf, Loslassen von oder Ausstieg aus bisher sinnvollen Angeboten, Prozessen, Praktiken oder Technologien, weil sie nicht mehr zielführend, nicht mehr strategiekonform oder gar schädlich sind.

In diesem Beitrag kannst Du die Grundzüge der Exnovation vertieft nachlesen.

Was ist Ecocycle Planning?

Ecocycle Planning ist ein Modell, das sich an natürlichen Wachstumsprozessen orientiert.

Es beschreibt vier Phasen, die jede Aktivität in deiner Organisation durchlaufen kann. Es macht aber Sinn, die Methode vor allem für die Reflexion Eurer Angebote und Dienstleistungen zu nutzen:

  1. Geburt: Neue Ideen entstehen, und Projekte nehmen ihren Anfang. Es herrscht Aufbruchsstimmung.
  2. Reife: Aktivitäten haben sich etabliert, und Abläufe sind eingespielt. Ressourcen werden effizient genutzt.
  3. Kreative Zerstörung (Exnovation): Alte Strukturen, die nicht mehr funktionieren, werden beendet, um Platz für Neues zu schaffen.
  4. Wachstum/Erneuerung: Freigewordene Ressourcen fließen in frische Ideen und neue Projekte.

Hier passt die Metapher eines Waldes, in dem Wachstum, Stagnation, Zerstörung und Regeneration zum natürlichen Kreislauf gehören.

Ecocycle Planning

Warum solltest du Ecocycle Planning nutzen?

Dass wir in der Sozialwirtschaft häufig unter schwierigen Bedingungen arbeiten ist ja nichts Neues: begrenzte Budgets, hohe Erwartungen, fehlende Fachkräfte und komplexe Herausforderungen.

Mit Ecocycle Planning kannst du…

  • …Klarheit darüber gewinnen, welche Projekte oder Aktivitäten in deiner Organisation Ressourcen binden.
  • …herausfinden, welche Aufgaben, Projekte und Angebote du loslassen solltest, um Raum für Neues zu schaffen.
  • …die Prioritäten deiner Organisation klar und strukturiert setzen.

Durch die Visualisierung auf dem Ecocycle-Modell fällt es leichter, Entscheidungen zu treffen und dein Team mitzunehmen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Eine Wohlfahrtsorganisation hat Ecocycle Planning genutzt, um ihre Jugendhilfeprojekte unter die Lupe zu nehmen. Das Ziel: Fokussierung, bessere Ergebnisse erzielen, neue Fördermöglichkeiten erschließen und Raum schaffen für innovative Projekte.

Schritt 1: Einführung und Analyse
Zuerst haben die Führungskräfte und Projektleitenden alle aktuellen Aktivitäten aufgelistet – von Jugendcafés über Mentoring-Programme bis hin zu Präventionsprojekten. Jede Aktivität wurde auf einer großen Ecocycle-Abbildung positioniert:

  • Die Jugendcafés wurden in die „Reifephase“ eingeordnet, weil sie gut etabliert und regelmäßig besucht waren.
  • Ein neues Mentoring-Programm befand sich in der „Geburtsphase“.
  • Ein älteres Präventionsprogramm landete in der Phase der „kreativen Zerstörung“, weil es trotz hoher Kosten nur noch wenige Jugendliche erreichte.

Schritt 2: Diskussion und Entscheidungen
Nach der Analyse ging es darum, konkrete Maßnahmen zu entwickeln:

  • Die Jugendcafés sollten durch digitale Lernangebote ergänzt werden, um aktuelle Bedürfnisse der Jugendlichen besser zu erfüllen.
  • Das Mentoring-Programm bekam mehr Ressourcen, um schneller zu wachsen.
  • Das alte Präventionsprogramm wurde beendet, und die freiwerdenden Mittel wurden in die anderen Projekte investiert.

Das Ergebnis: Die Organisation konnte ihre Angebote modernisieren, neue Zielgruppen ansprechen und gleichzeitig effizienter arbeiten.

So kannst du Ecocycle Planning in deiner Organisation anwenden

Die Methode ist einfach und flexibel einsetzbar. Hier ein Leitfaden:

  1. Vorbereitung
    Zeichne den Ecocycle auf ein Flipchart oder nutze eine Vorlage. Die vier Phasen – Geburt, Reife, kreative Zerstörung, Erneuerung – bilden den Rahmen.
  2. Aktivitäten sammeln
    Liste alle Projekte, Aufgaben und Aktivitäten auf, die in deiner Organisation Zeit und Ressourcen beanspruchen.
  3. Positionierung
    Ordne jede Aktivität einer Phase des Zyklus zu. Du kannst dein Team einbeziehen, um unterschiedliche Perspektiven zu sammeln.
  4. Fokus auf Exnovation
    Diskutiere gezielt, welche Aktivitäten ihr beenden solltet, um Kapazitäten für Neues zu schaffen. Impulsfragen wie diese können helfen:
  • Welche Projekte kosten zu viel Energie und bringen keinen ausreichenden Nutzen mehr?
  • Wo gibt es veraltete Strukturen, die Raum für Innovation blockieren?

Und dann Maßnahmen planen
Erstellt konkrete To-Dos für die Projekte, die ihr beenden, erweitern oder neu starten wollt.

Herausforderungen und wie du sie meisterst

Herausforderungen:

  • Emotionale Bindung: Es ist oft schwer, sich von langjährigen Projekten zu trennen, auch wenn sie nicht mehr wirken.
  • Konsens finden: Unterschiedliche Meinungen können den Prozess erschweren.

Tipps:

  • Sei transparent: Erkläre klar, warum bestimmte Aktivitäten losgelassen werden müssen.
  • Binde dein Team ein: Je mehr Beteiligte mitwirken, desto größer die Akzeptanz.
  • Beachte den Trauerprozess: Loslassen heißt auch Trauern. Und die „Phasen der Trauer“ lassen sich – verkürzt – in a) die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens und der Verleugnung, b) die Phase der aufbrechenden Gefühle, c) die Phase der langsamen Neuorientierung und d) die Phase des neuen Gleichgewichts bzw. der Akzeptanz unterteilen. Hierauf zu achten hilft, um die Akzeptanz für Widerstände bei den Mitarbeitenden zu erhöhen.
  • Plane regelmäßig: Nutze Ecocycle Planning nicht nur einmal, sondern integriere es ritualisiert in eure Arbeitsweise.

Fazit: Ecocyle Planning als Werkzeug, um Deine Organisation zu entschlacken

Ecocycle Planning kann helfen, Angebote und Dienstleistungen Deiner Organisation zu entschlacken. Es hilft dir, Altlasten zu identifizieren, Ressourcen neu zu verteilen und Raum für Innovation zu schaffen. Die Methode ist leicht anwendbar und bringt Klarheit in komplexe Entscheidungen.

Nutze diese Chance und frage dich:

  • Welche Aktivitäten in meiner Organisation befinden sich in der Phase der kreativen Zerstörung?
  • Was müssen wir jetzt loslassen, um Platz für Neues zu schaffen?

Kennst Du weitere „Methoden für Weniger“ aka Exnovationsmethoden? Dann lass doch gerne einen Kommentar hier oder schreib mir direkt. Würde mich sehr freuen!

Rezension: „Gute Arbeit“ von Marion King

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Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist mehr als eine Anleitung zur Verbesserung der Arbeitswelt; es ist ein leidenschaftlicher Appell an alle, die ihre berufliche und persönliche Selbstwirksamkeit entdecken und ausbauen wollen. Das Buch verbindet fundierte Theorie mit einer Fülle persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse der Autorin. King versteht es meisterhaft, den Leser mit humorvollen, berührenden und klugen Beobachtungen durch die Geschichte der Arbeit und in die Zukunft zu führen. Dabei gelingt es ihr, die oft abstrakten Konzepte von „New Work“ greifbar und praxisnah darzustellen.

Gliederung des Buches: Ein Blick auf die Struktur

Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist klar und übersichtlich gegliedert, was es dem Leser leicht macht, dem roten Faden zu folgen und die einzelnen Themen zu vertiefen. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt die Tiefe und Vielfalt der behandelten Aspekte:

