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Warum wir verpflichtende Weiterbildung in der Sozialen Arbeit brauchen

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Kontinuierliche Weiterbildung in der Sozialen Arbeit ist und war schon immer relevant, um neue und sich ständig verändernde Anforderungen zu bewältigen.

Gefordert sind übergreifend Kompetenzen zur Zukunftssicherung der Organisationen und der Gesellschaft. Und spezifisch sind der Weiterentwicklung fachlicher Kompetenzen Kompetenzen für die Gestaltung der digitalen ebenso wie der ökologischen Transformation gefordert.

Diese “Future Skills” (s.u.), wie Innovationskompetenz, Transformationskompetenz oder auch Unsicherheitsbewältigungskompetenz, sind schon jetzt und werden zukünftig unabdingbar. Aus der Herausforderung kontinuierlicher Weiterbildung in der Sozialen Arbeit ist insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels eine Notwendigkeit geworden. 

Mit Blick auf das Angebot und der Wahrnehmung von Weiterbildung in der Sozialen Arbeit zeigen sich jedoch einige Paradoxien und Herausforderungen. Diese wollen wir hier skizzieren und Ideen zeigen, wie diesen Herausforderungen begegnet werden kann. Am Ende bleiben aber, wie so oft, mehr Fragen als Antworten.


von Prof. Dr. Berthold Dietz und Hendrik Epe


Paradoxien bzgl. der Wahrnehmung von Weiterbildung in der Sozialen Arbeit

Noch einmal: Weiterbildung in der Sozialen Arbeit ist notwendig. Es zeigen sich jedoch mindestens drei paradoxe Szenarien, die wir im folgenden näher beschreiben:   

1. Schere zwischen der Relevanz und der Wahrnehmung von Weiterbildung

Branchenübergreifend zeigt sich, dass – obwohl die Zustimmung der Arbeitnehmer:innen wie der Arbeitgeber zur Notwendigkeit “lebensbegleitenden Lernens” enorm hoch ist – die Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten hinter den Weiterbildungsbedarfen zurückbleibt (vgl. bspw. cedefop, 2022). 

Es ist davon auszugehen, dass diese Diskrepanz auch in den Sozialen Berufen existiert. Dies ist gerade mit Blick auf die Qualifikation von Leitungskräften interessant: 

Der Weiterbildungsbedarf nimmt auf höheren Qualifikationsebenen eher zu. So sieht – in der Theorie – der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) bzw. der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) für Leitungskräfte bspw. das Level 7 (Master-Niveau) vor. Ähnlich werden Leitungskompetenzen auch im “Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit” (vgl. Fachbereichstag Soziale Arbeit, 2016) nicht auf Bachelor-, sondern auf Master-Level verortet.

Unsere (nicht verifizierte) These lautet, dass eine Umsetzung und Anerkennung dieser höheren Qualifikationsstufen in der beruflichen Realität nicht (umfassend) berücksichtigt wird. 

So zeigt die Erfahrung in den Sozialen Organisationen, dass die Besetzung von Führungspositionen (bspw. auf Team- oder Abteilungsebene) nicht zwingend an eine Höherqualifizierung gekoppelt ist. Insbesondere in kleineren und mittelgroßen Einrichtungen fehlen darüber hinaus (aus unterschiedlichen Gründen) interne Qualifizierungsprogramme für Führungskräfte. Eine Verpflichtung zur Wahrnehmung von externen Weiterbildungsangeboten (bspw. des Sozialmanagements) findet sich ebenso wenig. 

2. Der Hype-Effekt und das Dilemma der Themenjagd

Weitergehend zeigt sich mit Blick auf die Weiterbildungsangebote rund um die Soziale Arbeit und das Sozialmanagement, dass deren Vielfalt scheinbar grenzenlos ist. 

Dabei fokussieren viele Angebote jedoch über das Bedienen von “Managementmoden”,   verstanden als “breit geteilte Vorstellungen darüber, wie (…) Verbände besser organisiert werden können” (Kühl, 2022), auf die Jagd nach Teilnehmer:innen, statt grundlegende, wissenschaftlich fundierte Angebote zur Entwicklung moderner, aber basaler Kompetenzen bereitzustellen. 

Ein auffälliger Aspekt der aktuellen Weiterbildungslandschaft lässt sich als „Hype-Effekt“ definieren: 

Themen, die für Aufsehen sorgen und als reißerisch gelten, dominieren oft die Diskussion. Weiterbildungsangebote zu “Managementmoden” werden erfolgreich kommuniziert und es scheint, als wären Weiterbildungsanbieter nur auf der Jagd nach den neuesten Trends zu sein, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Während diese Strategie kurzfristig (wirtschaftlich) erfolgreich sein kann, bleiben die oftmals komplexen Grundlagen der Sozialen Arbeit und des Sozialmanagements auf der Strecke. Fundamentale, grundlegende Weiterbildungsthemen geraten in den Hintergrund und werden vernachlässigt.

3. Weiterbildung in der Sozialen Arbeit ist Privatsache

Trotz des Wandels der Arbeitswelt und der Notwendigkeit kontinuierlicher Weiterbildung hält sich mit Blick auf die Sozialwirtschaft – etwas überspitzt formuliert – die traditionelle Ansicht hartnäckig, dass Weiterbildung Privatsache ist. 

Es gibt, und hier bestätigen die Ausnahmen die Regel, kaum systematische Förderung durch Verbände und Organisationen – und dies, obwohl in vielen Arbeitsfeldern Weiterbildungen wie bspw. systemische Beratungskompetenzen explizit vorausgesetzt werden. 

Ein Grund dafür ist, dass “Weiterbildungsaktivitäten in Einrichtungen der Sozialen Arbeit oftmals nur unzureichend in das Managementhandeln von Leitungskräften eingebunden” (Gesmann, 2022, 1f) sind. Daraus resultiert ein Dilemma: 

Obwohl die Arbeitsanforderungen immer komplexer werden, fehlt es oft an Anreizen und formalen Strukturen, um Weiterbildung in den aufgrund des Fachkräftemangels sowieso schon vollen Arbeitsalltag der Fach- und Führungskräfte zu integrieren. 

Gesmann sieht hier die Notwendigkeit der Implementierung eines “systemischen Weiterbildungsmanagements in Organisationen der Sozialen Arbeit” (vgl. 2022). Dieses muss sich explizit “nicht nur an der sich weiterbildenden Fachkraft, sondern zugleich am strukturell gekoppelten sozialen System (i. d. R. dem jeweiligen Team des*der Einzelnen)” (ebd., 164) orientieren mit dem Ziel, “nicht nur (…) einen Transfer I. Ordnung (im Sinne der klassischen Anpassungslogik) zu evozieren, er strebt zudem einen Transfer II. Ordnung an, soll also einen Nährboden schaffen, um individuell erfahrene Irritationen auch zur kontrollierten Destabilisierung vorhandener Kommunikations- und Entscheidungsmuster nutzen zu können (Transfer II. Ordnung)” (ebd.). 

Ein entsprechendes Weiterbildungsmanagement hängt jedoch wiederum an den beiden zentralen Ressourcen Zeit und Geld – im Bilden von Anreizstrukturen (Fachkräftebindung) genauso wie in der Mitarbeitenden- und Organisationsentwicklung. 

Beides ist unserer Meinung nach extrem unterschätzt. Vielmehr besteht der Verdacht (der mangels belastbarer Umfragedaten ein Verdacht bleiben muss, wenn auch “erhärtet”), dass Personalverantwortliche trotz des Fachkräftemangels keine Weiterqualifizierung finanzieren wollen, die danach durch Weggang der Fachkraft anderen Organisationen zugute kommen könnte. 

Und vielleicht wiegt sogar der Aspekt noch höher, dass der Transfer II. Ordnung – die Destabilisierung des bekannten Systems – Ängste hervorruft, die durch die Versagung von Weiterbildung vermieden werden.  

Entweder ist der Personaldruck noch nicht hoch genug und wird noch durch Arbeitsverdichtung kompensiert und an die Mitarbeitenden weitergegeben (was wiederum der Wahrnehmung von Weiterbildung entgegen wirkt), oder aber der Wert von individueller und gleichzeitig organisational gesteuerter Weiterbildung wird unterschätzt. Die Fantasie zur Mitarbeitendenentwicklung reicht noch nicht aus, um sich eine Investition in das eigene Personal mit allen Kosten, aber eben auch Mehrwerten und Gewinnen für die Organisation vorstellen zu können – auch wenn die Mehrwerte und Gewinne nicht kurz-, sondern eher mittel- und langfristig sichtbar werden. 

Den Aspekt der “Weiterbildung als Privatsache” abschließend ist der Blick auf die Möglichkeit, gesetzliche Ansprüche auf Weiterbildung geltend zu machen (bspw. Bildungsurlaub), interessant: 

Eine nicht verifizierte Annahme dazu könnte lauten, dass die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Rechte insbesondere in der Sozialen Arbeit weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Branchenübergreifend ist – trotz schlecht vergleichbarer Datenlage – etwa bei Eurostat bekannt, dass Deutschland im Vergleich eher unterdurchschnittlich in Bildung investiert (Quelle: Eurostat: Online-Datenbank: Öffentliche Ausgaben für Bildung in % des BIP (03/2019), Öffentliche Ausgaben für Bildung in jeweiligen Preisen (09/2018); zitiert nach https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/135809/oeffentliche-bildungsausgaben/). 

Man könnte, etwas überspitzt, formulieren, dass das Land der Dichter und Denker in Wahrheit eher das “Land der schlichten Gelenkten” ist, die sich nicht aktiv, selbstbestimmt und autonom um ihre Entwicklung bemühen. Mit den Worten von Konstantin Sakkas formuliert:

“Denn wir waren nie ein Volk von Dichtern und Denkern, sondern höchstens ein Volk mit überdurchschnittlich vielen Dichtern und Denkern – die sich in Deutschland allerdings (…) nur selten richtig wohl fühlten.” 

(Sakkas 2010)

Und Sakkas ist sicherlich nicht der Erste und nicht der Einzige, der Deutschland Bildungsfeindlichkeit attestiert, womit nicht nur das Fehlen von Kita-Plätzen und der Zustand von allgemeinbildenden Schulen gemeint ist, sondern auch das Bild von Bildung und Lernen und damit auch das Bild von Weiterbildung im Erwachsenenalter. Hierbei spielt wahrscheinlich auch die Unsicherheit über die Durchsetzbarkeit und die fehlende Information und Sensibilisierung von Arbeitnehmenden ebenso wie der Beschäftigenden eine Rolle.

Weiterbildungsverhalten und passgenaue Angebote?

Die Forschung unterscheidet zwischen allgemeiner Erwachsenenbildung (z. B. der klassische VHS-Kurs) und berufsbedingter, betrieblicher Fort- und Weiterbildung (entwickelt und angeboten durch Arbeitgeber oder Verband). Beide Weiterbildungsbedarfe sind nicht steuerbar und sind hier nicht von Interesse, weil sie entweder stark auf persönliche oder betriebliche Belange zugeschnitten sind. 

