Schlagwort: Sozialwirtschaft

Das SCARF-Modell und die Sozialen Berufe, oder: Wie Deine Mitarbeiter motiviert bleiben!

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Mit diesem Beitrag will ich die Perspektive verändern vom sozialen System „Organisation“ auf die Ebene der Menschen, der Personen in der Organisation. Mitarbeiter und natürlich Mitarbeiterinnen lassen sich nicht motivieren. Es ist nur möglich, sie nicht zu demotivieren. Aber welche Faktoren sollten gegeben sein, damit es gelingt, Mitarbeiter:innen nicht zu demotivieren? Dazu beschreibe ich im Folgenden das SCARF-Modell – ein Modell, das aus meiner Sicht gut geeignet ist, Ansatzpunkte zu finden, um die Motivation Deiner Mitarbeiter:innen aufrechtzuerhalten.

Das SCARF-Modell

Ganz grundlegend ist das SCARF-Modell ein Modell, das von David Rock im Jahr 2008 entwickelt wurde. Das Modell betrachtet Faktoren, die Auswirkungen auf das Verhalten, auf Performance, Ausgeglichenheit, Kooperation und Lernbereitschaft eines Menschen und damit auf dessen Motivation haben.

Das Modell basiert auf den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung und will die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen beschreiben.

Die fünf elementaren Grundbedürfnisse des Menschen sind laut dem Modell:

  • – Status,
  • – Certainty (Sicherheit)
  • – Autonomy (Selbstbestimmung)
  • – Relatedness (Verbundenheit) und
  • – Fairness.

Ich will hier gar nicht tiefer in die Beschreibung der Hintergründe des Modells eintauchen. Diese sind sehr schön aufbereitet im Blog „Digitale Neuordnung“ von Andreas Diehl beschrieben.

Aber was genau steht hinter den Grundbedürfnissen?

Status

Das Grundbedürfnis „Status“ bezieht sich auf die relative Stellung einer Person zu anderen Personen und damit auf den „sozialen Status“ einer Person. Es geht darum, dass wir uns wünschen, dass unsere Fähigkeiten und Kompetenzen anerkannt und unsere Leistungen gewürdigt werden.

Als Führungskraft gilt es, die Anerkennung tatsächlich in Bezug auf die Leistung zu erklären und nicht bezogen auf die Person. Wenn die Person gewürdigt wird („Der Klaus ist ein toller Typ!“) erhöht dies den Status des Gewürdigten zulasten des Status anderer Teammitglieder.

Entsprechend gilt es, den Einsatz der Mitarbeiter:innen, ihre Leistungen bezogen auf eine konkrete Aufgabe anstatt die „Person als Ganzes“ zu würdigen.

Wenn wir an dieser Stelle einmal rauszoomen und die Stellung der Berufe des Gesundheits- und Sozialwesens in der Gesellschaft betrachten, wird es aus meiner Sicht spannend: Im Verhältnis zu anderen Berufen ist der Status, die Wertschätzung sozialer Berufe leider nicht dort, wo sie sein sollte.

Selbst eine Pandemie hat nicht geholfen, die nicht nur system-, sondern überlebensrelevanten Berufe in ihrem Status wirklich anzuheben. Klar, in politischen Sonntagsreden wird zwar die Bedeutung von Erzieher:innen betont, die Wichtigkeit der Pflege mit viel Klatschen unterstrichen oder die Soziale Arbeit insgesamt hervorgehoben.

In der Realität der Aufwertung sozialer Berufe passiert jedoch wenig. Im Gegenteil: Aktuelle Einsparungsnotwendigkeiten setzen zuerst am Kontext Kultur, spätestens dann aber am Sozialen an. Freiwillige Leistungen können wir sowieso abschreiben, aber auch gesetzlich vorgeschriebene soziale Dienstleistungen kommen massiv unter Druck.

Dass nicht unbedingt viele Menschen einen sozialen Beruf ergreifen und sich der Fachkräftemangel auch durch fehlenden Status des gesamten Berufsfelds verschärft, liegt auf der Hand.

Wieder reingezoomt in die Arbeit in Deinem Team stellen sich Fragen wie:

  • – Wie ist Dein Status bezogen auf die anderen Mitarbeiter:innen?
  • – Werden Deine Leistungen durch Deine Führungskraft angemessen gewürdigt?
  • – Werden die Leistungen bspw. durch Angehörige, durch Eltern, gewürdigt?
  • – Wie kann es Dir in Deinem aktuellen Umfeld gelingen, Deinen „Status“ zu erhöhen?

Und als Führungskraft sind es ähnliche Fragen:

  • – Wo würdigst Du die Personen anstatt deren Leistungen?
  • – Welche positiven Leistungen der Teammitglieder kannst Du erkennen, die dringend gewürdigt werden sollten?
  • – Wo feiert ihr Eure gemeinsam erreichten Erfolge?
  • – Wie gehst Du mit bspw. tariflich bedingten Unterschieden in Deinem Team um (Assistenzkräfte, Referent:innen…)?

Certainity – Sicherheit

Jeder Mensch braucht einen sicheren Rahmen, grundlegend erfüllte Bedürfnisse, ohne die ein Leben nicht möglich ist. Maslows Bedürfnispyramide setzt nicht umsonst nach den physiologischen Bedürfnissen das Bedürfnis nach Sicherheit auf Ebene 2.

Im Kontext der (Zusammen-)Arbeit gilt genauso, dass Abläufe eine gewisse Stabilität und Vorhersagbarkeit haben müssen, damit Lernen, Kooperation und gute Zusammenarbeit überhaupt möglich sind und nicht Angst und Unsicherheit überwiegen.

Wichtig dabei ist, dass nicht jede:r Mitarbeiter:in das gleiche Bedürfnis nach Sicherheit hat. Manche Mitarbeiter:innen kommen durch die kleinsten Veränderungen an die Grenze des Aushaltbaren, wohingegen eine gewisse Unsicherheit bei anderen erst die Neugier weckt.

Wieder rausgezoomt sehen wir in den globalen und nationalen Entwicklungen einen enormen Anstieg schneller Veränderungen, Dynamik und Komplexität – VUCA, ick hör dir trapsen. Das löst bei vielen Menschen den Ruf nach „klaren Antworten“, nach Sicherheit und Vorhersagbarkeit aus, ohne diese Antworten und damit Sicherheit geben zu können. UNsicherheitsbewältigungskompetenz oder auch Ambiguitätstoleranz ist gefragt, wird aber im Bildungssystem wenig gefördert, was zu den aufsteigenden rechtsextremen Tendenzen und einer Krise der Demokratie führt.

Zurückgezoomt in soziale Berufe kann man einerseits sagen, dass die Jobsicherheit enorm hoch ist:

Um unter den aktuellen Bedingungen bspw. als Erzieher:in oder Pflegekraft gekündigt zu werden, sind schon einige Anstrengungen erforderlich. Ob das für die Organisationen immer gut ist, wage ich zu bezweifeln, aber das ist ein anderes Thema.

Direkt im Beruf, in der Interaktion mit dem Klient:innen, in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen oder auch alten Menschen ist die Unsicherheit andererseits enorm groß:

Wenn ich an meine eigene Zeit in der stationären Jugendhilfe und der Arbeit mit männlichen Jugendlichen denke, gab es Situationen, die von körperlicher Bedrohung geprägt waren – das Gegenteil von Sicherheit. Und meine Frau, die als Erzieherin und Heilpädagogin in einer Kita arbeitet, muss sich jeden Tag auf das einstellen, was vor Ort zum jeweiligen Zeitpunkt neu passiert – es ist nie sicher, was passiert.

Als Teamleitung und Führungskraft folgt daraus, dass es gerade in sowieso unsicheren Settings darauf ankommt, soweit wie es eben geht einen “sicheren”, vorhersagbaren und verlässlichen Rahmen der Zusammenarbeit zu gestalten. Unsicherheit, Chaos und fehlende Verlässlichkeit senken das Sicherheitsempfinden und werden als Bedrohung empfunden.

Es gilt, möglichst klare klare Spielregeln, feste Rahmenbedingungen oder auch „Leitlinien für die Arbeit im Team“ zu formulieren, die regeln, wie zusammengearbeitet wird. Ich finde es ehrlich gesagt immer wieder faszinierend, dass diese einfachen Möglichkeiten in den Teams sozialer Organisationen kaum berücksichtigt werden.

Autonomie

Die dritte Dimension im SCARF Modell – Autonomie – scheint im Gegensatz zu stehen zum Bedürfnis nach Sicherheit. Aber Menschen sind autonome Wesen. Menschen wollen ihr Umfeld frei gestalten und kontrollieren. Es geht weniger um ein „entweder – oder“, als um ein „sowohl, als auch“: Menschen wollen sowohl ihre Arbeit frei gestalten und über hohe Entscheidungsspielräume verfügen und gleichzeitig ein Sicherheitsempfinden haben.

Auch wenn es kaum erwähnenswert ist, ist wieder darauf hinzuweisen, dass es natürlich unterschiedliche Menschen mit unterschiedlich ausgeprägtem Bedürfnis nach Autonomie gibt.

An dieser Stelle will ich kurz rauszoomen auf die Ebene der Profession und Disziplin Sozialer Arbeit: Gemäß der internationalen Definition Sozialer Arbeit der IFSW ist Aufgabe Sozialer Arbeit u.a. die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Hier geht es also explizit darum, den Handlungsspielraum der Menschen zu erweitern und Möglichkeiten der Erfahrung von Selbstwirksamkeit zu schaffen.

Und zurück in die Tiefen des operationalen Alltags könnte man in sozialen Berufen ja annehmen, dass – wenn die Sicherheit kaum gegeben ist – zumindest Autonomie und Selbstbestimmung, Wahlfreiheit, Mitbestimmungsmöglichkeiten usw. in besonderem Ausmaß gegeben sind, oder?

Wer aber einmal Zeit mit kleinen Kindern verbracht hat, weiß, dass oft genau das Gegenteil Realität ist:

In der Arbeit mit Menschen geht es eben nicht darum, selber zu entscheiden, sondern emphatisch den Weg mitzugehen, der vom Gegenüber eingefordert bzw. gerade benötigt wird. Kurz: Wenn Fritzchens Windel voll ist fällt Ottos Glas herunter und gleichzeitig haut Paula dem Emil auf’s Maul, weil es ihr Eimer ist oder zumindest werden soll.

Für Führungskräfte und Teamleitungen gilt entsprechend, dass es relevant ist, die Mitarbeiter:innen zumindest dort partizipieren zu lassen, wo dies möglich ist. Insbesondere ist es relevant, Beteiligungsmöglichkeiten in der Entwicklung von Zielen und Zwecken und der oben angesprochenen Rahmenbedingungen der gemeinsamen Arbeit zu schaffen. Wenn auf diesen Ebenen ebenfalls Fremdbestimmung vorherrscht, fühlen sich die Mitarbeiter:innen komplett – genau – fremdbestimmt.

Relatedness – Verbundenheit

Verbundenheit beschreibt das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe – das “Wir Gefühl”.

Andreas Diehl schreibt, dass die Verbundenheit als „der wichtigste Faktor im SCARF Modell“ angesehen werden kann:

„Denn die moderne Hirnforschung zeigt, dass der Ausschluss aus einer Gruppe die gleichen neuronalen Netzwerke aktiviert wie physischer Schmerz. Das mag evolutionsbiologische Gründe haben, schließlich war der Ausschluss aus der Sippe vor ein paar tausend Jahren ein fast sicheres Todesurteil.“

Andreas Diehl

Daraus resultiert, dass Menschen Gruppen gründen und sich diesen zugehörig fühlen wollen. Neue Menschen, der Wechsel in ein anderes Team und natürlich eine Kündigung werden als Bedrohung wahrgenommen. Das erklärt auch, warum es so wichtig ist, Räume und Zeiten zu schaffen, in denen Menschen „einfach so“ und scheinbar belanglos beieinander sein können: Kaffeeecken, Weihnachtsfeiern, gemeinsames Ablästern uvm. sind dafür da, genau diese Verbundenheit herzustellen – in allen und vielleicht sogar noch mehr in sozialen Arbeitskontexten.

Aus meiner ganz individuellen Perspektive stelle ich mir hier die Frage, wo denn meine Verbundenheit herkommt? Eine Idee ist, dass ich mich – neben meiner kleinen Familienherde – beruflich sehr, sehr verbunden fühle zu meiner Aufgabe, meiner Passion, meiner Möglichkeit, mich mit Dingen zu befassen, auf die ich tief im inneren richtig Bock habe. Und trotzdem brauche ich immer wieder den Austausch mit Menschen, die ganz ähnliche Arbeit machen – Grüße an die Fraggles-Runde – oder auch den „belanglosen“ Austausch bspw. beim IdeeQuadrat Check In – reinschauen lohnt sich 😉

Und hier habe ich beschrieben, wie es gelingen kann, eine Kultur der Verbundenheit in Deiner Organisation zu erzeugen.

Fairness

Fairness ist beschreibt den in uns Menschen tief verankerten Wunsch nach Gerechtigkeit.

Das im Beitrag von Andreas Diehl beschriebene Ultimatumspiel zeigt eindrücklich auf, dass wir uns eher selbst schaden, als Ungerechtigkeit zuzulassen.

Du kennst es schon, ich zoome mal kurz wieder raus:

Die Anerkennung sozialer Berufe, die in unserer Gesellschaft auch mit Bezahlung einhergeht, zeigt, dass es mit der Fairness nicht weit her ist. Überlebensrelevante Berufe werden im Verhältnis zu Bullshit-Jobs (ich weiß, etwas überspitzt ausgedrückt) nicht fair honoriert. Mehr noch: Es gibt Studien, die darlegen, dass Berufe mit den höchsten Gehältern keinen gesellschaftlichen Mehrwert liefern bzw. diesen sogar zerstören. Der gesellschaftliche Impact einer Pflegekraft ist weit höher als der eines Investmentbankers, was im Gegensatz zu deren Bezahlung steht.

Zurück ins Team ist es hochgradig relevant, klare Erwartungen, Ziele und Spielregeln zu etablieren, die für alle Mitarbeiter:innen möglichst fair und gerecht sind. Andreas Diehl schreibt:

Sobald Entscheidungen einen Hauch von Willkür tragen oder nicht ausreichend begründet sind, mag es vorkommen, dass Mitarbeiter mit Entzug und Widerstand reagieren.“

Entsprechend gilt es, transparent mit Informationen umzugehen, Mitarbeiter:innen aktiv einzubeziehen und teambasierte Entscheidungen zu treffen. Dies zahlt wiederum auf Status und Autonomie ein.

Neue Formen der Zusammenarbeit und das SCARF Modell

Interessant ist ja, dass an allen Ecken und Enden daran gearbeitet wird, Organisationen zeitgemäß und bedarfsgerecht zu gestalten, mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu etablieren, die interne Komplexität in Organisationen über die Gestaltung selbstbestimmt agierender Teams zu erhöhen usw. Ich bin selbstverständlich der Letzte, der etwas dagegen hat 😉

All diese Bemühungen verändern jedoch – sofern sie ernstgemeint sind und echte Musterwechsel erfolgen sollen – die Art der Zusammenarbeit:

Das, was bisher galt, gilt zukünftig nicht mehr oder zumindest nicht mehr so ganz. Wenn man das SCARF-Modell in den Hintergrund legt, wundert es nicht, dass Mitarbeiter:innen mit Widerstand auf die neue Situation, auf angeblich neue, moderne Arten der Zusammenarbeit reagieren – egal in welchem Arbeitskontext.

Wenn man außerdem die Besonderheiten sozialer Organisationen und die Besonderheiten sozialer Arbeit berücksichtigt, wird deutlich, dass der alleinige Ruf nach „mehr Agilität“, nach Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen und Co. nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist:

Wenn die Mitarbeiter:innen an der Basis tagtäglich mit enormer Unsicherheit konfrontiert sind, macht es bspw. Sinn, anstatt einfach nur mehr Unsicherheit und Eigenverantwortung zu verlangen, Sicherheit in den Rahmenbedingungen, im „Wie“ der gemeinsamen Arbeit zu schaffen.

Konkret habe ich oben die Idee der Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team aufgeführt:

Über klar vereinbarte Regeln und Vorgehen und die Einforderung der Einhaltung dieser Regeln wird die Unsicherheit auf Seiten der Mitarbeiter:innen zumindest in den Bereichen gesenkt, in denen dies möglich ist:

  • – Was ist das Ziel unserer Arbeit?
  • – Welche Werte leiten unser Handeln?
  • – Wer im Team hat welche Rolle und Zuständigkeiten?
  • – Welche Prozesse können wir wie gestalten?
  • – Wo ist Zeit für persönlichen Austausch, wo arbeiten wir aber konkret an Ergebnissen?
  • – Wie werden Entscheidungen getroffen?

Das widerspricht überhaupt nicht den agilen Arbeitsweisen, im Gegenteil:

Agilität braucht klare Strukturen.

Die Arbeit mit dem SCARF-Modell im Team

Das SCARF-Modell eignet sich super für Teamentwicklungen und die Gestaltung der Zusammenarbeit.

Denkbar ist, dass sich zu Beginn eines Workshops und der Vorstellung des Modells jede:r Mitarbeiter:in bezogen auf die fünf Bereiche zum aktuellen Zeitpunkt einordnet. Daraus wird auch deutlich, welches Bedürfnis für wen im Team welche Bedeutung hat. Daran anschließend wird (anonym oder offen) abgefragt, wie denn für jede:n die optimale Situation aussehen würde – ein klassischer Soll-Ist-Abgleich.

Im Anschluss diskutiert ihr die Ergebnisse im Team.

Wie Andreas Diehl sehr passend schreibt:

„Damit erhältst Du nicht nur einen Spiegel deiner Teamdynamik, sondern siehst als Führungskraft, welche Faktoren unter Umständen mehr Aufmerksamkeit benötigen. Vor allem aber stärkt das die Verbundenheit im Team. Denn plötzlich sieht jeder, dass es den anderen genauso geht.“

Außerdem kann das Modell eine spannende Grundlage für Mitarbeiter:innengespräche sein, die tiefer gehen als das übliche, strategisch orientierte Blabla…

Die individuelle Arbeit mit dem SCARF-Modell

Neben der Arbeit im Team und die Möglichkeiten, die sich daraus für die Teamgestaltung ergeben, ist das Modell auch für die Betrachtung der eigenen beruflichen Situation sehr hilfreich:

Wie steht es in Deinem beruflichen Kontext um

  • – Status,
  • – Sicherheit,
  • – Autonomie,
  • – Verbundenheit und
  • – Fairness?

Und was kannst Du tun, um einen vielleicht für Dich nicht passenden Bereich zu verbessern? Dazu hilft es wenig, von heute auf morgen zu kündigen oder Dir große, neue Ziele zu setzen, ohne zu wissen, wie Du diese erreichen kannst.

Hilfreicher ist es oft, zu überlegen, welche kleinen Schritte Du jetzt tun kannst, um Verbesserungen zu erreichen:

  • – Welche Mittel hast Du jetzt zur Verfügung?
  • – Wen kennst Du, der/die Dir vielleicht einen Schritt weiterhelfen kann?
  • – Welche neuen Ideen und Möglichkeiten, welche neuen Ressourcen ergeben sich daraus?

Ich für meinen Teil habe durch die Selbständigkeit den Bereich „Sicherheit“ natürlich maximal reduziert, was meinen inneren Sicherheitsbeauftragten immer wieder zur Verzweiflung bringt. Aber was kann ich jetzt, heute, mit den vorhandenen Mitteln tun, damit dieser trotzdem befriedigt wird? Zum Beispiel Blogbeiträge schreiben 😉

Ach ja, es kann auch Sinn machen, außerhalb Deines Berufs zu schauen, ob Du Deine Bedürfnisse besser erfüllen kannst: Vielleicht gibt Dir die Vorstandschef im Kaninchenzuchtverein das, was Du im Beruf nicht findest?