  1. Das Vorwort: Marion King beginnt ihr Buch mit einer philosophischen Einführung von Natalie Knapp, die den Leser dazu anregt, sich seiner eigenen Macht und Wirksamkeit bewusst zu werden. Der Ton ist motivierend und gibt den Rahmen für die folgenden Kapitel vor.
  2. Der Zustand der Arbeit: In diesem einleitenden Kapitel beschreibt King aus verschiedenen Perspektiven, wie sich die heutige Arbeitswelt darstellt. Sie beleuchtet die Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Organisationen und der Führungskräfte und macht deutlich, dass zwischen Erwartungen und Realität oft eine Lücke klafft. Das Kapitel „Wer jammert, hat noch Reserven“ weist auf humorvolle Weise auf das Potenzial hin, das in scheinbar schwierigen Arbeitssituationen steckt.
  3. Alte Arbeit: Dieses Kapitel führt den Leser tief in die historische Entwicklung der Arbeitswelt. King beleuchtet die Ursprünge moderner Arbeitsprinzipien, angefangen bei Pionieren wie Taylor, Fayol und Ford. Sie analysiert kritisch, wie die industriellen Revolutionen die Arbeitswelt geprägt haben und welche der alten Paradigmen bis heute überlebt haben. Das Kapitel „Taylor meets IT“ beschreibt die digitale Transformation und die damit verbundenen Herausforderungen.
  4. Neue Arbeit: In diesem Teil widmet sich King der modernen Arbeitswelt, dem Konzept „New Work“ und den damit verbundenen Mythen. Sie beschreibt, wie die Bewegung durch Frithjof Bergmann an Popularität gewann und bietet eine differenzierte Sicht auf die oft idealisierte Vorstellung dieser neuen Arbeit. Echte „Gute Arbeit“, so King, entsteht nicht durch Schlagworte, sondern durch einen echten Wandel von Strukturen in Organisationen, die dann auch zu einer anderen Haltung führen (können).
  5. Machen: Der praxisorientierte Teil des Buches motiviert zum Handeln. King zeigt zwölf „gute“ Gründe auf, warum Veränderungen oft scheitern, und gibt Hinweise, wie diese Hürden überwunden werden können. Besonders inspirierend ist das Kapitel „Neue Arbeit selbst machen“, in dem die Autorin konkrete Methoden und Beispiele für Selbstwirksamkeit vorstellt. Hier geht es um den Mut, aus vorgefertigten Strukturen auszubrechen und aktiv neue Wege zu gehen. King betont, dass dieser Prozess nicht ohne Geduld und Ausdauer geht, was sie im Kapitel „Über Geduld“ aufgreift.
  6. Inspirationen: In den abschließenden Kapiteln geht King auf gesellschaftliche Veränderungen ein, die eng mit dem Wandel der Arbeitswelt verbunden sind. Sie spricht von „New Masculinity“ und „New (Generation) Female“ und zeigt auf, wie feministische Prinzipien und Selbstwirksamkeit in den Arbeitsalltag integriert werden können. Das Kapitel „Eine neue Schule“ eröffnet Perspektiven, wie Bildung und Selbstwirksamkeit zusammenhängen und warum beides für eine nachhaltige Arbeitskultur so wichtig ist.
  7. Anhang: Der letzte Teil des Buchs „Gute Arbeit“ von Marion King bietet eine Sammlung weiterführender Literatur und Empfehlungen zur Vertiefung der behandelten Themen. King nennt ihre persönlichen „Lieblingsbücher“ und schlägt damit eine Brücke für Leser:innen, die sich tiefer mit den philosophischen und praktischen Aspekten der Arbeitswelt beschäftigen möchten.

Analyse und Reflexion zum Buch „Gute Arbeit“ von Marion King

„Wer jammert, hat noch Reserven!“ Puhhh, ich musste länger über den Satz nachdenken, der über der „eigentlichen Einleitung zum Buch“ (S. 22/23) steht (King bezieht sich auf den Artikel von Duve, 2003) und dachte an die Einrichtungen und Organisationen in denen ich unterwegs bin – Pflege, Soziale Arbeit, Erziehung, Gesundheit… Geht da noch was?

King ist sich sicher: „Ich weiß ganz sicher, dass da noch was geht, dass es anders geht – das mit dem Arbeiten und das mit dem Verändern.“ (ebd.)

Ja, dieser Blick macht das Buch für mich aus: Es geht was, es geht anders, vor allem aber geht es (selbst-)wirksamer. Arbeit genauso wie Veränderung. Allein an dem kurzen Einblick ins Buch zeigt sich, dass Gute Arbeit weit mehr ist als eine rein theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit. Es ist ein Buch, das bewegen und aufrütteln soll – und das auch schafft.

Dazu trägt Kings Schreibstil bei – fesselnd und direkt, sie spricht ihre Leser:innen wie Vertraute an und macht die Lektüre zu einer fast persönlichen Erfahrung. Dazu tragen auch die vielen Beispiele aus ihrem eigenen Berufsleben bei, die auf lebendige Weise veranschaulichen, dass Veränderungen nicht nur notwendig, sondern auch und anders machbar sind.

Mir gefällt aber besonders Kings Fähigkeit, die Verbindung zwischen einer aus meiner Sicht realisitsch eingeordneten Perspektive von „New Work“ (in Anführungsstrichen als Klammer für alle zeitgemäßen Formen, Methoden und Tools von Arbeit und Zusammenarbeit, S. 67) und der eigenen ebenso wie der organisationalen Selbstwirksamkeit herzustellen.

Ja klar, manches sind Wiederholungen für Menschen, die sich schon lange im Kontext von New Work und Organisationsentwicklung bewegen – aber das ist normal und wichtig, denn: Ohne ein- und hinführende Worte zu komplexen Themenstellungen geht es nicht.

Marion King zeigt aber insgesamt, dass es bei erfüllender Arbeit nicht nur um Produktivität und Karriere geht, sondern darum, Einfluss auf seine Umwelt zu nehmen und (wieder) Sinn in seiner Arbeit zu finden. In einer Welt, die oft von Leistungsgedanken und kurzfristigen Erfolgen getrieben ist, erinnert das Buch daran, dass wahre Erfüllung nur dann erlebt wird, wenn man langfristig wirklich, wirklich etwas bewirkt.

Und so denke ich über die eigene Hoffnung nach, mit meiner Arbeit etwas – was auch immer – zu bewirken – für mich, vor allem aber für die tollen Menschen und Organisationen, mit denen ich in herausfordernden Zeiten zusammenarbeiten darf.

Fazit

Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist ein inspirierendes und facettenreiches Buch, das weit über die gängigen Buzzwords der „New Work“-Bewegung hinausgeht. Es ist ein Aufruf zu Verantwortung, Mut und Offenheit – sowohl für den Einzelnen als auch für Organisationen. Kings humorvoller und zugleich nachdenklicher Ton führt die Leser:innen durch die verschiedenen Facetten der Arbeitswelt und motiviert zur aktiven Gestaltung des Wandels.

Aus meiner Sicht eine klare Empfehlung für alle, die sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben und bereit sind, sich nicht nur für „Gute Arbeit“, sondern auch für die Stärkung der Selbstwirksamkeit auf gesellschaftlicher Ebene einzusetzen.

Und das braucht’s – Selbstwirksamkeitserfahrungen für sich selbst, in unseren Organisationen und der Gesellschaft. Da geht noch was!

Und hier geht’s zum Buch!

Exnovation in sozialen Organisationen – ein Interview

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Das Buch „Exnovation und Innovation – Synergie von Ende und Anfang in Veränderungen“ von Sandra Bils und Gudrun Töpfer beschäftigt sich mit der Notwendigkeit, alte Methoden, Technologien und Prozesse aufzugeben, um neuen Entwicklungen Platz zu machen. Die Herausforderungen, vor allem aber die Chancen, die mit dem Aufhören in einer innovationsgetriebenen Gesellschaft einhergehen, werden jedoch oft übersehen. So braucht es mehr als die bloße Entscheidung zum Aufhören, Beenden, Loslassen und Verlernen – persönlich, in unseren Organisationen und in der Gesellschaft. Vielmehr müssen auch die damit verbundenen sozialen und psychologischen Aspekte berücksichtigt werden, um dem Abschiedsschmerz und der Schwierigkeit, sich von Vertrautem zu trennen, zu begegnen. Und gleichzeitig ergeben sich durch Aufhören und Loslassen, durch Exnovation in sozialen Organisationen, die so dringend benötigten (Frei-)Räume, um wieder Atmen und sich bewegen zu können.

Um einen breiten Blick auf das Thema Exnovation zu ermöglichen, kommen im Buch auch Menschen zu Wort, die aus unterschiedlichen Branchen und Arbeitszusammenhängen berichten und deren Sichtweisen auf Exnovation einschließen. Auch ich durfte ein Interview zu dem soeben erschienenen Buch beitragen (hier noch mal der Link zum Buch).

Und im Folgenden findest Du dieses Interview, in dem ich meine Erfahrungen mit Exnovation in sozialen Organisationen beisteuere. Ich habe meine Ausführungen hier sprachlich leicht angepasst, aber die Inhalte unverändert gelassen. Vielleicht sind ja ein paar interessante Gedanken für Dich dabei?

P.S.: Hier habe ich einen einführenden Beitrag zum Thema Exnovation verfasst, der Dir als Einstieg ins Thema dienen kann.

Wo in Ihrem Arbeitskontext sind Ihnen schon Spuren von Exnovation begegnet? In welchen Themen, zu welchen Zeitpunkten im Gesamtkontext war das? Wie stellte sich das Thema dar?

Der Schwerpunkt meiner Beratungstätigkeit liegt in Fragen der Organisationsentwicklung sozialer Organisationen. Dazu gehören Kindergärten ebenso wie Wohlfahrtsverbände (z.B. Caritas oder Diakonie) oder Einrichtungen der Altenhilfe. Alle diese Organisationen erbringen im Kern „personenbezogene soziale Dienstleistungen“. Daraus ergeben sich (mindestens) zwei Herausforderungen, die für Exnovation von Bedeutung sind:

Zum einen werden diese Dienstleistungen aufgrund gesetzlicher Grundlagen aus Steuermitteln finanziert. Das heißt, die Sozialgesetzbücher regeln, welche Leistungen von Organisationen angeboten und damit finanziert werden dürfen. Dies hat zur Folge, dass sinkende Steuereinnahmen bzw. hohe Staatsausgaben dazu führen, dass die Finanzierung sozialer Dienstleistungen – trotz steigender Nachfrage aufgrund zunehmender sozialer Probleme – nicht mehr ausreichend gesichert ist. In den letzten Jahren sind durch die Corona-Pandemie und den Angriffskrieg Russlands massive Ausgaben auf den Staat zugekommen, die dazu führen, dass die Finanzierung sozialer Dienste zurückgefahren wird und Angebote in Frage gestellt werden (müssen). Hinzu kommen massive Kostensteigerungen auf Seiten der Leistungserbringer (Einrichtungen) bspw. durch steigende Energiekosten, Inflation oder gestiegene Personalkosten, die bis hin zur Insolvenz von Einrichtungen geführt haben.