Was uns insgesamt in der Sozialwirtschaft jedoch interessieren sollte, in Zeiten chronischer Personalprobleme (nicht nur) in Kitas und Pflegeheimen sowie des sich vollziehenden Generationenwechsels durch den demografischen Austritt der geburtenstarken Boomer aus der Arbeitswelt – Antworten auf die schlichte Frage, wie und welche sozialen Angebote aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln sind. 

Seitens der Angebote betrifft es nicht die Orchideenfotografie, die von Bildungsskeptischen gerne als ”Argument” gegen eine flächendeckende, allgemeine Förderung von Fort- und Weiterbildungen angeführt wird. 

Die Leute sollen ihre Arbeit machen, in Zeiten der Bildung fehlen sie in den Teams und kommen nur auf komische Gedanken, die betrieblich für Unruhe sorgen (siehe Transfer II. Ordnung). Machen wir uns nichts vor: Hand hoch, wer nicht auch damit rechnet, dass solche Steinzeit-Einstellungsmuster noch existieren.

Wer die Hand unten behält, macht entweder positivere Erfahrungen mit Personalverantwortlichen und/oder ist mit qualifizierteren Bedenken konfrontiert: “Wie vereinbare ich Arbeitszeit, Familienzeit und Bildungszeit?” Mache ich diese spezielle Fortbildung zu Konfliktmanagement oder zu systemischer Beratung, dann bin ich u. U. in einer erheblich leichteren Verhandlungsposition gegenüber meinen Vorgesetzten. 

Schwierig wird es in der Kategorie “individuelle, berufsbezogene Weiterbildung”, also dem Weiterbildungssegment, welches nicht unmittelbar der aktuellen Tätigkeit, sondern der persönlichen Entwicklung im gewählten Beruf in einem breiteren Sinne entspricht. 

Die Weiterbildungsbeteiligung in diesem Segment ist zugunsten der direkten betrieblichen Fortbildung zwischen 2012 und 2020 deutlich zurückgegangen, anteilig von 13% zu nur noch 8% an allen Weiterbildungsaktivitäten (BMBF 2023:22). Sicherlich kann in der Folge ein Pandemie-Effekt nicht geleugnet werden, der angesichts allgemeiner Verunsicherung alles Zukunftsweisende einer strengen Effizienzbewertung unterzog, aber der Zug in Richtung Vereinbarkeit, Passgenauigkeit und unmittelbarer Verwertbarkeit fuhr schon viel früher ab.

Analysiert man das Weiterbildungsverhalten und fragt nach den Gründen der Nichtteilnahme bei Weiterbildungswilligen, so stehen zwei Hinderungsgründe im Vordergrund: Finanzierung und familiäre Gründe.

Geht man hier weiter in die Tiefe, so zeigt sich ein gravierender Geschlechterunterschied. Während nur 22% der sich nicht weiterbildenden Männer als Hinderungsgrund familiäre Gründe geltend machen, geben diese als Haupthinderungsgrund über 45 % der Frauen an (Quelle: Eurostat, Online Datencode: TRNG_AES_176__custom_7271573; letzte Aktualisierung: 08/06/2023 23:00; Daten für 2016). 

Bei den Kosten als Haupthinderungsgrund ist das Geschlechterverhältnis 27% (m) zu 37% (w) (Quelle: Eurostat, Online Datencode: TRNG_AES_176__custom_7271935; letzte Aktualisierung: 08/06/2023 23:00).

Kurz und vereinfachend gesagt spielen also auch hier Betreuungssituation wie auch Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten bzw. der Gender Pay Gap eine nicht unwesentliche Rolle. Was beides für das Weiterbildungsverhalten mit Blick auf mehrmonatige Programme mit institutionellem Abschluss bedeutet, liegt auf der Hand, wenn man weiß, wie hoch der Anteil von Frauen in sozialen, erzieherischen und pflegerischen Berufen ist.

Handlungsoptionen zur Steigerung der Wahrnehmung von Weiterbildung in der Sozialen Arbeit

Das Darlegen von (teils offensichtlichen) Herausforderungen allein ist selten ausreichend für gelingende Veränderung. Vielmehr braucht es das Aufzeigen von Möglichkeiten, wie den Herausforderungen begegnet werden kann. Einige dieser Möglichkeiten bezogen auf die Weiterbildung in der Sozialen Arbeit werden im Folgenden dargelegt.

Die Vielfalt der Angebote und ihre Grenzen

Trotz der Vielfalt an Weiterbildungsangeboten stellt sich die Frage, ob diese Vielfalt ausreicht, um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden?

Braucht es in einer Zeit, in der sich die Anforderungen rasch ändern, nicht vielmehr ganz neue Herangehensweisen an Weiterbildung, wenn klassische Weiterbildungsmodelle an ihre Grenzen stoßen?

Zum einen ist gegen die Angebotsvielfalt grundsätzlich wenig einzuwenden. Diese “belebt das Geschäft” und fördert das Zustandekommen von innovativen Ansätzen und Inhalten. Hinzu kommt, dass sich die Weiterbildungsnotwendigkeiten aufgrund der eingangs geschilderten gesellschaftlichen und organisationalen Wandlungsprozesse ebenfalls kontinuierlich wandeln und entwickeln. 

Zum anderen ist das oftmals klassisch strukturierte “zur Verfügung stellen” der Angebote zu hinterfragen. Anstatt lang andauernder, mit hohen Kosten und Aufwand verbundener „Komplettpakete“ könnten von Seiten der Anbieter der Weiterbildungen innovative Ansätze wie „Weiterbildungs-Primes“ in Betracht gezogen werden:

Ähnlich wie ein Abonnement oder ein exklusives Angebot könnten Weiterbildungs-Primes auf die Bedürfnisse von Fachkräften zugeschnitten und sofort verfügbar sein.

So liegt, jenseits der gehypten Angebote, die es in einem Weiterbildungsmarkt immer geben wird, das Hauptaugenmerk auf den Kriterien Transparenz, Dauer und Kosten. Weiterbildungswillige wie Beschäftigende wollen wissen, was sie vom Bildungsinvestment haben. Dies gilt umso mehr für Weiterbildungsangebote, die mehr der längerfristigen, individuellen Entwicklung als einer kurzfristigen, unmittelbaren Tätigkeitsverwertung entsprechen. Programme, die von mehrmonatiger Dauer sind und auf Jahre konzipiert und akkreditiert werden, sind nur bedingt in der Lage, darauf zu reagieren.

Wir müssen in kleineren Häppchen – den Weiterbildungs-Primes – denken, auch um damit den Bildungsteilnehmenden die Möglichkeit zu geben, auf ihre Weiterbildung gestalterisch Einfluss zu nehmen und sich ihr individuelles Bildungspaket zusammenzustellen.

Bildung muss wie andere meritorische Güter (wie Information, Gesundheitsversorgung oder Kultur) verfügbar sein, wie und wann ich sie brauche, bzw. wie sie in mein Leben passt. Das klingt nach einem konsumistischen Credo, ist aber in erster Linie ein Anspruch, mehr und positivere Bildungserfahrungen zu ermöglichen. Diese braucht es zwingend, um „lebenslang“ weiterzulernen und weiterzukommen.

New Social Work braucht New Social Learning braucht Organisationsentwicklung

„New Learning“ (vgl. näher dazu Foelsing und Schmitz, 2021) lässt sich als Konzept definieren, das auch in der Sozialen Arbeit aus zwei Perspektiven eine wichtige Rolle spielen sollte. 

New Learning lässt sich a) individuell in der Frage zusammenfassen, wie es gelingen kann, selbstgesteuerte und autonome Ansätze des Lernens und zur Gestaltung der eigenen Lernumgebung und -inhalte zu schaffen. Mehr zum Thema New Learning kannst Du auch hier nachlesen.

Gleichzeitig stellt New Learning die Frage, wie es b) den Organisationen der Sozialen Arbeit gelingen kann, “Lernökosysteme” zu schaffen, die weit über klassische Lernsettings wie bspw. das “Wissensmanagement” hinausgehen. 

New Learning greift die Ideen des oben skizzierten “systemischen Weiterbildungsmanagements” auf und erfordert aus beiden Perspektiven – individuell wie organisational – ein Umdenken: 

Zum einen sind die Beschäftigten der Sozialen Arbeit gefordert, sich mit Lernen, Bildung und damit auch der Weiterbildung zu befassen. Es reicht heute und in Zukunft nicht mehr aus, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren und darauf zu hoffen, dass damit dann auch “Schluss mit Lernen” ist. Vielmehr gilt es, ein (neues) Bewusstsein lebensbegleitenden Lernens zu schaffen. Dieses muss über die alle paar Jahre stattfindende Wahrnehmung klassischer, von der Organisation verordneter Weiterbildungsangebote hinausgehen. Es geht darum, eine Haltung zu selbstbestimmtem Lernen und Weiterbildung zu schaffen, die es ermöglicht, selbstbestimmt und autonom eigene Lernoptionen zu finden, zu nutzen und auch zu gestalten. Diese Perspektive könnte die Vermutung nahelegen, dass Weiterbildung damit wieder “ins Private” abgeschoben wird. Das ist aber nicht zielführend.

Entsprechend sind zum anderen die Organisationen der Sozialen Arbeit gefordert, Lernen, Bildung und damit auch Weiterbildung zu einem der heute und in Zukunft wichtig(st)en strategischen Thema zu machen. Organisationen der Sozialen Arbeit sind gefordert, ihren Mitarbeitenden ein Lernökosystem bereitzustellen, das selbstgesteuertes, autonomes Lernen nicht nur ermöglicht, sondern explizit fördert. 

Diese Lernökosysteme gehen jedoch über klassische Maßnahmen – wie bspw. dem Angebot eines Weiterbildungskatalogs – hinaus. Lernökosysteme umfassen bewusst gestaltete, zum Lernen einladende Räumlichkeiten, Möglichkeiten der Wahrnehmung von internen wie externen und digitalen wie analogen Angeboten, das Nachhalten der Wirksamkeit der Lernaktivitäten der Mitarbeitenden ebenso wie eine veränderte Einstellung zur Weiterbildung der Führungskräfte (und vieles mehr, vgl. ebd., 309ff). 

Lernökosysteme betreffen damit das Organisationsdesign sozialer Organisationen, von den Kommunikationswegen über die Gestaltung der Regeln und Prozesse bis hin zur Frage der Einstellung von Personen.

Über die Ausrichtung der Formalstruktur der Organisationen auf die Ermöglichung von Lernen besteht die Hoffnung, perspektivisch eine oftmals gewünschte „Lernkultur“ nicht nur auszurufen, sondern tatsächlich zu ermöglichen.

Die Herausforderung des Ungewissen – oder: Wie lange können wir uns die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit noch leisten?

Schließlich stellt sich die Frage nach Ausrichtung und Qualität existierender Weiterbildungsangebote. 

Oft basieren viele Angebote auf gesicherten Wissens- und Kompetenzbeschreibungen. Alle Spezialisierungen und unmittelbaren Tätigkeitsverwertungen sind Schritte in eine fachliche Zementierung, in der alle ihren Arbeitsplatz in gut funktionierenden Prozessen haben. 