Motivation behalten

Zusammenfassend ist das SCARF-Modell sehr gut geeignet, auf die Bedürfnisse zu schauen, die es braucht, um die Motivation aufrecht zu erhalten – aus beiden Perspektiven:

  • – Als Führungskraft kannst Du darauf schauen, was es in Deinem Team braucht, damit Deine Mitarbeiter:innen motiviert bleiben.
  • – Und Du selbst kannst für Dich schauen, was Du brauchst, damit Du Deine Motivation im Job nicht verlierst.

Dabei gilt es immer, auch die Rahmenbedingungen im Blick zu halten, die Deine aktuelle Tätigkeit beeinflussen. Die Rahmenbedingungen sind manchmal gestaltbar, manchmal aber auch nicht.

Aber genau daraus kannst Du dann ableiten, was es für Dich und Dein Team zum aktuellen Zeitpunkt braucht.

In diesem Sinne: Frohes Schaffen! 😉

Der IdeeQuadrat New Work Canvas – ein einfaches Tool für die Organisationsentwicklung

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Hä, was? IdeeQuadrat New Work Canvas? Was ist das nun wieder und braucht wirklich jede:r ein eigenes Canvas? Ja, ich verstehe schon, aber ich will hiermit so etwas wie meine „Hintergrundfolie“ in Organisationsentwicklungsprozessen mit Dir teilen. Außerdem erfährst Du, wie Du in Deinem Team oder Deiner Organisation mit dem IdeeQuadrat New Work Canvas arbeiten kannst.

So habe ich im letzten Jahr immer wieder spannende Einblicke in verschiedenste Organisationen gewinnen dürfen und mit diesen Strategien entwickelt, Führungskräfte begleitet, Organisationsstrukturen neu gestaltet oder die selbstbestimmt agierender Teams auf den Weg gebracht und begleitet.

Bei all den Themen liegt für mich immer ein Bild der Gesamtorganisation bzw. des Teams, mit dem ich arbeite, im Hintergrund. Und dieses Bild, die Hintergrundfolie will ich hier mit Dir teilen:

Der IdeeQuadrat New Work Canvas: Gesamtbild und Methode

Der IdeeQuadrat New Work Canvas dient – wie gesagt – dazu, nicht nur einen begrenzten Teil der Organisation wahrzunehmen, sondern die Organisation bestmöglich als „soziales System“ und damit – Achtung, Buzzword – ganzheitlich zu betrachten.

Aber schon hier die Einschränkung:

Ein Canvas als Bild und Methode ist immer eine Komplexitätsreduktion und nicht die Wirklichkeit. Ein Canvas dient aber auch genau dazu: Die komplexe Wirklichkeit besprechbar und damit gezielt bearbeitbar zu machen, ohne in endlose und nicht zielführende Diskussionen über „alles und nichts“ zu verfallen.

Neben dem Gesamtbild dient der IdeeQuadrat New Work Canvas aber auch als Methode, um gezielt an bestimmten Bausteinen bzw. „Kategorien der Organisation“ zu arbeiten und diese im Sinne des Zwecks der Organisation bzw. des Teams weiterzuentwickeln.

Der IdeeQuadrat New Work Canvas als Gesamtbild der Organisation

Die Gestaltung der Canvas basiert auf verschiedenen Management-Modellen. Zu nennen ist insbesondere das St. Galler Management-Modell, außerdem das New Work Canvas der Neue Narrative und das „Operating System Canvas“ von the ready.

Über die Zusammenführung dieser Modelle habe ich versucht, einen Gestaltungsrahmen für Führungskräfte abzubilden, der die eigene Organisation ganzheitlich betrachten lässt und daraus Probleme sowie Lösungsoptionen zu identifizieren hilft.

Der IdeeQuadrat New Work Canvas soll außerdem genügend Flexibilität bieten, je nach Herausforderung passende Methoden und Lösungsansätze anzuwenden und – sofern erfolgreich – zu implementieren.

Inhaltlich strukturiert sich der Canvas anhand von neun Kategorien, die aber nicht „übereinander“ stehen und damit eine unterschiedliche Wertigkeit haben. Vielmehr stehen die Kategorien „auf Augenhöhe“ nebeneinander. Sie bilden damit so etwas wie das „Grundgerüst“ der Organisation.

Und in der Canvas sind den Kategorien jeweils Aussagen zugeordnet:

Vision, Zweck und Identität

  • Wir haben eine klar definierte Vision!
  • Wir orientieren unsere Entscheidungen an dieser Vision und an den Bedarfen unserer Nutzer*innen!
  • Allen ist klar, wozu es uns als Team/Organisation gibt!
  • Die Mission, der Zweck unserer Organisation und jedes Teams in unserer Organisation sind definiert!
  • Wir kommunizieren den Zweck aktiv nach innen und außen!
  • Unser Zweck hilft uns, Entscheidungen zu treffen!

Sachmittel und Ressourcen

  • Wir stehen finanziell gut da!
  • Wir investieren Zeit und Geld!
  • Der Zustand von Gebäuden und Ausstattung ist den Anforderungen zur Erfüllung unseres Zwecks angemessen!
  • Unsere Strategien beeinflussen die Ressourcenzuteilung sinnvoll!
  • Unsere digitale Infrastruktur ist zeitgemäß aufgestellt!
  • Wir entwickeln unsere Sachmittel und Ressourcen passfähig weiter!

Optimierung und Innovation

  • Es ist für alle Mitarbeiter:innen transparent, wie wir lernen und uns weiterentwickeln!
  • Wir haben ein lebendiges Innovationsmanagementsystem implementiert, in dem dargelegt ist, wer wie Ideen zu Innovationen werden lässt und wer beteiligt wird!
  • Wir beziehen die Nutzer:innen in die Innovationsentwicklung mit ein!
  • Wir haben lebendige Routinen zur Reflexion bestehender Angebote, Dienstleistungen und Prozesse etabliert!
  • Wir haben Routinen eingeführt, die unsere Organisation von unnötigem Ballast entschlacken!

Strukturen

  • Die Aufbauorganisation (Organigramm) ist allen Mitarbeiter:innen bewusst!
  • Wir entwickeln die unsere Aufbauorganisation, die Struktur unserer Teams, unsere Regeln und Vorgaben kontinuierlich weiter, um den Zweck der Organisation bestmöglich erfüllen zu können!
  • Wir haben klare und gleichzeitig flexible Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in unserer Organisation/im Team in Mandaten kompetenzbasiert geregelt!
  • Wir ermöglichen bereichsübergreifende Zusammenarbeit, um so die komplexen Herausforderungen bewältigen zu können!

Interne und externe Stakeholder

  • Die Kompetenzen der bei uns arbeitenden Menschen korrelieren mit unseren heutigen und zukünftigen Anforderungen!
  • Wir gestalten unser Lernen und persönliche Entwicklung aktiv und zukunftsorientiert!
  • Wir haben lebendige Routinen zum Umgang mit internen Konflikten etabliert!
  • Wir kennen unsere externen Stakeholder (Politik, Kostenträger, Angehörige…)!
  • Wir arbeiten vertrauensvoll mit unseren externen Stakeholder zusammen und binden diese in Entscheidungen ein!

Prozesse

  • Unsere Kern-, Unterstützungs- und Managementprozesse sind definiert und bekannt!
  • Unsere Prozesse werden verbindlich gelebt!
  • Wir haben Routinen etabliert, um unsere Prozesse regelmäßig weiterzuentwickeln!
  • Standardisierbare Prozesse sind auf allen Ebenen digitalisiert!
  • Wir haben Routinen etabliert, wie wir den Überblick über unsere Projekte und Aufgaben behalten!

Strategien und Konzepte

  • Wir haben klare und sinnvolle strategische Stoßrichtungen für die (nahe) Zukunft definiert!
  • Die Umsetzung der Strategien wird von uns aktiv vorangetrieben!
  • Unsere Strategien korrespondieren mit unseren Stärken!
  • Wir sind offen für irritationsrelevante Impulse aus unserer Umwelt!
  • Wir entwickeln, verfeinern und erneuern unsere Strategien kontinuierlich!
  • Unsere Strategien leiten uns in unseren alltäglichen Entscheidungen!

Mandate und Funktionen

  • Wir haben in der Organisation und den Teams klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (Mandate) definiert, um selbstbestimmtes Arbeiten zu fördern!
  • Die Verantwortlichkeiten der Mandate sind definiert und die benötigten Kompetenzen bekannt!
  • Wir haben Routinen zur Wahl der Mandate innerhalb der Teams etabliert, die sicherstellen, dass die Mandate kompetenzbasiert vergeben werden.
  • Die Mitarbeiter*innen übernehmen verbindlich die gemeinsam vereinbarten Aufgaben!

Kommunikation

  • Jede unserer Teamsitzungen hat einen Zweck und eine klare Struktur?
  • Es ist klar, wer an Treffen teilnehmen muss und warum!
  • Besprechungen werden moderiert und die Ergebnisse werden dokumentiert!
  • Wir haben Routinen erarbeitet, um nicht zweckdienliche Besprechungen zu verbessern (oder zu streichen)!
  • Unsere Kommunikationswege sind auch außerhalb der Besprechungen zweckdienlich!
  • Informationen und Wissen sind transparent zugänglich!

Über die Aussagen zu den jeweiligen Kategorien soll deutlich werden, wo Deine Organisation bzw. das Team steht. In der Arbeit mit der Canvas reicht dazu eine einfache Rating-Skala (1 – trifft gar nicht zu … 10 – trifft voll zu) . Darüber erhältst Du einen ersten Einblick in den Stand Deiner Organisation (oder auch Deines Teams).

Der IdeeQuadrat New Work Canvas lässt sich also in einem ersten Schritt als ein Tool zur IST-Analyse bezogen auf die verschiedenen Kategorien nutzen.

Download: Hier den IdeeQuadrat New Work Canvas herunterladen!

Der IdeeQuadrat New Work Canvas als Grundlage zur Organisationsentwicklung

Aber neben der Übersicht über die Gesamtorganisation und die Erarbeitung des Status Quo dient der Canvas auch als Methode, mit der zu jeder Zeit an der Organisation oder auch der Gestaltung des Teams gearbeitet werden kann.

Die Nutzung des Canvas als Tool zur Organisationsentwicklung funktioniert alleine, besser aber noch im Team. Ebenso ist es möglich, den Canvas in Großgruppenveranstaltungen (bspw. als Orientierung in einem Open Space) einzusetzen.

Und so gehst Du vor:

Methodisches Vorgehen

Auf der zweiten Seite des Canvas ist das Vorgehen abgebildet.

In einem ersten Schritt ist es notwendig, eine Kategorie auszuwählen, in der Veränderungen angegangen werden sollen (bspw. die Kategorie „Mandate und Funktionen“).

Daran anschließend folgt ihr als Team der Change-Formel (vgl. Seliger, 2022, 54ff), die ich noch ein wenig erweitert habe. Ihr beantwortet die unter dem jeweiligen Punkt der Change-Formel aufgeführten Fragen (die ich hier nicht wiederhole, sie stehen auf der Canvas) zu den fünf Schritten:

  1. Driver
  2. Vision
  3. Ressources
  4. First steps
  5. Reflection

Dazu noch zwei Hinweise:

Bearbeitet die einzelnen Schritte nacheinander und beachtet, dass nur dann, wenn alle Bausteine – D + V + R + F + R – zusammenkommen, sich die Möglichkeit kontinuierlicher Veränderung ergibt. Sobald ein Baustein fehlt, geht die Veränderungsenergie verloren und ihr bleibt stecken.

Außerdem verlaufen Veränderungen sozialer Systeme nie linear, sondern eher in Wellen oder Kreisen („zwei Schritte vor, einer zurück“). So gilt es immer wieder, innezuhalten, zu reflektieren, Zeit zu lassen und einen neuen Anlauf zu wagen.

Schritt für Schritt zur zeitgemäßen, bedarfsgerechten Organisation

Bei der Beschäftigung mit den Fragen der Canvas wird deutlich, dass es nicht immer hilfreich ist, die Gesamtorganisation zu transformieren und ein völlig neues „Betriebssystem zu installieren“ oder alles umzukrempeln.

Gerade die kleinen Baustellen in den einzelnen Kategorien, die schnell und aktiv angegangen werden, bringen oft die größte Verbesserung. Denn die kleinen Impulse und Irritationen sind es, die ein System in Bewegung versetzen.

Und manchmal muss man gar nicht verändern, sondern mit etwas aufhören, um weiterzukommen.

Und jetzt:

Ladet den IdeeQuadrat New Work Canvas herunter und arbeitet damit oder gebt ihn an interessierte Menschen weiter. Mich würde sehr interessieren, ob und wie ihr mit der Canvas gearbeitet habt. Außerdem interessiert mich, wo ihr Entwicklungsoptionen der Canvas seht. Lasst dazu doch gerne einen Kommentar da…

Ach ja, ich begleite Euch natürlich auch gerne in der Arbeit an Eurer Organisation 😉 Dazu könnt ihr hier einfach Kontakt aufnehmen.

Danke, oder: Weihnachtsretro 2022

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Mit dem letzten Beitrag im Jahr 2022 will ich Dir einfach nur Danke sagen! Und ja, ich will auch einmal auf das Jahr 2022 – also zurück – schauen. Aber zuerst einmal:

Danke!

Danke dafür, dass Du meine Beiträge liest. Und noch mehr Danke dafür, dass wir (je nach Leser_in) zusammen gedacht, gelacht, gemacht haben. Für mich ist das großartig, an vielen Stellen sogar unglaublich.

Warum?

Das will ich im Folgenden anhand einer kleinen Retrospektive des Jahres 2022 erläutern. Und nein, ich will nicht auf die herausfordernden Seiten des Jahres blicken – gerade weil die Probleme uns von allen Seiten anspringen.

Denn in einem Weihnachtsgruß (danke an dieser Stelle an alle Weihnachtsgrüßler_innen) stand der Satz

„Resignation ist keine Option!“

Aber los jetzt, wie war das oder besser: mein Jahr 2022?

Was war richtig gut?

Punkt 1: Das Jahr aus Perspektive von IdeeQuadrat.

Ja, wir reden in good old Germany nicht über Geld und Du wirst hier auch nicht mehr erfahren als die Tatsache, dass es mir gelungen ist, meine Familie auch mit selbständiger Arbeit nicht verhungern zu lassen. Das ist natürlich völlig untertrieben: Es war ein geschäftlich gutes Jahr (wenn wir mal das Finanzamt außen vorlassen…). Und das ist, vor allem wenn ich an den Beginn des Jahres denke, unglaublich. Dazu aber später mehr.

Dass es ein gutes Jahr war resultiert natürlich aus Dir, aus Euch, aus den Menschen, mit denen ich zusammen arbeiten durfte. Und die Menschen waren wirklich immer richtig gut.

Jede*r, mit dem ich zusammenarbeiten durfte, hatte das Bedürfnis, Dinge in die Hand zu nehmen, die eigene Organisation zu entwickeln, andere Menschen über Veranstaltungen zu inspirieren, dazu anzuregen, über den Tellerrand des mehr als herausfordernden Business as Usual hinauszuschauen.

Richtig gut war auch die Entscheidungen, eigene, kleine Online-Workshops durchzuführen. Auch darüber habe ich viele neue Menschen kennengelernt und konnte hoffentlich einige Ideen weitertragen, die dann in der eigenen Organisation Wurzeln schlagen und zu echter Entwicklung führen.

Und richtig gut ist es, jetzt einige Tage innehalten zu können und nicht zu arbeiten 😉

Was habe ich gelernt?

Ich habe gelernt…

…wie unfassbar großartig die Arbeit ist, die in vielen Einrichtungen und Organisationen trotz herausfordernder Bedingungen geleistet wird.
…dass es 2022 leider besser war, das Auto anstatt den Zug zu nehmen.
…dass es nicht reicht, Veränderung einseitig zu betrachten, sondern immer das komplexe, zu verändernde System mit allen Facetten mitgedacht werden muss.
…besser meinen eigenen, dunklen Seiten und tief verborgenen Ängsten begegnen zu können, ohne gleich wegzurennen.
…mehr Vertrauen in mich und die Menschen um mich herum zu haben.

Ich habe das Jahr 2022 mit dem Versuch einer Vorausschau, mit meiner Strategie 2025 gestartet, die unter dem Titel „Verführungen am äußeren Rand der Panikzone“ stand.

Dazu lässt sich zusammenfassend sagen, dass ich 2022 Gott sei Dank aus der Panikzone in die Lernzone gelangt bin. Nein, die Lernzone ist nicht meine Komfortzone.

Und das ist gut so.

Was hat mir gefehlt?

2022 hat mir schon an manchen Tagen das Vertrauen in mich und meine Entscheidung gefehlt. Ich habe mich selbständig gemacht. Krasser Scheiß! Von vielen Menschen habe ich gehört, wie mutig das gewesen wäre.

Ich habe dann immer geantwortet, dass der Grat zwischen Mut und Wahnsinn ziemlich schmal ist – vor allem dann, wenn man nicht nur für sich da ist, sondern für eine Familie mit drei Kindern Verantwortung trägt.

Gefehlt hat mir an manchen Stellen Unterstützung dahingehend, dass es so viele große Themen zu bearbeiten gibt, die aber allein nicht angegangen werden können, da die zeitlichen Ressourcen dafür fehlen. Zum einen heißt es hier Abstand nehmen und sich auf den eigenen Circle of Influence zu fokussieren.

Zum anderen bleiben Gedanken, Ideen, Visionen, wie IdeeQuadrat sinnvoll, gut und sicher wachsen und sich entwickeln kann.

Und noch ein ähnlicher, aber übergreifender Aspekt, der mir gefehlt hat:

In meinem letzten Newsletter habe ich mich über die bei Kund_innen fehlenden Ressourcen für wirklich nachhaltige Veränderung aufgeregt.

Um aber von der Funktionsoptimierung zum Prozessmusterwechsel (vgl. Kruse, 2020, 24ff), zum Neuen, zu innovativem Handeln gelangen zu können, braucht es Mut zum Risiko. Es gilt, die Unsicherheit in Phasen der Instabilität auszuhalten. Prozessmusterwechsel gelingen dann, wenn Systeme in aus der Stabilität in „kritische Instabilität“ (vgl. ebd., 61) versetzt werden und von dort aus Neugestaltung stattfinden kann (der Beginn der Pandemie war ein gutes Beispiel).

Um die Phasen der Unsicherheit, der kritischen Instabilität auszuhalten und bewältigen zu können, sind jedoch wiederum Ressourcen notwendig, wenn gleichzeitig zur Neugestaltung der „Laden am Laufen gehalten“ werden soll. Und diese Ressourcen fehlen angesichts der zu 120% ausgelasteten Systeme, sozialen Organisationen, Einrichtungen an vielen Stellen.

Das ist nur zum Teil eine Frage der Prioritäten der Mittelverwendung der Organisationen. Es ist vor allem eine Frage der angemessenen Finanzierung sozialer Dienstleistungen. Diese muss es ermöglichen, einen angemessenen Overhead für wirksame Personal- und Organisationsentwicklung bereitzustellen.

Abschließend hat mir mit Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen (immer noch) gefehlt, dass unsere Branche angemessen in der öffentlichen Wahrnehmung berücksichtigt wird. Angesichts der Polykrisen unserer Zeit und der Möglichkeiten der Sozialwirtschaft, in diesen Krisen echte Lösungen zu bieten, ist das dramatisch.

Die fehlende Aufmerksamkeit ist sicherlich ein hausgemachtes Problem: Politische Kommunikation, Selbstvermarktung, „einen auf dicke Hose machen“ liegt uns nicht unbedingt und wird auch im Studium nicht vermittelt. Die Sozialwirtschaft tut Gutes, redet aber nicht darüber.

Und dann kommen „Social Entrepreneurs“, deren Beitrag zur Innovation sozialer Dienstleistungen ich in keinster Weise in Abrede stellen will, die aber mit „einfachen Lösungen“ wunderbar an die Politik andocken können. Politik braucht kurze Antworten, Politik braucht Lösungen, die medienwirksam „rausgehauen“ werden können. Da passen komplexe, systemische Herangehensweisen nicht so geil (wahrscheinlich ein Wort, das niemand mehr nutzt, außer so GenXler).