Zum anderen ist eine Besonderheit sozialer, personenbezogener Dienstleistungen, dass sie fast ausschließlich von Menschen erbracht werden. Die Pflege älterer Menschen und die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten, um nur zwei Beispiele zu nennen, kann nur von Menschen geleistet werden. Angesichts des demografischen Wandels haben wir aber bereits heute und in Zukunft verstärkt einen massiven Fachkräftemangel, der kaum durch Automatisierung und auch nur zu einem geringen Teil durch Fachkräfte aus dem Ausland kompensiert werden kann. Daraus ergibt sich wiederum die Notwendigkeit seitens der Organisationen, genau abzuwägen, welche Angebote zukünftig noch aufrechterhalten werden können bzw. eingestellt werden müssen.

Hinzu kommt als weiterer Aspekt, dass insbesondere große Träger sozialer Organisationen in den letzten Jahrzehnten formale Organisationsstrukturen ausgebildet haben, die häufig denen einer Verwaltung in nichts nachstehen. Angesichts der Dynamik und Komplexität unserer Gesellschaft stellt sich daher auch organisationsintern die Frage, welche der Strukturen, Regeln, Prozesse, Hierarchieebenen etc. eigentlich noch funktional für die zeitgemäße und bedarfsgerechte Erfüllung des Organisationszwecks sind. Daraus ergeben sich „interne Exnovationsnotwendigkeiten“.

Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gezogen, welche Learnings haben Sie in der Rückschau mitnehmen können? Wie gestaltete sich der Prozess?

Abschiedsprozesse sind immer hoch emotional. Das liegt auf der Ebene der Angebote daran, dass diese nicht mangels Nachfrage oder Bedarf eingestellt werden müssen. Im Gegenteil: Der gesellschaftliche Bedarf z.B. an Pflege und Kinderbetreuung steigt von Jahr zu Jahr. Entsprechend schwierig sind Entscheidungen, bestimmte Leistungen nicht mehr anzubieten, da es immer um Menschen geht – und zwar um Menschen in oft prekären Lebenslagen.

Auf der Ebene der „internen Exnovation“ zeigt sich für mich immer wieder sehr eindrücklich, wie stark eingeschliffene Verhaltensmuster wirken und wie behutsam entsprechend mit Exnovation bzw. dem Abbau von liebgewonnenen Prozessen und damit der Veränderung von Arbeitsabläufen umgegangen werden muss. Als Beispiel fällt mir eine Wohnbereichsleitung in einer stationären Altenhilfeeinrichtung ein, die für die Erstellung des Dienstplans zuständig war. Die Aufgabe war hochgradig aufwendig und unbeliebt – man kann es nie allen recht machen. Aber die Überlegung, die Aufgabe „wegzunehmen“ und durch eine andere Person ausführen zu lassen, stieß auf massiven Widerstand.

In beiden Fällen – der externen wie der internen Exnovation – geht es darum, den Abschied zu gestalten. Dazu ist aus meiner Sicht eine Auseinandersetzung mit den „Phasen der Trauer“ hilfreich, die sich – verkürzt – in a) die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens und der Verleugnung, b) die Phase der aufbrechenden Gefühle, c) die Phase der langsamen Neuorientierung und d) die Phase des neuen Gleichgewichts bzw. der Akzeptanz unterteilen lassen.

Was war oder ist im Umgang mit der Exnovation schwierig und anstrengend gewesen? Wo lagen für die Beteiligten die großen Herausforderungen?

Wir Menschen denken nicht in „weniger“. Wir suchen vielmehr systematisch nach Mehr, nach dem Hinzufügen. Etwas wegzulassen wird immer übersehen. Dies wurde z.B. in der Studie „People systematically overlook subtractive changes“ (Adams, et al. Nature 592, 258-261, 2021, hier) eindrucksvoll herausgearbeitet.

Entsprechend herausfordernd ist der Umgang mit Veränderungen hin zu weniger – wie die gesellschaftlichen Anstrengungen rund um den Umgang mit dem Klimawandel eindrucksvoll zeigen. Hinzu kommt, dass uns die Systemtheorie unter dem Begriff der Autopoiese lehrt, dass das primäre Ziel eines jeden Systems sein Überleben ist. Daraus folgt, dass das Weglassen und damit das „Sterben“ von Angeboten und Institutionen als soziale Systeme immer mit massiven Widerständen verbunden ist.

Und wenn es dann noch darum geht, Angebote und Dienstleistungen für Menschen in prekären Lebenslagen abzubauen, kann man sich die Herausforderungen vorstellen. Wie gesagt, es geht um Trauer und Trauerbewältigung.

Welche Empfehlungen können Sie aus Ihren Erfahrungen heraus geben? Was sollte man tun, was sollte man lassen? Wie sollte man mit den negativen Emotionen umgehen, die einen Exnovationsprozess begleiten? Und welche waren/sind die „schönen“ Momente in so einem Prozess?

Die schönen Momente liegen eindeutig in der Perspektive, durch „interne Exnovation“ wieder Luft zum Atmen zu bekommen, sich zu bewegen, neu zu denken und zu handeln. Das Eliminieren von aus Anwendersicht nicht sinnvollen, geschweige denn effizienten Prozessen – z.B. durch die Methode „Kill a stupid rule“ – wird als äußerst positiv empfunden. Hier zeigt sich immer wieder, wie hilfreich es ist, Menschen in Organisationen in ihrer – und wenn auch nur minimalen – Selbstwirksamkeit in Bezug auf ihren Einflussbereich zu stärken.

Bezogen auf die „dunkle Seite der Exnovation“ ist es aus meiner Sicht wichtig, dass sich die Verantwortlichen für Exnovationsentscheidungen nicht ausschließlich sachlich-informativ an die Betroffenen (Mitarbeiter:innen wie auch Nutzer:innen) wenden, sondern immer auch die emotionale Seite berücksichtigen.

Informationen darüber, warum es notwendig ist, bestimmte Angebote einzustellen, sind wichtig, aber definitiv nicht ausreichend. Ähnlich wie bei der Trauerbewältigung geht es darum, Dialogräume anzubieten, in denen der Trauer, der Wut und der Enttäuschung Raum gegeben werden kann, um von dort aus wieder gemeinsam in eine positive, vor allem aber gestaltbare Zukunft zu blicken.

Denn: Exnovationsbedarf bietet immer auch die Chance zu hinterfragen, ob Angebote und auch die internen Strukturen, Prozesse und Abläufe wirklich wirksam und damit notwendig sind.


Und bei Dir so: Welche Erfahrungen machst Du in Deiner Organisation mit dem Loslassen bzw. der Exnovation in sozialen Organisationen? Hinterlasse doch hier einen Kommentar! Danke schon jetzt!!!

Das Cynefin Framework: Warum es für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich ist und wie Du es nutzen kannst

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Führungskräfte in Organisationen der Sozialwirtschaft stehen täglich vor einer Vielzahl von schwierigen, komplexen und oftmals auch paradoxen Entscheidungen – nicht umsonst beschreibt Klaus Grunwald das „Dilemmatamanagement“ als eine der Kernkompetenz für Führungskräfte (vgl. 2022:92ff). Hinzu kommen Fragen, wie eine „funktionale Gestaltung der Organisation“ (oder auch des Teams) gelingen kann: „Bleiben wir klassisch organisiert, formal-hierarchisch, mit verschiedenen Leitungsebenen oder wollen wir zur ‚agilen Organisation‘ werden, mit selbstbestimmt agierenden Teams und einer ‚flachen Hierarchie‘?“ Hinzu kommen spontane Krisen, die zu bewältigen sind (Corona, Hackerangriffe und und und) ebenso wie die Notwendigkeit, zunehmend effizienter zu wirtschaften, ohne die Zwecke der Organisation aus dem Blick zu verlieren. Unter diesen Rahmenbedingungen kann das Cynefin Framework eine wertvolle Unterstützung im Führungsalltag bieten.

Das Framework hilft, unterschiedliche Situationen besser zu verstehen und die richtigen Entscheidungs- und Handlungsstrategien zu entwickeln, um angemessen zu reagieren. In diesem Beitrag erfährst Du, was das Cynefin Framework ist, warum die Nutzung für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich ist und wie Du es in Deiner eigenen Organisation ganz konkret anwenden kannst.

Was ist das Cynefin Framework?

Das Cynefin Framework wurde im Jahr 2000 von Dave Snowden, einem ehemaligen IBM-Mitarbeiter und Berater, entwickelt und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Hier kannst Du einen Beitrag von Snowden zum Framework im Harvard Business Review nachlesen.

Der walisische Begriff „Cynefin“ (ausgesprochen: Kü-NE-fin) lässt sich als „Lebensraum“ übersetzen. Das ist eine Metapher für die Erkenntnis, dass sowohl Individuen als auch Systeme durch ihre jeweilige Entwicklungsgeschichte sowie ihren Kontext geprägt sind.

