Schlagwort: Methode

Marktplatz der Erwartungen, oder: Rollen in Organisationen gemeinsam definieren

Tags: , , , , , , , , , ,

„Enttäuschte Erwartungen (…) sind recht verlässliche Auslöser von Konflikten“ (Eidenschink, 2024, 8). So gehen Mitarbeiter:innen fälschlicherweise davon aus, dass andere die jeweils anstehenden Aufgaben in ihren jeweiligen Rollen, Mandaten bzw. Verantwortungsbereichen übernehmen werden und sind dann enttäuscht, wenn dies nicht passiert. Entsprechend macht es Sinn, zu überlegen, wie Konflikte zu regulieren sind, auch wenn – kurzer Einschub – Organisationen ohne Konflikte nicht lange existieren können (vgl. ebd.). Wenn sich Konflikte aber in vielen Fällen an enttäuschten Erwartungen manifestieren, macht es Sinn, zu überlegen, wie diese Erwartungen transparenter, besser zugänglich und für alle Beteiligten „erwartbarer“ werden können. Daher ist es (nicht nur in selbstbestimmt agierenden Teams) wichtig, ein klares Verständnis über und klare Erwartungen an die Rollen, Mandate bzw. Verantwortungsbereiche in der Organisation und damit (möglichst) klare Zuständigkeiten zu etablieren. Eine Möglichkeit, diese Erwartungen herauszuarbeiten, zu überprüfen und weiterzuentwickeln, bietet die Methode „Marktplatz der Erwartungen“.

Mir persönlich übrigens gefällt der Begriff der „Rolle“ nicht so gut. Er erinnert mich immer an die Rolle des „Klassenclowns“ oder des „kritischen Geists“ im Team: Person XY hat eine bestimmte „Rolle“ aufgrund ihres persönlichen Verhaltens zugesprochen bekommen. Besser gefällt mir der Begriff „Mandat“, mit dem deutlich(er) wird, dass ein bestimmter Verantwortungsbereich definiert ist, der über das Mandat abgedeckt ist. Der Einfachheit halber jedoch nutze ich im Folgenden (meist) den Begriff „Rolle“, da sich dieser im Diskurs etabliert hat.


Kleines Goodie: Hier kannst Du eine Rollencanvas als PDF herunterladen, die hilft, die Rollen gut zu definieren.


Marktplatz der Erwartungen – wozu eigentlich?

Um effektiv und effizient zusammenzuarbeiten, ist es in jedem Team wichtig, dass Rollen, Mandate bzw. Verantwortungsbereiche, die Teammitglieder übernehmen, transparent sind (vgl. hierzu auch das GRPI-Modell). Diese Rollen sollten idealerweise miteinander abgestimmt, klar definiert und voneinander abgegrenzt sein. Nur so ist jedem Teammitglied klar, welche konkreten Aufgaben es zu erledigen hat und wofür es zuständig und verantwortlich ist. Es entstehen Erwartungen – zum einen von jedem einzelnen Teammitglied an seine eigene Rolle und zum anderen Erwartungen an die Rollen der anderen Teammitglieder.

Leider zeigt die Praxis, dass die Erwartungen an die Rollen in den seltensten Fällen ausgesprochen und damit transparent sind (oftmals fehlt aber sogar die Definition der Rollen, womit jede:r irgendwie für alles und nichts zuständig ist).

Dies liegt oft daran, dass Organisationsbereiche, Abteilungen und sogar Teams häufig eher zufällig zusammengesetzt sind oder Veränderungsprozessen und individuellen Einflüssen unterliegen bzw. unterlegen haben, wodurch es zu Veränderungen in der Rollenstruktur kommt. Entsprechend treffen im Arbeitsalltag viele unterschiedliche, vor allem aber ungeklärte Erwartungshaltungen aufeinander, was Konflikte vorprogrammiert.

Mit dem „Marktplatz der Erwartungen“ wird ermöglicht, dass ein Team gemeinsam verschiedene Sichtweisen auf Rollen, auf die Erwartungen an die Rollen und auch auf Aufgaben und Zuständigkeiten erarbeitet. Ziel ist, herauszufinden, ob die eigenen und die Erwartungen der anderen an die jeweiligen Rollen gerechtfertigt sind oder nicht.