Hier müssen wir in Zukunft nachlegen.

Wonach sehne ich mich?

Ich will diesen letzten Punkt nicht vertieft besprechen. So müsst ihr Euch darauf einstellen, auch einen Beitrag zum Ausblick für 2023 zu lesen. Das kommt dann aber im Januar 😉

Nur ein paar Gedanken:

Angesichts des oben Geschriebenen sehne ich mich 2023 nach mehr Vertrauen in meine Entscheidungen.

Und ich sehne mich danach, meine „Work-Life-Balance“ besser in den Griff zu bekommen. Darin, im Ausgleich, im Finden der guten Mitte zwischen Anspannung und Entspannung, in der Verbindung aus Ying und Yang war ich noch nie gut. In der Selbständigkeit ist das nicht unbedingt von Vorteil 🙂

Ich sehne mich auch danach, Ideen, Möglichkeiten, Gedanken, Methoden, Herangehensweisen, Fragen zu den mich beschäftigenden Themen tiefer durchdenken zu können. So habe ich gelernt – ein Punkt für oben – das es einen Unterschied gibt zwischen Arbeit und bezahlter Arbeit. Ich liebe es, zu schreiben, zu denken, zu verbinden, zu recherchieren, um darüber zu Antworten zu kommen, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich waren. Hier würde ich gerne mehr reingehen.

Und jetzt sehne ich mich danach, abzuschalten, rauszukommen, Family und Weihnachten zu genießen, die Rauhnächte zu erleben und das, was war, loszulassen, offen zu werden, mich wieder zu sammeln und auf das Neue zu fokussieren.

Habt eine gute Zeit, gesegnete Weihnachten, einen guten Start ins Jahr 2023! Und noch einmal:

Danke!

P.S.: Die Grafik oben ist von meiner Tochter, K1 😉

Quellen

Kruse, Peter, Andreas Greve, und Frank Schomburg. Next practice – erfolgreiches Management von Instabilität: Veränderung durch Vernetzung. 9., um Ein Geleitwort erweiterte Auflage. Offenbach: GABAL, 2020.

Das GRPI-Modell zur Teamentwicklung

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In meiner Arbeit in sozialen Organisationen habe ich es in den allermeisten Fällen mit Teams zu tun. Und in den wiederum allermeisten Fällen geht es darum, die Zusammenarbeit der Menschen in den Teams zu verbessern – durch die Einführung von Strukturen der Selbstorganisation, durch das Finden eines gemeinsamen Zwecks, durch die Entwicklung von Leitlinien, die Klarheit und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit schaffen sollen und so weiter und so fort… Aber vor der Einführung von neuen Strukturen, Methoden und Co. steht die Frage: Wo liegen eigentlich die Probleme genau, die behoben werden sollen? Um diese Frage zu klären, nutze ich unter anderem gerne das GRPI-Modell.

Dieses einfache, aber wirkungsvolle Modell will ich im Folgenden vorstellen. Dabei werde ich zunächst darlegen, was das Modell ist, um dann zu beschreiben, wie ich damit arbeite. Vielleicht ergeben sich daraus ja hilfreiche Optionen für die Arbeit in deinem Team und/oder Deiner Organisation?

GRPI-Modell – was ist das eigentlich?

Das GRPI-Modell wurde vom amerikanischen Organisationstheoretiker Richard Beckhard im Jahr 1972 entwickelt. Damit an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zum 50sten Geburtstag!

Das Modell lässt sich dazu verwenden, Ursachen von Problemen und Funktionsstörungen in Teams zu diagnostizieren.

Basierend auf der Diagnose kann dann die Effektivität, Produktivität, Qualität und die Effizienz der Teams gesteigert werden.

Das Modell nimmt die vier Schlüsseldimensionen Ziele (Goals), Rollen (Roles), Prozesse (Processes) und Beziehungen (Interpersonal Relationships) in den Blick, die aus Perspektive von Beckhard Konflikte in Teams verursachen, sofern diese nicht klar und transparent sind.

Sehr einfach stellt das Modell die folgenden Fragen:

  • „Tun wir die richtigen Dinge?“ (Goals)
  • „Tun die richtigen Menschen die richtigen Dinge?“ (Roles)
  • „Tun wir die richtigen Dinge richtig?“ (Processes)
  • „Tun wir die richtigen Dinge miteinander richtig?“ (Interpersonal Relationsships)

Etwas differenzierter ist unter den vier Dimensionen Folgendes zu verstehen:

  • Goals (Ziele) fragt nach dem Zweck des Teams: Wozu existiert das Team und was ist dessen Existenzberechtigung? Was soll es erreichen? Dabei geht es außerdem, darum, wer die Stakeholder des Teams sind, wer also was von den Ergebnissen des Teams hat.
  • Roles (Rollen) nimmt die Verteilung der Aufgaben im Team in den Blick. Dabei steht vorab die Frage im Zentrum, welche unterschiedlichen Rollendefinitionen es im Team gibt und wie klar oder wie unklar diese formuliert sind?
  • Processes (Prozesse) fokussiert auf die Arbeitsabläufe, Arbeitsmethoden, Regeln und Vorgaben, an denen sich das Team in seiner Arbeit orientiert. Wiederum steht im Zentrum, ob und wie klar diese Konditionalprogramme (wenn-dann-Regeln) formuliert sind und wie effektiv bzw. effizient diese sind.
  • Interpersonal Relations (Beziehungen) fragt nach der Atmosphäre im Team: Wie wird das Miteinander, der Teamgeist, Zusammenhalt und das gemeinsame Vertrauen bewertet und wo liegen Interventionsnotwendigkeiten?

Interessant an dieser Stelle finde ich die Überschneidung zu den Ergebnissen der Aristotle-Studie von Google, zu der Du hier mehr Informationen findest. Nur kurz:

In der Studie wurden etwa 180 Google-Teams untersucht, um Muster zu finden, die zeigen, warum einige Teams scheitern, während andere Bestleistungen erreichen. Relevant für gute Zusammenarbeit im Team ist demnach, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen und der Umgang miteinander respektvoll und geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit ist (Interpersonal Relationsships). Außerdem sind Klarheit und Struktur relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit (Goals, Prozesses, Roles).

Arbeiten mit dem GRPI-Modell

Zu Beginn habe ich geschrieben, dass ich das Modell implizit oder explizit in meiner Arbeit mit Teams nutze.

Implizit meint, dass ich es bei bestimmten Themenstellungen einfach „in meinem Kopf“ als Hintergrundfolie mitlaufen lasse:

  • Was ist das für ein Team, das ich hier vor mir habe?
  • Wo könnten Fragen liegen, die das Team beschäftigen?
  • Wie agieren die Teammitglieder miteinander?
  • Wo – an welcher Stelle des GRPI-Modells – liegen die größten Herausforderungen?

Basierend darauf entwickeln sich dann Hypothesen, die ich durch gezielte Nachfragen teste, um daraus für das Team, aber auch für mich bessere Handlungsoptionen zu generieren.

Explizit meint, dass ich das GRPI-Modell zu Beginn einer Zusammenarbeit als Grundlage für die Analyse des Teams nutze.

Dazu stelle ich – bspw. in einer Teamklausur – das Modell in einem ersten Schritt kurz vor und erläutere den Nutzen und die im Folgenden dargelegten Fragestellungen. Es ist von Vorteil, dass das Modell einfach zu verstehen ist. Und gleichzeitig ist zu betonen, dass es ein Modell ist und entsprechend niemals die komplexe Realität eines Teams vollständig erfassen kann.

An die Vorstellung des Modells anschließend werden die vier Dimensionen des Modells in der Tiefe beleuchtet. Dabei nutze ich die folgenden Fragestellungen.

Goals

Unklare Ziele und ein unklares Verständnis der gemeinsamen Ausrichtung und des Zwecks – den „purpose“ – des Teams führen zu enormer Ineffizienz und bieten ein großes Konfliktpotential.

Entsprechend gilt es, ein gemeinsames Verständnis von Zielen und dem Zweck des Teams zu generieren. Dazu sollte sich jedes Teammitglied zu Beginn allein und dann in Kleingruppen und abschließend des Gesamtteams über die folgenden Fragen verständigen (angelehnt an die Methode 1 – 2 – 4 – all aus den Libertin Structures):

  • Was ist der Zweck unseres Teams? Welchen Zweck wollen wir für wen erreichen?
  • Was genau soll das Ergebnis für die Nutzer_innen sein? Was wird sich für die Nutzer_innen verändert haben, wenn wir unser Ergebnis erreicht haben?
  • Wie messen wir unseren Fortschritt? Welche messbaren oder beobachtbaren Indikatoren legen wir an?
  • Welche Ziele, die wir erreichen wollen, leiten sich aus dem Zweck ab? Wie unterteilen wir die Ziele in Teilziele? Wie und wie oft finden Retrospektiven bezogen auf unsere Ziele und Teilziele statt?
  • Stehen unsere Ziele und die Art, wie wir an den Zielen arbeiten noch im Einklang mit unserem Umfeld? Werden die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Stakeholder erfüllt?
  • Stehen alle im Team hinter unseren Zielen?

Roles

Ein klarer Zweck und daraus abgeleitete Ziele allein reichen noch nicht aus, um wirklich gut zusammen arbeiten zu können.

Wenn die Struktur des Teams sowie die Rollen und Verantwortungsbereiche unter den Teammitgliedern nicht klar sind und außerdem den Kompetenzen der Rolleninhaber_innen entsprechen, ergeben sich Probleme, Konflikte und Schuldzuweisungen.

Insbesondere stelle ich in der Arbeit mit Teams fest, dass Konflikte häufig auf sich überschneidende Verantwortungsbereiche zurückzuführen sind, die zu Machtkämpfen zwischen den Rolleninhaber_innen führen können.

Die Beantwortung der folgenden Fragen kann Klarheit über die Gestaltung funktionaler Rollen und Verantwortungsbereiche im Team bringen:

  • Welche Aufgaben fallen bei uns an, um unsere Ziele zu erreichen? Tragen die Aufgaben dazu bei, unsere Ziele zu erreichen oder beschäftigen wir uns vornehmlich mit uns selbst bzw. den internen Referenzen der Organisation?
  • Wer soll was tun? Wer ist für welche Aufgaben verantwortlich? Wer in unserem Team hat welche Befugnisse?
  • Sind unsere Rollen klar beschrieben und verstehen alle im Team ihre eigenen Rollen und Verantwortungsbereiche? Sind sich alle Teammitglieder über die Rollen und Verantwortungsbereiche der anderen Teammitglieder im Klaren?
  • Sind alle Teammitglieder mit ihren Rollen und Verantwortlichkeiten zufrieden? Passen die Rollen der einzelnen Teammitglieder mit ihren persönlichen Ambitionen (Wollen) und Fähigkeiten (Können) zusammen?

Processes

Unter den Prozessen sind alle formal beschriebenen (Routine-)Vorgänge (Konditionalprogramme) zu verstehen, die dem Team ermöglichen, Entscheidungen zu treffen, Konflikte zu lösen, Informationen auszutauschen etc.

Klar definierte und beschriebene Prozesse ermöglichen eine wirksame Zusammenarbeit bei der Problemlösung sowie eine offene Kommunikation.

Und die meisten Teams sozialer Organisationen, die ich kennenlernen durfte, verfügen nicht über ein klar definiertes Set an Prozessen, um ihre Routinetätigkeiten effizient zu organisieren.

Helfen können die folgenden Fragen:

  • Haben wir klar definierte Regeln und Vorgehensweisen für die Bearbeitung der Wertschöpfung der Norm (Routinen)?
  • Auf welche Weise teilen und speichern wir Informationen (bspw. aus Teamsitzungen)?
  • Wie gehen wir vor, wenn wir in einer Sache nicht einer Meinung sind und keine gemeinsame Basis finden können?
  • Wie bilden wir die „Schnittstelle“ zur Außenwelt? Wie sammeln wir irritationsrelevante Informationen und geben sie weiter? Wie gehen wir mit Einmischungen von außen um?
  • Wie gut sind wir in der Lage, Regeln für nicht standardisierte Themen (Wertschöpfung der Ausnahme) zu finden?

Interpersonal Relations

Teams sind keine Maschinen und lassen sich entsprechend nicht wie Maschinen denken, geschweige denn „steuern“.

Entsprechend gilt es, die Art und Weise, wie die Teammitglieder miteinander und mit der Gemeinschaft umgehen, in den Blick zu nehmen. Sie hat einen großen Einfluss auf den Geist, die Atmosphäre, die Teamkultur, das emotionale Wohlbefinden und die allgemeine Effektivität des Teams.

Hier lohnt wieder der Blick auf die Studie von Google, die dem Thema „Umgang miteinander“ enorme Bedeutung zuweist, wenn es um das Funktionieren von Teams geht:

Wie oben kurz angedeutet hing der Erfolg der Teams und damit die gute Zusammenarbeit nicht an der Zusammensetzung der Teams oder dem Führungsstil der Vorgesetzten und ebensowenig daran, dass ein bestimmter Persönlichkeitstyp in den Teams vorherrschend war („Wir brauchen nur die richtigen Menschen!“). Der Erfolg der Teams hing auch nicht daran, ob diese selbstbestimmt agierend, mit wenigen Hierarchien oder – ganz traditionell – streng „top down“ geführt waren. Relevant für gute Zusammenarbeit im Team war laut der Studie, wie die Teammitglieder miteinander umgingen: In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll, geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit. Klarheit und Struktur war relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit.

Damit rücken hier die folgenden Fragen in den Blick:

  • Wie interagieren die Teammitglieder miteinander?
  • Wie sehr unterstützen sie sich gegenseitig?
  • Gibt es eine solide Grundlage für gegenseitiges Vertrauen? Wie viel Vertrauen besteht zwischen den Teammitgliedern?
  • Wie steht es um die psychologische Sicherheit im Team?
  • Wie respektvoll ist die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern sowie zwischen Teammitgliedern und Führungskraft?
  • Wie ist die allgemeine Atmosphäre innerhalb des Teams?
  • Wie viel zwischenmenschliche Konflikte gibt es und wie wird damit umgegangen?

An dieser Stelle ist es relevant zu betonen, dass sich Probleme und Konflikte zwar in den allermeisten Fällen auf Ebene der Interpersonal Relations zeigen, diese aber fast immer ihren Ursprung in unklaren Strukturen, Prozessen oder dem Zweck des Teams haben.

Entsprechend gilt der Grundsatz:

„change the System – not the people!“

Fazit

Ich hoffe, dass Dir das Modell und die Fragen helfen, Dein Team besser zu verstehen und vielleicht sogar die richtigen Interventionen an der richtigen Stelle vorzunehmen? Eine Rückmeldung zu Deiner Arbeit mit dem Modell würde mich sehr freuen – gerne direkt in den Kommentaren!

Eine Intervention kann sein, Leitlinien für die Teams zu erarbeiten. Dabei kann das GRPI-Modell gut als Gliederung dienen. Mehr zur Erarbeitung von Leitlinien in Teams findest Du hier.

Das GRPI-Modell ist ein – genau – Modell. Es hilft, die komplexe Realität zu vereinfachen und sprachfähig zu werden. Es ist aber nicht die Realität. Es eignet sich aus meiner Sicht sehr gut, ein tieferes Verständnis der Funktionalitäten und der Dysfunktionalität innerhalb von Teams zu bekommen. Aus diesen Entdeckungen lassen sich dann Hypothesen ableiten, die zu Interventionsmöglichkeiten werden können, um den Dysfunktionalitäten zu begegnen.

Aber ich will hier noch einmal betonen, dass wir zwar die Tendenz haben, Probleme auf der gleichen Ebene lösen zu wollen, auf der sie sichtbar werden. Die Quelle der zwischenmenschlichen Konflikte zwischen Teammitgliedern und zwischen Führungskräften und Teammitgliedern liegt aber in den allermeisten Fällen auf einer anderen Ebene, und eben meist auf der G-, R- und/oder P-Ebene.

Entsprechend ist es ratsam, bei der Analyse von Problemen, Konflikten und Dysfunktionalitäten im Team das gesamte GRPI-Modell zu betrachten und nicht nur die Ebene, auf der sich das Problem manifestiert. Und das Problem beginnt sehr, sehr häufig mit unklaren und nicht abgestimmten Zielen, unklaren Prozessen und/oder nicht transparenten Rollen und Verantwortungsbereichen.

Change the system – not the people!


Hast Du das Modell mal auf Dein Team übertragen? Und welche Ergebnisse haben sich gezeigt? Hinterlasse doch einen Kommentar, damit wir alle etwas von Deinen Learnings haben…

Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft, oder: Hört auf, zu suchen (und was stattdessen sinnvoll ist)!

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Was hat der Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft mit dem Klimawandel gemeinsam?

Aus meiner Sicht mindestens zwei Dinge:

Zum einen ist beides alles andere als ein neues Problem! Wir wissen spätestens seit dem Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972 (50jähriges Jubiläum – herzlichen Glückwunsch), dass und auch was da auf uns zukommt (die Erwähnung des Sommers 2022 spare ich mir mal). Und genauso wissen wir seit Jahren, was in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft auf uns zukommt: Der demographische Wandel ist nicht neu. So liegt die Geburtenrate seit den 1970er Jahren unter der Sterberate. Was das bedeutet sehen wir heute in fast allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit. Ich selbst habe bereits 2017 einen Beitrag zum Thema hier verfasst (den ich heute so nicht mehr verfassen würde). Deutlich fundierter ist aber bspw. diese Promotion von Dr. Anja Warning, die sich bereits im Jahr 2012 mit dem „Fachkräftemangel und Fachkräfteengpässe in Deutschland: Befunde, Ursachen und Handlungsbedarf“ auseinandergesetzt hat.

Zum anderen haben wir nichts, zumindest nichts Wesentliches dagegen getan – nichts gegen die Klimakatastrophe und nichts gegen den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft. Bei beidem hätte es Lösungen gegeben. Der Umstieg auf erneuerbare Energien hätte nicht seit gestern (hat er?), sondern spätestens seit den 80er Jahren Priorität haben müssen. Genauso hätte es seit den 80er Jahren Bemühungen geben müssen, unser Sozialsystem und damit die sozialen Organisationen (und alles was damit zusammenhängt) umzugestalten. Haben wir nicht gemacht, beides. Und der Versuch, jetzt, hoppladihopp, etwas gegen den Klimawandel zu tun, ist zum Scheitern verurteilt.

Genauso ist der Versuch, den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft mal eben so zu beseitigen und neue Fachkräfte für die Soziale Arbeit zu bekommen, zum Scheitern verurteilt.

Nur ein Beispiel: Da nehmen Komplexträger mit mehreren Tausend Beschäftigten viel Geld in die Hand, um ausländische Fachkräfte zu gewinnen (eine mögliche Strategie). Konkret fliegen mehrere Mitarbeiter:innen in der Welt herum, um als Ergebnis 3 (in Worten: drei) neue Fachkräfte aus irgendeinem afrikanischen Land zu uns zu holen. Das Ganze macht aus Schauseitenperspektive Sinn („Schaut mal, wir tun was! „). Aus Effizenzgesichtspunkten ist es:

Quatsch!

Worauf ich hinaus will? Ganz einfach:

Wir sollten aufhören, so zu tun, als könnten wir den Klimawandel „abwenden“ genauso wie wir aufhören sollten, viel Hoffnung (und Ressourcen) in Gewinnung neuer Fachkräfte zu investieren.

Nein, damit will ich nicht sagen, dass es – mit Blick auf das Klima – keinen Sinn macht, politische Entscheidungen für die Zukunft (der Menschheit, nicht der Welt) zu treffen, Kartoffeln regional einzukaufen und weniger Auto zu fahren. Im Gegenteil: Ich sehe keine wirklich großen, politischen Initiativen geschweige denn Entscheidungen, die wirklich langfristig etwas an der Klimasituation verändern würden. Diese wären dringend notwendig.