Das Framework ist ein Modell zur Entscheidungsfindung, das verschiedene Situationen in fünf Domänen einteilt. Zwei der fünf Cynefin-Domänen lassen sich durch Ordnung und lineare Kausalität kennzeichnen (einfach, kompliziert). Den beiden anderen Domänen (komplex, chaotisch) fehlt eine grundlegende Ordnung. Die fünfte Domäne (Disorder) lässt sich am besten mit dem Vorwissen der anderen vier Cynefin-Domänen erklären:

  • Einfach (Clear): Probleme und Themenstellungen, die dieser Domäne zuzurechnen sind, sind leicht zu erkennen und die Lösung folgt bewährten Best Practices. Es gibt nur wenige Informationen und Variablen und diese stehen in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung (kausal) zueinander. Das vor Dir liegende Thema, das Problem oder die Aufgabe kannst Du allein durch Beobachtung umfassend beurteilen. Auch gibt es meist viel Erfahrungswissen, was es ermöglicht, eine verlässliche Vorhersage über das notwendige Vorgehen zu treffen. Hier gilt es, Checklisten, Prozesse, feste Regeln und “Best Practices” zu nutzen, um zuverlässig zum Erfolg zu kommen.
    Beispiele für einfache Aufgaben lassen sich auch auf Ebene der Führung in Organisationen der Sozialen Arbeit finden. Hier geht es vornehmlich um die Sicherstellung, dass bewährte Verfahren, Regeln, Vorgaben und Prozesse konsequent angewendet werden. Dazu gehört die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung von Checklisten, Formularen und Verfahrensanweisungen, z.B. für administrative Aufgaben.
  • Kompliziert (Knowable, Complicated): Ursachen von und Lösungen für Probleme sind nicht sofort offensichtlich, können aber mit Expert:innenwissen und Analysen identifiziert werden. Komplizierte Systeme, Aufgaben und Probleme zeichnen sich durch eine Vielzahl an Informationen und Variablen aus. Ähnlich wie in einfachen Systemen gibt es auch hier feste Ordnungen und lineare Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Allerdings lassen sich die Zusammenhänge nur durch gründliche Analysen verstehen, die Fachwissen und Expertise erfordern. Erst durch diese detaillierte Analyse können fundierte Pläne erstellt werden, die Abhängigkeiten und potenzielle Risiken mit einbeziehen. Um in komplizierten Systemen oder an komplizierten Aufgaben zu arbeiten, ist es daher notwendig, auf Expert:innen für bestimmte Themen zurückzugreifen.
    Als Beispiel für komplizierte Aufgaben im Führungsalltag lässt sich die Ressourcenallokation anführen: Führungskräfte müssen entscheiden, wie finanzielle und personelle Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden können, um komplizierte, aber lösbare Probleme zu bewältigen, was Erfahrung und Wissen voraussetzt.
  • Komplex: In komplexen Systemen und bei komplexen Aufgaben gibt es eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. Es kann sowohl zu eskalierenden als auch zu stabilisierenden Rückkopplungen kommen – es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Dies macht es unmöglich, Ergebnisse genau vorherzusagen oder einen festen Plan zur Zielerreichung aufzustellen. Selbst wenn man auf Erfahrungen aus ähnlichen Situationen zurückgreifen kann, ist es nicht möglich, den einen, optimalen Weg zum gewünschten Ergebnis im Voraus zu bestimmen. Die effektivste Vorgehensweise besteht daher darin, durch zeitlich begrenztes Ausprobieren (Experimentieren) Fortschritte zu erzielen, Muster zu erkennen und sein Handeln entsprechend anzupassen. So kann das Problem in kleinere, überschaubare Teilaufgaben zerlegt werden, die dann wieder als komplex, aber lösbar angesehen werden können.
    Exemplarisch geht es hier um die Bereitschaft, neue und experimentelle Ansätze auszuprobieren, Innovationen zuzulassen und neue Wege in Situationen zu gehen, für die es noch keine vorgefertigten Lösungen gibt.
  • Chaotisch: Ein klares Muster ist nicht erkennbar. Vielmehr muss sofort gehandelt werden, um die chaotische Situation zu stabilisieren. Der Zufall regiert. Man hat es mit einer unüberschaubaren Anzahl von Einflussfaktoren zu tun, die sich gegenseitig beeinflussen und extrem schnell verändern. Anders als in komplexen Umwelten bleibt keine Zeit, durch Experimente Muster zu erkennen. Die einzig sinnvolle Strategie ist, Neues auszuprobieren, schnell und entschlossen zu handeln, um das System zu stabilisieren. Ausgehend von ersten lokalen Stabilisierungen wird schrittweise der Übergang vom chaotischen zum komplexen Zustand angestrebt.
    Beispiele für chaotische Situationen und Aufgaben sind Krisen, die sofort angegangen werden müssen. Hier hilft vielleicht die Erinnerung an den Beginn der Corona-Pandemie: Die plötzlich auftretenden Herausforderungen führten zu chaotischen Zuständen, die das Tagesgeschäft lähmten. Hier war sofortiges Handeln gefragt, um die Krise zu bewältigen, Vertrauen wiederherzustellen und operative Stabilität zu schaffen.

Die fünfte Domäne – Verwirrung (Disorder) – tritt auf, wenn unklar ist, welche der anderen Domänen zutrifft. Ziel ist es hier, die Unsicherheit zu klären und Ordnung zu schaffen.

Das Cynefin Framework

Warum ist das Cynefin Framework für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich?

Das Cynefin Framework ist zum einen hilfreich, um eine grobe Einschätzung vorzunehmen, in welchen Umfeldern sich Deine Organisation bzw. Dein Verantwortungsbereich bewegt. Es macht einen Unterschied, ob Du vornehmlich in einem geordneten Umfeld arbeitest (einfach, kompliziert, vielleicht im Kontext eines Sozialamts oder der Arbeitsagentur oder auch in der Personalverwaltung Deiner Organisation) oder ob die Verhältnisse ungeordnet sind (komplex, chaotisch, bspw. als Gruppenleitung einer Kita oder als Vorstand eines Komplexträgers mit verschiedenen Arbeitsfeldern). Basierend darauf kannst Du passfähig(er)e Vorgehensweisen etablieren, Entscheidungsprozesse definieren, die Zusammenarbeit organisieren oder formale Strukturen Deiner Organisation weiter entwickeln.

Darüber hinaus fällt mir immer wieder auf, dass im Alltag nach dem Hammer (bspw. der „agilen Organisation“) gesucht wird, mit dem alle Probleme der Organisation bearbeitet werden können. Das Problem ist, dass nicht alle Probleme Nägel sind 😉

Mit anderen Worten sind Führungskräfte in hybriden Organisationen der Sozialwirtschaft strategisch ebenso wie im operativen Alltag mit ganz verschiedenen – einfachen, komplizierten, komplexen und chaotischen – Situationen und Aufgaben konfrontiert. Führungs- und Gestaltungsaufgaben, Prozessgestaltung und Kontrolle der Einhaltung, der Umgang mit dem Klientel und den Kostenträgern oder die innovativen Entwicklung neuer Angebote und Dienstleistungen erfordern völlig unterschiedliche Herangehensweisen.

Hier hilft das Cynefin Framework, Aufgaben zu sortieren, Herausforderungen richtig einzuschätzen und dann passfähig reagieren zu können.

Zum anderen kann das Framework im Alltag

  • die Entscheidungsfindung verbessern: Das Framework hilft, Situationen richtig einzuordnen und passende Maßnahmen zu ergreifen, statt auf jedes Problem mit denselben Lösungen zu reagieren.
  • die Anpassungsfähigkeit steigern: In komplexen oder chaotischen Situationen wird über das Cynefin Framework deutlich, dass iterative Ansätze, die es erlauben, schnell auf Veränderungen zu reagieren, passfähiger sind als Pläne und Checklisten.
  • das Krisenmanagement unterstützen: In chaotischen Situationen gilt es, sofort zu handeln, um die Lage zu stabilisieren, bevor Du eine langfristige Strategie entwickelst.

Konkrete Anwendung des Cynefin Frameworks in Organisationen der Sozialwirtschaft

Was hat uns die Katze denn heute wieder vor die Tür gelegt?

Vielleicht akutes Ausfallmanagement, neue gesetzliche Anforderungen, Fachkräftemangel, Unterschriftenliste, irgendwas mit Digitalisierung, eine Workshop zu einer neuen Struktur eines Bereichs, die „agile Transformation“, Nachfolgeplanung und, und, und…?

Immer stellt sich die Frage: „Was nu, was soll ich damit jetzt machen?“

Klar, bei einigen Dingen hat sich bei Dir – Gott sei Dank oder hoffentlich – eine Routine eingeschlichen, aber bei anderen Aufgaben, Themen und Herausforderungen kann es sehr hilfreich sein, einen klare(re)n Fahrplan zu haben, wie damit umgegangen werden kann. Da hilft Cynefin (vielleicht). Deswegen hier noch einmal verdeutlicht, wann, bei welcher Aufgabe, wie vorgegangen werden sollte:

  1. Einfache Domäne = standardisierte Prozesse optimieren:
    In der Sozialwirtschaft gibt es viele Routineprozesse, wie z. B. Verwaltungsabläufe oder die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Diese fallen in die einfache Domäne. Das Framework hilft Dir, diese Prozesse zu identifizieren und nach Best Practices zu optimieren, wodurch Effizienz und Zuverlässigkeit steigen.
  2. Komplizierte Domäne = Expert:innenwissen nutzen
    Wenn Du komplizierte Projekte umsetzt, z. B. die Einführung neuer Technologien, fällt dies in die komplizierte Domäne. Hier ist es wichtig, Expert:innenwissen einzubeziehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Framework zeigt auf, wann es notwendig ist, Expert:innen zu Rate zu ziehen, um detaillierte Analysen durchzuführen. Du rufst ja auch keine agile Arbeitsgruppe ein, wenn Dein Auto nicht mehr fährt, sondern gehst zur Werkstatt.
  3. Komplexe Domäne = Experimente machen
    Bei den o.g. Themen und Aufgaben gibt es oft keine klaren Lösungen oder ein eindeutig definiertes Ziel. Und selbst der Weg hin zum Ziel liegt oft im Dunkeln. Hier kannst Du den Übertrag auf die Arbeit mit Klient:innen in schwierigen Lebenssituationen machen: Auch da weißt Du nicht (immer), welche Maßnahmen langfristig erfolgreich sein werden. Das Cynefin Framework zeigt, dass in der komplexen Domäne Experimentieren und Feedbackschleifen entscheidend sind, um den richtigen Weg zu finden. Experimentieren und Feedback erinnert dann wieder stark an den Kern agilen Arbeiten: Ausprobieren, expect and adapt, das passt hier rein.
  4. Chaotische Domäne = schnelles Handeln in Krisensituationen
    In chaotischen Situationen, wie z. B. einer Krisenintervention oder bei einer plötzlichen Notlage, sind schnelle und entschlossene Handlungen notwendig, die dann, im Nachgang, reflektiert werden müssen. Es geht darum, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, bis die Lage unter Kontrolle ist und langfristige Lösungen – bspw. mithilfe des Vorgehens aus der komplexen Domäne – gefunden werden können.
  5. Verwirrung = Ordnung schaffen
    Dich erschlagen die aktuellen Herausforderungen, Deine Aufgabenliste wird unendlich und der Tag hat nur 24 Stunden (und schlafen kommt noch hinzu)? Bei Situationen, Aufgaben und Themen, bei denen Du nicht sofort weißt, in welcher der oben genannten Domänen Du Dich befindest führen zu Unsicherheit, die hier als Disorder bezeichnet wird. Das Framework hilft, diese Unordnung zunächst anzunehmen und dann zu klären, zu welcher Domäne die jeweilige Situation passt, um so geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hier geht es also ums Innehalten, Reflektieren, Sortieren und Ordnung schaffen, oder: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam!“

Praktische Tipps zur Anwendung des Cynefin Frameworks in Deiner Organisation

Um das Denken und Handeln basierend auf den fünf Domänen des Cynefin Frameworks effektiv in Deiner Organisation zu nutzen, kannst Du (unter anderem) folgende Schritte unternehmen:

  1. Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte: Bringe Deinem Team das Denken in den Domänen des Cynefin Framework nahe. Es hilft Mitarbeitenden und Führungskräften, Situationen, Aufgaben und Herausforderungen richtig zu bewerten und angemessene Entscheidungen zur Bearbeitung der Aufgaben zu treffen. Und vielleicht braucht man dann, wenn man mal nicht weiter weiß, doch keinen Arbeitskreis, sondern einen klaren Prozess.
  2. Reflexion der Arbeit mit dem Framework: In regelmäßigen Teammeetings können Fallbeispiele aus der Praxis besprochen und in die jeweiligen Domänen des Frameworks eingeordnet werden: Wie haben wir Aufgabe XY gelöst und wie hat uns das Framework geholfen?
  3. Organisationsentwicklung: Ich nutze das Framework gerne, um in OE-Prozessen eine grobe Einschätzung vorzunehmen, was für das jeweilige Problem eine passende Herangehensweise ist. Auch dabei ist immer wieder zu unterscheiden zwischen der Optimierung bestehender Prozesse, der Fachberatung und dem Einbringen von Expertenwissen und der gemeinsamen Neuentwicklung von bspw. Strategien, Angeboten, Strukturen. Und manchmal geht’s auch um das Bearbeiten einer akuten Krise.

Das Cynefin Framework als Kompass

Zusammenfassend wird durch das Cynefin Framework (für mich) immer wieder deutlich, dass die wenigsten Organisationen, Situationen und Projekte nur aus einer Perspektive betrachtet werden können. Vielmehr geht es darum, die Vielfalt zu akzeptieren und je nach Situation neu zu entscheiden, was wann wo wie hilfreich sein kann.

Ganz klar: Das Cynefin Framework ist kein Allheilmittel, mit dem sich jede Situation endgültig (er)klären lässt. Es ist auch nicht der Hammer, der aus jedem Problem einen Nagel macht. Denn viele Themen, Probleme und Herausforderungen sind vielschichtig. Sie setzen sich gleichzeitig aus einfachen, komplizierten und komplexen Elementen zusammen. Manchmal bewegen sie sich auch zwischen den verschiedenen Bereichen der Cynefin-Matrix. Dennoch dient Cynefin als nützlicher Kompass, um den Kontext zu erkennen und zu verstehen.

Wenn es allen Beteiligten gelingt, ein gemeinsames Grundverständnis darüber zu entwickeln, ist eine der größten Gefahren bereits gebannt – nämlich die, jedes Problem wie einen Nagel zu betrachten und Deine gewohnten Vorgehensweisen als universelle Lösung zu sehen.

Diese Vorgehensweisen funktionieren nämlich nur in etablierten Umgebungen, mit denen Deine Organisation vertraut ist. Gleichzeitig musst du deine bewährten Routinen nicht völlig aufgeben, sondern sie nur gezielter einsetzen. Und vor allem in komplexen Situationen oder bei der Entwicklung von Neuem (wie auch beim Weglassen, bei der Exnovation) ist eine neue Arbeitskultur gefragt. Diese kann neben bisher etablierten Ritualen bestehen – es geht um ein „Und“ statt um ein „Oder“, was wiederum die Vielfalt verdeutlicht, in der sich Organisationen der Sozialen Arbeit bewegen.

Hier kannst Du eine Vorlage zur Arbeit mit dem Framework herunterladen!

Bin gespannt, auf Deine Erfahrungen, lass dazu doch gerne einen Kommentar auf dem Blog oder auf den verschiedenen Plattformen da, schreib mir dazu oder ! Danke!!!

Quellen:

  • Grunwald, Klaus (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.

Der IdeeQuadrat New Work Canvas 2.0 – (D)ein Tool für die gelingende Organisationsentwicklung

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Hä, was? IdeeQuadrat New Work Canvas? Muss das sein? Braucht wirklich jede:r ein eigenes Canvas? Ja, ich verstehe, aber ich möchte hier so etwas wie meine „Hintergrundfolie“ in Organisationsentwicklungsprozessen mit Dir teilen. Außerdem erfährst Du, wie Du mit dem IdeeQuadrat New Work Canvas in Deinem Team oder Deiner Organisation arbeiten kannst. Vielleicht passt inzwischen auch der Name nicht mehr ganz – New Work – was ist das eigentlich? Denn übergreifend geht es mir darum, gute, funktionale, von mir aus auch „gesunde“ Organisationen zu gestalten – ob New Work oder nicht…

So durfte ich in den letzten Jahren ich immer wieder spannende Einblicke in die unterschiedlichsten Organisationen gewinnen und mit ihnen gemeinsam Strategien entwickeln, Führungskräfte und Teams begleiten, Organisationsstrukturen neu gestalten oder selbstbestimmt agierende Teams auf den Weg bringen und deren Zusammenarbeit weiter entwickeln.

Bei all diesen Themen gibt es für mich im Hintergrund immer ein Bild der gesamten Organisation oder des Teams, mit der bzw. dem ich arbeite. Und dieses Bild, diesen Hintergrund möchte ich hier mit Dir teilen.

Im folgenden findest Du die etwas überarbeitete Version 2.0 der IdeeQuadrat New Work Canvas.

IdeeQuadrat New Work Canvas: Gesamtbild und Methode

Das IdeeQuadrat New Work Canvas dient – wie gesagt – dazu, nicht nur einen begrenzten Ausschnitt der Organisation wahrzunehmen, sondern die Organisation bestmöglich als „soziales System“ und damit – Achtung, Buzzword – ganzheitlich zu betrachten.

Aber hier schon die Einschränkung:

Ein Canvas als Bild und Methode ist immer eine Reduktion von Komplexität und nicht die Realität. Aber genau dazu dient ein Canvas: Die komplexe Wirklichkeit diskutierbar und damit zielgerichtet bearbeitbar zu machen, ohne in endlose und nicht zielführende Diskussionen über „Alles und Nichts“ zu verfallen.

Neben dem Gesamtbild dient das IdeeQuadrat New Work Canvas aber auch als Methode, um gezielt an bestimmten Bausteinen bzw. „Kategorien der Organisation“ zu arbeiten und diese im Sinne des Zwecks der Organisation bzw. des Teams weiterzuentwickeln.

Was ist neu?

Ich habe das Canvas sprachlich angepasst und inhaltlich erweitert. Die inhaltliche Erweiterung bezieht sich vor allem auf die Integration von Fragen zur organisationalen Resilienz. Diese wurde jedoch nicht in einer eigenen Kategorie zusammengefasst, sondern in die bestehenden neun Kategorien integriert.

IdeeQuadrat New Work Canvas ist das Gesamtbild der Organisation

Die Gestaltung der Canvas basiert auf verschiedenen Management-Modellen. Zu nennen ist insbesondere das St. Galler Management-Modell, außerdem das New Work Canvas der Neue Narrative und das „Operating System Canvas“ von the ready.

Durch die Zusammenführung dieser Modelle habe ich versucht, einen Gestaltungsrahmen für Führungskräfte abzubilden, der es ermöglicht, die eigene Organisation ganzheitlich zu betrachten und daraus Probleme und Lösungsoptionen zu identifizieren.

Das IdeeQuadrat New Work Canvas soll zudem genügend Flexibilität bieten, um je nach Herausforderung geeignete Methoden und Lösungsansätze anzuwenden und – bei Erfolg – zu implementieren.

Inhaltlich gliedert sich das Canvas in neun Kategorien, die jedoch nicht „übereinander“ liegen und damit eine unterschiedliche Wertigkeit haben. Vielmehr stehen die Kategorien „gleichberechtigt“ nebeneinander. Sie bilden damit gewissermaßen das „Grundgerüst“ der Organisation.