Der Prozess ähnelt dem Feilschen auf einem Markt und ermutigt dazu, Erwartungen offen zu diskutieren.

Methodisches Vorgehen beim Marktplatz der Erwartungen

Vorab: Es ist wichtig, die benötigte Zeit zur Erwartungsklärung nicht zu unterschätzen. Für die Durchführung sollten (je nach Teamgröße) mindestens zwei bis drei Stunden eingeplant werden. Das Vorgehen hingegen ist einfach und erfordert nur geringe Vorbereitung.

Die einzelnen Schritte sind wie folgt:

1. Teilnehmer in Rollen einteilen (5 Minuten): Die Teilnehmer werden entsprechend relevanter Kriterien wie Fachrichtung, Aufgabenbereich oder Stellenbezeichnung in Gruppen eingeteilt. Zum Beispiel könnten dies Pflegedienstleitung, Einrichtungsleitung und Wohnbereichsleitung sein. Mitarbeiter:innen, die mehrere Rollen innehaben, wählen eine Rolle aus.

2. Jede Rolle eröffnet ihren „Marktstand“ (5 Minuten): Jede Gruppe oder Person positioniert sich vor einem leeren Flipchart, das als „ihr Marktstand“ dient. Zuerst wird die Rolle benannt und der Marktstand entsprechend beschriftet. Anschließend können die Erwartungen an diese Rolle auf Post-Its notiert und an der linken Seite des Flipcharts platziert werden.

3. Auf dem Marktplatz umhergehen (je Marktstand mind. 10 Minuten, Time-Boxing): Die Gruppen bewegen sich im Uhrzeigersinn von einem Marktstand zum nächsten. Am neuen Marktstand informieren sie sich über die Funktionsbezeichnung und die bereits abgegebenen Erwartungen. Anschließend ergänzen sie gemeinsam ihre eigenen Erwartungen.

Diese Schritte werden wiederholt, bis alle Gruppen alle Marktstände besucht haben.

4. Den eigenen Marktstand überprüfen (je Marktstand 10 Minuten): Am eigenen Marktstand werden die von anderen Gruppen abgegebenen Erwartungen betrachtet und beantwortet, ob diese gerechtfertigt sind, unklar erscheinen oder ungerechtfertigt sind. Nach dieser Runde sieht das Flipchart vielleicht so aus:

5. Wichtig!!! Eine Pause einlegen und Kaffee trinken (10 Minuten): Eine kurze Pause ermöglicht es den Teilnehmenden, sich zu erholen und gestärkt weiterzuarbeiten. Außerdem gehört zu jedem guten Markt ein guter Kaffeestand (geht auch mit Tee, denke ich).

6. Erwartungen klären und aushandeln (je Marktstand mind. 10 Minuten): Die Teilnehmenden versammeln sich vor jedem Marktstand, um die Erwartungen zu klären und zu verhandeln – feilschen, wie auf einem Markt. Falls Erwartungen von der einen oder der anderen Seite abgelehnt werden, wird diskutiert, wie damit umgegangen werden soll.

7. Erwartungen festhalten (je Marktstand 10 Minuten): Die festgelegten Erwartungen sollten schriftlich festgehalten und visualisiert werden, damit sie für alle zugänglich sind.

8. Weiteres Vorgehen festlegen (5 Minuten): Abschließend wird vereinbart, wann die Erwartungen erneut überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollen.

Digitaler Marktplatz der Erwartungen für die Gesamtorganisation

Das oben beschriebene Vorgehen eignet sich wunderbar, wenn es um die Klärung der Erwartungen in einem Team geht. Oftmals stelle ich jedoch fest, dass die Erwartungen an die Rollen und sogar an die Stellen in der Gesamtorganisation nicht definiert sind. Fragen wie „Welche Erwartungen haben wir als Einrichtungsleitung eigentlich an die Pflegedienstleitung, an die Teamleitung, an die Bereichsleitungen, an die Fachkräfte in Arbeitsfeld XY usw. haben wir eigentlich?“ sind nicht geklärt. Und auch die Stellenbeschreibungen geben oftmals wenig echte Auskunft. Aber die Durchführung des „Marktplatz der Erwartungen“ in der Gesamtorganisation?