Die Realität jedoch ist längst eine andere: 

Es herrscht Mangel, Arbeiten am Limit, permanente Improvisation zum Bewältigen von Unterbesetzungen und zunehmender Ausfälle. Wir befinden uns zudem in Transformationsprozessen größerer und größter Art. 

Es sind nicht nur die Bedarfe, mit denen die Strukturen einer “industriellen” Sozialwirtschaft nicht mehr Schritt hält. Es sind die Strukturen der Organisationen wie die Strukturen des Funktionssystems Sozialwirtschaft selber, die sich nicht als zukunftstauglich erweisen. 

In einer sich schnell entwickelnden Welt ist das Lernen am Ungewissen, das Auseinandersetzen mit “Noch-nicht-zu-Ende-Gedachtem”, von entscheidender Bedeutung. Die Fähigkeit, mit Unsicherheiten umzugehen und kreativ zu denken, wird zunehmend wichtiger. 

An dieser Stelle ist wiederum auf die Implementierung der “Future Skills” zu verweisen und zu fragen, wie es gelingen kann, einerseits wissenschaftlich fundierte Angebote bereitzustellen, die zukunftsfähiges Lernen ermöglichen und andererseits notwendige Entwicklungen der Weiterbildungsangebote aufgrund von einem “Festhalten am Alten” nicht zu verschlafen? 

Insbesondere im hochschulischen Kontext – beim Angebot bspw. von Master-Studiengängen – regen wir an, die trotz der Regulierungen durch bspw. die Akkreditierung vorhandenen Freiheiten und Möglichkeiten zu nutzen und das “noch nicht zu Ende gedachte” in die Entwicklung und Umsetzung der Weiterbildungsangebote aufzunehmen. 

Über dieses Vorgehen kann ganz praktisch und hautnah “agiles Arbeiten” erlebt werden: Über Annahmen und Hypothesen lassen sich auch in bestehenden Weiterbildungsangeboten Experimente machen und neue Wege gehen. Diese Experimente sind – das ist relevant – regelmäßig zu reflektieren, um aus den Erfahrungen zu lernen und fundierte Weiterentwicklung zu ermöglichen. 

Fazit: Den Spagat meistern

“Nachtigall, ick hör Dir trapsen!” 

Da schreiben zwei Menschen, die selbst in die Entwicklung und Durchführung von Weiterbildung in der Sozialen Arbeit aktiv eingebunden sind, über das Scheitern des Systems. Sie plädieren für die Notwendigkeit von Weiterbildung und für die Implementierung von “systemischem Weiterbildungsmanagement”. Sie kritisieren die Vielfalt an Hype-Angeboten und bieten gleichzeitig selbst “Schauseiten-Weiterbildungen” zu abgefahrenen Themen wie “New Social Work”, “OKR in der Sozialwirtschaft” oder “Agilem Arbeiten in Sozialen Organisationen” an (ich, Hendrik ;-)) bzw. sind als Leiter eines berufsbegleitenden Masterstudienganges ein klassischer Vertreter klassischer tertiärer institutioneller Angebote, die man sich zeitlich und finanziell erst einmal leisten können muss (ich, Berthold ;-)). 

Da ist doch ein Haken, oder? Das kann doch nicht ganz uneigennützig sein? 

Ja, stimmt. Der wesentliche Haken, den wir sehen, ist, dass es deutlich mehr Fragen als eindeutige Antworten gibt, was sich auch im vorliegenden Beitrag niederschlägt. 

Ein Aspekt liegt uns aber am Herzen, der sich in der folgenden Frage manifestiert: 

“Wie kann es gelingen, die für die Zukunft einer lebenswerten Gesellschaft hoch relevante Soziale Arbeit in all ihren Facetten so zu unterstützen, dass sie ihrem eigenen Anspruch heute und in Zukunft gerecht werden kann?”

Dieser Anspruch zeigt sich in der internationalen Definition Sozialer Arbeit: 

“Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung  von Menschen.” 

(IFSW 2014)

Der Anspruch ist hochgradig komplex und die skizzierten Paradoxien in der Weiterbildungslandschaft spiegeln die Komplexität der Sozialen Arbeit und übergreifend der modernen Arbeitswelt wider. 

Es gilt, die Balance zwischen aktuellen Trends und fundierter Bildung, zwischen individueller Verantwortung und systematischer Unterstützung zu finden. Nur so können Fachkräfte in der Lage sein, den Herausforderungen der Zukunft souverän zu begegnen und ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Um diesen komplexen Herausforderungen auch zukünftig begegnen zu können, geben wir abschließend noch eine Frage mit: 

Muss, vor dem geschilderten Hintergrund, Weiterbildung in der Sozialen Arbeit verpflichtend sein? 

Wir denken, dass einiges dafür spricht. 


Wie sind Deine Eindrücke bzgl. der Weiterbildung in der Sozialen Arbeit? Schreib uns diese gerne hier in die Kommentare oder per Mail!


Literatur: 

Selbstbestimmt und effizient Lernen, oder: Warum Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit wichtig wird!

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Es ist eine echte Floskel: In einer sich ständig verändernden und komplexen Welt gewinnt lebenslanges Lernen eine immer größere Bedeutung! Lernen ist eine der bedeutsamsten Future Skills. Dies gilt nicht nur „auch“, sondern insbesondere für Organisationen der Sozialen Arbeit: Die Mitarbeiter:innen sind kontinuierlich gefordert, sich mit komplexen sozialen Herausforderungen und kontinuierlich Neuem auseinandersetzen. Für das „einzige Kapital“ sozialer Organisationen – die Mitarbeiter:innen – ist es entsprechend notwendig, Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu nutzen. Hinzu kommt, dass traditionelle Lernmethoden zunehmend von modernen, selbstgesteuerten Lernmöglichkeiten abgelöst werden, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen besser entsprechen. Und außerdem geht es nicht nur um die Mitarbeiter:innen: Auch die Organisationen haben Weiterbildungsbedarfe, ausgelöst durch bspw. rechtliche oder organisatorische Veränderungen, die über kleine, schnelle, bedarfsgerechte Lernmöglichkeiten bedient werden können. Aber wie sieht zeitgemäßes und bedarfsgerechtes Lernen, wie sieht „New Learning“ in sozialen Organisationen aus? In diesem Blogbeitrag erfährst Du, was Microlearning ist und warum Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit Vorteile bringt. Außerdem findest Du Ideen für Inhalte, die „Microlearning-kompatibel“ sind.

Was ist Microlearning?

Microlearning, auch Mikrolernen genannt, bezeichnet das Lernen in kleinen Einheiten und kurzen Schritten. Dabei werden kompakte Lerneinheiten bzw. -module erstellt, die auf das Wesentliche reduziert sind und ein einzelnes, klar abgegrenztes Lernziel oder für die Mitarbeiter:innen relevantes Thema behandeln. Diese Lernmodule sind wirklich kurz – so kurz wie für den Inhalt möglich – und konzentrieren sich auf die Vermittlung nur einer sehr spezifischen Kompetenz bzw. auf die Beantwortung nur einer sehr spezifischen Frage.

Charakteristika von Microlearning:

Im Folgenden findest Du einige allgemeine Charakteristika von „Micro-Learning-Angeboten“:

  • Kompakte Lerneinheiten: Microlearning bricht das Lernmaterial in kleine, leicht verdauliche Bestandteile herunter. Anstatt lange Lernsitzungen zu absolvieren, nehmen Lernende in kurzer Zeit komprimierte Wissensportionen auf.
  • Fokussiertes Lernziel: Jede Microlearning-Einheit verfolgt ein spezifisches Lernziel, das klar und präzise definiert ist. Dadurch wird das Lernen gezielt und effizient gestaltet.
  • Zeit- und ortsunabhängig: Microlearning ermöglicht es den Lernenden, möglichst flexibel zu lernen, wann und wo es ihnen am besten passt. Die Lerneinheiten können über verschiedene Medien wie PC, Smartphone, Tablet oder auch – sofern inhaltlich sinnvoll – in Präsenz vor Ort abgerufen bzw. absolviert werden.
  • Vielfältige Lernformate: Microlearning nutzt verschiedene Formate wie Texte, Videos, interaktive Elemente oder Quizfragen, um das Lernerlebnis abwechslungsreich und ansprechend zu gestalten. Microlearning vor Ort sind entsprechend kurze Einheiten, die zu einem bestimmten Thema in der Organisation angeboten werden.
  • Gezielte Wiederholungen: Durch wiederkehrende Microlearning-Einheiten und Quizfragen wird das Wiederholen von Inhalten gefördert, um das langfristige Behalten zu unterstützen und die benötigten Kompetenzen dann abzurufen, wenn sie wirklich gebraucht werden.

Vorteile von Microlearning:

  • Bessere Aufmerksamkeit: Durch die kurzen und prägnanten Lerneinheiten können Lernende ihre Aufmerksamkeit besser auf das Thema konzentrieren und sind weniger anfällig für Ablenkungen.
  • Effizientes Lernen: Microlearning ermöglicht schnelles und gezieltes Lernen. Es spart Zeit, da Mitarbeiter:innen nicht lange aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werden müssen.
  • Flexibilität: Lernende können selbst entscheiden, wann und wo sie lernen möchten. Dies fördert die Selbstorganisation und Eigenverantwortung beim Lernen.
  • Selbstwirksamkeit: Kurze Lerneinheiten sind schneller „durch Erfolg gekrönt“, als lange Workshopeinheiten zu einem bestimmten Thema. Daraus resultieren schnellere Lernerfolge, die wieder „Spaß am Lernen“ vermitteln.
  • Entwicklung einer Lernkultur: Die kontinuierliche Nutzung sinnvoller, die Selbstwirksamkeit steigernder Lernmöglichkeiten kann zu einer „Lernkultur“ in der Gesamtorganisation führen, denn: Die Verhältnisse bestimmen das Verhalten.
  • Besseres Wissensmanagement: Das kompakte Format von Microlearning-Einheiten erleichtert das „Organisieren und Verwalten“ des erlernten Wissens.

Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit:

Der Fachkräftemangel stellt die aktuell größte Herausforderung für Soziale Organisationen dar. Der Fachkräftemangel in Verbindung mit sich dynamisch verändernden Themenstellungen – Digitalisierung allgemein, KI, IT-Sicherheit, sozial-ökologische Nachhaltigkeit, Demokratiekrise… – vergrößern diese Herausforderung jedoch massiv: Der Wandel der Organisationen muss gelingen bei sich gleichzeitig verringernden Möglichkeiten nachhaltigen Lernens durch weniger und häufig wechselndes Personal.

Stefan Gesmann bringt es auf den Punkt: „Angesichts der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Feld der Sozialen Arbeit werden sich Leitungskräfte zukünftig noch weniger erlauben können, die betriebliche Weiterbildung ungesteuert nebenherlaufen zu lassen“ (Gesmann, 2022, 170).