Genauso wenig will ich sagen, dass – mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft – jetzt alle Stellenausschreibungen beendet werden und soziale Organisationen nicht mehr an ihrer Arbeitgebermarke arbeiten sollten oder wir uns nicht mehr weiter um eine Steigerung des gesellschaftlichen Ansehens (und damit der Bezahlung) der Gesundheits- und Sozialberufe bemühen müssen.

Aber kurz- und mittelfristig: No Chance!

Da sind einfach keine Fachkräfte mehr. Unterstrichen wird dieser „Eindruck“ bspw. auch durch die aktuelle Studie von Hickmann und Koneberg (2022) „Die Berufe mit den aktuell größten Fachkräftelücken“:

Das Bild zeigt die aktuelle Situation. Mit ein wenig „Blick nach vorne“ wird die Situation nicht besser, wie bspw. diese Studie hier darlegt, die bis zum Jahr 2026 die Fachkräftesituation in den Blick nimmt – und zwar für die Sozialen Berufe sehr sicher. Hier mal die Top-5 der Top-30 Engpassberufe bis 2026 basierend auf der verlinkten Studie:

Wir sollten endlich damit aufhören, darüber zu lamentieren, dass es keine Fachkräfte gibt. Absurd wird das Lamentieren übrigens dann, wenn – Stichwort quiet quitting – darüber gejammert wird, dass die neue Generation nicht mehr 100% unter den aktuellen Bedingungen arbeiten will – also 120 %.

Ja, ist doch logisch…

Und auch wenn es etwas pessimistisch klingt sollten wir uns darüber freuen, dass der Sommer 2022 der kälteste Sommer mit Blick aus der Zukunft war. Und genauso sollten wir uns darüber freuen, dass die Fachkräftesituation aktuell so gut ist, wie nie mehr in den nächsten Jahren.

(Wenn wir uns schon gerade freuen, ein weiterer lustiger Aspekt: Die Bundesregierung verspricht – neben der Absurdität des Rechts auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder im Jahr 2026 – in ihrer „5-Punkte-Strategie“ zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung weiter auszubauen! Kein Witz…).

Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft: Neu denken (und machen)

Die (kleine) Freude sollten wir zum Anlass nehmen, anstatt permanent am Status Quo zu hängen, damit zu beginnen, Alternativen zu dem zu entwickeln, wie wir aktuell Soziale Arbeit und Soziale Organisationen denken und strukturieren, um bestmögliche Soziale Arbeit leiten zu können.

Das klingt einfacher, als es im komplexen Alltag und unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen ist, keine Frage.

Aber es ist notwendig.

Für mich ergeben sich sehr konkrete Ansatzpunkte bezogen auf den Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft, die aus organisationaler Perspektive für eine Soziale Arbeit der Zukunft und damit für eine #NewSocialWork angegangen werden können. Diese Punkte habe ich in den folgenden 8 Thesen zusammengeführt:

These 1: Qualität vor Quantität stellen!

Auf den ersten Blick klingt es hart:

Wir werden zukünftig nicht mehr alle Angebote und Dienstleistungen aufrecht erhalten können, wenn wir dazu nicht mehr eine ausreichende Anzahl an Mitarbeiter:innen haben. Wir werden Angebote einstellen müssen. Das wird auch dazu führen, dass Mitarbeiter:innen das, was sie bislang getan haben, nicht mehr tun können. Und es wird auch dazu führen, dass Nutzer:innen bislang vorgehaltene Angebote nicht mehr wahrnehmen können. Es gilt, Abschied zu nehmen.

Auf den zweiten Blick aber ist Loslassen hilfreich:

So ist es normal, dass Angebote, Produkte und Dienstleistungen – genauso wie Organisationen – einem Lebenszyklus unterliegen. Bedarfe von Nutzer:innen verändern sich und damit verändert sich auch die Frage des Überlebens von Angeboten. Faxgerätehersteller ebenso wie Hersteller von Filmen für die analoge Fotografie wissen das. Und ja, es gibt immer noch einige Firmen, Schulen und Verwaltungen, die gerne analoge Fotos per Fax verschicken würden – geht aber eben nicht mehr.

Entsprechend gilt es, das Angebotsportfolio Sozialer Arbeit kritisch in den Blick zu nehmen und genau abzuwägen, ob die Leistungen in der bereitgestellten Art und Weise weiterhin angeboten werden müssen.

Haben nicht manche Projekte und Angebote die Reifephase überschritten und werden als tote Pferde weiter geritten?

Das Abwägen, ob Angebote sinnvoll sind oder nicht, kann und darf in sozialen Organisationen aber nicht allein an monetären Kennzahlen festgemacht werden. Soziale Organisationen sind – sofern sie ihren Auftrag ernst nehmen – mehr als Unternehmen, die ausschließlich auf Profit ausgerichtet sind.

Aus meiner Perspektive kommt hier die Frage der Wirkungsorientierung in den Fokus. Dazu schreibt Sebastian Ottmann sehr passend:

„In Zeiten von knappen Haushaltsmitteln und eventuell drohenden Kürzungen von Zuschüssen und Finanzierungen von Angeboten der Sozialen Arbeit wird es immer wichtiger, die Wirkung und Relevanz der Angebote und Leistungen der Sozialen Arbeit darzustellen.“

https://blog.soziale-wirkung.de/2022/07/13/relevanz-und-wirkung-angeboten-sozialen-arbeit-darstellen-sechs-tipps/

Wie gesagt: Nicht nur drohende Kürzungen der Mittel, sondern auch Mangel an Fachkräften erzwingen diesen Blick.

Kurz:

  • Welche Wirkung entfalten Ihre Angebote?
  • Und woran halten Sie trotzdem fest?

Ich kann hier nicht in aller Breite auf das Thema Wirkungsorientierung eingehen. Dazu ist meine dringende Empfehlung, den Blog von Sebastian in den Blick zu nehmen.

Und – im Vorgriff auf die nächste These – gilt es, „Exnovationskompetenz“ zu entwickeln. Exnovation, das Wort gibt es wirklich und es lohnt sich, sich einmal damit zu befassen (zum Beispiel über diesen Beitrag zum Thema Exnovation):

Was kann weg?

These 2: Innovationskompetenz entwickeln!

Das Abschmelzen des Angebotsportfolios, die Exnovation, allein kann aber nicht die Lösung sein.

Zwar ist weniger manchmal mehr, aber es gilt parallel, innerhalb (und vielleicht auch außerhalb) der (noch) herrschenden gesetzlichen Rahmenbedingungen neue, wirksame Ideen zum Leben zu erwecken und damit Innovationen zu ermöglichen.

Hierzu ein Blick in die Ergebnisse meiner im Jahr 2016 verfassten Master-Thesis, in der ich die Steigerung der Innovationskompetenz sozialer Organisationen explizit in den Blick genommen habe.

Darin definiere ich Innovation wie folgt:

„Unter einer Innovation wird die zielgerichtete Durchsetzung von neuen sozialen Dienstleistungen, wirtschaftlichen, organisationsstrukturellen und -prozessualen sowie sozialen Problemlösungen verstanden, die darauf ausgerichtet sind, die Unternehmensziele auf eine neuartige Weise zu erreichen.“

Deutlich wird, dass sich Innovation und damit die Steigerung der Innovationskompetenz nicht ausschließlich auf die Neuentwicklung von Angeboten bezieht, sondern explizit auch auf den Blick in die Organisation, auf Strukturen, Strategien, Prozesse und Fragen der Neuorganisation von Führung und Zusammenarbeit innerhalb der Organisationen. Innovation ist damit ganzheitlich zu betrachten.

Innovation ist aber nicht immer das Große, Bahnbrechende, Krasse und „Disruptive“. Innovation kann auch das kleine Neue sein, das, was Sie vielleicht als „normal“ erachten.

Hier gilt es, hinzuschauen, wahrzunehmen und neue Möglichkeiten für wirksame Angebote ebenso wie für die Neugestaltung von funktionalen Strukturen und Prozessen zu testen – „in der Hoffnung, dass es besser wird“ (Wolf Lotter).

  • Was haben Sie in den letzten Jahren neu gestaltet?
  • Warum ist das gelungen?
  • Und wie können welche Innovationen dazu führen, wirkungsvoller zu arbeiten?

Mir fällt in vielen Organisationen auf, dass diese zwar von Innovation sprechen und auch willig sind, neue Wege zu gehen. Einen Prozess jedoch, wie aus einer Idee eine Innovation werden kann, haben wenige Organisationen. Hier habe ich beschrieben, wie die 4 Schritte zu einem lebendigen Innovationsmanagement aussehen können.

These 3: Organisationen an ihrem Zweck orientieren!

Die Kernfrage in der Arbeit mit sozialen Organisationen ist für mich:

„Passen die Strukturen der Organisation zum Zweck, den die Organisation verfolgt?“

Damit stehen zwei Dinge im Fokus meiner Beratungstätigkeit:

  • Welchen Zweck verfolgt die Organisation?

Und

  • Welche Strukturen weist die Organisation auf?

Hinter den Fragen stehen dann verschiedene komplexe Zusammenhänge: Bezogen auf die Strukturen zeigt allein die Unterscheidung von formalen und informellen Strukturen die sich eröffnende Komplexität. Und die Frage nach dem Zweck ist in sich hochgradig ausdifferenzierenden pluralistischen Organisationen, die unterschiedliche Arbeitsfelder bedienen (Komplexträger), nicht einfach und für alle Bereiche der Organisationen gleich zu beantworten.

Entsprechend gilt es, den Zweck nicht nur auf Ebene der Gesamtorganisation (bspw. im Leitbild), sondern auch innerhalb verschiedener Organisationsbereiche, Abteilungen, Arbeitsfeldern und auch Teams zu definieren:

  • Wozu sind wir (als Organisation, als Abteilung, als Bereich, als Team) da?

Aus der Beantwortung ergibt sich die Suche nach den für die jeweilige Einheit bestmöglich passenden – funktionalen – formalen Strukturen.

Dabei kann es – als ein Beispiel – für die Organisation funktional sein, selbstbestimmt agierende Teamstrukturen einzuführen (die nicht weniger Strukturen aufweisen, aber andere!).

Es kann – bei entsprechendem Zweck – genauso funktional sein, zunächst die Prozesse der jeweiligen Einheit zu analysieren, zu straffen und hinsichtlich komplexer und komplizierter Prozesse zu unterscheiden. Darüber lassen sich dann u.a. Digitalisierungsoptionen finden, die – wenn gut gemacht – Ressourceneinsparungen und Arbeitserleichterungen ermöglichen.

Noch einmal: Die Strukturen sollten funktional sein!

Für soziale Organisationen gilt übergreifend:

  • Wo, an welcher Stelle, in welchem Bereich, in welcher Abteilung und in welchem Team arbeiten wir funktional im Sinne des Zwecks der Organisation?
  • Wo zeigt sich „Verschwendung“ im Sinne von dysfunktionalen Strukturen, Arbeitsschritten und Prozessen?
  • Wo existieren nicht funktionale Fettpolster (Slack), die an anderer Stelle dringend benötigt und wirkungsvoller eingesetzt werden können?

These 4: Qualität und Kultur durch Strukturen gestalten!

Mit Blick auf den Fachkräftemangel steht im Raum, dass eine Aufweichung der Zugangshürden in soziale Berufe (bspw. durch die Einstellung von fachfremd ausgebildeten Menschen, durch die Abschaffung der Notwendigkeit, die staatliche Anerkennung vorzuweisen) zu einer abnehmenden Qualität Sozialer Arbeit führt.

Bevor ich meinen Gedanken ausführe: Auch aus meiner Sicht ist es erstrebenswert, wenn in Sozialen Berufen ausschließlich Menschen mit der bestmöglichen Qualifikation arbeiten würden. Dies sehe ich als unbedingt empfehlenswert an, da es in vielen Bereichen (bspw. Kita) um unser wertvollstes Gut – um unsere Kinder – und ingesamt ganz einfach um Menschen geht.

Aber so bitter es ist: Die Fachkräfte fehlen. Oft wird inzwischen nicht mehr von Fachkräfte-, sondern von Arbeitskräftemangel gesprochen. Die Einstellung von fachfremden oder weniger gut ausgebildeten Fachkräften als Arbeitskräfte ist die notwendige Konsequenz, um Angebote aufrecht zu erhalten (sofern sinnvoll, siehe oben).

Es bleibt keine andere Wahl, als Mitarbeiter:innen einzustellen, die wir uns hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenzen nicht „gewünscht“ haben. Hinzu kommt, dass Sie Menschen – selbst wenn sie die fachlichen Qualifikation erfüllen würden – hinsichtlich ihrer „Haltung“ oder ihrem „Mindset“ niemals einstellen würden, wenn Sie die Wahl hätten.

Die Wahl haben Sie aber oft nicht (mehr).

Theoretisch ausgedrückt verlieren damit Personalentscheidungen, die neben den Konditional- und Zweckprogrammen sowie den Kommunikations- und Entscheidungswegen als Strukturtypus von Organisationen (vgl. bspw. Kühl, 2016) fungieren, ihre Wirkkraft.

Entsprechend ist es notwendig, explizit auf die Gestaltung funktionaler formaler Strukturen in Ihren Teams und Organisationen zu achten:

Wenn Sie die Qualität Ihrer Angebote mit den vorhandenen Mitarbeiter:innen (Fach- wie Arbeitskräften) aufrecht erhalten wollen, müssen Sie die formalen Strukturen sehr klar gestalten:

  • Wer ist für was zuständig?
  • Welche Schritte sind – bspw. bei einer Eingewöhnung in der Kita – unbedingt einzuhalten?
  • Wie sind die Arbeitszeiten ausgestaltet?
  • Wie sind Vertretungsregelungen?
  • Wie verlaufen die formalen Kommunikationswege?
  • Und so weiter…

Die festgelegten formalen Strukturen, Prozesse und Abläufe (Konditionalprogramme) müssen übrigens nicht in Stein gemeißelt werden. Vielmehr sollten die Vorgaben in regelmäßigen Zeitabständen (Iterationen) in den Blick genommen und verbessert werden:

  • Wo hakt es?
  • Was passt – was nicht?
  • Wo ergeben sich Schwierigkeiten?
  • Welche sinnvollen Änderungen können wir vornehmen?

Denn es geht nicht darum, möglichst viele formale Vorgaben zu machen.

Es geht darum, funktionale formale Vorgaben zu machen, die Orientierung für Mitarbeiter:innen – unabhängig von ihren fachlichen Kompetenzen – ebenso wie Sicherheit für die Nutzer*innen bzgl. der zu erwartenden Leistung im komplexen Alltag bieten.

Kleine Anekdote: Ich hatte vor Kurzem ein Gespräch, indem mein Gesprächspartner mit Blick auf den Fachkräftemangel von der „notwendigen „McDonaldisierung“ Sozialer Arbeit sprach. Auch wenn das Bild bei vielen sicher auf Skepsis stößt und der Vergleich an vielen Stellen hinkt:

McDonalds hat es geschafft, durch klare Prozesse und Strukturen, durch eindeutige Konditional- bzw. „Wenn – dann“ -Programme, eine verblüffend gleiche Qualität (ohne Wertung 😉 an egal welchem Standort anzubieten. Die Pommes schmecken überall gleich! Das gelingt nicht durch eine umfassende Ausbildung aller Mitarbeiter:innen, in der diese „auf die Spur gebracht werden“ oder durch die Vermittlung des „purpose“ von McDonalds. Das gelingt auch nicht durch Mitarbeiterbespaßungsprogramme und gratis Obst. Das gelingt durch die klare Vorgabe von Arbeitsschritten, durch eindeutige Konditionalprogramme bezogen auf das, was zu tun ist.

Aber – dazu später mehr – diese Konditionalprogramme („wenn – dann“) sind in Arbeitsfeldern Sozialen Arbeit aufgrund der immer individuellen Interaktionen nicht mal eben so zu gestalten.

These 5: Studium ebenso wie interne Aus- und Weiterbildung entwickeln

Angesichts der Schilderungen der anzunehmenden Entwicklungen der Personalsituation ist es notwendig, Studium, Aus- und Weiterbildung zu überdenken.

Ich bin großer Fan der generalistischen Ausbildung Sozialer Arbeit auf Bachelor-Ebene. Menschen in Sozialen Berufen brauchen den breiten Blick, das Systemdenken, die Vernetzungen… um das ganze Bild des Menschen und der Systeme, in denen Menschen leben, und nicht nur einen Teilbereich (Körper, Psyche…) oder ein einzelnes Funktionssystem (Recht, Politik, Wirtschaft, Medizin…) berücksichtigen zu können.

Sozialarbeiter:innen (ebenso wie Erzieher:innen) sind Spezialist:innen für das Generelle.

Das wird bspw. deutlich, wenn man die „Internationale Definition Sozialer Arbeit“ in den Blick nimmt, die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession definiert, die gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen fördert (bzw. fördern will).

Dahinter steht ein Menschenbild, eine professionelle „Haltung“:

Wir sind nicht die Expert:innen für die Lösung der Probleme der Menschen. Wir stärken die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen und befähigen sie darin, „es selbst zu tun“.

Wenn jetzt aber zunehmend Menschen als Arbeitskräfte ohne die notwendigen Fachkompetenzen und ggf. auch ohne bzw. mit einer anderen professionellen Haltung als Mitarbeiter:innen in die Organisationen kommen, sind die Professionellen gefragt, neben den fachlichen Fragen dieses sozialarbeiterische Menschenbild, diese professionelle Haltung Sozialer Arbeit in der Organisation mit Blick auf die Nutzer:innen aufrechtzuerhalten.

Die Fachkräfte sind aber darüber hinaus gefragt, nicht nur die Nutzer:innen sozialer Dienstleistungen, sondern auch die neuen Mitarbeiter:innen darin zu befähigen, „es selbst zu tun“.

Diese Haltung zur Befähigung zu mehr Selbstbestimmung und Autonomie, die im Studium bezogen auf die Nutzer:innen bereits Standard ist (oder zumindest sein sollte), ist damit zum einen bereits im Studium auszuweiten auf die Haltung und auch auf Methoden und Kompetenzen zur Befähigung der neuen Mitarbeiter:innen in den Organisationen zu mehr Selbstbestimmung und Autonomie.

Damit werden alle Fachkräfte zugleich auch Führungskräfte, was im Studium deutlicher als bislang zu betonen ist. Es gilt, im Studium neben dem Fokus auf die Nutzer:innen sowie deren Lebenswelten einen Fokus auf Organisation, Leitung und Führung ebenso wie auf Organisations- und Personalentwicklung zu legen. Kurz:

Das Organisationsbewusstsein der Fachkräfte Sozialer Arbeit ist zu stärken.

Denn: Fachkräfte Sozialer Arbeit müssen zukünftig verstärkt aktiv „als Führungskräfte“ in die Personalentwicklung der Mitarbeiter:innen, die nicht Fachkräfte sind, in den organisationalen Alltag eingebunden werden.

Daraus folgt neben der Weiterentwicklung von Studium und Ausbildung (was ziemlich lange dauern kann) auch die Notwendigkeit der Entwicklung der Personalarbeit innerhalb der Organisationen Sozialer Arbeit:

Es gilt, auch innerhalb der Organisationen und mit Blick auf das vorhandene Personal deutlich stärker zu analysieren und zu gestalten, wie die Fachkräfte in die Entwicklung der neuen Mitarbeiter:innen eingebunden werden können. Damit, um dies noch einmal zu wiederholen, werden alle Fachkräfte Sozialer Arbeit zu Führungskräften.

Wenn diese Entwicklung aktiv von den Organisationen – bspw. über entsprechend gestaltete Führungskräfteentwicklungsprogramme – angegangen wird, kann daraus ein Potential zur Mitarbeiterbindung erwachsen:

Es ergeben sich neue Aufgaben für die Fachkräfte in der Entwicklung der Mitarbeiter:innen. In der Fachsprache geht es um „job enrichment“ und damit um die qualitative Erweiterung des Aufgabenspektrums der Fachkräfte.

These 6: Führung leben!

