Reflexion und Lernen als Grundlage für Agilität

In anderen Umgebungen, durch Innehalten, gelingt es besser, das eigene Leben zu reflektieren und daraus zu lernen. Das gilt auch für organisationales Lernen.
Lernen

Inhalt:

Ich habe Urlaub. Wir sind zunächst zu meinen Eltern gefahren, haben die Familie besucht und dann weiter zu unserem Lieblingsziel, in die Niederlande. Obwohl wir schon drölfzig Mal hier waren, Haustausch gemacht und Ferienhäuser gemietet, am Strand gelegen und im Regen geradelt, Pofferties gegessen und Stauder getrunken haben, ist es immer wieder anders: Neue Umgebung, neue Gerüche, anderes, Gott sei Dank kühleres Wetter als bei uns im Süden. Und immer wieder die Notwendigkeit, sich auf diese neue Umgebung einzustellen. Das kostet Energie, die abgezogen wird. Das ist anstrengend, bis jeder seinen Platz in der neuen Umgebung gefunden hat. Es ist so anstrengend, ich habe sogar meine Social Media Apps von meinem Telefon gelöscht 😉 Urlaub als Familie ist nicht immer nur „Erholung“, sondern immer wieder gemeinsames Lernen.

Veränderung ermöglicht Lernen

Aber gerade diese Veränderung und damit einhergehend die Notwendigkeit die eigene Energie auf etwas ganz anderes als den eingeschliffenen Alltag zu richten, ermöglicht Lernen. Wenn es gelingt, nicht nur die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, sondern Abstand zu nehmen und das Geschehen von außen zu betrachten, wird es möglich, das eigene Leben, die letzten Wochen und Monate, die Ziele, die Fragen, die Beziehungen, die Zukunft neu zu bewerten:

Was sind – die Ebene der Vision und langfristigen Zukunft – Deine großen Ziele in Deinen verschiedenen Lebensbereichen? Was sind die einzelnen Rollen, in denen Du Dich bewegst? Welche Projekte stehen an oder sind noch nicht abgeschlossen? Und was ist morgen zu tun? Hier findet sich ein schöner Beitrag, wie es gelingen kann, diese Ebenen zu verbinden.

Individuelle Perspektiven

Jeder von uns blickt aus seiner je individuellen Perspektive auf die vergangenen Monate zurück. Monate in der Krise, Monate zwischen Homeoffice und Systemrelevanz, zwischen digital versagenden Schulsystemen und der Unsicherheit, den eigenen Job gefährdet zu sehen, Monate, in denen über gesellschaftliche Zukünfte gestritten wurde und (hoffentlich) weiterhin wird. Vielleicht erging es Dir in den letzten Monaten sogar sehr gut, da es endlich OK war, andere Menschen nicht umarmen zu müssen?

Dieses „Jeder von uns blickt aus seiner je individuellen Perspektive auf die vergangenen Monate zurück“ ist für mich relevant geworden: Unsere Gesellschaft ist so individualisiert, dass es schwierig ist, etwas gemeinsames darin zu finden: Politik? Religion? Bildung? Schule? Wirtschaft? Familie? Jeder dieser gesellschaftlichen Bereiche ist doch für jeden von uns etwas hochgradig Individuelles.

Das ist einerseits völlig OK und eine Errungenschaft, die individuelle Freiheit in einem Maß ermöglicht, das in der Geschichte so noch nicht existent war. Andererseits erschwert unsere Individualisierung natürlich den Zusammenhalt, in der Familie, auf Arbeit, in der Nachbarschaft, im Ort und im Land als Ganzes. Leben war schon immer komplex, Leben in individualisierten Gemeinschaften ist noch komplexer.

Wie aber gelingt ein Umgang mit diesen Unterschiedlichkeiten? Wie gelingt Lernen und Entwicklung in dieser Komplexität? Und was ist überhaupt das Ziel?

Zum Lernen heraustreten

Wichtig erscheint mir, immer wieder bewusst aus seinem Alltag herauszutreten und den Blick bewusst zurück und nach vorne zu richten. Dazu kann Urlaub helfen, der einen aus dem Gewohnten, aus dem Alltag und der eigenen Komfortzone heraushebt. Dazu können aber auch kleine Auszeiten, monthly oder weekly reviews, dienen.