Viel zu aufwendig!

Alternativ schlage ich dazu eine digitale Variante vor. Hinzuweisen ist darauf, dass diese Variante „von oben“ gesteuert ist, die Geschäftsführung, der Vorstand bzw. insgesamt die Führungskräfte nehemen dabei dann eine entsprechend wichtige (und prägende) – genau – Rolle ein.

Folgendes Vorgehen hat sich hier bewährt:

1. Rollenstruktur definieren: Zunächst wird die aktuell existierende Rollenstruktur durch die Verantwortlichen beschrieben. Die Verantwortlichen können dabei die Geschäftsführung, Bereichsleitungen etc. sein – je nach betrachtetem Bereich. Es macht Sinn, im Sinne einer Ist-Analyse alle aktuell bestehenden Rollen aufzulisten. Achtung Wiederholung: Unter Rollen sind nicht (nur) die Stellen der Organisation zu verstehen. So kann bspw. die Stelle „pädagogische Fachkraft“ unter bestimmten Bedingungen mehrere Rollen bzw. Mandate einnehmen (bspw. das Mandat „Eingewöhnung“ oder das Mandat „Budget“). Es macht dann sind, die Ist-Situation mit einer gewünschten Soll-Situation abzugleichen. Hierbei wird deutlich, ob alle bestehenden Rollen noch weiter existieren sollen oder ob es Anpassungsbedarf gibt.

2. Rollen definieren: Die Rollen, die zukünftig in der Organisation existieren werden, müssen definiert werden. Dafür ist für jede Rolle ein eigenes Dokument anzulegen. Eine Orientierung für die Gliederung der Rollendefinition kann bspw. die RACI-Matrix geben. Diese untergliedert die Verantwortlichkeiten in die vier Bereiche

  • Responsible
  • Accountable
  • Consulted
  • Informed

Aus meiner Sicht ist das oftmals zu komplex und gerade in sozialen Settings wenig handhabbar. Entsprechend kann auch eine Einteilung anhand von

  • Aufgaben,
  • Verantwortlichkeiten und
  • Befugnissen

erfolgen. Allein schon die Beschreibung der von der jeweiligen Rolle erwarteten Aufgaben kann aber ausreichend und augenöffnend sein.

3. Rollendefinition teilen: Im nächsten Schritt sind die erarbeiteten Rollendefinition in der Organisation zu teilen. Dabei sind zwei Optionen denkbar: Es können a) die Rollendefinitionen offen geteilt werden. Es werden dann alle oder zumindest ein passender Anteil der Mitarbeiter:innen eingeladen, die Rollendefinitionen zu ergänzen. Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, dass es nicht darum geht, dass alle Rückmeldungen eins-zu-eins in die Rollendefinition einfließen, sondern als Anregungen zu verstehen sind. Die endgültige Entscheidung liegt bei den Verantwortlichen. Hier wird die Herausforderung dieses Vorgehens klar. Gleichzeitig haben aber natürlich auch die anderen Mitarbeiter:innen Erwartungen an alle Rollen in der Organisation. Alternativ dazu kann es b) eben auch Sinn machen, die Rollendefinitionen nur mit den betroffenen Mitarbeitenden zu besprechen. Dadurch werden die Erwartungen im kleinen Kreis reflektiert, diskutiert und für beide Parteien passend erarbeitet. Das hat natürlich den Vorteil, einfacher und schneller agieren zu können. Gleichzeitig werden die Erwartungen der anderen Mitarbeitenden nicht berücksichtigt – logisch.