A propos Führung:

Das mit den Strukturen ist ja nett, oder? Und wahrscheinlich haben Sie als Führungskraft an der ein oder anderen Stelle klare Vorgaben, Regeln und Prozesse und damit formale Strukturen und Konditionalprogramme eingeführt, um die Rahmenbedingungen und Arbeitsabläufe transparent zu gestalten?

Diese Gestaltung der Rahmenbedingungen – die Arbeit an statt in der Organisation – ist – so meine Auffassung – bereits ein Kern von Führung:

  • „Welche Strukturen und Rahmenbedingungen braucht es, damit unsere Organisation, mein Team etc. bestmöglich arbeiten kann?“

Führung dient dazu, formal bindende, manchmal auch unpopuläre Entscheidungen über die Rahmenbedingungen der Arbeit zu treffen, von denen andere tangiert werden.

Sonst bräuchte es keine Führung.

Die erste Frage bezogen auf Führung lautet damit:

  • Trauen Sie und Ihre Führungskräfte sich, Entscheidungen zu treffen, von denen andere betroffen sind?

Selbstverständlich können (und sollten an vielen Stellen) diese Entscheidungen gemeinsam, partizipativ im Team und nicht nur im stillen Kämmerlein vorbereitet werden.

Das Treffen der Entscheidungen kann dann entweder über Sie als Führungskraft direkt – top down – erfolgen oder aber – sofern funktional für den Zweck – gemeinsam im Team.

Dazu bedarf es dann aber ein Wissen über kollektive Entscheidungsmethoden, damit kollektive Entscheidungen nicht in bekannten, für alle frustrierende Minimalkonsense (Plural von Konsens ist Konsense, hab ich extra nachgeschaut…) enden.

Aber noch einmal: Sie als Führungskraft tragen die Verantwortung.

Offen bleibt damit jedoch, ob die durch Sie oder im Team vereinbarten formalen Regeln verbindlich eingehalten werden.

In vielen Gesprächen mit Mitarbeiter:innen und Führungskräften erlebe ich diesbezüglich ein „Verbindlichkeitsproblem“ in sozialen Organisationen:

Zwar sind (kollektiv oder klassisch) Vorgaben und Strukturen definiert und entschieden worden. Diese Entscheidungen werden jedoch – aus unterschiedlichsten Gründen – von den Mitarbeiter:innen nicht eingehalten.

Hier ist wiederum Führung gefragt:

  • Ist Führung in der Lage, die auf den ersten Blick unangenehmen Gespräche im Team zu führen und anzusprechen, dass Vereinbarungen nicht eingehalten wurden?
  • Gelingt es, die notwendige psychologische Sicherheit im Team herzustellen, um thematisieren zu können, warum wer (in welcher Rolle) was nicht zur Zufriedenheit erledigt hat?

Dabei ist relevant, zwischen Menschen und den Rollen der Menschen in der Organisation zu unterscheiden:

Nicht „der Klaus als Mensch“ ist doof, weil er seine Aufgaben nicht einhält. Aber Klaus erfüllt die an ihn gestellten Anforderungen in seiner Rolle (als Mitarbeiter, Führungskraft, QMB…) nicht.

Entsprechend gilt es hier, wieder auf die formalen Strukturen zu schauen:

  • Warum ist aus Sicht der Rolle (von Klaus) sinnvoll, dass bestimmte Strukturen, Regeln und Vorgaben nicht eingehalten werden? Sind diese vielleicht nicht funktional?
  • Was braucht es von der und für die Rolle, damit die funktionalen Vorgaben eingehalten werden können?

Und in allerletzter Konsequenz braucht es auch Wege, die Nichteinhaltung von funktionalen Vorgaben zu sanktionieren. Denn Organisationen sind nicht dazu da, dass sich die Mitarbeiter:innen in ihnen wohlfühlen und „machen können, was sie wollen“.

Organisationen sind dazu da, einen bestimmten Zweck bestmöglich zu erfüllen. Wenn die dazu notwendigen Bedingungen nicht erfüllt werden, kann die Mitgliedschaft in der Organisation – wie gesagt: in letzter Konsequenz – auch beendet werden.

These 7: Im und am Maschinenraum arbeiten!

Thomas Michl schreibt in einem „Gedankenblitz“ über die Notwendigkeit der Brücke, den Maschinenraum der eigenen Organisation zu verstehen:

„In der Organisation ist der Maschinenraum der Ort, an dem die Wertschöpfung geschieht und die Arbeit getan wird, die die Organisation legitimiert. Die Brücke der Organisation tut gut daran, dies sich immer vor Augen zuhalten und wertzuschätzen, indem sie den Maschinenraum mit größtem Respekt und seine Bedürfnisse ernst nimmt behandelt.“

Für soziale Organisationen gilt dies in besonderem Maße, da im Maschinenraum keine Maschinen, sondern Menschen (in ihren jeweiligen Rollen) arbeiten. Anders ausgedrückt:

Im Zentrum sozialer Dienstleistungen stehen individuelle und damit kaum standardisierbare, in der Regel immaterielle Interaktionen, deren Produktion und Konsumtion meist standortgebunden zusammenfallen (vgl. Gesmann, Merchel: 2019, 69).

Daraus folgt, dass Standard- bzw. Konditionalprogramme („wenn – dann“) bezogen auf den Zweck, das „Wozu“ oder den Inhalt der Arbeit nur an wenigen Stellen funktional sind.

Das scheint sich auf den ersten Blick widersprüchlich zu den Ausführungen oben. Dort habe ich doch geschrieben, dass – aus unterschiedlichen Gründen – Konditionalprogramme hilfreich sein können? Und ja, sind sie auch:

Die Vorgabe von Konditionalprogrammen, von klaren Regeln und einzuhaltenden Standards ist wichtig, um das „Wie“ der Zusammenarbeit zu regeln.

Bezogen auf das „Wozu“ und das „Was“ und damit den Inhalt Sozialer Arbeit sind Konditionalprogramme (vorgegebene Prozesse) hingegen wenig zielführend.

Vielmehr kommt es darauf an, dass die Menschen den Zweck ihrer Arbeit kennen, möglichst gut zusammenarbeiten, die Herausforderungen sozialer Arbeit anerkennen und mit den Möglichkeiten der Gestaltung guter Zusammenarbeit von Menschen (in Teams oder Gruppen) vertraut sind.

Dies wird jedoch in unserer Branche oftmals einfach vorausgesetzt:

Wir gehen davon aus, dass Sozialarbeiter:innen schon irgendwie und irgendwoher wissen, wie gute Zusammenarbeit gelingt.

Und wir gehen davon aus, dass Leitungskräfte darin geschult wären, Teams in ihrer Zusammenarbeit zu (beg-)leiten. Wer Sozialarbeiter:in oder Erzieher:in ist, weiß dass doch, oder?

In meiner Arbeit mit Teams und Organisationen zeigt sich jedoch häufig, dass dies nicht immer der Fall ist.

Basics der Funktionsweisen sozialer Systeme, Basics in der Gestaltung von Teamarchitekturen, Basics in Führung und Leitung von Teams in den komplexen und herausfordernden Alltagssituationen sind nicht oder kaum vorhanden – was (siehe oben) auch nicht verwunderlich ist, da dies nur in geringem Umfang Teil der Ausbildung ist.

Aus diesem „Nichtwissen“ wiederum folgen Entscheidungen der Leitungskräfte, die – mit externem Blick mehr als nachvollziehbar – wunderbar dazu geeignet sind, jegliche Motivation der Teammitglieder zu zerstören.

Entsprechend gilt es, den Ort der sozialen Wertschöpfung, den Maschinenraum und damit die Arbeit in den Teams an der Basis viel genauer in den Blick zu nehmen:

  • Was ist Zweck der Arbeit?
  • Was passiert „an der Basis“?
  • Was brauchen die Mitarbeiter:innen an der Basis, um ihren Job möglichst gut erledigen zu können?
  • Wie gelingt es, den Zweck bestmöglich zu erfüllen?

Es gilt darüber hinaus, Führungskräfte in ihrer Arbeit zu begleiten und zu entwickeln.

  • Wie werden Ihre Führungskräfte in ihrer Arbeit begleitet?
  • Haben Sie Zeiten und Räume, in denen sich Führungskräfte über ihre Arbeit austauschen können?
  • Haben Sie funktionale Führungskräfteentwicklungsprogramme?

Es gilt außerdem, Teamentwicklungen zu begleiten, Architekturen und Strukturen für gute Zusammenarbeit zu entwickeln und alles daran zu setzen, dass die Motivation der Mitarbeiter:innen (und damit auch die Motivation der Führungskräfte) nicht zerstört wird.

Oder in den Worten von Thomas:

„Daher gilt: Ab in den Maschinenraum. Hingehen, Beobachten, aufmerksam Zuhören, Verstehen und Wertschätzen.“

Denn die Konsequenz bei Nichtbeachtung ist klar:

Die wenigen noch vorhandenen Mitarbeiter:innen suchen das Weite.

These 8: Banden bilden!

Abschließend noch ein über die eigene Organisation hinausgehender Blick:

Kooperation wird zwischen sozialen Organisationen recht groß geschrieben.

So sind viele Organisationen und Einrichtungen in Wohlfahrtsverbänden zusammengeschlossen. Kooperation und gegenseitige Zusammenarbeit fällt entsprechend leicht.

Hinzu kommt, dass soziale Probleme in den meisten Fällen nicht monokausal zu lösen, sondern komplex und damit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und anzugehen sind. Soziale Organisationen arbeiten – genau – mit Menschen und die Kooperation auf inhaltlicher Ebene ist notwendig, um den Menschen wirklich zu helfen.

Kooperation endet jedoch häufig da, wo die inhaltliche Ebene verlassen wird und es entweder um Geld („Welcher Verband bekommt den Zuschlag für welche Leistung?“) oder um Fachkräfte geht.

Dass Mitarbeiter*innen von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln, wird nicht gerne gesehen. Teilweise gibt es bereits explizit ausgeschriebene Stellen, die bspw. Pflegekräfte von anderen Unternehmen abwerben sollen.

Anstatt jedoch gegeneinander zu arbeiten und sich die Fachkräfte streitig zu machen, macht es vielmehr Sinn, miteinander auch auf Ebene der Arbeits- und Fachkräftegewinnung und -bindung zu arbeiten.

Damit meine ich, dass Soziale Organisationen aus ihrem eigenen Denkraum heraus- und über den Tellerrand blicken und sich mit anderen – entweder fachlich ähnlichen oder regional an einem Ort befindlichen – Organisationen zu „Fachkräftenetzwerken“ zusammenschließen.

Dahinter steht die Überlegung, dass Fachkräfte aus unterschiedlichsten (persönlichen und anderen) Gründen die Organisation verlassen. Wenn es aber gelingt, einen Wechsel in eine andere Organisation (sofern Wechsel gewünscht ist) innerhalb des Netzwerks zu ermöglichen, ist die Person nicht ganz raus, sondern verbleibt zumindest innerhalb des Netzwerks.

Die Möglichkeit, innerhalb eines Netzwerks zu wechseln, setzt jedoch voraus, dass eine Kultur innerhalb der eigenen Organisation herrscht, in der ein Wechsel des Arbeitsplatzes bzw. der Organisation nicht abgestraft wird, sondern als Chance zu Entwicklung (der Menschen und der Organisation) erlebt wird.

Anstatt also den:die wechselnden Mitarbeiter:in für den Wunsch zum Wechsel zu kritisieren und ihm:ihr Steine in den Weg zu legen, sollten Möglichkeiten geschaffen werden, auch den Gang aus der Organisation (und idealerweise in eine Organisation im Fachkräftenwetzwerk) positiv zu begleiten. Daraus folgt, dass Mitarbeiter:innen ja auch wieder zurückkommen können.

Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft – Fazit

Die in diesem viel zu langen Beitrag (Danke für Deine Zeit an dieser Stelle) angesprochenen Thesen – bezogen auf die Möglichkeit, dem Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft zu begegnen – sind sicherlich nicht vollständig. So bin ich bspw. nicht auf die Möglichkeit der „Ausweitung der Arbeitsmarktpartizipation“ durch Weiterbeschäftigung von älteren Mitarbeiter:innen eingegangen, was aber viele Organisationen bereits sehr erfolgreich umsetzen („Senior Experts“).

Auch bin ich nicht auf die Notwendigkeit eingegangen, über Lobbyarbeit das Image Sozialer Arbeit weiter zu verbessern – auch wenn ich davon überzeugt bin, dass es eines anderen Ansehens Sozialer Berufe in der Gesellschaft und damit perspektivisch eine bessere Bezahlung braucht.

Ich bin auch nicht darauf eingegangen, dass es – davon bin ich zunehmend überzeugt – ein Aufbrechen der Versäulung in den Sozialgesetzbüchern braucht, um zu einer generalistischen und damit zurück zu einer wirksamen Sozialen Arbeit zu gelangen (vgl. dazu den Podcast mit Patrick Ehmann zur Integrierten Sozialberatung).

Aber die Veränderung des Images und das Aufbrechen der Versäulung in den Sozialgesetzbüchern sind nicht unmittelbar durch die Organisationen selbst beeinflussbar.

Mir geht es in dem Beitrag jedoch um einen anderen Blick auf die Herausforderungen des Fachkräftemangels und auf die in sozialen Organisationen vorhandenen Möglichkeiten zur Begegnung des Fachkräftemangels und der „Mitarbeiterbindung“ (ich mag das Wort nicht, da ich zumindest als Mitarbeiter nicht ge-, sondern eher verbunden sein will).

Daran zu glauben, dass sich kurzfristig etwas an der Quantität der gut ausgebildeten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt ändert, ist so aussichtsreich, wie daran zu glauben, dass wir den Welthunger mit fünf Broten und zwei Fischen beenden. Die wundersame Fachkräftevermehrung wird kurz- und mittelfristig nicht stattfinden.

Die Suche nach neuen Fachkräften, die im gleichen System die gleiche Arbeit machen, ist entsprechend hoffnungslos.

Vielmehr gilt es, die Gestaltungsmöglichkeiten, die Organisationen haben, zu nutzen. Und die Gestaltungsmöglichkeiten liegen vornehmlich in der Gestaltung ihrer Strukturen und Rahmenbedingungen, unter denen Soziale Arbeit innerhalb der je spezifischen Organisation geleistet wird. Es gilt, sinnvolle Organisationsentwicklung zu betreiben.


Puh, ganz schön lang geworden. Aber was sind Deine Gedanken zum Thema? Hinterlasse doch hier gerne einen Kommentar! Würde mich sehr freuen…

Und falls Du Lust hast, für Deine Organisation zu schauen, ob bspw. die Strukturen funktional, können wir gerne dazu sprechen. Hier kannst Du direkt einen – natürlich völlig unverbindlichen – Termin mit mir ausmachen.

Und hier kannst Du den Beitrag auch als PDF herunterladen.

Wie gelingt gute Zusammenarbeit im Team?

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In (nicht nur) sozialen Organisationen arbeiten wir meistens als Teams zusammen. Das wird meist unhinterfragt vorausgesetzt. Und selbst als „Solopreneur“, wie ich mich gerade verstehe, ist gute Zusammenarbeit mit anderen Menschen mehr als wichtig. Teamfähigkeit ist einer der wohl meistgefragten „Skills„, die in Stellenausschreibungen gefordert werden. Aber die Frage im Titel wird dadurch noch lange nicht beantwortet: Wie gelingt eigentlich gute Zusammenarbeit im Team? Dazu findest Du hier einige Ergebnisse einer Studie, die Google – bekannt unter dem Project Aristotele – durchgeführt hat.

Wie steht es um die Zusammenarbeit in Deinem Team?

Zu Beginn aber: Wie bewertest Du die folgenden fünf Fragen zur Zusammenarbeit in Deinem Team für Dich auf einer Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft voll zu): 

  • „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht übelgenommen.“
  • „Wenn meine Kolleg*innen sagen, dass sie etwas tun, halten sie sich auch daran.“
  • „Wenn wir im Team eine Entscheidung zu treffen haben, wissen wir, wie uns das gemeinsam am Besten gelingt. Wir haben einen effektiven Entscheidungsfindungsprozess.“
  • „Die Arbeit, die ich für mein Team mache, ist bedeutungsvoll für mich.“
  • „Ich verstehe, wie die Arbeit unseres Teams zum Erfolg unserer Organisation beiträgt.“ 

Natürlich kannst Du die Fragen auch gemeinsam mit Deinem Team beantworten. Lass doch mal nen Kommentar hier, was herausgekommen ist 😉

Mit der Beantwortung der Fragen erhältst Du einen ersten Überblick darüber, wie es um die Zusammenarbeit in Deinem Team steht. 

Was ist eigentlich ein Team?

Ich werde auf diese Frage hier nicht vertieft eingehen, aber sie ist trotzdem wichtig, denn – wie einleitend geschrieben – gehen wir fast immer davon aus, dass dort, wo mehrere Menschen zusammenarbeiten, automatisch ein „Team“ arbeitet.

Es macht aber mindestens Sinn, zwischen Teams und Arbeitsgruppen zu unterscheiden.

  • Arbeitsgruppen lassen sind durch ein geringes Maß an gegenseitiger Abhängigkeit kennzeichnen. Sie basieren auf einer Organisations- oder Führungshierarchie (Abteilung). Arbeitsgruppen treffen sich ggf. regelmäßig, um Informationen zu hören und auszutauschen – you know die regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen
  • Teams sind hingegen in hohem Maße voneinander abhängig – sie planen die Arbeit, lösen Probleme, treffen Entscheidungen und überprüfen den Fortschritt im Rahmen eines bestimmten Projekts. Und am allerwichtigsten: Die Teammitglieder brauchen einander, um die Arbeit zu erledigen.

Tiefergehende Ausführungen zum Unterschied von Teams und Arbeitsgruppen finden sich bspw. hier und hier.

Für soziale Organisationen ergeben sich daraus einige Fragestellungen:

  • Seid ihr ein Team? Braucht ihr einander, um die Arbeit zu erledigen? Braucht ihr die verschiedenen Kompetenzen der Menschen im Team? Braucht es die Interdisziplinarität und die unterschiedlichen Fähigkeiten? Nicht umsonst habe ich das Bild der Feuerwehr für den Beitrag verwendet…
  • Oder erledigt jede*r von Euch seine Aufgaben, ohne auf andere Menschen angewiesen zu sein? Ist die interdisziplinäre Zusammensetzung vielleicht schön und hilfreich, aber nicht notwendig? Könnt ihr, wenn eine Person das Team verlässt, die Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend erledigen und braucht es entsprechend jemanden mit zumindest ähnlichen Fähigkeiten? Oder macht ihr nicht einfach weniger von dem, was ihr ohnehin macht?

Das Projekt von Google konzentrierte sich auf Teams und damit auf Gruppen mit wirklich voneinander abhängigen Arbeitsbeziehungen. Entsprechend sind die Ergebnisse zu werten…

Gute Zusammenarbeit bei Google

Vorab: Das Project Aristotle von Google ist nicht neu.

Von 2012 bis 2014 wurden etwa 180 Google-Teams untersucht, „um Muster zu finden, die zeigen, warum einige Teams scheitern, während andere Bestleistungen erreichen“ (Wikipedia). Die im Rahmen des Projekts untersuchten Teams bestanden aus drei bis fünfzig Personen (mit einem Durchschnittswert von neun Mitgliedern).

Die Ergebnisse der Studie sind gleichwohl spannend (und je mehr ich mich mit Zusammenarbeit in Teams befasse, werden sie immer spannender):

Der Erfolg der Teams und damit die gute Zusammenarbeit hing nicht an der Zusammensetzung oder dem Führungsstil der Vorgesetzten („Der Fisch stinkt vom Kopf her…“).

Es ging auch nicht darum, dass ein bestimmter Persönlichkeitstyp in den Teams vorherrschend war („Wir brauchen nur die richtigen Menschen!“) ebensowenig wie darum, dass die Teammitglieder bestimmte berufliche Hintergründe hatten.

Und interessanterweise hing der Erfolg der Teams auch nicht daran, ob diese selbstbestimmt agierend, mit wenigen Hierarchien oder – ganz traditionell – streng „top down“ geführt waren. 