Ich bin ehrlich gesagt wahnsinnig schlecht darin, diszipliniert Routinen aufrecht zu erhalten. Ich muss mich dazu selbst immer wieder überlisten. Das klappt mehr oder weniger gut, mit Kalendereinträgen, Erinnerungen etc. Aber es hilft, meinen Alltag trotz vielfältiger Aufgaben nicht nur (mehr oder weniger) im Griff zu halten, sondern diesen auch nich dahin zu entwickeln, wo ich ihn jetzt gerade hin haben will.

Lernen auf zwei Ebenen

Übertragen auf Organisationen (und auch im individuellen Lernen) lassen sich die folgenden Ebenen des Lernens unterscheiden:

Einschleifen-Lernen

Wahrscheinlich kommen Dir die weeklys und monthlys, vielleicht auch die dailys aus der agilen Methodenkiste bekannt vor: „Inspect and adapt„, also Prüfung des Status Quo und die darauf folgende Anpassung, erfolgt in der Methode Scrum nach jedem Sprint, also jeder iterativen Schleife im Projekt. Das ist die Ebene des Alltagsgeschäfts: Entwicklung im Team, im Alltag, ist darüber möglich, sich immer wieder – in kurzen Schleifen und nicht in langen Meetings – abzustimmen: Die durch bestimmte Handlungen ausgelösten Konsequenzen werden im Team (oder allein) reflektiert, um daraus neue Handlungen abzuleiten. Als Beispiel werden im Weekly gemeinsam die anstehenden Projekte reflektiert und erörtert, was denn in welchem Projekt als Nächstes ansteht.

Doppelschleifen-Lernen

Darüber liegt aber die Ebene des tieferen Lernens: Wie kann die Organisation, Dein Team oder Du selbst „das Lernen lernen“? Dazu reicht es nicht, einig die aktuellen Projekte und anstehenden Aufgaben zu betrachten. Vielmehr ist es notwendig, die hinter den Aufgaben stehenden Werte, Haltungen, Zielsetzungen in den Blick zu nehmen: Sind wir als Organisation noch auf dem Weg, den wir leben wollen? Sind unsere Leitwerte noch die Werte, die für uns wichtig sind? Gelingt es uns als Team, den größtmöglichen Nutzen zu stiften, für unsere Organisation, vor allem aber für unsere Kund* innen? Und wie können wir gegensteuern, wenn es uns auffällt, dass es nicht mehr der richtige Weg ist?

Dieses Lernen , diese Reflexion der Leitwerte, dieses „Lernen lernen“ wird als „Deutero-Learning“ oder „Zwei-Schleifen-Lernen“ bezeichnet. Es ist hochgradig relevant, wenn man „lernende Systeme“ (Teams oder Organisationen) gestalten will.

Dieses Lernen setzt aber eine Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und der eigenen Strategie voraus: Wozu existiert unsere Organisation? Wie arbeiten wir warum zusammen? Ist die Art, wie wir Mehrwert für unsere Kund*innen (Nutzer*innen, Klient*innen…) generieren, die bestmögliche Art? Usw. Das braucht Zeit und die gemeinsame Auseinandersetzung. Denn diese Fragen können nicht von ein paar Menschen „an der Spitze der Organisation“ beantwortet werden. Denn: Jeder ist beteiligt als Mitgestalter*in der Organisation.

Fazit, oder: Agilität, Lernen und Neugierde

Nur kurz zur Agilität, weil es so ein nettes Wort ist: Agilität definiere ich als Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Bedingungen. Das gilt für Organisationen ebenso wie für Menschen.

Aber mal ehrlich:

Wann hast Du Dir das letzte Mal Zeit genommen, um herauszutreten aus dem Alltag und wirklich zu lernen? Vielleicht auf Ebene Deiner Alltagsprojekte (Einschleifen-Lernen) oder auf Ebene der hinter Deinem Alltag stehenden Werthaltungen (Doppelschleifen-Lernen)? Und wann hast Du in Deinem Team, in Deiner Organisation das Gelernte wirklich umgesetzt?

Beide Ebenen – Dein individuelles Lernen und das organisationale Lernen – setzen Neugierde voraus: Die Gier, die Sucht danach, etwas positives Neues zu entdecken und nicht am Bestehenden festhalten oder wieder dorthin zurück zu wollen. Deswegen eine Bitte an Dich:

Bewahr Dir Deine Neugierde. Diese Neugierde ist heute, in Zeiten einer hochgradig unsicheren Zukunft, wichtiger denn je.


P.S.: Falls Du jemanden suchst, der sich mit Dir und Deiner Organisation gemeinsam auf die Lernreise begibt, sag Bescheid

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