Und im Canvas sind den Kategorien jeweils Aussagen zugeordnet:

Vision, Zweck und Identität

  • Wir haben eine klare Vision!
  • Wir orientieren unsere Entscheidungen an dieser Vision und an den Bedürfnissen unserer Nutzer*innen!
  • Allen ist klar, wofür wir als Team/Organisation da sind (Purpose)!
  • Der/die Zweck/e unserer Organisation (Mission) und jedes Teams in unserer Organisation sind definiert!
  • Wir kommunizieren den Purpose aktiv nach innen und außen!
  • Unser Purpose hilft uns, Entscheidungen zu treffen!

Sachmittel und Ressourcen

  • Wir sind finanziell gut aufgestellt!
  • Wir investieren Zeit und Geld!
  • Der Zustand der Gebäude und Einrichtungen entspricht den Anforderungen zur Erfüllung unseres Zwecks!
  • Unsere Strategien beeinflussen die Ressourcenallokation sinnvoll!
  • Unsere digitale Infrastruktur ist zeitgemäß!
  • Wir entwickeln unsere Sachmittel und Ressourcen bedarfsgerecht weiter!

Optimierung, Innovation und Exnovation

  • Es ist für alle Mitarbeiter:innen transparent, wie wir lernen und uns weiterentwickeln!
  • Wir haben ein lebendiges Innovationsmanagementsystem implementiert, das festlegt, wer wie Ideen zu Innovationen werden lässt und wer daran beteiligt ist!
  • Die Wahrnehmungen und Ideen der Mitarbeiter:innen werden aktiv in relevante Prozesse einbezogen.
  • Wir beziehen die Nutzer:innen in die Innovationsentwicklung mit ein!
  • Wir haben lebendige Routinen zur Reflexion bestehender Angebote, Dienstleistungen und Prozesse etabliert!
  • Wir gestalten den Austausch mit unseren externen Stakeholdern aktiv und nehmen ihre Perspektiven ernst.
  • Es gilt als sicher und willkommen, bestehendes Wissen und Routinen in Frage zu stellen.

Strukturen

  • Die Aufbauorganisation (Organigramm) ist allen Mitarbeiter:innen bewusst!
  • Wir entwickeln unsere Aufbauorganisation, die Struktur unserer Teams, unsere Regeln und Vorgaben kontinuierlich weiter, um den Zweck der Organisation bestmöglich zu erfüllen!
  • Wir haben klare und gleichzeitig flexible Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in unserer Organisation/im Team in Mandaten kompetenzbasiert geregelt!
  • Wir ermöglichen bereichsübergreifende Zusammenarbeit, um komplexe Herausforderungen bewältigen zu können!

Mitarbeiter:innen und Partner

  • Die Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechen unseren heutigen und zukünftigen Anforderungen!
  • Wir gestalten unser Lernen und unsere Personalentwicklung aktiv und zukunftsorientiert!
  • Wir haben gelebte Routinen im Umgang mit internen Konflikten!
  • Wir kennen unsere externen Stakeholder (Politik, Kostenträger, Angehörige…)!
  • Wir arbeiten mit unseren externen Stakeholdern vertrauensvoll zusammen und beziehen sie in Entscheidungen ein!

Prozesse

  • Unsere Kern-, Unterstützungs- und Führungsprozesse sind definiert und bekannt!
  • Unsere Prozesse werden verbindlich gelebt!
  • Wir haben Routinen etabliert, um unsere Prozesse regelmäßig weiterzuentwickeln!
  • Standardisierbare Prozesse sind auf allen Ebenen digitalisiert!
  • Wir haben Routinen etabliert, um den Überblick über unsere Projekte und Aufgaben zu behalten!

Strategien und Konzepte

  • Wir haben klare und sinnvolle strategische Stoßrichtungen für die (nahe) Zukunft definiert!
  • Wir treiben die Umsetzung der Strategien aktiv voran!
  • Unsere Strategien entsprechen unseren Stärken!
  • Wir sind offen für irritierende Impulse aus unserem Umfeld!
  • Wir entwickeln, verfeinern und erneuern unsere Strategien kontinuierlich!
  • Unsere Strategien leiten uns bei unseren täglichen Entscheidungen!

Mandate und Funktionen

  • Wir haben in der Organisation und in den Teams klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (Mandate) definiert, um selbstbestimmtes Arbeiten zu fördern!
  • Wir fördern eine Führungskultur, die effektives Führungsverhalten auch in Zeiten der Unsicherheit und des Wandels ermöglicht und unterstützt.
  • Die Zuständigkeiten für die Mandate sind definiert und die erforderlichen Kompetenzen bekannt!
  • Wir haben Routinen für die Wahl der Mandate in den Teams etabliert, die sicherstellen, dass die Mandate kompetenzbasiert vergeben werden.
  • Die Mitarbeiter*innen übernehmen die gemeinsam vereinbarten Aufgaben verbindlich!

Kommunikation

  • Jede unserer Teambesprechungen hat ein Ziel und eine klare Struktur?
  • Es ist klar, wer an den Besprechungen teilnehmen muss und warum!
  • Die Besprechungen werden moderiert und die Ergebnisse dokumentiert!
  • Wir haben Routinen entwickelt, um nicht zielführende Besprechungen zu verbessern (oder zu streichen)!
  • Unsere Kommunikationswege sind auch außerhalb von Besprechungen sinnvoll!
  • Informationen und Wissen sind transparent verfügbar!

Das IdeeQuadrat New Work Canvas zur Organisationsdiagnose

Die Aussagen zu den einzelnen Kategorien sollen deutlich machen, wo die Gesamt-Organisation bzw. das Team steht.

Dazu reicht eine einfache Bewertungsskala (1 – trifft überhaupt nicht zu … 10 – trifft voll und ganz zu), mit der Du die einzelnen Fragen durchgehen kannst. So bekommst Du einen ersten Überblick, wo Deine Organisation (oder Dein Team) steht und wo es Probleme und Herausforderungen gibt.

Das IdeeQuadrat New Work Canvas kann somit in einem ersten Schritt als Tool zur Ist-Analyse bzw. zur Organisationsdiagnose in Bezug auf die alle Kategorien genutzt werden.

Download: Hier den IdeeQuadrat New Work Canvas 2.0 herunterladen!

Konkrete Veränderung einer Kategorie

Neben dem Überblick über die Gesamtorganisation und der Erarbeitung des Status quo dient das Canvas aber auch als Methode, mit der jederzeit an der Organisation oder auch am Teamdesign gearbeitet werden kann.

Das funktioniert alleine, aber noch besser im Team. Ebenso ist es möglich, das Canvas in Großgruppenveranstaltungen einzusetzen (z.B. als Orientierung in einem Open Space).

Und so geht’s: In einem ersten Schritt ist es notwendig, eine Kategorie auszuwählen, in der Veränderungen angegangen werden sollen (bspw. die Kategorie „Mandate und Funktionen“).

Daran anschließend folgt ihr als Team der Change-Formel (vgl. Seliger, 2022, 54ff), die ich noch ein wenig erweitert habe. Ihr beantwortet die unter dem jeweiligen Punkt der Change-Formel aufgeführten Fragen (die ich hier nicht wiederhole, sie stehen auf der Canvas) zu den fünf Schritten:

  1. Driver
  2. Vision
  3. Ressources
  4. First steps
  5. Reflection

Dazu noch zwei Hinweise:

Bearbeitet die einzelnen Schritte nacheinander und beachtet, dass nur dann, wenn alle Bausteine – D + V + R + F + R – zusammenkommen, sich Veränderungsenergie freisetzt und die Möglichkeit kontinuierlicher Veränderung entsteht. Sobald ein Baustein fehlt, geht die Veränderungsenergie verloren und ihr bleibt stecken.

Außerdem verlaufen Veränderungen sozialer Systeme nie linear, sondern eher in Wellen oder Kreisen („zwei Schritte vor, einer zurück“). So gilt es immer wieder, innezuhalten, zu reflektieren, Zeit zu lassen und einen neuen Anlauf zu wagen.

Schritt für Schritt zur zeitgemäßen, bedarfsgerechten Organisation

Bei der Bearbeitung der Canvas-Fragen wird deutlich, dass es nicht immer sinnvoll ist, die gesamte Organisation komplett umzukrempeln und ein völlig neues „Betriebssystem“ zu installieren oder alles auf den Kopf zu stellen.

Gerade die kleinen Baustellen in den einzelnen Kategorien, die schnell und aktiv, dafür aber ernsthaft und verbindlich angegangen werden, bringen oft die größten Verbesserungen. Denn es sind die kleinen Impulse und Irritationen, die ein System in Bewegung bringen.

Und manchmal muss man gar nicht verändern, sondern mit etwas aufhören, um weiterzukommen.

Und jetzt:

Ladet den IdeeQuadrat New Work Canvas herunter und arbeitet damit oder gebt ihn an interessierte Menschen weiter. Mich würde sehr interessieren, ob und wie ihr mit der Canvas gearbeitet habt. Außerdem würde mich interessieren, wo ihr Entwicklungsmöglichkeiten für die Canvas seht. Hinterlasst doch einfach einen Kommentar dazu oder schreibt mir eine Mail

Ach ja, ich begleite euch natürlich auch gerne bei der Arbeit an eurer Organisation 😉 Dazu könnt ihr hier einfach Kontakt aufnehmen.