4. Rollendefinition entscheiden und transparent machen: Abschließend ist der (mehr oder weniger) gemeinsam erarbeitete Entwurf der Rollendefinition zu entscheiden. Wiederum besteht die Option, diese Entscheidung „top-down“, mit der jeweils betroffenen Person gemeinsam oder auch im größeren Kreis (bspw. mithilfe der Konsent-Moderation) zu entscheiden. Und dann gilt es „nur noch“, die entschiedenen Definitionen in der Organisation zu veröffentlichen und damit diesen entsprechende Gültigkeit zu verleihen.

Marktplatz der Erwartungen – Tipps

Eine Moderation durch eine unparteiische Person kann aus meiner Perspektive sehr hilfreich sein, um das Treffen effektiv zu leiten und emotionale Spannungen abzubauen, bevor es zu Konflikten kommt. Dies ermöglicht es den Teilnehmenden, sich auf den Inhalt zu konzentrieren und fundierte Entscheidungen bzgl. der jeweiligen Rollen zu treffen.

Außerdem macht es Sinn, regelmäßige Rollengespräche (vielleicht im Rahmen der Mitarbeitergespräche, sofern diese gelebt werden) zu etablieren, in denen die Führungskräfte mit den Mitarbeiter:innen über ihre jeweiligen Rollen und vor allem ihre jeweiligen Erwartungen an die Rollen reflektieren. Denn Umwelten von Organisationen und damit die Anforderungen an Organisationen verändern sich immer. Und damit ändern sich auch die Erwartungen, die an bestimmte Rollen gekoppelt sind. Und ja, es ist auch denkbar, dass Rollen nicht mehr gebraucht werden.

Jetzt bin ich gespannt auf Deine Erfahrungen!

Das GRPI-Modell zur Teamentwicklung

Tags: , , , , , , ,

Bei meiner Arbeit in sozialen Organisationen habe ich es in den allermeisten Fällen mit Teams zu tun. Und wiederum in den allermeisten Fällen geht es darum, die Zusammenarbeit der Menschen in den Teams zu verbessern – durch die Einführung von Strukturen der Selbstorganisation, durch das Finden eines gemeinsamen Zwecks, durch die Entwicklung von Leitlinien, die Klarheit und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit schaffen sollen, und so weiter und so fort… Doch vor der Einführung neuer Strukturen, Methoden etc. steht die Frage: Wo liegen eigentlich genau die Probleme, die gelöst werden sollen? Um diese Frage zu beantworten, verwende ich unter anderem gerne das GRPI-Modell.

Dieses einfache, aber wirkungsvolle Modell möchte ich im Folgenden vorstellen. Dabei werde ich zunächst erläutern, was das Modell ist, um dann zu beschreiben, wie ich damit arbeite. Vielleicht ergeben sich daraus hilfreiche Optionen für die Arbeit in Deinem Team und/oder Deiner Organisation?

GRPI-Modell – was ist das eigentlich?

Das GRPI-Modell wurde 1972 von dem amerikanischen Organisationstheoretiker Richard Beckhard entwickelt. Das Modell kann verwendet werden, um die Ursachen von Problemen und Störungen in Teams zu diagnostizieren.

Auf der Grundlage dieser Diagnose kann dann die Effektivität, Produktivität, Qualität und Effizienz von Teams verbessert werden.

Das Modell betrachtet die vier Schlüsseldimensionen Ziele (Goals), Rollen (Roles), Prozesse (Processes) und Beziehungen (Interpersonal Relationships), die aus Beckhards Sicht zu Konflikten in Teams führen, wenn sie nicht klar und transparent sind.

Vereinfacht stellt das Modell folgende Fragen:

  • „Tun wir die richtigen Dinge?“ (Goals)
  • „Tun die richtigen Menschen die richtigen Dinge?“ (Roles)
  • „Tun wir die richtigen Dinge richtig?“ (Processes)
  • „Tun wir die richtigen Dinge miteinander richtig?“ (Interpersonal Relationsships)

Etwas differenzierter ist unter den vier Dimensionen Folgendes zu verstehen:

  • Goals (Ziele) fragt nach dem Zweck des Teams: Wozu existiert das Team und was ist seine Daseinsberechtigung? Was soll es erreichen? Hier geht es auch darum, wer die Stakeholder des Teams sind, d.h. wer was von den Ergebnissen des Teams hat.
  • Roles (Zuständigkeiten, Rollen) beschäftigt sich mit der Aufgabenverteilung im Team. Hier steht die Frage im Vordergrund, welche unterschiedlichen Rollen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten es im Team gibt und wie klar oder unklar diese formuliert sind?
  • Processes fokussiert auf die Arbeitsabläufe, Arbeitsweisen, Regeln und Vorgaben, an denen sich das Team in seiner Arbeit orientiert. Auch hier steht im Mittelpunkt, ob und wie klar diese Konditionalprogramme (Wenn-Dann-Regeln) formuliert sind und wie effektiv bzw. effizient sie sind.
  • Interpersonal Relations (Beziehungen) fragt nach der Atmosphäre im Team: Wie wird das Miteinander, der Teamgeist, der Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen bewertet und wo gibt es Interventionsbedarf?

Interessant an dieser Stelle finde ich die Überschneidung zu den Ergebnissen der Aristotle-Studie von Google, zu der Du hier mehr Informationen findest. Nur kurz:

In der Studie wurden rund 180 Google-Teams untersucht, um Muster zu finden, warum einige Teams scheitern, während andere Spitzenleistungen erbringen. Relevant für eine gute Zusammenarbeit im Team ist demnach, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen und der Umgang miteinander respektvoll und von Sicherheit und Verlässlichkeit geprägt ist (Interpersonal Relationsships). Darüber hinaus sind Klarheit und Struktur sowie Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit wichtig (Goals, Processes, Roles).

Arbeiten mit dem GRPI-Modell

Zu Beginn habe ich geschrieben, dass ich das Modell in meiner Arbeit mit Teams implizit oder explizit verwende.

Implizit bedeutet, dass ich es bei bestimmten Themen einfach „im Kopf“ als Hintergrundfolie mitlaufen lasse:

  • Was ist das für ein Team, das ich hier vor mir habe?
  • Wo könnten Fragen liegen, die das Team beschäftigen?
  • Wie agieren die Teammitglieder miteinander?
  • Wo – an welcher Stelle des GRPI-Modells – liegen die größten Herausforderungen?

Auf dieser Basis entwickle ich Hypothesen, die ich durch gezieltes Nachfragen teste, um daraus bessere Handlungsoptionen für das Team, aber auch für mich zu generieren.

Explizit bedeutet, dass ich zu Beginn einer Zusammenarbeit das GRPI-Modell als Grundlage für die Teamanalyse verwende.

Dazu stelle ich – z.B. im Rahmen einer Teamklausur – das Modell in einem ersten Schritt kurz vor und erläutere den Nutzen und die im Folgenden dargestellten Fragestellungen. Es ist von Vorteil, dass das Modell leicht verständlich ist. Gleichzeitig ist zu betonen, dass es sich um ein Modell handelt und daher die komplexe Realität eines Teams nie vollständig erfassen kann.

Nach der Vorstellung des Modells werden die vier Dimensionen des Modells vertieft. Dies geschieht anhand der folgenden Fragen:

Goals

Unklare Ziele und ein unklares Verständnis der gemeinsamen Ausrichtung und des Zwecks – des „purpose“ – des Teams führen zu enormer Ineffizienz und bergen ein großes Konfliktpotenzial.

Daher ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis der Ziele und des Zwecks des Teams zu schaffen. Zu diesem Zweck sollte sich jedes Teammitglied zunächst allein, dann in Kleingruppen und schließlich im gesamten Team über folgende Fragen verständigen (methodisch bspw. mithilfe der Methode 1 – 2 – 4 – all aus den Liberting Structures):

  • Was ist der Zweck unseres Teams? Welchen Zweck wollen wir für wen erreichen?
  • Was genau soll das Ergebnis für die Nutzer_innen sein? Was wird sich für die Nutzer_innen verändert haben, wenn wir unser Ergebnis erreicht haben?
  • Wie werden wir unseren Fortschritt messen? Welche messbaren oder beobachtbaren Indikatoren legen wir fest?
  • Welche Ziele, die wir erreichen wollen, leiten sich aus dem Zweck ab? Wie unterteilen wir die Ziele in Unterziele? Wie und wie oft überprüfen wir unsere Ziele und Teilziele?
  • Stehen unsere Ziele und die Art und Weise, wie wir an ihnen arbeiten, noch im Einklang mit unserem Umfeld? Werden die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Stakeholder erfüllt?
  • Stehen alle im Team hinter unseren Zielen?