Entsprechend kann Microlearning auch und gerade in sozialen Organisationen echte Vorteile bieten:

  • Zeit- und kosteneffizient: Traditionelle Lernformen können zeitaufwendig und damit kostenintensiv sein. Mit Microlearning können Mitarbeiter:innen neue Inhalte in kurzen, flexiblen Einheiten erlernen, ohne ihren Arbeitsablauf (zu) stark zu beeinträchtigen. Dies spart Zeit und ermöglicht den Mitarbeiter:innen, „parallel zum Job“ zu lernen.
  • Flexibilität: Soziale Arbeit braucht Flexibilität. Mitarbeiter:innen müssen oft schnell auf neue Situationen reagieren. Microlearning bietet die Möglichkeit, benötigtes Wissen „just-in-time“ abzurufen, sei es in der Arbeitsstelle, im Home Office oder unterwegs.
  • Individuelles Lernen: Jede:r Mitarbeiter:in hat unterschiedliche Wissensstände und (Lern-)Bedürfnisse. Mit Microlearning können (relativ) einfach individuelle Lernpfade gestaltet werden, die den jeweiligen Anforderungen gerecht werden und eine maßgeschneiderte Weiterbildung ermöglichen.
  • Nachhaltiges Lernen: Kurze und prägnante Lerneinheiten fördern das bessere Behalten von Informationen. Die Möglichkeit, Inhalte in kleinen Häppchen zu wiederholen, stärkt das Langzeitgedächtnis und sorgt für nachhaltiges Lernen.

Chancen von Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit:

Ich habe mir gerade eine Cajon gekauft (so eine Trommelkiste). Ich will damit meinen Sohnemann beim Gitarre spielen begleiten. Aber ich kann es nicht. Was also tun? YouTube-Videos schauen im Sinne meines eigenen Lernens. Dadurch erhoffe ich mir die Chance, ein Instrument zu lernen. Aber welche Chancen bietet Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit?

  • Praxisnähe: Microlearning-Module können sich auf praktische Situationen im Arbeitsalltag der Sozialen Arbeit konzentrieren. Mitarbeiter:innen können spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die ihnen in ihrer täglichen Arbeit unmittelbar dann, wenn Fragen und Herausforderungen auftreten, zugutekommen.
  • Weiterentwicklung der Mitarbeiter:innen: Durch den einfachen Zugang zu relevantem Wissen und die Möglichkeit, schnell und einfach aktuell notwendige Kompetenzen im Sinne von Future Skills zu erwerben, können Mitarbeiter:innen ihre eigenen Kompetenzen kontinuierlich verbessern und sich den Anforderungen einer sich wandelnden Organisation und übergreifend einer sich wandelnden Gesellschaft anpassen.
  • Multimodalität: Microlearning vereint idealerweise verschiedene Medien wie Texte, Videos, Podcasts oder interaktive Lernmaterialien. Daraus resultiert ein Lernerlebnis, das auf die individuellen Lernbedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter:innen abgestimmt und damit vielfältig und ansprechend ist. Nur so gelingt der Kulturwandel hin zu einer echten Lernkultur.

Inhalte für Microlearning in Organisationen der Sozialen Arbeit

OK, die Chancen und Vorteile sind klar und (so meine Meinung, natürlich 😉 ziemlich einleuchtend. Aber was, also welche Inhalte können im Format des Microlearnings vermittelt werden? Um die Spannung nicht zu groß werden zu lassen: Ehrlich gesagt sind nahezu alle Arten von Inhalten für Microlearning geeignet. Vor allem aber lassen sich sich schnell und ressourcenschonend aktuelle Inhalte aufbereiten und den Mitarbeiter:innen zur Verfügung stellen. Wichtig ist aber, dass die Inhalte klar strukturiert und in kurze, leicht verdauliche Einheiten aufgeteilt werden. Die Inhaltsvielfalt ermöglicht es, Microlearning als vielseitiges und effektives Lernformat in verschiedenen Bereichen der Aus- und Weiterbildung einzusetzen. Aber etwas konkreter:

  • Wissenshäppchen: Komplexe Themen können in kleine, leicht verständliche Wissenshäppchen aufgeteilt werden. So können einzelne Konzepte oder Fakten in kurzer Zeit vermittelt werden. Zu denken ist hier bspw. an rechtliche Änderungen (BTHG, KJSG, Grundlagen aus den SGB usw.).
  • Fertigkeiten und Soft Skills: Praktische Fertigkeiten und Soft Skills, wie z.B. Kommunikationstechniken, Zeitmanagement oder Präsentationsfähigkeiten, lassen sich gut in kurzen Lerneinheiten trainieren. Zu denken ist – vor allem auf Ebene der Führungskräfte – auch an Skills zur Verhandlungsführung, zur Führung von Hilfeplangesprächen.
  • Informationen zu definierten Prozessen: Die dominierende Informalität sozialer Organisationen (What??? Hier lesen… 😉 in Verbindung mit dem Fachkräftemangel erfordert zunehmend die Definition von klaren Prozessen über Anforderungen und Arbeitsabläufe. Neue oder veränderte Prozesse können sehr gut über Microlearning-Einheiten verdeutlicht werden.
  • Methoden rund um Führung und Teamentwicklung: Auch wenn Methoden nicht alles sind, helfen kleine Ideen und Anregungen, bspw. zu Methoden der Teamentwicklung, im Alltag schon weiter. Und selbst im Führungsalltag auftretende Fragen lassen sich (sofern passend) in kleinen Einheiten vermitteln.
  • Serviceinformationen: Informationen über neue Dienstleistungen können in kurzen Lerneinheiten präsentiert werden, um (neue) Mitarbeiter:innen (oder auch die Nutzer:innen) schnell auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist bspw. rund um das „Onboarding“ bzw. die Einarbeitung von neuen Mitarbeiter:innen hoch interessant und ressourcenschonend.
  • Sicherheits- und Compliance-Schulungen: Richtlinien, Verfahren und Sicherheitsbestimmungen können in kurzen, wiederkehrenden Einheiten vermittelt werden, um das Bewusstsein der Mitarbeiter:innen zu schärfen. Neben Arbeitsschutz oder Datenschutz fallen mir hier insbesondere Schulungen rund um die IT-Sicherheit ein.
  • Sprach- und Vokabeltraining: Fremdsprachen oder Fachterminologie lassen sich ebenfalls gut in kurzen Lernmodulen üben, um die Lernenden kontinuierlich und zum Beginn einer neuen Tätigkeit mit neuen Vokabeln zu versorgen.
  • Mini-Simulationen: Kleine Simulationen oder Fallstudien können verwendet werden, um reale Situationen nachzubilden und die Entscheidungsfindung der Lernenden zu fördern.

Ohne hier zu tief auf die (umfangreichen) Gestaltungsmöglichkeiten einzugehen, macht es Sinn, in den Lerneinheiten Reflexionsfragen oder Feedback-Möglichkeiten am Ende einer Lerneinheit einzubinden, um die Möglichkeit zu schaffen, das Gelernte zu überdenken und den Lernfortschritt zu bewerten.

Noch einmal: Nahezu alle Arten von Inhalten eignen sich für Microlearning – auch in Organisationen der Sozialen Arbeit. Wichtig ist nur, dass sie klar strukturiert und in kurze, leicht verdauliche Einheiten aufgeteilt werden – die Inhalte, nicht die Organisationen. Wobei…?

Aber – das erklärt sich wohl von selbst – Microlearning ist nicht die Lösung für alle Lernnotwendigkeiten. Die Vermittlung von breitem, grundlegenden Wissen zu einem Thema fällt darunter, da die kleinen Lerneinheiten per Definition darauf fokussieren, jeweils genau ein Problem zu lösen bzw. jeweils eine Frage zu beantworten. Es reicht auch nicht, einfach jeden Kurs oder jede Weiterbildung in Mikro-Lerneinheiten umzuwandeln, indem man den Kurs einfach in kleinere Stücke zerlegt. Die Unterteilung größerer Kurse und Lerneinheiten macht vielleicht Sinn, um Informationen in kleinen „Learning Nuggets“ zu organisieren. Der aufgeteilte Inhalt des Kurses muss aber immer mit dem Rest des Lerninhalts kombiniert werden, um einen sinnvolles Lernen zu ermöglichen. Die Strategie hinter Microlearning besteht jedoch daraus, für sich unabhängige Lerneinheiten zu gestalten, die auf einen einzigen Zweck ausgerichtet sind.

Fazit:

Für das Phrasenschwein: In Organisationen der Sozialen Arbeit ist lebenslanges Lernen essenziell, um den vielfältigen sozialen Herausforderungen gerecht zu werden.

Aber Spaß beiseite: Microlearning kann hier eine effektive und zeitgemäße Lernmethode darstellen, die den Bedürfnissen der Mitarbeiter:innen und den Weiterbildungsbedarfen der Organisation entgegenkommt!

Hinzu kommt, dass uns neben aller Effektivität heute und zukünftig nichts anderes übrig bleibt: Wir müssen die Effizienz in den Blick nehmen, auch wenn dieser Begriff nicht so wahnsinnig beliebt ist in der Sozialen Arbeit. Wir benötigen effiziente Möglichkeiten, Lernen und damit „Personalentwicklung“ zu ermöglichen.

Abschließend nur noch ein kurzer Blick auf die schon erwähnte Kulturentwicklung: Diese funktioniert – sehr kompakt ausgedrückt – nicht durch Appelle an eine andere Haltung („Wir sind ab morgen innovativ und kreativ, damit das klar ist!“). Kulturentwicklung funktioniert über die kontinuierliche Anpassung der Verhältnisse, der Strukturen und Abläufe in der Organisation oder dem Team.

Gerade die Gestaltung einer positiven Lernkultur kann mithilfe der Einführung von Microlearning wunderbar gefördert werden. Ach ja, oben hatte ich geschrieben, dass sich selbst im Führungsalltag auftretende Fragen (sofern passend) in kleinen Einheiten vermitteln lassen. Dies finde ich gerade für neue und angehende Führungskräfte spannend, die einen Rollenwechsel vom Teammitglied hin zur Teamleitung vornehmen. Denn Rollenwechsel geht mit der Entwicklung der eigenen Identität einher. Und die Entwicklung der eigenen Identität funktioniert nicht durch ein zweitägiges Führungskräfteseminar, sondern durch eine kontinuierliche Beschäftigung mit den im Alltag auftretenden Herausforderung.


Gibt es in Deiner Organisation entsprechende Möglichkeiten, in kleinen Einheiten selbstbestimmt zu lernen? Schreib dazu doch nen Kommentar oder schick mir gerne eine Mail!


Quellen:

Learnings aus sechs Monaten Selbständigkeit – ein kurzer Rückblick

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Heute – der Tag, an dem ich die ersten Worte dieses kleinen Rückblicks schreibe – ist der 01. Juli 2022. Inzwischen sind sechs Monate meiner Selbständigkeit vergangen. Ich feiere ehrlich gesagt nicht, sondern stehe aufgrund wieder einmal kompletten Versagens der Deutschen Bahn (sorry, aber anders kann ich es gerade nicht ausdrücken) am Bahnhof, in Offenburg, um genau zu sein. Ich bin auf der Rückfahrt von einem tollen Führungskräfteworkshop einer sozialen Organisation und nutze die mir „geschenkte“ Zeit (ich würde dieses Geschenk gerne zurück geben) um kurz innezuhalten, nachzudenken und zu reflektieren, was denn eigentlich in den letzten Monaten geschehen ist.