Relevant für gute Zusammenarbeit im Team war vielmehr, wie die Teammitglieder miteinander umgingen:

In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll, geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit. Klarheit und Struktur war relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit.

Eigentlich gar nicht so schwer, oder? 

Wie steht es um die Zusammenarbeit in Deinem Team?

Wenn Du den Status Quo des Stands der Zusammenarbeit in Deinem Team tiefer erforschen willst, kannst Du auch folgende Frageliste nutzen (die von Google als Leitfaden zur Verfügung gestellt wird, um die Effektivität der Zusammenarbeit zu bewerten):  

Psychologische Sicherheit

  • Fühlen sich alle Teammitglieder wohl, wenn sie miteinander sprechen und gemeinsam Ideen entwickeln?
  • Haben alle im Team das Gefühl, dass sie auch Fehler machen dürfen?

Verlässlichkeit

  • Wenn Teammitglieder sagen, dass sie etwas erledigen werden, tun sie es dann tatsächlich?

Struktur und Klarheit

  • Kennen die Teammitglieder die Ziele des Teams und wissen, wie sie erreicht werden sollen?
  • Haben alle im Team das Gefühl, Eigenverantwortung zu tragen und eigene Projekte zu haben?

Sinn

  • Wird die Arbeit im Team auf Grundlage von Fähigkeiten und Interessen verteilt?
  • Gibt die Arbeit allen im Team ein Gefühl der persönlichen und beruflichen Erfüllung?

Selbstwirksamkeit

  • Haben alle im Team das Gefühl, dass ihre Arbeit bedeutsam ist?
  • Sehen die Teammitglieder, dass ihre Arbeit etwas zum Besseren verändert?

Entwicklungsfelder für gute Zusammenarbeit

Aus den Antworten auf die Fragen lassen sich Entwicklungsfelder aufspüren, mit denen ihr Eure Teamarbeit gestalten könnt:

  • Was könnt ihr tun, um zu besseren Ergebnissen in den einzelnen Bereichen zu kommen?

Dazu empfehle ich immer ein experimentelles, auf Hypothesen basierendes Vorgehen:

  1. Macht die Ergebnisse der Befragung oben transparent (Pinnwand, Whiteboard…).
  2. Leitet aus den Ergebnissen möglichst viele Handlungsoptionen als Hypothesen ab: „Wenn wir XY tun würden, würde sich Z verbessern!“
  3. Einigt Euch auf eine (oder ein paar wenige) Hypothesen, die ihr testen wollt (Priorisierung bspw. durch Bepunktung der Hypothesen).
  4. Legt die Rahmenbedingungen für den Test fest: Wie lange wollt ihr was genau verändern? Wann überprüft ihr die Ergebnisse mithilfe einer Retrospektive? Woran genau macht ihr fest, dass sich etwas geändert hat?
  5. Feiert den Erfolg, passt die Vorgehensweise an oder beendet einfach den Versuch. Dann könnt ihr direkt die nächste Hypothese testen.

Was macht gute Zusammenarbeit für Dich aus? 

  • Was ist richtig gute Zusammenarbeit für Dich? 
  • Welche Strukturen und Rahmenbedingungen müssen aus Deiner Sicht gegeben sein, damit Zusammenarbeit gelingt? 
  • Welche Eigenschaften und Fähigkeiten müssen die Teamkolleg*innen aus Deiner Sicht mitbringen, damit Zusammenarbeit im Team funktioniert? 

Du kannst Deine Antworten gerne hier direkt in die Kommentare schreiben! Dann haben wir alle was davon 😉


P.S.: Wenn Du Lust hast, die Zusammenarbeit in Deinem Team zu stärken, können wir gerne mal sprechen. Hier kannst Du einfach einen Termin mit mir ausmachen.

Die 11 besten Blogs rund um agiles Management, Organisationsentwicklung und Co. – und warum es sich lohnt, sie zu lesen

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Wie lernst Du? Diese Frage tangiert die aus meiner Sicht wichtigste Kompetenz für die Zukunft: Lernen! Lernen heißt in Zukunft vor allem selbstgesteuertes Lernen – Lernen also, das nicht formal vorgegeben, sondern frei gewählt ist. Ich lerne sehr gerne selbstgesteuert, je nach meinen individuellen Bedürfnissen, Interessen und Herausforderungen, die ich bewältigen muss. Dazu nutze ich – neben Büchern und Podcasts – Blogs. Hier will ich Dir die für mich 11 besten Blogs rund um agiles Management, Organisationsentwicklung und Co. vorstellen. Vielleicht ist da ja was für Dich Neues dabei, wenn Du im Sommer ein wenig Zeit hast, die Ferien genießt oder einfach sinnvolle Ablenkung auf Arbeit brauchst 😉

Toms Gedankenblog

Thomas Michl ist ne Maschine! Er haut jeden Montag in seinen Links der Woche kuratierte Beiträge, Blog- und Podcastempfehlungen raus. Dabei beschäftigt er sich mit Produktivität, Lean Management, agilem Arbeiten und übergreifenden Management-Themen. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt einmal vorkam, dass die Links der Woche nicht erschienen sind. Und falls doch, war Thomas wahrscheinlich wirklich krank oder er hat das Internet ausgeschaltet… Ach ja, es lohnt sich übrigens, Thomas auf Twitter zu folgen.

Agile Verwaltung

Wo wir schon bei Thomas Michl sind… Er ist (noch) Vorsitzender des Forums Agile Verwaltung. Und die Macher*innen betreiben ebenfalls einen richtig guten Blog, in dem regelmäßig Beiträge zu unterschiedlichen Themen rund um Agilität erscheinen. Für mich ist es insofern spannend, die Beiträge zu lesen, weil es einige Parallelen zwischen der öffentlichen Verwaltung und den oftmals ähnlichen Strukturen sozialer Organisationen gibt. Und noch dazu ist die öffentliche Verwaltung ja auf Seiten der Kostenträger eng mit der Sozialwirtschaft verbandelt. Was auch in dem häufig als „verstaubt“ angesehen Verwaltungskontext möglich ist, wenn ein paar kreative Köpfe zusammenkommen und neu denken, ist beeindruckend.

Führung erfahren

Der Blog „Führung erfahren“ wird von Dr. Marcus Raitner betrieben. Marcus beschäftigt sich – wie der Name schon sagt – mit allen Themen rund um das große Wort „Führung“. Für mich ist der Blog insbesondere deshalb lesenswert, weil Marcus zum einen aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpft und zum anderen richtig gut schreiben kann. Und falls Du was von Marcus in der Hand halten willst: Er hat das „Manifest für menschliche Führung“ verfasst – ein kleines, aber sehr hilfreiches Buch, das Führung für eine neue Arbeitswelt beleuchtet.

Versus Magazin

Seit einigen Jahren gibt es das „Versus Magazin“ – ein Online-Magazin mit tiefgehenden Texten rund um die Herausforderungen und Lösungen in Unternehmen, Verwaltungen und anderen Organisationen. Das Magazin gehört zu Metaplan, einer systemtheoretisch und organisationssoziologisch orientierten Beratungsagentur. Und das merkt man: Die Aufbereitung der Inhalte ist auf den ersten Blick oft verwirrend, irritierend und anders, manchmal kühl, manchmal theoretisch. Aber die Beiträge eröffnen einen realistischen Blick auf Organisationen, Agilität, New Work und alles, was sich in dem Kontext so bewegt. Das ist erfrischend anders und hilft mir sehr, meine eigenen Beratungsprojekte zu reflektieren und nicht (zu sehr 😉 den Management-Moden zu verfallen.

Komfortzonen

Auf Komfortzonen schreiben Dirk Bathen, Valentin Heyde und Jörg Jelden zu Haltungen, Denkmodellen und Workshop-Tools, die sie in Workshops, der Prozessbegleitung von Unternehmen und Initiativen und Beratungsprojekten nutzen. Ich finde auf dem Blog immer wieder tolle neue Herangehensweisen und Methoden für Fragestellungen, die in meinen Workshops auftauchen. Logo: Jede Methode muss zum Zweck, zur Gruppe, den Rahmenbedingungen… passen. Aber als Inspiration ist der Blog für mich Gold wert. Danke für Eure Arbeit!

kommunikato

kommunikato ist die Seite von Kato aka Karin Gildner. Neben ihrem großartigen Schreibstil, der mich immer wieder begeistert (sie hat nen ziemlich witzigen Newsletter), finde ich bei ihr immer wieder Buchrezensionen und Ideen für meine eigene Freiberuflichkeit. Und außerdem betreibt sie https://erzaehldavon.de/ – eine Website, die Vereine und Ehrenamtliche dabei unterstützt, mehr Sichtbarkeit für ihre sozialen Projekte zu schaffen. Und ja, da finden kleine wie große soziale Organisationen Ideen und Anregungen, wie sie ihre Kommunikation richtig geil (sagt man nicht mehr, oder?) machen.

Intrinsify

In der Liste nicht fehlen darf der Intrinsify Blog. Auch wenn ich immer wieder etwas über die Art der Kommunikation stolpere (so richtig Augenhöhe fühlt sich anders an…) sind die Anregungen von Mark Poppenborg und Lars Vollmer (ich lasse den Dr. und den Prof. mal weg, OK? ;-)) richtig gut, um einen differenzierten Blick auf Arbeit, Organisationen und die Menschen darin zu bekommen. Schaut mal rein, dann könnt ihr euch ja einen eigenen Eindruck verschaffen 😉

Corporate Rebels

Ah ja, neue Arbeit gibt es nicht nur in Deutschland. Für einen Blick über den Tellerrand hinaus empfehle ich die Corporate Rebels. Die beiden aus den Niederlanden stammenden Beteiber des Blogs – Joost Minnaar und Pim de Morree – schreiben schon lange zu den Themen New Work und der Veränderung der Arbeitswelt. Dabei liefern sie immer wieder inspirierende Einblicke in die Funktionsweisen anderer Organisationen in anderen Teilen der Welt. Auch hier wieder: Abkupfern von irgendwelchen Organisationsmodellen auf die eigene Organisation macht keinen Sinn, aber die Inspiration, wie es auch anders gehen kann, ist mehr als hilfreich.

Mampels Welt

Vielleicht gelingt es mir, mit diesem Post den lieben Thomas zu inspirieren, wieder mehr zu schreiben? Das ist ein wenig meine Hoffnung, denn ich habe seine Einträge in seinem Blog aka „Geschäftsführertagebuch“ sehr geliebt. Thomas ist Geschäftsführer des Stadtteilzentrums Berlin-Steglitz und außerdem Geschäftsführer der .garage Berlin – beides sehr inspirierende soziale Organisationen. Und ja, ich bin in meiner Lobhudelei vielleicht etwas befangen: Thomas hat mich vor Jahren dazu angeregt, meinen Blog zu starten. Danke dafür – unglaublich, was daraus geworden ist… Ach, und noch was: Es lohnt sich, auch in die älteren Beiträge reinzulesen.

Sozial-PR

Christian aka sozial-pr.net ist ebenfalls langjähriger Begleiter und Inspirator (sagt man das so?). Christian ist mein, nein, Christian ist DER Ansprechpartner, wenn es um digitale Kommunikation in sozialen Organisationen geht. Er bietet aber nicht nur gute Beratung, sondern immer wieder auch spannende Inhalte auf seinem Blog, in seinem Podcast und (da kann ich noch was lernen) in seinem Videocontent. Aktuell befasst er sich bspw. mit der Frage, ob und wie die Soziale Arbeit eine positive Systemveränderung unterstützen kann. Allein der Beitrag hat mich ziemlich zum Nachdenken gebracht und aller Voraussicht nach werde ich mich damit noch mal tiefer befassen…

Zeitzuteilen

Last but not least darf der Blog von Sabine hier nicht fehlen: Sabine ist aktuell Landesleitung Schleswig-Holstein bei der Caritas im Norden. Sie arbeitet damit nicht nur im, sondern vor allem am System der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Und in ihrem Blog setzt sie sich mit „Sozialer Arbeit im Wandel“ auseinander. Es geht um die übergreifenden Themen rund um soziale Organisationen, die Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung im sozialen Sektor, neue Arten von (Zusammen-) Arbeit und vieles mehr. Dieser übergreifende Blick hilft mir immer wieder, mich zu verorten und meine eigene Arbeit zu reflektieren.

Blogs, Podcasts und Co.: Was inspiriert Dich?

Ich hoffe, bei den 11 besten Blogs rund um agiles Management, Organisationsentwicklung und Co. waren ein paar Anregungen für Dich dabei?

Aber hast Du noch Blogtipps, die es zu lesen lohnt? Oder noch übergreifender gefragt:

Welche Blogs, Beiträge, Podcasts rund um die Themen agiles Management, Organisationsentwicklung, Führung und Co. liest oder hörst Du?

Was und wie lernst Du dabei?

Lass doch gerne nen Kommentar hier oder schreib mir – dann lernen wir alle 😉

Hach, es bleibt spannend… Und jetzt:

Hab nen guten Sommer!

Organisationsanalyse: Wie die Taylorwanne zur Betrachtung sozialer Organisationen genutzt werden kann

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Kennst Du die Taylorwanne? Dahinter verbirgt sich ein Modell von Gerhard Wohland, das den groben historischen Verlauf der Marktdynamik und die jeweils dominierenden Produktionstypen sowie die Anforderungen an Kompetenzen der Menschen darlegt. Ich nutze das Modell gerne zur Erläuterung der Notwendigkeit zur Organisations- und Kompetenzentwicklung, die auch für soziale Organisationen von Bedeutung sind. Hier, in diesem Beitrag, will ich den Aufbau der Taylorwanne nicht erläutern, das kann viel besser bspw. hier kurz und übersichtlich nachgelesen werden. Vielmehr will ich das Tool zur Organisationsanalyse „missbrauchen“. Denn ich glaube, dass es hierzu gute Dienste leisten kann.

Der Anlass dieses Beitrags ist die Anmerkung einer Teilnehmerin in einem meiner letzten Führungskräfteworkshops. Sie bezog die Taylorwanne auf die Arbeit in ihrer Organisation. Konkret: Ihre Aussage war, dass sie das Gefühl hat, dass die Mitarbeiterinnen „in der vorindustriellen Zeit“ hängen geblieben sind. Mit Blick auf die Arbeit mit den Klient_innen war die Aussage:

„Wir arbeiten in einem „Meister-Lehrling-Modell“. Wir betrachten uns als die Meister, die bezogen auf die Klient_innen schon wissen, was richtig ist.“

Dieser für mich neue Blick auf die Taylorwanne hat dann zu einer intensiven Diskussion der Teilnehmer_innen geführt.

Organisationsanalyse – Betrachtungsebene 1: Soziale Arbeit aus der Meister-Lehrling-Perspektive

Die eine Gruppe konnte dieser Aussage sehr gut zustimmen:

Die Sozialarbeiter_innen agieren als Expert_innen für die Bedarfe der Klient_innen. Das ist ein grundlegendes Problem Sozialer Arbeit an der Basis: Die Professionellen agieren häufig als Expert_innen für die Belange ihrer Klient_innen. Die wirklichen, vielleicht von den Bedarfen der Sozialarbeiter_innen abweichenden Bedarfe der Menschen geraten dadurch leicht aus dem Blick bzw. werden bewusst nicht wahrgenommen, da sie für die Professionellen deutlich anstrengender, anders, neu… sind, als den gewohnten Stiefel zu fahren.

Übergreifend gedacht eröffnen sich für mich hier auch spannende Parallelen zu Fragen der Führung: Wo agieren Führungskräfte in einer „Meister-Lehrling“-Perspektive ala „Ich weiß schon sehr genau, was hier, in dieser und jener Situation richtig ist“? Auch die oftmals alles blockierende Aussage „Das haben wir hier schon immer so gemacht!“ fällt in diese Kategorie: Ohne alles Alte schlecht reden zu wollen, werden durch diese Haltung neue Entwicklungen, neue Bedarfe der Mitarbeiter_innen, Teams und der Organisation als Ganzes gar nicht in den Blick genommen. Die Orientierung am echten Bedarf der „Nutzer_innen“ findet nicht statt.

Organisationsanalyse – Betrachtungsebene 2: Soziale Arbeit als Fließbandarbeit

Andere Teilnehmer_innen hatten mit Blick auf die Taylorwanne jedoch eher den Eindruck, dass in ihrer Organisation versucht wird, die Arbeit mit den Klient_innen „tayloristisch“ zu gestalten. Es wird versucht – auch ausgelöst durch externe Anforderungen der Kostenträger – die Einrichtung auf Effizienz – auf eine Fließbandlogik – zu trimmen und in einer zweckrationalen Denkhaltung alle, alles und jedes in transparente, kausale Prozesse zu pressen.

Auch hier lässt sich wiederum ein etwas distanzierterer Blick einnehmen und auf „die Sozialwirtschaft“ als Ganzes schauen:

Es ist der Funktionslogik Sozialer Arbeit inhärent, tagtäglich Komplexität gestalten zu müssen. Organisationen der Sozialen Arbeit befassen sich in der Regel mit der sozialen Wertschöpfung der Ausnahme.

Hingegen sind die Finanzierungsstrukturen auf die Einhaltung von Vorgaben und Regeln und damit auf die Wertschöpfung der Norm bedacht.

Kurz zur Unterscheidung der beiden Begriffe:

Die Wertschöpfung der Norm fokussiert auf Probleme, für die bereits Lösungen erarbeitet wurden. Das Wissen über diese Lösungen kann per Vorgaben oder per Anweisung weitergegeben werden. Es werden „Prozesse oder Regeln eingerichtet, in die das Wissen so eingearbeitet wird, dass es bei dessen Befolgung zur Anwendung kommt. Auf dieser Idee basiert die gesamte tayloristische Organisationsführung“ (vgl. näher hier) und die Denk- und Handlungsweise der Kostenträger.

Die Wertschöpfung der Ausnahme ist hingegen die Lösung von Problemen, für die es noch kein Wissen gibt. In der Sozialen Arbeit ist jede_r Klient_in individuell zu betrachten, es lassen sich kaum Standardprogramme einrichten. Entsprechend braucht es „Ideen und damit Mitarbeiter, die in bestimmten Problemsituationen ein besonders gutes Gefühl für die passenden Ideen entwickeln“ (ebd.).

Zu dem Dilemma der beiden unterschiedlichen Systemlogiken von Sozialen Organisationen und den Kostenträgern habe ich hier bereits einen Beitrag verfasst.

Hinzu kommt noch, dass die für die Bedienung der Anforderungen der Kostenträger notwendigen Prozesse, Regeln und Vorgaben in die Organisationen übertragen werden und dort zu unfassbar umfänglichen Prozessbeschreibungen, QM-Handbüchern und der irrealen Vorstellung der Führungskräfte führen, die Organisation zweckrational steuern zu können.

Historisch lässt sich die Entwicklung hin zu klassisch betriebswirtschaftlichen Prinzipien sowie tayloristischen Denk- und Handlungsweisen und damit zur Ökonomisierung und Managerialisierung der Sozialen Arbeit (vgl. bspw. Michael Meyer/Florentine Maier, 2018, 207) wunderbar nachzeichnen, sprengt hier aber den Rahmen des Beitrags.

Organisationsanalyse – Betrachtungsebene 3: Soziale Arbeit als Co-Creation

Wenn man sich die Taylorwanne in der Ausführung von Bernd Oestereich anschaut, wird auf der dritten Ebene deutlich, dass es in der aktuellen Zeit um Innovation, Experimentieren, um gemeinsames Neugestalten und um die Ko-Kreation neuer Lösungen geht. Die Frage nach dem „Wer“ (im Gegensatz zum „Wie“) und damit die Frage nach den individuellen Fähigkeiten rückt in den Vordergrund.

Übertragen auf die direkte Arbeit mit den Klient_innen in sozialen Einrichtungen eröffnet sich über die Ko-Kreation (näher dazu bspw. in dem Beitrag der Neuen Narrative) eine andere Sichtweise:

(Wo) sind wir in unseren Organisationen soweit, dass Klient_innen zu Co-Creator_innen werden?