Organisationale Ambidextrie: Eine Einführung für soziale Organisationen

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Inzwischen eine Binse: Organisationen der Sozialen Arbeit stehen vor großen Herausforderungen. Steigende Anforderungen, knapper werdende Ressourcen (klick) und nicht zuletzt der Fach- und Arbeitskräftemangel verlangen von sozialen Organisationen, flexibel und innovativ zu agieren. Doch wie können Organisationen der Sozialen Arbeit diesen Herausforderungen begegnen, ohne ihre Kernaufgaben und ihre gute Praxis zu vernachlässigen? Hier kommt das Konzept der organisationalen Ambidextrie ins Spiel, das Organisationen befähigt, sowohl im Tagesgeschäft effizient zu sein als auch innovative Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.

Im Folgenden habe ich zusammengefasst, was organisationale Ambidextrie ist, warum das Konzept (auch) für Organisationen der Sozialen Arbeit wichtig und eine Auseinandersetzung mit den dahinter stehenden Denkweisen für Verantwortliche in Organisationen der Sozialen Arbeit notwendig ist. Außerdem habe ich zwei Herausforderungen hervorgehoben und natürlich Ideen zur Umsetzung von „ambidextren Möglichkeiten“ in Deiner Organisation skizziert.

Transparenzhinweis: Teile des Textes sind KI-generiert.

Was ist organisationale Ambidextrie?

Ambidextrie, abgeleitet vom Lateinischen „ambidexter“, bedeutet wörtlich „beidhändig“ oder „beidhändig geschickt“. Organisationale Ambidextrie kann sehr kompakt als die Fähigkeit von Organisationen definiert werden, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein. Diese duale Fähigkeit lässt sich als Balance zwischen „Exploitation“, d.h. der Nutzung vorhandener Ressourcen und Prozesse, und „Exploration“, d.h. der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, dargestellen.

Während Exploitation auf die Verbesserung und Optimierung bestehender Aktivitäten abzielt, steht Exploration für Innovation und das Ausprobieren neuer Ansätze. Ambidexteren Organisationen gelingt es, beide Aspekte gleichzeitig zu verfolgen, ohne dass einer den anderen übermäßig beeinträchtigt.

Interessant ist, dass der Begriff bereits Mitte der 70er Jahre entstand, „als der amerikanische Organisationsforscher Robert Duncan ihn in einer seiner Schriften erstmalig benutzte und damit die Fähigkeit von Organisationen bezeichnete, durch die gleichzeitige Nutzung zweier unterschiedlicher Management-Praktiken mit neuen Marktentwicklungen flexibel umgehen zu können“ (Thinktank Ambidextrie).

Warum ist die Befassung mit organisationaler Ambidextrie (auch) in der Sozialen Arbeit wichtig?

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat das Interesse an organisationaler Ambidextrie kontinuierlich zugenommen. Dieser starke Anstieg ist auf die zunehmende Komplexität und Dynamik der (post-)modernen Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuführen: Globalisierung und Digitalisierung stellen enorme Herausforderungen dar, an denen selbst große und renommierte Unternehmen bereits gescheitert sind bzw. zu scheitern drohen.


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Da viele andere Managementmodelle und -strategien den Unternehmen nicht den erhofften Mehrwert gebracht haben, haben viele Entscheidungsträger in öffentlichen und privaten Organisationen die Ambidextrie als vielversprechenden Lösungsansatz erkannt. Im Gegensatz zu anderen Managementstrategien, die oft radikale Veränderungen der Organisationsstrukturen und -prozesse erfordern, bietet Ambidextrie einen „Mittelweg“ zwischen dem Erhalt des Bewährten und gleichzeitig die Organisation in einem dynamischen, kreativen und produktiven Spannungsfeld mit Innovationen und neuen Ideen weiterzuentwickeln.

Auch soziale Organisationen befinden sich in verschiedenen Spannungsfeldern zwischen den wachsenden Bedürfnissen der Klienten, den Anforderungen der Kostenträger und der Notwendigkeit, auf gesellschaftliche Veränderungen (Digitalisierung, demokratiegefährdende Tendenzen usw.) zu reagieren. Von besonderer Bedeutung ist aktuell die Frage, wie es trotz des massiven Fach- und Arbeitskräftemangels gelingen kann, die Leistungen der sozialen Organisationen weiterhin professionell anzubieten. Kurz: Die Sozialwirtschaft steht nicht nur unter hohem Kostendruck bei gleichzeitig zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Als plakatives Beispiel hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig es ist, schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, ohne dass die laufenden Aufgaben darunter leiden.

Traditionelle Strukturen und Prozesse, die in der Vergangenheit funktioniert haben, sind angesichts dieser Dynamik nicht immer ausreichend. Gleichzeitig müssen soziale Organisationen sicherstellen, dass sie ihre Kernaufgaben effizient und zuverlässig erfüllen.

Das Konzept „organisationale Ambidextrie“ kann hier ein Weg sein, um auch Organisationen der Sozialen Arbeit zeitgemäß und bedarfsgerecht zu gestalten. Durch die Fähigkeit, sowohl bestehende Prozesse zu optimieren als auch innovative Ansätze zu entwickeln, können sie den vielfältigen Herausforderungen besser begegnen.

Herausforderungen ohne Befassung mit organisationaler Ambidextrie

Ohne eine ambidextre Ausrichtung laufen (nicht nur) soziale Organisationen Gefahr, entweder in veralteten Mustern zu verharren oder durch zu viele neue Projekte ihre Effizienz zu verlieren.

Die alleinige Konzentration auf Exploitation und damit die Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse, ohne wirklich neu zu denken und zu handeln, kann zwar kurzfristig erfolgreich sein, führt aber langfristig entweder zur Stagnation der Organisation oder zum (organisationalen) Burnout sowieso schon stark belasteter Organisationen, Teams und Menschen in der sozialen Arbeit.

Auf der anderen Seite können Organisationen, die sich ausschließlich auf Exploration und damit auf die ständige Neugestaltung von Prozessen, Strukturen, Angeboten und Dienstleistungen konzentrieren, Schwierigkeiten haben, nachhaltige Strukturen zu schaffen, die für einen langfristigen Erfolg notwendig sind. So finden sich auch in der Sozialwirtschaft Organisationen, in denen eine Veränderung die nächste und ein Projekt das nächste jagt – immer verbunden mit der Hoffnung, nun endlich den Durchbruch zu schaffen und die Überforderung zu überwinden. Doch im reinen Explorationsmodus bleibt die Entlastung – natürlich – aus. Der Wechsel von Organisationsformen in kurzen Abständen, die wiederholte Optimierung von Prozessen und die Implementierung von „Managementmoden“ wie Agilität, New Work und Diversity scheinen die Lösung zu versprechen – und enden in Enttäuschung, wenn die groß angekündigten Ziele nicht erreicht werden und die Grundprobleme bestehen bleiben.

Digitalisierungsprojekte in Organisationen der Sozialen Arbeit können als Beispiele für beide Extreme angeführt werden. So erlebe ich auf der einen Seite soziale Organisationen, die davor zurückschrecken, zumindest grundlegende digitale Technologien zu integrieren, um ihre traditionellen Methoden zu schützen. Statt digitale Möglichkeiten auszuprobieren, laufen sie Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Auf der anderen Seite erlebe ich Organisationen, die sich so sehr auf neue digitale Lösungen konzentrieren, dass sie die Bedürfnisse der Menschen, für die sie Verantwortung tragen, vernachlässigen.

Vorteile der Befassung mit organisationaler Ambidextrie für soziale Organisationen

Übergreifend geht es bei der Befassung mit und der erfolgreichen Umsetzung von organisationaler Ambidextrie um die Sicherstellung des Überlebens der Organisation. Aus meiner Perspektive zeigen sich diesbezüglich vor allem zwei Vorteile, die das Konzept auch für Organisationen der Sozialen Arbeit bieten kann:

  1. Bessere Anpassungsfähigkeit: Ambidextre Organisationen sind besser in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren, ohne dass ihre laufenden Prozesse darunter leiden. Dies ermöglicht eine bessere Anpassungsfähigkeit bzgl. gesellschaftlicher Veränderungen und Krisen (vgl. dazu auch das Konzept der organisationalen Resilienz)
  2. Erhöhte Innovationsfähigkeit: Durch die gleichzeitige Fokussierung auf Exploitation und Exploration können Organisationen neue Angebote, aber auch neue Organisationsstrukturen und -prozesse entwickeln, die den sich ändernden Bedürfnissen der Klient:innen, der Organisation selbst, der Mitarbeiter:innen und – sehr global gedacht – der Gesellschaft gerecht werden, ohne das laufende Geschäft in Gefahr zu bringen. Wichtig ist, dass Innovationsfähigkeit nicht nur ein „immer mehr“, sondern im Sinne der Exnovation auch das Verlernen und Loslassen von liebgewonnenen Angeboten, Prozessen und Strukturen bedeuten kann.

Organisationale Ambidextrie hilft entsprechend dabei, eine Balance zwischen kurzfristigem Erfolg und langfristiger Überlebensfähigkeit zu finden. Organisationen können ihre aktuellen Dienstleistungen optimieren, während sie gleichzeitig an Innovationen arbeiten, die sie für die Zukunft wappnen. In einem auch in der Sozialwirtschaft zunehmend wettbewerbsorientierten Umfeld kann organisationale Ambidextrie somit einen entscheidenden Vorteil verschaffen, wenn es gelingt, sowohl effizient als auch innovativ zu sein.