Offiziell gekündigt habe ich ja bereits im September 2021. Auch wenn das schräg klingt – die Welt war irgendwie in Ordnung und der Mut, zu kündigen, war größer, als das Bedürfnis nach der gefühlten Sicherheit, zu bleiben. Dann kam die nächste Corona-Welle und im Februar 2022 erlebten wir eine Zeitenwende – Krieg in Europa. Hinzu kommt die Klimakatastrophe, deren Auswirkungen täglich zu spüren sind, aber durch unser Politik nicht oder völlig unzureichend in Angriff genommen werden. Tankrabatt, Alter, wie bescheuert ist so eine Idee? Zusammenfassend:

Unglaublich, beängstigend, belastend und unfassbar verunsichernd. Aber nicht nur für mich, sondern für alle, für jede und jeden, für Kinder, Jugendliche, Eltern, Familien, für die Gesellschaft und die Welt.

Learning 1: Unsicherheitsbewältigungskompetenz

Basierend auf den obigen Entwicklungen bin ich ziemlich fest davon überzeugt, dass wir alle, jede und jeder, unsere Gesellschaft und unsere Welt als Ganzes lernen müssen, mit Unsicherheit auf völlig anderem Niveau als bislang erfahren umzugehen. Reicht das Gas im Winter? Schließen die Schulen wieder? Was machen irgendwelche politischen Entscheider, die überhaupt nicht mehr einzuschätzen sind? Ist unsere Lebensmittelversorgung gesichert? Haben wir noch Klopapier und können wir uns das noch leisten?

Es gilt, Unsicherheitsbewältigungskompetenz zu entwickeln.

Und der Schritt in die Selbständigkeit ist in dieser auf vielen Ebenen unsicheren Gesamtsituation mein krass kompaktes Unsicherheitsbewältigungskompetenzselbstlernprogramm:

Kommt ein nächster Auftrag rein? Reicht das Geld am Ende des Monats? Wie genau gehe ich mit meinen Belegen um? Ach ja, sowas wie das Finanzamt gibt es ja auch noch. Und, und, und…

Ganz ehrlich:

Der erste Monat war nicht lustig. In der Zeit ist es mir gelungen, alte Bewältigungsstrategien zu beleben und wieder erfolgreich mit dem Rauchen anzufangen. Komplett blöde Idee… Und erst ab dem Zeitpunkt der Akzeptanz der permanenten Unsicherheit ist in mir, in meinem Schlaf, in meiner Stimmung, in allem zwar nicht vollständige, aber immer mehr Ruhe eingekehrt. Und…

Learning 2: Es kann funktionieren

…Ruhe ist auch eingekehrt, weil ich festgestellt habe, dass Kunden meine Leistungen angefragt haben:

In recht kurzer Zeit haben sich die Auftragsbücher (so nennt man das, oder?) soweit gefüllt, dass ich darauf basierend sagen kann: Wenn es so weiter läuft, wie es aktuell läuft, kann ich IdeeQuadrat weiter betreiben.

Es kann funktionieren und dieses Gefühl ist einfach nur geil (sagt man nicht mehr, oder?).

Es kann inhaltlich funktionieren, es kann in unserer Familienstruktur funktionieren, es kann insgesamt funktionieren. Und vielleicht kann es sogar größer werden, wenn es mir gelingt, neben der operativen Arbeit in Projekten der Organisationsentwicklung, neben den Workshops, Moderationen und Co. Zeit zu finden, um strategisch an der Entwicklung von IdeeQuadrat zu arbeiten. Aber…

Learning 3: Arbeit ist nicht Arbeit

…es gibt einen Unterschied zwischen Arbeit und bezahlter Arbeit – und beides ist hoch relevant. In den letzten drei Monaten bin ich aufgrund der operativen Arbeit in Beratungsprojekten und Co. kaum dazu gekommen, die von mir eigentlich angestrebten OKR für QT2 auch nur ansatzweise zu erfüllen.

Die strategische Arbeit an der Entwicklung von IdeeQuadrat hat im letzten Quartal einfach mal pausieren müssen. Ich war unterwegs, hier und dort, oft zu weit, oft mit dem Zug, dann immer mit Verspätung, ausgefallenen Zügen und häufig ätzenden Mitfahrer*innen.

Ich bin aber alles in einer Person – Marketing, Vertrieb, Entwicklung, Produktion… Und Entwicklung, Innovation, die Arbeit an (im Gegensatz zu in) meinem (noch) kleinen System IdeeQuadrat sollte den gleichen Anteil der Arbeit einnehmen. Und daneben…

Learning 4: Work-Life-Balance

…gibt es ja auch noch ein Leben, gefüllt mit Familie, drei Kids, meinem Körper, Entspannung Erholung, Einkaufen, Elternabenden und allem, was in unserem oft viel zu vollen Leben dazu gehört.

Vor noch einem halben Jahr war ich davon überzeugt, dass das Konzept „Work-Life-Balance“ aus meinem Wortschatz gestrichen ist. Das New Work Mantra des Work-Life-Blending – des Verwischens der Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatleben, so dass beide Lebensbereiche ineinandergreifen – macht ja total Sinn, denn es gibt nur ein Leben.

Aber es ist so, dass es gravierende Unterschiede gibt zwischen dem vormals für mich „normalen“ Angestelltendasein („angestellt“, lustiges Wort) mit – etwas verkürzt – Homeoffice, Arbeitswegen, Kaffeepausen, sinnlosen Meetings und dem Aufregen über Vorgesetzte (ebenfalls lustiges Wort), dem Start einer Selbständigkeit und der hoffentlich zunehmenden Entspannung, der Erfahrung und der Ruhe in der dann fortschreitenden Routinisierung meiner eigenen Prozesse und meiner selbständigen Arbeit.

Diese Entwicklung, das Lernen braucht Zeit, vor allem, wenn es nicht um das Neulernen von irgendwelchem Wissen oder das „mehr oder weniger“ bereits bekannter Handlungsweisen, sondern um das radikale Umlernen und damit auch Verlernen von Handlungsweisen geht. New Work braucht New Learning, wie es ein Buchtitel auf den Punkt bringt.

Theoretisch formuliert ist der Sprung in die Selbstständigkeit für mich „Wandel 2. Ordnung“:

Wenn sich der Wandel 1. Ordnung auf einzelne Dimensionen und Aspekte, auf einzelne Ebenen meines Handelns beschränkt und damit eher quantitativ ist (mehr oder weniger desselben) und damit ohne Paradigmenwechsel vonstatten geht, ist Wandel 2. Ordnung mehrdimensional:

Wandel 2. Ordnung umfasst mehrere Ebenen, betrifft radikal – an der Wurzel – und grundlegend die Qualität meines Handelns. Wandel 2. Ordnung geht mit einem Paradigmenwechsel einher, ist tiefgreifend und als auf vielen Ebenen transformativ zu bewerten.

Nur ein kurzer Exkurs auf die Erfahrungen in eigenen Organisationsentwicklungsprozessen:

Wenn wir von Transformationsprozessen in Organisationen sprechen, dann sind damit – zumindest für mich – oftmals Wandlungsprozess 2. Ordnung angesprochen. Um bspw. von vormals klassisch strukturierten Teamstrukturen (mit einer Teamleitung etc.) zu selbstbestimmt agierenden Teams zu kommen, reicht es nicht, mehr oder weniger desselben zu machen, sondern an den grundlegenden Paradigmen des Teams zu arbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen, geht mit Widerständen einher und braucht den Willen, durchzuhalten. Vor allem aber braucht es das intensive (Verl-)Lernen des Teams und jedes Mitglieds des Teams, um sich auf diese neuen Paradigmen einzulassen und dranzubleiben. Um dazu noch einen passenden Buchtitel zu droppen: „New Work needs Inner Work“!

Dieses Lernen, die innere Entwicklung – für mich und für die Organisationen und Teams, mit denen ich arbeiten darf – geht am Besten gemeinsam. Und deswegen bin ich in den ersten sechs Monaten meiner Selbständigkeit…

Learning 5: Netzwerk

…unglaublich dankbar über mein Netzwerk, das mich auf meinem Weg in die Selbständigkeit begleitet hat und immer noch begleitet.

An erster Stelle gehört hier meine Frau genannt, die mich, meine Ideen, meine Rastlosigkeit und Ungeduld, meine Unstrukturiertheit und mein Eichhörnchenmindset tagtäglich aushalten muss. Und – ganz ehrlich – insbesondere der erste Monat der Selbständigkeit, das sich neu Einlassen auf die Unsicherheit war die Hölle und hat mich und meine Family zwischenzeitlich an den Rand der Belastungsgrenze gebracht. Wir haben durchgehalten. Dafür an dieser Stelle meinen tiefsten Dank an Dich, liebe Kerstin.

In der Hoffnung, dass ich niemanden vergesse, danke aber auch an Euch! Ihr wart mir in den letzten Monaten enorm wichtig, auch wenn es vielleicht von meiner Seite nicht immer mit vollem Elan rückgespiegelt wurde: Svea, Raja, Juul, Mama, Papa, Bene, meine Fragglesrunde (Carlo und Jonathan), Jan, Philipp und Simon, Thomas, Benjamin und Katrin, Jo, Christian, Benjamin, Alper, Rüdi, Matze, Nici, Steffi, Thomas, Sabine, Gabriel, Sebastian, Holger, Ursel, Lena, Nicolas, Torsten, Heiner und, und, und…

Danke!

Und neben dem „informellen“ Netzwerk lohnt es sich, sich in einigen Fragen auch professionelle Unterstützung einzukaufen. Das muss(te) ich erst lernen (schon wieder lernen): Was kann ich selbst machen, wo kann ich Unterstützung bekommen und was kann ich einkaufen? Make – Support – Buy! Ein einfacher Dreiklang, aber in vielen Fällen enorm wichtig.

Und deswegen an dieser Stelle ein großes Danke an Nils, der mich in der Entwicklung meines Geschäftsmodells in den ersten Monaten begleitet hat. Falls Du mal nen guten Gründungsberater suchst, frag Nils – aber am Besten vor der Gründung und nicht dann, wenn Du gegründet hast – damit sparst Du richtig Kohle 😉 Ach ja…

Learning 6: Geld, oder: Was ist genug?

… da war ja was! Als Familie mit 5 Personen braucht man einen gewissen Umsatz an Geld. In der aktuellen Situation mit Inflation und Co. braucht man nicht weniger davon, das wissen alle. Aber für mich stellt sich mit Blick auf das liebe Geld zunehmend die Frage:

Was ist eigentlich genug?