Roles

Ein klarer Zweck und daraus abgeleitete Ziele allein reichen nicht aus, um wirklich gut zusammenarbeiten zu können.

Wenn die Struktur des Teams sowie die Rollen und Verantwortungsbereiche unter den Teammitgliedern nicht klar sind und außerdem nicht den Kompetenzen der Rolleninhaber:innen entsprechen, entstehen Probleme, Konflikte und Schuldzuweisungen.

Insbesondere stelle ich in der Arbeit mit Teams fest, dass Konflikte häufig auf sich überschneidende Verantwortungsbereiche zurückzuführen sind, die zu Machtkämpfen zwischen den Rolleninhaber_innen führen können.

Die Beantwortung der folgenden Fragen kann Klarheit in die Gestaltung der funktionalen Rollen und Verantwortungsbereiche im Team bringen:

  • Welche Aufgaben fallen bei uns an, um unsere Ziele zu erreichen? Tragen die Aufgaben dazu bei, unsere Ziele zu erreichen, oder beschäftigen wir uns hauptsächlich mit uns selbst bzw. mit organisationsinternen Bezügen?
  • Wer soll was tun? Wer ist für welche Aufgaben zuständig? Wer in unserem Team hat welche Befugnisse?
  • Sind unsere Rollen klar beschrieben und verstehen alle Teammitglieder ihre eigenen Rollen und Verantwortlichkeiten? Sind allen Teammitgliedern die Rollen und Verantwortungsbereiche der anderen Teammitglieder klar?
  • Sind alle Teammitglieder mit ihren Rollen und Zuständigkeiten zufrieden? Entsprechen die Rollen der einzelnen Teammitglieder ihren persönlichen Ambitionen (Wollen) und Fähigkeiten (Können)?

Processes

Unter den Prozessen sind alle formal beschriebenen (Routine-)Vorgänge (Konditionalprogramme) zu verstehen, die dem Team ermöglichen, Entscheidungen zu treffen, Konflikte zu lösen, Informationen auszutauschen etc.

Klar definierte und beschriebene Prozesse ermöglichen eine wirksame Zusammenarbeit bei der Problemlösung sowie eine offene Kommunikation.

Und die meisten Teams sozialer Organisationen, die ich kennenlernen durfte, verfügen nicht über ein klar definiertes Set an Prozessen, um ihre Routinetätigkeiten effizient zu organisieren.

Helfen können die folgenden Fragen:

  • Haben wir klar definierte Regeln und Verfahren für den Umgang mit dem Mehrwert der Norm (Routinen)?
  • Wie teilen und speichern wir Informationen (z.B. aus Teamsitzungen)?
  • Wie gehen wir vor, wenn wir uns in einer Frage nicht einig sind und keine gemeinsame Basis finden?
  • Wie stellen wir die „Schnittstelle“ zur Außenwelt her? Wie sammeln wir irritationsrelevante Informationen und geben sie weiter? Wie gehen wir mit Einmischungen von außen um?
  • Wie gut sind wir in der Lage, Regeln für nicht standardisierte Themen zu finden (Wertschöpfung der Ausnahme)?

Interpersonal Relations

Teams sind keine Maschinen und können daher nicht wie Maschinen gedacht, geschweige denn „gesteuert“ werden.

Die Art und Weise, wie die Teammitglieder miteinander und mit der Gemeinschaft umgehen, muss daher berücksichtigt werden. Dies hat einen großen Einfluss auf den Geist, die Atmosphäre, die Teamkultur, das emotionale Wohlbefinden und die allgemeine Effektivität des Teams.