Organisationale Ambidextrie in der Praxis

Ich denke, es ist deutlich geworden, was organisationale Ambidextrie ist und warum eine Befassung damit hilfreich sein kann. Entscheidend aber ist, wie Ambidextrie in der Praxis umgesetzt werden kann. Es gibt verschiedene Ansätze und Strategien, um die Fähigkeit zur Ambidextrie in einer Organisation zu fördern. Grundsätzlich können folgende Ansätze unterschieden werden:

1. Strukturelle Ambidextrie

Strukturelle Ambidextrie bedeutet, dass eine Organisation separate Einheiten oder Abteilungen schafft, die sich entweder auf Exploitation oder auf Exploration konzentrieren und nach verschiedenen Modi arbeiten. Diese Einheiten arbeiten weitgehend unabhängig voneinander, was es ermöglicht, dass jede Einheit ihre spezifischen Ziele verfolgen und in ihrem je spezifischen Modus (explore oder exploit) agieren kann, ohne durch die Anforderungen der anderen eingeschränkt zu werden.

In der Praxis gibt es Organisation und Verbände der Sozialen Arbeit, die explizite Abteilungen für Innovationsmanagement einrichten. Diese sind ausschließlich mit der Entwicklung neuer Programme und Dienstleistungen beschäftigt. Diese Abteilungen arbeiten (mehr oder weniger) unabhängig von den operativen Abteilungen, die weiterhin für die Bereitstellung der bestehenden Dienstleistungen verantwortlich sind.

Denkbar ist aber auch, bestehende Einheiten dahingehend zu analysieren, ob eine Unterteilung in die beiden Modi sinnvoll ist. Konkret gibt es Personalabteilungen, die unterteilt sind in die Personaladministration (exploit) und die Personalentwicklung (explore).

Frey und Töpfer (2021:87) weisen darauf hin, dass es Zeichen für unterschiedliche und ggfs. widersprüchliche Erwartungen und Anforderungen in Organisationseinheiten gibt, „wenn es schwierig ist, einer Organisationseinheit einen Modus zuzuweisen“ und führen aus, dass das Procedere der Betrachtung der bestehenden Organisationseinheiten aus der Brille „explore“ und „exploit“ eine Gelegenheit sein kann, „die Organisationsstruktur auf den Prüfstand zu stellen und Klarheit zu schaffen, wo (im Sinne der Ambidextrie) Änderungsbedarf in Handlungsroutinen und Koopera-tionsmechanismen besteht. Das kann mühselig sein, aber im Ergebnis für mehr Klarheit sorgen“ (ebd.).

2. Kontextuelle Ambidextrie

Ein anderer Ansatz ist die kontextuelle Ambidextrie, bei der die Mitarbeitenden je nach Kontext zwischen Exploitation und Exploration wechseln. „Kontextuelle Ambidextrie bedeutet, dass situativ, aufgrund einer aktuellen Aufgabe, eines Problems, einer Zielsetzung, eine Entscheidung für den Exploit- oder den Explore-Modus getroffen wird“ (ebd., 101).

Konkret lassen sich hier die in Organisationen der Sozialen Arbeit an vielen Stellen existierenden „Projekte“ anführen. So arbeiten Mitarbeitende bspw. in dem einem Projekt an der Optimierung bestehender Betreuungsangebote, während sie in einem anderen Projekt innovative Ansätze zur digitalen Beratung entwickeln.

Neben dem, dass hier eine hohe Flexibilität und die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Arbeitsweisen zu wechseln, erforderlich ist, kommt hinzu, dass immer wieder neu entschieden werden muss, welcher Modus für welches Thema, welches Projekt bzw. welche Aufgabe funktional ist. Darauf basierend ist dann eine (Projekt-)Gruppe zu bilden, die nach den Prinzipien gelingender Zusammenarbeit gestaltet sein sollte (vgl. dazu bspw. das GRPI-Modell).

3. Führungsbasierte Ambidextrie

Die führungsbasierte Ambidextrie betont die Rolle der Führungskräfte, die eine Balance zwischen Exploitation und Exploration fördern. Dies kann durch gezielte Schulungen, die Gestaltung der Organisationsstrukturen, die zu einer ambidextren Kultur beitragen und die Schaffung eines Umfelds geschehen, in dem sowohl Effizienz als auch Innovation geschätzt werden.

Konkret kann bspw. die Geschäftsführung regelmäßige Innovationsworkshops initiieren, bei denen neue Ideen gesammelt und bewertet werden. Gleichzeitig wird aber auch darauf geachtet, dass die bestehenden Strukturen und Prozesse regelmäßig überprüft und optimiert werden.

4. Organisationale Ambidextrie durch Netzwerke

Eine weitere Möglichkeit, Ambidextrie zu fördern, ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Durch die Einbindung von Netzwerken und Kooperationen können Organisationen sowohl ihre Effizienz steigern als auch neue, innovative Ansätze entwickeln.

Die Zusammenarbeit mit Start-ups aus dem sozialen Bereich, um innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln, kann hier ebenso angeführt werden wie bspw. die Strategieentwicklung in Zusammenarbeit mit den „traditionellen“ externen Stakeholdern im Sinne der „open strategy“. Beides – Zusammenarbeit mit Start-ups wie die Einbindung bestehender Stakeholder – kann wiederum für beide Modi – explore wie exploit – genutzt werden.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Trotz der zahlreichen Vorteile und Möglichkeiten gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung organisationaler Ambidextrie in Organisationen der Sozialen Arbeit. Zwei dieser Herausforderungen will ich im Folgenden kurz skizzieren.

Never change a running system

Eine der größten Hürden ist der Umgang mit der natürlichen Tendenz von (nicht nur) sozialen Organisationen, sich auf das zu konzentrieren, was funktioniert. So ist Veränderung und damit auch Innovation immer ein zusätzlicher Aufwand, wohingegen soziale Systeme nach Beständigkeit streben. Denn Organisationen sind autopoietische und selbstreferenzielle Systeme. Autopoietisch bedeutet, dass sie sich selbstständig generieren und darauf ausgerichtet sind, ihre Existenz zu erhalten. Selbstreferenziell bedeutet, dass sie ihre Handlungen auf Grundlage ihrer eigenen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bewertungen steuern, wodurch neue Handlungen entstehen. Sie interpretieren und rechtfertigen fortwährend, was für sie sinnvoll ist und was nicht.

Dies zeigt, dass sich die Prozesse und Abläufe stark an bestehenden Strukturen orientieren. Handlungen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, dienen als Grundlage für zukünftige Entscheidungen. Entscheidungsprozesse in Organisationen basieren daher auf der Beobachtung von Handlungen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, während Alternativen als weniger relevant angesehen oder ignoriert werden. Ein häufiges Beispiel für dieses Verhalten ist der Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Und zusammenfassend kann dies dazu führen, dass Exploration bzw. die Neugestaltung, die Entwicklung von Innovationen vernachlässigt werden.

Ressourcenknappheit

Eine weitere Herausforderung ist die begrenzte Verfügbarkeit von Ressourcen. Ohne dies hier vertiefen zu wollen (vgl. näher hier), sind Organisationen der Sozialen Arbeit hinsichtlich ihrer Finanzierung im Wesentlichen von Kostenträgern abhängig, die wiederum auf der Basis gesetzlicher Grundlagen Mittel zur Verfügung stellen. Insbesondere Angebotsinnovationen stehen damit immer vor der Frage der Gegenfinanzierung, was es schwierig macht, gleichzeitig in Exploitation und Exploration zu investieren.

Hilfreich, um dieser Herausforderung zu begegnen, ist die gezielte Allokation von Ressourcen für Innovationsprojekte. Organisationen können zum Beispiel spezielle Innovationsbudgets einrichten, die ausschließlich für explorative Projekte verwendet werden.

Fazit: Management-Mode oder ein Schlüssel zum Erfolg?

Ich hoffe, dass der einleitende Beitrag deutlich gemacht hat, dass eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der organisationalen Ambidextrie auch Organisationen der Sozialen Arbeit Möglichkeiten bietet, den Spagat zwischen Effizienz und Innovation zu meistern. In einer komplexen und sich ständig verändernden Welt, in der die internen wie externen Herausforderungen für Organisationen der Sozialen Arbeit nicht weniger werden, ist die Fähigkeit, sowohl bestehende Prozesse zu optimieren als auch neue Lösungen zu entwickeln, von entscheidender Bedeutung.

Die Umsetzung von Ambidextrie in Organisationen der Sozialen Arbeit erfordert jedoch ein Verständnis der Besonderheiten des Organisationstyps „Organisationen der Sozialen Arbeit“, ein bewusstes Engagement der Führungskräfte für die Gestaltungsnotwendigkeiten der Rahmenbedingungen und eine strategische Planung der Maßnahmen zur Entwicklung einer „ambidextren Organisation“. Durch die Schaffung funktionaler Organisationsstrukturen, die Förderung einer offenen und innovativen Kultur und die gezielte Allokation von Ressourcen können Organisationen der Sozialen Arbeit die Vorteile der Ambidextrie nutzen und ihre Zukunftsfähigkeit sichern.

Und Verantwortliche in (nicht nur) sozialen Organisationen haben „mit Hilfe der Ambidextrie (…) die Chance, (…) jeweils den Punkt zu benennen, an dem aus einem bewährten ‚weiter so‘ ein ‚jetzt müssen wir es anders machen‘ werden muss“ (klick).

Und ja, Innovation und Optimierung sind für alle Organisationen alles andere als neu. Bleibt die Frage: Ist das Konzept der organisationalen Ambidextrie reine Managementmode? Ja und ja, und? Denn wenn die Auseinandersetzung mit dem Konzept und den dahinter stehenden Denk- und Handlungsmöglichkeiten zu positiven Veränderungen in der Organisation führt, ist es unerheblich, wie ein entsprechendes Konzept genannt wird. Aus meiner Sicht finden sich in der Auseinandersetzung mit Ambidextrie viele wirklich spannende Ansätze, die auch und gerade für Organisationen der Sozialen Arbeit hilfreich sein können.