So ist es als Selbständiger ja (theoretisch) möglich, sein Einkommen selbst zu gestalten: Mehr Aufträge annehmen = mehr Einnahmen = mehr Geld. Aber zwischenzeitlich kommen Gedanken hinzu wie: Wann habe ich Zeit nachzudenken? Wann habe ich Zeit, nur mal dazusitzen und den lieben Gott einen guten Mann (really?) sein zu lassen? Work-Life-Balance, you know? Was ist für mich, was ist für uns als Family genug? Was frisst uns auf? Ich finde diese Fragen sind alles andere als leicht zu beantworten. Hinzu kommt die immer währende Unsicherheit:

Geht es so weiter? Kommen weitere Aufträge, Anfragen? Brauche ich Rücklagen? Wie hoch müssen diese sein? Wann ist Ende? Was ist, wenn… Und so weiter und so fort.

Ich kann selbständige Menschen inzwischen verstehen. Ich kann die Preise verstehen, die ein*e Handwerker *in für eine Arbeitsstunde verlangt. Ich kann die Tagessätze verstehen für (gute) Beratungsleistungen. Und ich wünsche mir, dass dieses Verständnis in Deutschland, im Land der Angestellten Verbreitung findet. Denn – so schreibt Cathi Bruns wieder einmal sehr passend:

„Machen wir uns nichts vor. Es gibt keine moderne Arbeitswelt und auch kein modernes Land, ohne Selbstständigkeit.“

Cathi Bruns

Fazit

Sechs Learnings – neben ungefähr 20351 weiteren Learnings. Lernen – Future Skill No. 1 – ist für mich Kern für das Gehen neuer Wege und damit auch als Kern meiner Lernreise Selbständigkeit. Das ist zumindest mein Eindruck.

Dabei gibt es auch Phasen, in denen Lernen keinen Spaß macht. Das ist manchmal so. Lernen, wie die Rechnung XY zu verbuchen ist, wie das Finanzamt wann auf was reagiert (die aktuellen Rückmeldezeiten sind krass, manchmal glaube ich, dass dort nur noch eine Person arbeitet, wenn überhaupt), welche Dinge ich alle nicht beachtet habe und besser hätte und so weiter, sind nicht nur lustig.

Auf der anderen Seite steht das für mich massiv überwiegende Lernen, das unfassbar spannend, aufregend, neu, toll, grandios ist. Und so fühlt es sich meine Selbständigkeit gerade an:

Unfassbar spannend, aufregend, neu, toll, grandios! Danke dafür!

Und abschließend noch ein Learning:

Es ist nie zu spät, neu anzufangen. Und meist ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt.


P.S.: Ich habe hier nicht über die in den letzten Monaten für mich unfassbar bereichernden Einblicke in unterschiedlichste Teams und Organisationen im sozialen Sektor – der „Sozialwirtschaft“ – geschrieben. Aber noch ein Gedanke dazu: Wir müssen als Gesellschaft aufpassen, dass wir dem Sektor in Zukunft die benötigte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die Menschen, für die Soziale Arbeit da ist, brauchen die Menschen, die Erzieher*innen, Pfleger*innen, Sozialarbeiter*innen, die in der Sozialwirtschaft arbeiten.

Die Fachkräfte in der Sozialwirtschaft sind oft jedoch nicht die Lautesten, nicht die Streikenden, nicht die in den sozialen Medien Pöbelnden, nicht die in der Öffentlichkeit Präsentesten, nicht die, für die Lobbyarbeit betrieben wird. Nein, die Menschen in der Sozialwirtschaft machen – unter oft schwierigen Bedingungen – ihren Job. Sie helfen Menschen und begleiten diese auf dem Weg zu Selbstbestimmung und Autonomie. Sie leben #RealNewWork. Tagtäglich.

Danke dafür!

Rezension: New Work braucht New Learning

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Lernen – ganz grundsätzlich aber auch in und von Organisationen – muss sich wandeln: Von „passivem Konsumieren“ vorgegebener Inhalte hin zur selbstbestimmten Suche nach passenden, bedarfsorientierten Angeboten, die wirklich hilfreich sind.

Die Entwicklung von Lernen in Stabilität und Vorhersagbarkeit hin zum Lernen in Komplexität und Dynamik ist dabei die wesentliche „Fokusveränderung im Lernen“, die von Jan Foelsing und Anja Schmitz beschrieben wird. Und den Autor*innen gelingt es sehr treffend, diesen Wandel ebenso wie die damit einhergehenden Herausforderungen für die Organisationsentwicklung zu beschreiben.

Dabei bleiben sie aber nicht stehen, sondern liefern konkrete Handlungsoptionen für Menschen, Mitarbeiter*innen wie Führungskräfte, um die anstehenden Herausforderungen lösen zu können.

Wichtig ist, dass die Autor*innen auch die kritischen Entwicklungen des Lernens hin zur Orientierung an den Bedarfen der Lernenden aufgreifen. So suggeriert der Ansatz eines Lernens anhand des Bedarfs, dass alle Informationen, Inhalte, alles Wissen, das nicht dem aktuellen Bedarf entspricht, nutzlos wäre.

Hier ist jedoch zu unterscheiden, dass zum einen der organisationale Kontext und das Lernen im Arbeitsumfeld explizit beleuchtet werden und zum anderen gerade basierend auf kollaborativen Lernmethoden (wie bspw. dem Working out Loud Ansatz) Öffnung geschieht und Input aus anderen Disziplinen und von anderen Menschen einbezogen werden kann.

Damit sind – überspitzt formuliert – nicht mehr 10 % des Gehörten relevant, sondern das Lernen an sich ist der Kern und das Aufgreifen von Inhalten, Ideen und die sich darauf ergebenden Innovationen.

New Learning für Praktiker, Führungskräfte und Institutionen

Abseits der in der Rezension auf socialnet.de auch aufgegriffenen Kritikpunkte ist das Buch „New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten“ für mich ein enorm wichtiges, umfangreiches Werk zum richtigen Zeitpunkt:

Wir können den notwendigen Wandel in den Organisationen und in der Gesellschaft nicht bewerkstelligen, indem wir die Lern- und Entwicklungsmethoden anwenden, die damals schon nicht geholfen haben. Wir brauchen ein neues Verständnis von dem, wie sich Menschen in ihren Arbeitskontexten entwickeln und wie sie lernen können.

Dabei ist relevant, dass die Ansätze, die im Buch beschrieben werden, nicht utopisch in der Zukunft vielleicht zu realisieren wären, sondern ganz konkrete, bereits an vielen Stellen erprobte Optionen sind, Lernen neu und anders zu gestalten.

Das Buch ist insbesondere für Praktiker*innen im Personalentwicklungsumfeld sowie für Führungskräfte hilfreich, die konkret daran arbeiten, neue „Learning Ecosystems“ zu kreieren. Das Buch ist aber auch hilfreich für Menschen in traditionellen Lernumgebungen wie Schulen, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und Hochschulen.

Für diese Organisationen – und auch das ist nichts Neues – werden die im Buch von Jan Foelsing und Anja Schmitz beschriebene Lernparadigmen zu relevanten, vielleicht sogar existenzbedrohenden Umbrüchen führen. Hier sollte dringend das eigene organisationale Lernen beginnen, um neue Angebote und Möglichkeiten – bspw. der Content Curation – zu entwickeln und gemeinsam mit den Nutzer*innen zu erproben.

Meine Gedanken zum Wandel des Lernens explizit bezogen auf soziale Organisationen habe ich bereits vorab hier etwas ausführlicher 😉 beschrieben.

Rezension auf socialnet

Die vollständige Rezension zum Buch findest Du bei socialnet unter diesem Link!

Und unter diesem Link kannst Du das Buch bei genialokal erwerben! 

New Learning in der sozialen Arbeit

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Beim Blick auf Lernen sind (mindestens) zwei Ebenen wichtig: die individuelle Ebene ebenso wie die organisationale Ebene (inkl. Ebene der Teams) des Lernens. Und gerade in der Sozialen Arbeit und in sozialen Organisationen sind wir darauf angewiesen, in Zeiten der Veränderung (VUCA-Blabla…) dringend neu, anders und weiter zu lernen. Hier kommt „New Learning“ ins Spiel, denn:

Das Lernen im Kontext von Dynamik und Komplexität funktioniert schon lange nicht mehr wie das aus Schule und Studium bekannte Lernen. Organisationales und individuelles Lernen wandelt sich radikal.

Aber der Reihe nach:

Im Beitrag erfährst du, was New Learning ausmacht, warum New Learning auch für Menschen in und für soziale Organisationen als Ganzes wichtig ist und wie Du (erste) konkrete Ansätze von New Learning für Dich und in Deiner Organisation umsetzen kannst.

Studien zur Situation der Personalentwicklung in Organisationen der Sozialen Arbeit sind spärlich gesät. Konkret die Frage, wie Lernen in unserer Branche stattfindet, welche Programme angeboten werden und welche Wirkungen was hat (auch wenn das nicht ganz einfach zu erfassen ist) lässt sich kaum beantworten. Das hat viele Gründe.

Eine sehr allgemein gehaltene These lautet, dass „Lernen“ in sozialen Organisationen nicht unbedingt einen großen Stellenwert hat. Stefan Gesmann von der FH Münster schreibt schon 2014, dass „die betriebliche Weiterbildung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit oftmals nur unzureichend in das Managementhandeln von Leitungskräften eingebunden ist“. Und gemeinsam mit Berthold Dietz von der EH Freiburg habe ich beschrieben, „warum wir verpflichtende Weiterbildung in der Sozialen Arbeit“ brauchen.

Kurz: Hier ist viel Luft nach oben und einiges an Forschung und Entwicklung vonnöten.

Was ist New Learning?

Ich habe das Buch „New Work braucht New Learning – Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten“ von Jan Foelsing und Anja Schmitz gelesen.

Falls Du Dich näher für das Buch oder meinen Eindruck zum Buch interessierst, findest Du hier eine ausführlichere Rezension auf dem Blog (und hier bei socialnet.de). Jedenfalls beziehe ich mich inhaltlich bei vielen Aspekten auf das Buch und ergänze die Ideen um spezifische Fragestellungen sozialer Arbeit und sozialer Organisationen.

Der Ansatz „New Learning“ versucht, die Herausforderungen der Veränderungen der Arbeitswelt und die Prinzipien von New Work (darauf ließe sich wiederum vertieft eingehen) mit der Frage zu kombinieren, wie wir als Individuen und als Organisationen jetzt und in Zukunft sinnvoll lernen.

Dabei steht ein Wechsel von tayloristisch geprägten, top-down organisierten und vorgegebenen Lernsettings hin zu zu bedürfnisorientierten, dynamik-komplexitätsrobusten, kollaborativen Lernökosystemen an, so die Autor*innen des Buchs. Lernen wird damit ein möglichst aktiver und sozialer Prozess, der bedürfnis- oder problemorientiert an echte Herausforderungen gebunden ist. Ziel ist, eine echte Verhaltensänderung herbeizuführen (vgl. ebd., 107).