Hier lohnt wieder der Blick auf die Studie von Google, die dem Thema „Umgang miteinander“ enorme Bedeutung zuweist, wenn es um das Funktionieren von Teams geht:

Wie oben bereits kurz angedeutet, hing der Erfolg der Teams und damit die gute Zusammenarbeit nicht von der Zusammensetzung der Teams oder dem Führungsstil der Vorgesetzten ab und auch nicht davon, ob ein bestimmter Persönlichkeitstyp in den Teams vorherrschte („Wir brauchen nur die richtigen Leute!“). Der Erfolg der Teams hing auch nicht davon ab, ob sie selbstbestimmt, mit flachen Hierarchien oder – ganz traditionell – streng „top down“ geführt wurden. Relevant für eine gute Zusammenarbeit im Team war der Studie zufolge, wie die Teammitglieder miteinander umgingen: In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll und von Sicherheit und Verlässlichkeit geprägt. Klarheit und Struktur waren ebenso relevant wie Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit.

Damit rücken hier die folgenden Fragen in den Blick:

  • Wie gehen die Teammitglieder miteinander um?
  • Inwieweit unterstützen sie sich gegenseitig?
  • Gibt es eine solide Basis für gegenseitiges Vertrauen? Wie hoch ist das Vertrauen zwischen den Teammitgliedern?
  • Wie ist es um die psychologische Sicherheit im Team bestellt?
  • Wie respektvoll ist die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und zwischen Teammitgliedern und Führungskraft?
  • Wie ist die allgemeine Atmosphäre im Team?
  • Wie viele zwischenmenschliche Konflikte gibt es und wie wird damit umgegangen?

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Probleme und Konflikte zwar in den allermeisten Fällen auf der zwischenmenschlichen Ebene auftreten, ihre Ursache aber fast immer in unklaren Strukturen, Abläufen oder Zielsetzungen des Teams haben.

Daher gilt der Grundsatz:

„change the System – not the people!“

Fazit

Ich hoffe, dass Dir das Modell und die Fragen helfen, Dein Team besser zu verstehen und vielleicht sogar die richtigen Interventionen an der richtigen Stelle vorzunehmen? Eine Rückmeldung zu Deiner Arbeit mit dem Modell würde mich sehr freuen – gerne direkt in den Kommentaren!

Eine Intervention kann sein, Leitlinien für die Teams zu erarbeiten. Dabei kann das GRPI-Modell gut als Gliederung dienen. Mehr zur Erarbeitung von Leitlinien in Teams findest Du hier.

Es hilft, die komplexe Realität zu vereinfachen und sprachfähig zu machen. Aber es ist nicht die Realität. Aus meiner Sicht eignet es sich sehr gut, um ein tieferes Verständnis für das Funktionieren und Nicht-Funktionieren von Teams zu gewinnen. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich dann Hypothesen ableiten, die zu Interventionsmöglichkeiten werden können, um den Dysfunktionalitäten zu begegnen.

Ich möchte aber noch einmal betonen, dass wir zwar dazu neigen, Probleme auf der gleichen Ebene lösen zu wollen, auf der sie sichtbar werden. Die Quelle der zwischenmenschlichen Konflikte zwischen Teammitgliedern und zwischen Führungskräften und Teammitgliedern liegt aber in den allermeisten Fällen auf einer anderen Ebene, und eben meist auf der G-, R- und/oder P-Ebene.

Daher ist es ratsam, bei der Analyse von Problemen, Konflikten und Dysfunktionen im Team das gesamte GRPI-Modell zu betrachten und nicht nur die Ebene, auf der sich das Problem manifestiert. Und das Problem beginnt sehr oft mit unklaren und nicht abgestimmten Zielen, unklaren Prozessen und/oder nicht transparenten Rollen und Verantwortungsbereichen.

Change the system – not the people!


Hast Du das Modell mal auf Dein Team übertragen? Und welche Ergebnisse haben sich gezeigt? Hinterlasse doch einen Kommentar, damit wir alle etwas von Deinen Learnings haben…