In dem oben genannten Workshop, in dem das Thema aufkam, gab es bereits einige Führungskräfte, die ihr Team und ihre Organisation zumindest „auf dem Weg zur kokreativen Arbeit mit den Klient_innen“ beschrieben haben.

Erstmalig begegnet ist mir der Gedanke, dass die Nutzer_innen Sozialer Arbeit die KoKreator_innen ihrer Leistungen sind, bei Otto Scharmer in einem Video zur Theorie U begegnet:

Auf der von ihm beschriebenen vierten Ebene wird die Klientin zur „Co-Creatorin“ und der Sozialarbeiter zur Hebamme.

Hebamme? Klingt gewöhnungsbedürftig, oder?

Aber die Übertragung dieser Denklogik passt für mich ziemlich gut:

Eine Hebamme hilft dabei ein Kind, ein Wunder, etwas Unglaubliches auf die Welt zu bringen. Und im übertragenen Sinne geht es in der Sozialen Arbeit ja auch darum, dabei zu helfen, die in den Klient_innen verborgenen Stärken, die Möglichkeiten, das bislang Verborgene auf die Welt zu bringen. Es geht nicht darum, was die_der Sozialarbeiter_in im Bild des „Meisters“ für die Klient_innen als „Richtig“, als „sinnvoll“ oder „erstrebenswert“ oder gar „gesellschaftlich passend“ ansehen. Es geht – so heißt es in der Definition der Sozialen Arbeit – um die Förderung von Selbstbestimmung und Autonomie der Menschen.

Hebamme ist dazu ein sehr schönes, passendes Bild.

Exkurs: Die Führungskraft als Hebamme zur Ermöglichung von Co-Creation

Photo by Pixabay: https://www.pexels.com/photo/grayscale-photography-of-baby-holding-finger-208189/

Lässt sich das Bild der Hebamme aber auch übertragen auf die Führungsarbeit in Organisationen? Dazu ein kurzer Gedankenexkurs, weg von der Taylorwanne:

Organisationen sollten so gestaltet sein, dass sie ihren Zweck bestmöglich erfüllen können.

Führungskräfte sind aus dieser Perspektive in der Verantwortung, die Strukturen, Rahmenbedingungen, formalen und informellen Regeln und Rituale so zu gestalten, dass wiederum der Zweck bestmöglich erfüllt werden kann. Führungskräfte sind in meinen Augen jedoch nicht dazu da, an den ihnen anvertrauten Mitarbeiter_innen herumzubasteln (und trotzdem können sie gerne Vorbild sein ;-).

Zur bestmöglichen Erfüllung des Zwecks insbesondere sozialer Organisationen sind die Mitarbeiter_innen jedoch unabdingbar. „Der Mensch ist Werkzeug“ in allen Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit. Wir haben keinen Hammer, keine Maschinen und keine Roboter, um die immer wieder individuellen Interaktionen mit den Klient_innen zu gestalten.

Entsprechend gilt es für Führungskräfte, Hebamme in Bezug auf die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter_innen zu sein, um sie bestmöglich anhand ihrer Fähigkeiten einsetzen zu können.

Und insbesondere dann, wenn es um die zeitgemäße Entwicklung und Gestaltung der Teams oder Organisationen geht, sind Führungskräfte gefragt, als Hebamme das Neue, das Unerwartete, das Zukünftige auf die Welt zu bringen.

Fazit: Die Taylorwanne als Modell zur Organisationsanalyse sozialer Organisationen

Alle beschriebenen Ebenen sind – zumindest aus meiner Perspektive – nachvollziehbar und die Realität in den Organisationen zeigt, dass alle drei Betrachtungsebenen in sozialen Organisationen vorkommen. Teilweise lassen sich die Betrachtungsebenen unmittelbar im Sinne der Organisationsanalyse auf eine Gesamtorganisation beziehen, teilweise finden sich alle drei Ebenen mehr oder weniger ausgeprägt in einer Organisation, teilweise auch in einem Team.

Wenn Du die drei oben beschriebenen Betrachtungsebenen in den Blick nimmst: Wo steht Deine Organisation? Wo steht Dein Team? Und wo stehst Du?

  • Agierst Du und Deine Organisation in einem hochgradig individuellen, ausschließlich auf eine_n Klient_in zugeschnittenen Meister-Lehrling-Setting? Agieren Deine Mitarbeiter_innen als „Expert_innen“ für die Anliegen ihrer Klient_innen?
  • Oder herrscht in Deiner Organisation ein maschinelles, zweckrationales Denken vor? Wird versucht, alles in Prozesse zu pressen? Kommt Dir Deine Organisation wie ein bürokratisches Monster vor?
  • Oder betrachtest Du Dich als Hebamme und versuchst, gemeinsam mit den Dir anvertrauten Menschen – Mitarbeiter_innen wie Klient_innen – deren Potentiale in einem ko-kreativen Prozess auf die Welt zu bringen?

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Ein Modell – und sei es noch so eingängig – kann nie die komplexe Realität abbilden, aber für mich ist es hilfreich, diese drei Ebenen anzuschauen und mit der Realität in der Organisation und dem Team abzugleichen. Vielleicht hilft es Dir auch zur Organisationsanalyse oder für die Arbeit in Deinem Team? Freu mich auf Deine Einschätzung dazu (gerne in den Kommentaren)!

Plädoyer für die eigene Freiheit, oder: Die Rolle des mittleren Managements im organisationalen Wandel

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In Vorträgen und Impulsen habe ich in den letzten Jahren immer wieder postuliert, dass es für echte, tiefgreifende Veränderung in Organisationen das Committment der obersten Führungsebene braucht. Meine These war, dass nur dann, wenn die oberste Führungsebene, Vorstand oder Geschäftsführung, die Veränderung mitträgt, Veränderung und Transformation gelingen kann. Auf meiner Folie stand meist „Ohne oben geht es nicht!“ Aber ist das wirklich so? Blockieren wir durch das Warten auf die große Transformation oder die Entscheidungen der obersten Führungsebene nicht vielmehr den nötigen Wandel? Macht es nicht vielmehr Sinn, in seinem eigenen Spiel- und Handlungsraum zu schauen, welche Veränderungen angegangen werden können? Oder anders formuliert: Welche Rolle spielt das untere und mittlere Management im organisationalen Wandel? Darum geht es in diesem Beitrag.

Dazu werde ich zunächst auf die Rolle der obersten Führungsebene in Veränderungsprozessen eingehen um dann zu argumentieren, warum den unteren und mittleren Führungsebenen eine besondere Verantwortung im kontinuierlichen Wandel zukommt. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für die eigene Freiheit.

Die Rolle der obersten Führungsebene in Veränderungsprozessen

Laloux schreibt in seinem immer noch beeindruckenden Buch „Reinventing Organizations“ (vgl. Laloux, 2014, 237ff), dass es zwei notwendige Bedingungen für echte Veränderung gibt:

„The research behind this book suggests that there are two ― and only two ― necessary conditions, in the following two spheres:

  1. Top leadership: The founder or top leader (let’s call him the CEO for lack of a better term) must have integrated a worldview and psychological development consistent with the Teal developmental level. Several examples show that it is helpful, but not necessary, to have a critical mass of leaders operating at that stage.
  2. Ownership: Owners of the organization must also understand and embrace Evolutionary-Teal worldviews. Board members that “don’t get it,” experience shows, can temporarily give a Teal leader free rein when their methods deliver outstanding results. But when the organization hits a rough patch or faces a critical choice, owners will want to get things under control in the only way that makes sense to them―through top-down, hierarchical command and control mechanisms.“

Andere Veröffentlichungen zum Thema Change und Veränderung sprechen ebenfalls vom „Erfolgsfaktor oberste Führungsebene“ (vgl. beispielhaft Eberhardt, 2013, 95). Und auch der Blick auf die Gestaltungsmöglichkeiten von Organisationskultur zeigt, dass, wenn „der einzige Hebel des Managements, die Organisationskultur zu verändern, (…) Veränderungen der Formalstruktur“ sind (Kühl, 2018), die Veränderungen der Formalstruktur formal zu beschließen sind. Und wer kann das tun? Die obere oder oberste Führung.

Wie häufig habe ich eine kleine Umfrage auf Twitter gestartet, die ebenfalls danach fragt, wer denn ausschlaggebend ist für gelingende Veränderungen in Organisationen:

https://twitter.com/HendrikEpe/status/1533375098576568320

Und, auch wenn die Frage zu unterkomplex ist, die Rückmeldungen zeigen wieder die besondere Bedeutung des obersten Managements (lest auch mal die Antworten unter dem Tweet, daraus ergibt sich ein differenzierteres Bild).

Wenn aber Laloux und viele andere Veröffentlichungen (und sogar Twitter!!!111!!!) die oberste Führungsebene als „make – or break factors“ (ebd., 238) definieren, ist zu fragen: Was genau ist das Ziel der dargestellten Veränderungen, was ist die Perspektive auf Veränderung?

Die Perspektive auf Veränderung

Laloux spricht – wenn er von „teal organizations“ spricht – von grundlegenden, tiefgreifenden Veränderungen in der Art, wie Organisationen funktionieren. Seine Ausführungen und die Beispiele wie Buurtzorg in den Niederlanden sind mehr als beeindruckend und – für mich zumindest – als erstrebenswerte Vision einer Arbeitswelt der Zukunft in jedem Veränderungsprozess als Hintergrundfolie mitzudenken.

Aber diese Hintergrundfolie einer erstrebenswerten „New Work“ zeigt das Bild großer Veränderungsprojekte, das Bild der Transformation der Grundlogik, wie wir in Organisationen arbeiten. Es geht in vielen Veröffentlichungen zum Thema Change, New Work und Transformation um enorme, langwierige und aufwendige Veränderungsprozesse, die die „DNA der Organisation“ verändern. Es geht um Veränderungen zweiter Ordnung – Systemveränderungen. Und auch eine Antwort auf meinen o.g. Tweet verdeutlicht dies.

So schreibt Alexander Krause:

Ich will diese Veröffentlichungen, Tweets und Berichte an dieser Stelle gar nicht Kleinreden: Die große Perspektive ist wichtig, hilfreich und notwendig, um eine Vorstellung von dem Möglichen, von dem zu bekommen, was erstrebenswert ist. Mit anderen Worten: Ohne die Arbeit an den Grundlogik unseres Arbeitens und Wirtschaftens werden wir keine tiefgreifenden Veränderungen erreichen.

Aus dieser Perspektive heraus erlebe ich jedoch mindestens zwei Herausforderungen:

Zum einen bleibt oft unklar, wo jenseits von einer Entwicklung des angestrebten Zielzustands genau angesetzt werden kann bzw. was im stressigen Arbeitsalltag – und hier spreche ich insbesondere aus der Perspektive oftmals völlig überlasteter sozialer Organisationen – zur großen, tiefgreifenden Veränderung geleistet werden kann.

Daraus wiederum resultiert ein mehrseitiges Problem: Mitarbeiter_innen und Führungskräfte auf unteren und mittleren Ebenen werden zwar in partizipativen Prozessen eingeladen, sich an Veränderung zu beteiligen. Sie bekommen hier und da auch Einblicke durch spannende Keynotes und Veranstaltungen zum Thema New Work – meist verbunden mit den Herausforderungen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten der digitalen Transformation – und dann bleibt unklar, was sie denn wie konkret umsetzen müssen.

Zwar sehen die Kaninchen die Schlange, aber bewegen fällt schwer.

Und die oberste Führungsebene kennt zwar die Schlange beim Vornamen, weiß also genau Bescheid, dass dringend der kulturelle, technologische und nachhaltige Wandel angegangen und umgesetzt werden muss, wartet aber zunehmend frustriert auf die Bewegung der Kaninchen aka der Mitarbeiter_innen und unteren und mittleren Führungsebene.

Und damit bewegt sich – nichts! Es bewegt sich nicht im Kleinen an der Basis und nicht im Großen an der „Spitze“. Alle machen weiter wie bisher.

Alle sind nur etwas frustrierter, da eigentlich jedem und jeder in der Organisation bewusst ist, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann und wird! Die Digitalisierung kommt nicht voran, die Veränderungen hinsichtlich des Fachkräftemangels nehmen keine Gestalt an, die Geschwindigkeit der Entscheidungen in der Organisation nimmt ab, die dringend nötigen Anpassungen bzgl. des Wegs zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit werden nicht angegangen, die Arbeitskultur bewegt sich weiter auf Ebene von Command and Control, die Konkurrenz schläft nicht und so weiter und so fort…

Zum anderen haben wir es in der Sozialwirtschaft nicht nur mit „uns selbst“ zu tun, sondern mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Organisationen mehr oder weniger bewegen können. Das soll keine Ausrede im Sinne von „Wir würden ja, dürfen aber nicht!“ sein. Es erschwert jedoch entweder den Anstoß zur Veränderung oder zwingt durch gesetzliche Anpassungen (bspw. BTHG, KJSG) zur Veränderung – gewollt oder nicht!

Perspektivwechsel, oder: Die Rolle des mittleren Managements im organisationalen Wandel

Wie wäre es aber, wenn wir die Perspektive wechseln. Wie wäre es, wenn wir nicht mehr das Warten auf die große Vision, die großen Entscheidungen, die radikale Transformation, die tiefgreifenden Wandel in der Art, wie wir arbeiten, in den Mittelpunkt stellen?

Was wäre, wenn wir selbst, jede_r auf seiner Ebene beginnt, Veränderungen zu initiieren?

Und wenn wir agile Management-Konzepte ernst nehmen, geht es doch nicht um den langfristig geplanten Wandel und das Erreichen eines vorab definierten Zielbilds. Es geht genau nicht darum, eine „agile Organisation“ oder „teal“ zu werden oder „unser Betriebssystem nach Holocracy“ zu strukturieren. Es geht um die „bewusste kontinuierliche Gestaltung organisationalen Wandels“ (Grunwald, 2022, 78).

Wenn Agilität für die anpassungsfähige, zeitgemäße, bedarfsgerechte und bewusste Gestaltung von Organisationen steht, dann ist immer wieder – kontinuierlich – zu prüfen, was denn auf welcher Ebene der Organisation notwendig ist, um anpassungsfähig, zeitgemäß und bedarfsgerecht agieren zu können.

Und hier kommen insbesondere die unteren und mittleren Führungsebenen, die Abteilungs- und Teamleitungen in den Blick:

Gerade in dezentral organisierten, hochgradig komplex strukturierten Organisationen der Sozialwirtschaft ist vor Ort, im Team, zu entscheiden, was notwendig und möglich ist.

Es ist vor Ort zu entscheiden, welche Strukturen, Prozesse, Innovationen, Angebote und Dienstleistungen sinnvoll und machbar sind. Es ist vor Ort zu entscheiden, wie das Team miteinander möglichst gut arbeiten kann. Das für die strategische Ausrichtung der Organisation notwendige Gesamt-Leitbild ist vor Ort zu operationalisieren und anzupassen, damit die konkreten Bedingungen vor Ort in den Blick genommen und bedarfsgerecht im Sinne der Nutzer_innen gestaltet werden können.

Hier kommt hinzu, dass die oberste Führungsebene – völlig nachvollziehbar – oft keinen Einblick in die notwendigen Bedarfe vor Ort hat bzw. aufgrund der Komplexität der Organisation haben kann.

Zur Einordnung ist relevant, dass ich nicht den kleinen, freien Träger mit 20 Mitarbeiter_innen im Blick habe, sondern Komplexträger sozialer Dienstleistungen, die oftmals mit vielen hundert, teilweise auch mit mehreren tausend Mitarbeiter_innen lokal, regional und auch national die soziale Landschaft in unserem Land gestalten.

Aber selbst – um ein konkretes Beispiel zu nennen – bei einem Kita-Träger mit einigen Kitas und Kindergärten arbeiten an jedem Standort unterschiedliche Menschen unter unterschiedlichen Bedingungen. Während ein produzierendes, mittelständisches Unternehmen erwarten kann und muss, dass – egal an welchen Standort – die gleichen Produkte in gleicher Qualität hergestellt werden, ist es in sozialen Organisationen so, dass die Rahmenbedingungen und damit die Umwelt der Organisation enorm relevant sind und nicht außer acht gelassen werden dürfen: Eine Kita in Freiburgs Nobel-Stadtteil Herdern unterliegt völlig anderen Herausforderungen als ein Kindergarten in einem Dorf im Schwarzwald oder einer Einrichtung in einem Brennpunkt-Viertel, obwohl alles Kindergärten sind.

Unter diesen Bedingungen darauf zu warten, dass die oberste Führungsebene die richtigen Entscheidungen trifft, um die Zusammenarbeit in jedem Team, in jeder Organisationseinheit zukunftsfähig zu gestalten, ist naiv und überfordert die Führung. Viel wichtiger ist, vor Ort, im Alltag, in der Vielfalt, Komplexität und Dynamik zu entscheiden, wie die jeweilige Einrichtung, der eigene Arbeitsbereich, das eigene Team, die Menschen bestmöglich den angestrebten Zweck erfüllen können. Und hier sind vor allem die Menschen auf den unteren und mittleren Führungsebenen, die Abteilungs- und Teamleitungen entscheidend.

Was es braucht

Die Ausführungen zur Rolle und Bedeutung des unteren und mittleren Managements sind – so hoffe ich doch – nachvollziehbar. Und gleichzeitig sehe ich in meiner Arbeit mit Organisationen und Menschen auf der unteren und mittleren Führungsebenen, mit Team- und Bereichs- oder Abteilungsleitungen einige Herausforderungen, die es anzugehen gilt, um kontinuierlichen Wandel zu ermöglichen.

Übergreifend fällt mir immer wieder auf, dass sich Führungskräfte auf der unteren und mittleren Führungsebenen, Team- und Bereichs- oder Abteilungsleitungen im operativen Alltag verlieren. Sie wurschteln und rödeln vor sich hin, oft mit dem bitteren Ergebnis des Burnouts oder dem Verlassen der Organisationen und des Arbeitsfeldes. Hinzu kommt, dass es zunehmend schwerer wird, überhaupt Führungskräfte für diese Ebenen zu gewinnen, wodurch wiederum der operative Druck steigt und die Menschen alles andere als erfüllende Arbeit machen. Der Anspruch von #RealNewWork – die Gestaltung einer Arbeit, die Menschen stärkt – wird zur Farce.

Was aber braucht es, damit Führung auf unterer und mittlerer Ebene zum einen wieder zu einer Arbeit wird, die die Menschen „wirklich, wirklich tun wollen“ und Führung zum anderen dazu beiträgt, den Zweck der Organisation bestmöglich zu erfüllen?

Hier könnte ich jetzt in eine detaillierte Beschreibung benötigter Kompetenzen für gesellschaftliche Entwicklungen, benötigtem Bewusstsein für die Besonderheiten sozialer Organisationen, benötigter sozialpolitischer Kompetenz, benötigter Dilemmatakompetenz, benötigtem systemischem und systemtheoretischen Denken und Handeln, benötigter Methodenkompetenz zur Gestaltung agiler Arbeit, benötigter Selbstkompetenz und damit übergreifend in die Beschreibung von Kompetenzen für zeitgemäße und bedarfsgerechte Führungskompetenz einsteigen. Das ist aber zu lang für einen Blogbeitrag.

Plädoyer für die eigene Freiheit

Vielmehr will ich den Beitrag mit einem „Plädoyer für die eigene Freiheit“ schließen.

Wenn Du Führungskraft auf unterer und mittlerer Führungsebene, Team-, Bereichs- oder Abteilungsleitung bist, plädiere ich dafür, dass Du Deine eigene Freiheit nutzt. Du entscheidest, wie die Zusammenarbeit vor Ort, in Deinem Team und mit den Dir anvertrauten Menschen ausgestaltet sein kann und sollte. Du hast Handlungsspielraum und Freiheit, zu entscheiden, immer. Sonst wärst Du keine Führungskraft.