Aktiv und sozial sind die wesentliche Stichworte:

Aktiv bedeutet, dass New Learning selbst gesteuert ist und sozial bedeutet, dass Lernen eingebunden in unterschiedlichste Netzwerke erfolgt. Hier liegen die wesentlichen Unterschiede zum „old learning“, wenn man diesen Begriff bemühen will:

Old learning basiert auf vorgegebenen, oftmals durch die eigene Organisation strukturierten Lernsettings. Diese von der Organisation angepriesenen „Fortbildungskataloge“, in denen Angebote aufgeführt sind, die niemand bucht, kennt wahrscheinlich jede*r von Euch, oder? Und wenn die Angebote gebucht werden, geht es vornehmlich um die Pausen, in denen man Menschen trifft, die man schon lange nicht mehr gesehen hat.

New Learning hingegen basiert auf der selbstgesteuerten, autonomen Gestaltung der eigenen Lernsettings wie auch der benötigten Lerninhalte. Und das Ganze findet dann eben noch eingebunden in analoge, hybride und/oder rein digitale Netzwerke statt.

Für mich ist das im Übrigen einer der wesentlichen Gründe, in den sozialen Medien aktiv zu sein:

Hier leben meine ganz individuellen Lernplattformen, meine Netzwerke und Communities (dickes Danke an dieser Stelle). Dabei geht es viel weniger um das reine Nutzen der Inhalte und Ideen der dort aktiven und weniger aktiven Menschen. Es geht um die co-kreative Gestaltung von neuen Ideen.

So kreiere ich meine Lernprozesse orientiert an meinen Bedarfen basierend auf unterschiedlichen Methoden als „Remix vielfältiger interner und externer Inhalte sowie im Austausch und co-Kreation mit [m]einen Learning Peers, selbst.“ (ebd., 108).

An dieser Stelle will ich nicht tiefer auf die neuen Lernmethoden eingehen, die genutzt werden können, um Kompetenzen für die Zukunft, sog. Future Skills, zu generieren. Es würde ausufern, hier Methoden von Working out loud #WOL über ambidextres Lernen bis hin zu Value-creation oriented Learning (VOL) zu beschreiben. Diese Methoden lassen sich bspw. im genannten Buch oder im Netz finden.

Wichtiger ist mir die Betonung, dass effektives Lernen von Individuen wie von Organisationen heute schon und in der Zukunft verstärkt zum einen zum zentralen Wettbewerbsvorteil wird (vgl. ebd., 160).

Zum anderen aber, und das finde ich noch relevanter, brauchen wir neue Lösungen für die gesamtgesellschaftlichen und auch globalen Herausforderungen der Zukunft. Diese Lösungen können wir nur durch Innovationen auf allen Ebenen und damit durch gemeinsames Neu- und Anders-Lernen gestalten, die, wie Scharmer schreibt, „die Fähigkeit zum gemeinsamen Spüren und zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft aufbauen“ (hier).

Auswirkungen von New Learning auf soziale Organisationen

Gibt es strukturierte Lernmöglichkeiten in Deiner Organisation?

Falls dem so ist, arbeitest du in einer Einrichtung, die nicht dem Standard entspricht. So lässt sich zwar konstatieren, dass soziale Organisationen, Non-Profits oder auch Organisationen der Sozialen Arbeit sehr personalintensiv sind, da die Leistungserbringung fast immer auf interpersonellen Austauschprozessen basiert.

Daraus folgt, dass die Menschen in den Organisationen wichtigste Ressource zur Wertschöpfung und gleichzeitig größter Kostenfaktor sind. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel in einigen Arbeitsfeldern sozialer Arbeit existenzbedrohende Ausmaße annimmt.

Gerade unter diesen Bedingungen wäre es mehr als notwendig, effizient und effektiv, wenn Menschen ihre Kompetenzen bestmöglich einsetzen könnten. Denn die Mitarbeiter*innen sozialer Organisationen sind *die* strategisch wichtige, unverzichtbare Ressource (wenn man das so nennen will) zur Erreichung der Wertschöpfung der Organisationen (vgl. näher bspw. Englert, B. 2019, Personalmanagement in Nonprofit-Organisationen, S. 1).

Allein vor dem Hintergrund dieser minimalen Skizze ist es verwunderlich, dass der Personalentwicklung bislang so wenig Raum in sozialen Organisationen eingeräumt wird. Ja, I know, es ist keine Zeit und kein Geld da, aber der Waldarbeiter mit seiner ungeschärften Säge sollte uns warnendes Beispiel sein.

Mehr noch aber können Ansätze des New Learnings helfen, Lernen und Entwicklung und damit Innovation gerade in den hoch komplexen und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen sozialer Arbeit unter Bedingungen begrenzter Ressourcen zu realisieren.

So geht es bei New Learning – der obigen Definition folgend – um das bedürfnis- und problemorientierte, selbstbestimmte Lernen, das an echte Herausforderungen gebunden ist. Beim New Learning geht es nicht mehr um die langweilige Weiterbildung, die in einem muffligen Keller-Raum der 60er Jahre („Das ist unser neues Innovation Lab, Steve Jobs hat auch so angefangen…“) verpflichtend abgehalten wird.

Es geht um die Frage, wer was – welche Inhalte, welche Verbindungen, welche Kontakte, welches Wissen, welche Ideen – zu welchem Zeitpunkt wofür braucht. Damit rücken gießkannenartige Weiterbildungskonzepte in den Hintergrund. Dem spezifischen, Problem-orientierten, individuellen Weg wird Vorrang eingeräumt.

Konkret ist dann nicht mehr der Master-Studiengang XY für die angehende Führungskraft sinnvoll, um „einmalig alles“ zum Thema zu erfahren, sondern peu a peu werden über ausgewählte Learn-Nuggets oder Micro-Learnings die für die neue Aufgabe wirklich benötigten Kompetenzen erworben.

Dieses Lernen erfolgt während bzw. parallel zur Arbeit und schont damit auch die Ressourcen, die sonst für ein langwieriges Bildungsprogramm aufgewendet worden wären (ich komme unten noch mal dazu, warum trotz aller Veränderung die traditionellen Programme ihre Berechtigung haben).

Wichtig im New Learning sind demzufolge zwei Dinge:

a) Es braucht eine grundlegende Kompetenz, selbstbestimmt und autonom lernen zu können (und zu wollen).

Und b) braucht es „Content Curation“, also die Aufbereitung und Zusammenstellung der unüberschaubaren Menge von (meist) frei verfügbaren Inhalten und die Begleitung der Menschen durch diese neuen Lernwelten.

Aus diesen beiden Aspekten folgt dann eine c) „New Learning Culture„, also eine Kultur, in der Lernen im Zentrum steht.

Kompetenz, selbstbestimmt zu lernen

Bei Punkt a) sehe ich einige Herausforderungen. So bereitet unser Bildungssystem im Kern nicht auf das selbstbestimmte, autonome Lernen vor, sondern verfolgt – verkürzt ausgedrückt – Prinzipien und Mechanismen, die vorhandenes Wissen in standardisierte und damit abprüfbare Einheiten unterteilen.

Hier sind wirklich gute Ansätze erkennbar, die jedoch vornehmlich von einzelnen, engagierten Menschen aus dem Bildungsbereich vorangetrieben werden. Systematische Veränderungen lassen – trotz Corona, Home-Schooling, Distance Learning… – seit etwa 60 Jahren auf sich warten. Das Bologna-System der Hochschulen hat übrigens nicht dazu beigetragen, hier auf akademischer Seite zeitgemäße Veränderungen herbeizuführen. Kurz: Lernen lernen muss man selbst lernen. Da ist viel Bedarf.

Content Creation

Und Punkt b) – Content Creation – ist in unserem Feld (ebenso wie in den meisten anderen Feldern) Neuland. Welches sind die „guten“ Inhalte, die Hand und Fuß haben? Wie komme ich daran, um meinen Bedarf jetzt zu decken? Warum ist es vielleicht nicht nur klug, meine Frage zum Thema XY in eine Facebook-Gruppe zu stellen? Wo kann man sonst noch schauen, um tiergehende Inhalte zu finden, die jetzt weiterhelfen? Wie baut man (s)eine Learning Community in und außerhalb der Organisation auf?

Diese und mehr Fragen sind oftmals unklar. Und gerade deshalb sind sie so wichtig – auch für die Soziale Arbeit.

Und noch einmal zu den Auswirkungen von New Learning (oder wie auch immer man das nennt…) auf soziale Organisationen insgesamt:

New Learning Culture

Ich bin davon überzeugt, dass sich für soziale Organisationen, die sich heute mit Fragen des Lernens von Morgen befassen und damit an ihrer eigenen Lernkultur arbeiten, enorme Wettbewerbsvorteile im Kampf um die besten Fachkräfte, vor allem aber echte Vorteile für ihre Klient*innen ergeben. Jan Foelsing und Anja Schmitz sprechen im Buch „New Learning“ von einer „New Learning Culture“, die sich zusammenfassend dadurch auszeichnet, dass

  • dem Lernen ein hoher Stellenwert beigemessen wird, .
  • kontinuierliches individuelles, team- und netzwerkorientiertes Lernen als zentral erachtet wird, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der anstehenden Veränderungen bewältigen zu können und
  • Lernen hierbei als Basis für die nachhaltige Anpassungs-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Organisation gesehen wird (vgl. ebd., 198).

Cool wäre manchmal wohl schon eine Learning Culture, ohne New…

Erste Schritte im New Learning, die Du direkt umsetzen kannst!

New Learning ist bzw. die Ideen hinter dem, wie wir in unseren Organisationen zukünftig mit Lernen umgehen werden, sind enorm umfangreich, komplex und vielfältig:

Vom Individuum angefangen über das Lernen im Team bis zur Organisation und den auf die Organisation einströmenden technologischen und gesellschaftlichen Anforderungen durch die Umwelt, in die die Organisation eingebunden ist, wird deutlich, dass neues Lernen ganzheitlich zu betrachten ist.

Das ist einerseits super, da auf unterschiedlichen Ebenen angesetzt werden kann und Erfolge zu erzielen sind.

Andererseits ist es aber auch abschreckend, da überhaupt nicht klar ist, wo denn der beste „Hebel“ ist, an dem angesetzt werden kann. Das kann zum Erstarren oder dazu führen, einfach mal lieber nichts zu machen…

Und wo sind vor allem die Hebel, an denen Du „einfach“ ansetzen kannst, um weiter zu kommen?

Dazu hier ein paar Ideen:

Vision gestalten

Muhahaha…. Kleiner Schritt und wir beginnen wieder bei der Vision – also ganz oben?

Ja, aber mein Verständnis hier ist, dass Du die Vision auf alle angesprochenen Ebenen anwenden kannst: Auf die Organisation, Deine Abteilung und Dein Team und auf Dich selbst: Die Grundfrage lautet demnach:

  • Wo willst Du (aka Dein Team, Abteilung, Organisation) hin?
  • Wozu willst Du dich mit neuem Lernen beschäftigen?

Die Antworten darauf können sehr klein sein, aber das ist völlig passend: Die Intention, mit (neuem) Lernen zu beginnen, zählt – für Dich, Dein Team und Deine Organisation.

Exploitatives Lernen, oder: Herausforderungen identifizieren

Wo drückt der Schuh (wirklich)?