Und selbst dann, wenn Du keine offiziell übertragene Führungsverantwortung trägst, selbst dann, wenn Du „nur“ Mitarbeiter_in in einer sozialen Organisation bist, hast Du die Freiheit, Impulse zu setzen, das System zu irritieren und Dinge anzuregen – und wenn sie noch so klein sind.

Freiheit setzt Mut voraus. Freiheit setzt den Mut voraus, Bestehendes anders zu sehen, neu zu denken und im Sinne des Zwecks der Organisation anders zu machen. Die Nutzung der eigenen Freiheit geht damit immer mit der Übernahme von Verantwortung einher.

Meine Erfahrung zeigt, dass die Übernahme von Verantwortung mehr als gewünscht wird. Die Angst also, von der oberen Führung „einen auf den Deckel zu bekommen“ ist unbegründet. Im Gegenteil wünschen sich die Verantwortlichen in allen mir bekannten Organisationen Mitarbeiter_innen, die Eigenverantwortung übernehmen.

Und selbst, wenn einmal etwas schiefgehen sollte: Was kann passieren? Denn ganz ehrlich: Du wirst nicht gekündigt, weil Du mutig warst und – begründet! – etwas Neues im Sinne Deiner Organisation, Deines Teams oder der Nutzer_innen ausprobiert hast. Falls doch:

Sei froh!

Denn Arbeit unter Bedingungen, die Autonomie und Selbstbestimmung nicht zulässt, macht keinen Sinn. Vor allem dann nicht, wenn Ziel jeglicher Sozialer Arbeit die Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung ist.

Quellen:

  • Eberhardt, D. (Hrsg., 2013): Unternehmenskultur aktiv gestalten. Praxisfälle aus Wirtschaft, öffentlichem Dienst, Kultur & Sport. Wiesbaden: Springer.
  • Grunwald, K. (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.
  • Kühl, S. (2018): Organisationskulturen beeinflussen (German Edition) (S.57). Springer Fachmedien Wiesbaden. Kindle-Version.
  • Laloux, F. (2014): Reinventing Organizations. Brüssel: Nelson Parker.

Unternehmenskultur gestalten, oder: 19 Culture Hacks für soziale Organisationen

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Unternehmenskultur gestalten – das will irgendwie jedes Unternehmen und es ist auch was dran: So gibt es immer wieder Anfragen zur „Kulturentwicklung“, etwa mit den folgenden Wortlauten: „Unsere Kommunikationskultur ist schlecht!“ „Wir brauchen eine neue Kultur der Verbindlichkeit!“ „Wir haben keine gute Fehlerkultur!“ „Unsere Kultur der Zusammenarbeit passt nicht zu unserem Auftrag!“ Weitere Anfragen lauten auf die Entwicklung einer offenen Organisations- bzw. Unternehmenskultur, einer agilen Unternehmenskultur, auf die Entwicklung guter, starker, dialogischer oder whatever Unternehmenskultur. Aber was ist Unternehmenskultur eigentlich? Und wie geht Kulturentwicklung? Dazu findest Du hier Antworten, die Du schnell und einfach in Deiner Organisation umsetzen kannst. Denn dazu sind „Culture Hacks“ hilfreich. Aber der Reihe nach:

Was ist Unternehmenskultur?

Zu dieser Frage gibt es X-tausend Veröffentlichungen. Diese will und kann ich hier nicht vollständig wiedergeben. Entsprechend halte ich mich hier an die Ausführungen aus Wikipedia. Demnach beschreibt der Begriff Organisationskultur die Entstehung und Entwicklung kultureller Wertmuster innerhalb von Organisationen.

„Die Organisationskultur wirkt auf alle Bereiche des Managements (…). Jede Aktivität in einer Organisation ist auf Basis ihrer Kultur entstanden und dadurch kulturell beeinflusst. Das Selbstverständnis der Organisationskultur erlaubt es Organisationsmitgliedern, Ziele besser verwirklichen zu können. Außenstehende können durch diese Kenntnis die Organisation besser verstehen.“

Zur Komplexitätsreduktion hier die Definition von Unternehmenskultur von Edgar H. Schein:

Organisations- bzw. Unternehmenskultur zeigt sich demnach als „ein Muster grundlegender Annahmen – erfunden, entdeckt oder entwickelt von einer vorgegebenen Gruppe, während diese lernt mit den Problemen der externen Adaption und internen Integration umzugehen – die gut genug funktionierten, um [von dieser Gruppe] als gültig angesehen zu werden, und die deshalb neuen Mitgliedern vermittelt werden als richtige Methode der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens bezüglich dieser Probleme.“ (1985, 9)

Schein entwickelte das Kultur-Ebenen-Modell, wonach sich Organisationskultur auf den folgenden drei Ebenen zeigt (aus Wikipedia):

  • „An der Oberfläche liegen die sichtbaren Verhaltensweisen und andere physische Manifestationen, Artefakte und Erzeugnisse. Beispiele sind Kommunikationsverhalten mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, Logo, Parkplätze, Bürolayout, verwendete Technologie, das Unternehmensleitbild aber auch die Rituale und Mythen der Organisation.
  • Unter dieser Ebene liegt das Gefühl, wie die Dinge sein sollen; kollektive Werte sind beispielsweise „Ehrlichkeit“, „Freundlichkeit“, „Technik-Verliebtheit“, „spielerisch“, „konservativ“ usw. also Einstellungen, die das Verhalten von Mitarbeitern bestimmen.
  • Auf der tiefsten Ebene sind die Dinge, die als selbstverständlich angenommen werden für die Art und Weise, wie man auf die Umwelt reagiert (Grundannahmen). Diese Grundannahmen (engl. basic assumptions) werden nicht hinterfragt oder diskutiert. Sie sind so tief im Denken verwurzelt, dass sie von Mitgliedern der Organisation nicht bewusst wahrgenommen werden.“

Soweit, so gut.

Aber interessant ist ja vor allem die Frage, wie sich Unternehmenskultur gestalten lässt.

Wie lässt sich Unternehmenskultur gestalten?

Unternehmenskultur lässt sich „nicht (…) durch die Verkündigung neuer organisationskultureller Werte verändern“ (Kühl, 2018).

Anders ausgedrückt:

Das Ausrufen von einer „neuen Fehlerkultur“, die Durchführung eines Innovationsworkshops und die Hoffnung, dass am Montag alles innovativ wird oder die Festschreibung neuer Werte zur Verbesserung der Kommunikationskultur bringen – kurz – nix!

Was aber dann? Dazu bringt es Kühl auf den Punkt:

Der einzige Hebel des Managements, die Organisationskultur zu verändern, sind Veränderungen der Formalstruktur. Nicht so, wie es sich ein steuerungsbegeistertes Management vielleicht wünschen mag – nämlich, dass mit der Verkündigung der formalen Struktur auch gleichzeitig die passenden Veränderungen der Organisationskultur mitangeregt werden könnten, sondern vielmehr dadurch, dass jede Veränderung in den offiziellen Berichtswegen, jede Verkündigung eines neuen offiziellen Ziels, jede Einstellung, Versetzung oder Entlassung Auswirkungen auf die informalen Prozesse in den Bereichen, Abteilungen oder Teams hat.“

Das wiederum sagt, dass egal, was getan wird, alle Veränderungen, die die Formalstruktur betreffen, Auswirkungen auf die Kultur haben.

Unter der Formalstruktur lassen sind die expliziten, in der Regel verschriftlichten Vorgaben innerbetrieblicher Abläufe und Strukturen in einer vorgegebenen Ordnung zu verstehen. Das können z.B. die Definition der Arbeitsteilung, die Beschreibung der Prozesse und Arbeitsabläufe oder die Festlegung von Weisungsbefugnissen sein.

Unklar bei der Veränderung der Formalstruktur bleibt jedoch, welche Auswirkungen genau diese Entscheidungen und damit Veränderungen auf die Kultur haben.

Und daraus wiederum folgt, „dass jede Entscheidung zur Veränderung der formalen Strukturen auf der Seite der Organisationskultur nicht nur antizipierte und gewollte, sondern auch ungewollte Nebenfolgen mit sich bringt“ (ebd.).

Schwierig, oder?

Egal, was in der Organisation an der Formalstruktur geändert wird, hat irgendwelche Auswirkungen auf die Kultur der Organisation. Und da soll man als Führungskraft durchblicken, Entscheidungen treffen und entspannt bleiben? Gibt es keine Möglichkeit, Kulturveränderungen „sicher“ anzugehen?

Doch, gibt es, zumindest „halbwegs sicher“:

Culture Hacks!

Unternehmenskultur gestalten: 19 Culture Hacks (nicht nur) für soziale Organisationen

Culture Hacks lassen sich als kleinen Interventionen und Impulse definieren, die einfach, schnell und „sicher“ getan werden können, um eine positive, sich idealerweise verstärkende Veränderung der Formalstrukturen herbeizuführen.

Culture Hacking ist damit die bewusste Gestaltung, Umsetzung und Bewertung kleiner Maßnahmen, um einen positiven kulturellen Wandel in der Organisation herbeizuführen.

Jetzt aber los.

Hier folgen 17 Culture Hacks für die Gestaltung der Unternehmenskultur sozialer Organisationen, die ich aus der eigenen Arbeit und natürlich aus dem Netz zusammengetragen habe. An dieser Stelle ganz lieben Dank an Maike Kueper, die unter dem Link hier einen tollen Thread versammelt hat, der sich ebenfalls mit kleinen Interventionen auf die Kultur befasst. Lohnt sich…

#1: Besprechungen nur im Stehen

Nicht umsonst heißen Daily StandUps StandUps: Sie finden im Stehen statt. Damit soll ausgedehnten Beschwerdesitzungen vorgebeugt werden. Dazu müssen idealerweise alle Möbelstücke aus dem Raum entfernt werden. Denn wenn man sich nirgends anlehnen oder den Ellbogen aufstützen kann, kann man sich auch nicht bequem (bspw. im eigenen Gejammer) niederlassen.

#2: Harte Fragen

Es wird keine Teamsitzung beendet, bevor nicht jede_r drei wirklich schwierige, harte Fragen gestellt hat. Damit sind Fragen gemeint, die man sich normalerweise im informellen Raum an der Kaffeemaschine nach dem Ende der Sitzung gegenseitig unter den Mitarbeiter_innen stellt. Dies setzt psychologische Sicherheit voraus und erfordert auch von der Führungskraft die Bereitschaft, sich auf die schwierigen Fragen offen einzulassen.

#3: Keine verpflichtende Teilnahme an Teamsitzungen

In meinem letzten Beitrag habe ich von der Idee geschrieben, Teamsitzungen zu gestalten, zu denen die Menschen kommen dürfen und nicht müssen. Probier das doch mal bei Dir aus: Es ist kein Problem, wenn jemand nicht kommt. Wenn Teamsitzung einladungsbasiert gestaltet werden, stellst Du fest, ob sie wirklich sinnvoll sind. Alternativ denkbar ist auch, Meetings wie Barcamps zu gestalten und das Gesetz er zwei Füße walten zu lassen: Wenn es Dir nicht passt, stehe auf und gehe aus der Sitzung!

#4: Keine Sitzungen und Meetings

Etwas radikaler als der vorgenannte Hack ist es, einfach mal für eine bestimmte Zeit alle Sitzungen nicht stattfinden zu lassen und zu schauen, was passiert. Vielleicht können endlich mal alle wirklich arbeiten.

#5: Nutzer*innen einbeziehen

Wie wäre es, bei allen (!) zu treffenden Entscheidungen die Nutzer*innen Deiner Organisation, die Zielgruppe, einzubeziehen? Und ja, egal welche Entscheidung – bei allen!

#6: Tabus benennen

Installiere ein Whiteboard im Eingang Deiner Organisation und schreibe nur eine einzige Frage drauf: „Was ist das größte Tabu hier ?“ Und dann lege jede Menge PostIts und Stifte daneben. (Danke an Nicolas Korte für die Idee) Alternativ könntest Du auch die Frage draufschreiben: „Wenn du eine Sache hier ändern könntest, was wäre das?“

#7: DUzen

Keine Ahnung, wie es in Deiner Organisation gehandhabt wird, aber wie wäre es, einfach alle zu duzen – wie gesagt, zumindest für einen begrenzten Zeitraum?

#8: Menschen zum Lern Coffee einladen

Selbst getestet und für gut befunden: Kennst Du alle Menschen in Deiner Organisation? Naja, alle ist vielleicht etwas viel. Aber gestalte doch eine Einladung zu einem Leon Coffee und verteile diese an Menschen, von denen Du denkst, dass ein Austausch weiterhelfen kann. Leon Coffee kennst Du nicht? Dann schau doch mal hier. https://agile-verwaltung.org/2016/08/18/aus-der-agilen-methodenkiste-lean-coffee-kollegialer-wissensaustausch-leicht-gemacht/

#9: Barcamp veranstalten

Ja klar, etwas aufwendiger, aber warum muss die nächste Veranstaltung in Deiner Organisation so wie immer (Kaffee, Vorstand spricht, Pausen sind das Beste) ablaufen? Wie wäre es stattdessen mit einem organisationsinternen Barcamp?

#10: Menschen auf Barcamps schicken

Wenn es schon kein eigenes Barcamp ist, warum nicht einfach festlegen, dass jede*r im Team mindestens ein Barcamp pro Jahr besuchen muss? Ja, muss! Um zu erleben, welche Kraft die Ideen der vielen entfalten kann und wie singhaft es ist, mitzugestalten.

#11: 10% Arbeit an eigenen Projekten ermöglichen

Ja, ich weiß, in unserem Kontext ist das oft schwierig, da sowieso alle zu 110 % ausgelastet sind und freie Zeit schon mal gar nicht finanziert wird. Aber vielleicht gelingt es ja für einen begrenzten Zeitraum: Jede_r darf 10% seiner_ihrer Arbeit für eigene Ideen, Projekte oder auch für das eigene Lernen aufwenden, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Am Ende wird vorgestellt, wer sich mit was befasst hat.

#12: Montags keine Meetings

Oben hatte ich ja vorgeschlagen, gar keine Meetings zu machen. Aber wie wäre es, wenn zumindest ein Tag in der Woche meetingfrei wäre? Gerne in Verwaltungs-, Führungs- oder Referent_innenpositionen muss man neben den Meetings ja auch irgendwann mal arbeiten…

#13: Geld für die Kündigung

Wie wäre es, jedem_r Mitarbeiter_in 5.000 EUR anzubieten, wenn er oder sie sofort kündigt? Klingt komisch, bringt aber zum Nachdenken über die Passung zum Unternehmen… Ja, ich weiß, unter Bedingungen des Fachkräftemangels nicht so einfach. Und gleichzeitig ist es so, dass die Menschen in der Organisation die Kultur prägen, immer.

#14: Feheler feiern

Oben hatte ich was von Fehlerkultur geschrieben. Aber mal ernsthaft: Geben wir Fehler gerne zu? Eher nicht, oder? Wir sind es vielmehr gewohnt, dass Fehler mit Sanktionen geahndet werden, was dazu führt, dass man neue, vielleicht etwas riskante Dinge gar nicht erst angeht. Wie wäre es stattdessen, Fehler explizit zu belohnen (Fehler des Monats?) und – das ist wichtig – daraus zu lernen?

#15: Befassung mit dem Wie der Zusammenarbeit

Anstatt dauernd über das Was (Aufgaben, Zeiten, Telefondienst…) zu sprechen, eine Teamsitzung explizit zur Festlegung von Leitlinien der gemeinsamen Zusammenarbeit nutzen und das gemeinsame Wie der Zusammenarbeit festlegen. Diese Leitlinien immer wieder anpassen (bspw. bei MA-Wechsel).

#16: 1 – 2 – 4 – all in Teamsitzungen nutzen

Irgendwie ist es doch immer so, dass die Lautesten am meisten sprechen?! Dagegen hilft es, die Methode 1 – 2 – 4 – all aus den liberating structures zu nutzen und somit alle (!) Beteiligten zu Wort kommen zu lassen.

#17: Lesen

Jede*r im Team muss ein (Fach-)Buch im Monat lesen und darüber berichten. Was??? Es gibt Fachbücher? Ja, sogar für das Sozialwesen. Aber leider ist es so, dass Fachliteratur nach dem Studium kaum noch in die Hand genommen wird. Das solltest Du ändern. Und wer nicht gerne liest: Wie wäre es mit Podcasts oder Youtube-Videos, die dann gemeinsam reflektiert werden und deren Ideen für die gemeinsame Arbeit genutzt werden?

#18: Bewerbungsverfahren abschaffen

Oben hatte ich den Fachkräftemangel schon mal erwähnt. Dieser ist real in unserer Branche. Und wie wäre es vor dem Hintergrund, einfach auf die oft sinnlosen Bewerbungsverfahren zu verzichten und nur die notwendigsten Dokumente einzufordern? Und dann gemeinsam zu arbeiten und die Probezeit wirklich als Probezeit – für beide Seiten – zu verstehen?

#19: Die Mitarbeiter_innen nach weiteren Culture Hacks fragen

Yoah, warum eigentlich nicht? Da kommt sicherlich etwas Spannendes zustande. Und dann einfach mal ausprobieren, was wie wirklich wirkt…

Experimentieren, oder: Der Culture Hacking Prozess

Im letzten Punkt habe ich „einfach mal ausprobieren“ geschrieben. Ein Prozess, der Sicherheit im Neuen gibt, macht jedoch Sinn. Denn um Culture Hacks einzuführen und zu testen ist ein experimentelles, aber trotzdem geleitetes Vorgehen hilfreich. Das geht so:

Der erste Schritt ist, sich im Team für einen Culture Hack, den man für einen bestimmten Zeitraum testen will, zu entscheiden. Hier hilft ein hypothesenbasiertes Vorgehen: „Wenn wir XY testen, passiert Z!“

Dann wählt man idealerweise eine_n Beauftrage_n, die den Prozess organisiert und am Laufen hält.

Zum Prozess ist relevant, einen Zeitraum bzw. eine Häufigkeit der Durchführung des Hacks festzulegen. Der Zeitraum sollte nicht zu lang und nicht zu kurz sein. Bewährt haben sich Zeiträume zwischen einem und drei Monaten, so dass genug Lernmöglichkeiten bestehen, das Durchhalten möglich ist und nicht vorzeitig abgebrochen wird.

Relevant ist außerdem, dass Feedback und Rückmeldungen zur Intervention gesammelt und nicht direkt diskutiert werden. Denn dazu sind die Retrospektiven da:

In der Retrospektive wird dann geschaut, was gut lief und wo Schwierigkeiten aufgetreten sind. Wichtig ist hier die Teamentscheidung, ob man den Hack fortsetzen oder wieder einstellen will. Darauf folgt dann entweder der nächste Schritt oder eine Pause.

Übergreifend macht es dann Sinn, die Erkenntnisse und Erlebnisse im Sinne des Co-learnings in der Organisation weiterzutragen.

Zum Abschluss ist mir noch wichtig, dass es sich bei den hier skizzierten Hacks um Culture Hacks auf Teamebene handelt. Es lohnt sich aber auch, zu überlegen, was Du ganz individuell ändern kann, um Impulse zu setzen und Veränderung zu bewirken. Wie wäre es bspw. damit, jeden Tag jemandem ganz explizit Danke zu sagen und die Arbeit einer_s Kolleg_in zu wertschätzen? Oder noch einfacher: Setz Dich einfach mal in der nächsten Teamsitzung auf den Platz, an dem normalerweise der_die Chef_in sitzt… 😉


Und jetzt Du: Welche Hacks kennst Du noch? Welchen Hack willst Du bei Dir vielleicht sogar testen? Und wenn Du schon getestet hast: Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Lass uns teilhaben an Deinen Erfahrungen.

Quellen:

  • Herget, J. (2021): Culture Hacks strategisch einsetzen – Mit gezielter Irritation zur gewünschten Unternehmenskultur. Springer. Download.
  • Kühl, S. (2018): Organisationskulturen beeinflussen (German Edition) (S.57). Springer Fachmedien Wiesbaden. Kindle-Version.
  • Schein, E.H. (1985): Organizational Culture and Leadership. A Dynamic View, San Francisco etc. (Jossey-Bass).