Die transparente Darlegung der aktuellen Herausforderungen, denen Du in der Arbeit auf individueller Ebene, auf Ebene der Teams und Abteilungen oder der Gesamtorganisation begegnest, zeigt Dir, wo wirklich Lernen angesagt ist, um zu neuen Ideen und Lösungen zu kommen.

Wenn klar ist, wo die Herausforderungen liegen, kannst Du Dich auf die Suche nach passenden Lern-Lösungen (vom YouTube-Video über Bücher, moocs und Blogs bis hin zu ganzen OE-Maßnahmen) machen.

Dieses Lernen lässt sich als „exploitatives Lernen“ definieren: „Exploitatives Lernen zielt auf Verbesserung der eigenen Kompetenzen, ihre möglichst effiziente Anwendung, sowie die Erweiterung, Verfeinerung oder Vertiefung von bereits bestehendem Wissen und Kompetenzen (…). Es geht also darum, die eigene Leistung im bestehenden Kontext möglichst schnell und kontinuierlich zu erhöhen, um die momentanen Aufgaben effizienter erledigen zu können“ (ebd., 111).

Lernen geschieht hier in der Absicht, bestimmte Lösungen zu generieren: Du hast ein Problem in Deinem aktuellen Arbeitskontext? Du brauchst eine Lösung in Deinem aktuellen Arbeitskontext!

Exploratives Lernen, oder: Lernen ohne Lösung

Was aber ist mit Lernen, das wirklich grundlegend Neues hervorbringt? Hier spricht man von „explorativem“, also dem entdeckenden Lernen: „Exploratives Lernen bezieht sich (…) auf die Erkundung von und das Experimentieren mit ungewohnten Kontexten und Fachgebieten, das Verlernen von Gewohntem, das sich Einlassen auf bisher „undenkbare“ Perspektiven, d. h. auf Lernen außerhalb der aktuellen Wissensdomänen. Dazu gehören Verhaltensweisen, wie z.B. suchen, variieren, experimentieren, spielen, oder entdecken, die ein tieferes Lernen ermöglichen“ (ebd.).

Die Herausforderung explorativen Lernens besteht darin, dass es nicht unmittelbar „nutzbar“ ist und trotzdem enorme Relevanz hat:

Ohne neue Ideen, ohne Innovation und wirkliche Entwicklung wird jede Organisation früher oder später in Schieflache geraten. Und trotzdem ist es nicht einfach, gegenüber Vorgesetzten die Notwendigkeit explorativen Lernens zu begründen.

Manche Arbeitgeber stellen ihren Mitarbeiter:innen 10% der Arbeitszeit zur vollkommen freien Verfügung bereit. In dieser Zeit können sich die Mitarbeiter:innen mit was auch immer beschäftigen und weiterbilden. Das sind optimale Bedingungen, um exploratives Lernen zu ermöglichen.

Deine Lernformate finden

Was sind Deine Lernformate? Diese Frage klingt trivial, ist aber mehr als wichtig: Bislang definierten wir Lernen in und für unsere Arbeitswelt und damit „Corporate Learning“ meist als staubig, trocken und in irgendwelchen Tagungshotels stattfindend – Wasser, Kaffee und Butterbrezeln inklusive.

Wenn „New Learning“ aber – wie oben definiert – ein möglichst aktiver und sozialer Prozess ist, der anhand Deiner Bedürfnisse bzw. Probleme echte Herausforderungen lösen will, ist es unabdingbar, dass Du Lernen für Dich in Deinen Formaten definierst. Die Formate können dabei komplett vielfältig sein:

  • Blogs,
  • Videos,
  • Social Media,
  • Podcasts,
  • Barcamps,
  • Bücher,
  • Online-Kurse,
  • Coachings,
  • klassische Weiterbildungen,
  • Formate wie Working out loud und ähnliche,

Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, flexibel und oftmals enorm kostengünstig. Was sind aber die für Dich geeigneten Formate, damit Du für Dich wirklich weiterkommst? Womit gelingt es Dir am Besten, Dein Bedürfnis bestmöglich zu erfüllen?

Die Beantwortung der Fragen setzt voraus, dass man sich mit diesen Themen befasst. Darin sehe ich leider ein immer noch großes Problem auch und gerade sozialer Berufe: Nein, nach dem Studium bist Du nicht „fertig“ mit Deiner Ausbildung. Ja, Du kannst immer noch Lernen und Dich verändern. Das musst Du aber wollen. Und – das ist die andere Seite – Du musst es (in Bezug auf Dein Arbeitsleben) dürfen. Deine Organisation muss Lernen aktiv zulassen. Leider ist auch das, wie schon gesagt, immer noch eine echte Herausforderung.

Fazit: New Learning ist (d)eine neue Welt

Es gibt noch drölfzig weitere Ansatzpunkte, „Dein“ und „Euer“ New Learning zu finden. Nicht berücksichtigt ist bspw. die Frage, welche technischen Voraussetzungen, aber auch welche technischen Unterstützungsmöglichkeiten denkbar und sinnvoll sind.

So ist dieser Beitrag in seiner ersten Fassung vor „ChatGPT“ entstanden. Die mit den LLMs einhergehenden Möglichkeiten für die Gestaltung von Lernen und Weiterbildung sind enorm.

New Learning ist – wie New Work – kein Programm, kein Rezept, nicht ein-, sondern vieldimensional und hochgradig spannend.

Denn eins ist sicher: Lernen verändert sich massiv. Dabei ist es ganz egal, ob Du jetzt den Begriff magst oder nutzt oder nicht.

Diese Veränderung ist aus meiner Sicht definitiv zu begrüßen:

Wenn Autonomie und Selbstbestimmung nicht nur als Prämissen für New Work, sondern auch als Prämissen für New Learning, also das Lernen der Zukunft, fungieren, kann es nur gut werden.

Lernen bedeutet dann nicht mehr, sich einmalig und verpflichtend oben Wissen reinzustopfen, das von außen aufbereitet und vorgegeben und noch abgeprüft und wieder vergessen wurde.

New Learning ist emotional, interessen- und fähigkeitengeleitet, an individuellen Anforderungen und Bedarfen orientiert. Das war (echtes) Lernen zwar schon immer, aber angesichts unserer Herausforderungen wird immer deutlicher, dass es klassisch nicht mehr geht. Somit:

Such Dir Netzwerke und Unterstützung und begib Dich auf Deinen Weg hin zum New Learning.

Aber, und das ist mir abschließend mit Blick auf soziale Organisationen wichtig:

Wir sehen eine Menge Menschen, die nicht „gelernt“ haben, wie sie neu Lernen können. Gerade in sozialen Organisationen haben wir es in vielen Fällen mit Menschen zu tun, die extrem negative Schul- und Lernerfahrungen gesammelt haben, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind und die ganz grundlegende Schwierigkeiten in der Gestaltung des Lebens nach „unserer Normalität“ haben.

Soziale Organisationen sind dafür da, Menschen in ihrer Autonomie und Selbstbestimmung zu unterstützen (vgl. Definition Sozialer Arbeit). Um dies auch auf Ebene des Lernens gewährleisten zu können, sind wir – die Professionellen in der Sozialen Arbeit – verpflichtet, uns mit neuen Wegen des Lernens zu befassen. Nur so kann es gelingen, die Klient*innen auf ihren „New Learning Wegen“ zu begleiten.

Ach, und noch was: Vielleicht sind die Lernwege der Klient *innen viel näher am New Learning als das, was wir mit unserer professionellen Brille als „richtig“ empfinden?


Dieser Beitrag ist für die „Blogparade I/V: #NewLearning – was kann „Radikal Neu“ jetzt auch für das LERNEN bedeuten?“ leicht überarbeitet und aktualisiert worden. Deswegen: #NewLearning / #NextLearning 😉

Reflexion und Lernen als Grundlage für Agilität

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Ich habe Urlaub. Wir sind zunächst zu meinen Eltern gefahren, haben die Familie besucht und dann weiter zu unserem Lieblingsziel, in die Niederlande. Obwohl wir schon drölfzig Mal hier waren, Haustausch gemacht und Ferienhäuser gemietet, am Strand gelegen und im Regen geradelt, Pofferties gegessen und Stauder getrunken haben, ist es immer wieder anders: Neue Umgebung, neue Gerüche, anderes, Gott sei Dank kühleres Wetter als bei uns im Süden. Und immer wieder die Notwendigkeit, sich auf diese neue Umgebung einzustellen. Das kostet Energie, die abgezogen wird. Das ist anstrengend, bis jeder seinen Platz in der neuen Umgebung gefunden hat. Es ist so anstrengend, ich habe sogar meine Social Media Apps von meinem Telefon gelöscht 😉 Urlaub als Familie ist nicht immer nur „Erholung“, sondern immer wieder gemeinsames Lernen.

Wie zweck-lose Lernräume für Innovation gelingen können

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Mein Tag und irgendwie auch mein Monat endet im Zug, auf der Rückfahrt von einem Workshop, den ich zum Thema „Erfolgreich Digitalstrategien entwickeln“ in Zusammenarbeit mit dem Walhalla Verlag angeboten habe. Der Workshop war – soweit ich das aus meiner Perspektive beurteilen kann – gut.

Jedenfalls sagen das die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen, angekreuzt, auf dem Evaluationsbogen. Gleichzeitig bin ich nachdenklich, aus unterschiedlichen Gründen. Insbesondere denke ich über den „Lernraum“ nach, der sich erst kurz vor Ende des Workshops geöffnet hat.

Social Innovation Night Vol. 2 am 27.04.2017 – Vernetzung als Lernen

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Die zweite Social Innovation Night steht an, und zwar am 27.04.2017 im Grünhof in Freiburg.

Ich gehe natürlich davon aus, dass Du Dich bereits angemeldet hast. Falls das noch nicht so sein sollte, hast Du hier kostenlos die Möglichkeit dazu. Und was mich noch mehr freuen würde, ist, wenn Du die Idee weiterträgst in Deine Netzwerke.

Master-Thesis-Tagebuch II: Studieren mit Familie und Beruf

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Wenn Ihr diese Zeilen lest, bin ich auf dem Weg zum Flughafen. Dienstreise. Die zweite in diesem Jahr, diesmal Ausland. Und während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Zug, ebenfalls Dienstreise. Zwischendurch sind Kinder krank geworden, hat es geschneit und ich habe die Formalie für die Thesis erledigt.

Wo stehe ich gerade?

Sozialarbeiter als Freelancer, oder: Wie arbeiten wir in Zukunft?

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Sozialarbeiter als Freelancer, oder: Wie arbeiten wir in Zukunft?

Ich mache mir Gedanken über die Zukunft unserer Arbeitswelt. Das hat mit Sicherheit einiges mit meinem persönlichen Umfeld, meinen drei Kindern, Fragen nach Vereinbarkeit von Beruf und Leben, zu dem meine Familie als allererstes gehört, meinem Interesse an neuen Organisationsformen etc. zu tun.

Wie wollen wir arbeiten? 

Mit Blick auf die aktuelle Situation am „Sozialen Arbeitsmarkt“ zeichnet sich ein Fachkräftemangel als dicke Wolke am Horizont ab. Manche sind an diesem Horizont schon näher dran, bei einigen regnet es bereits.