Rezension: New Work needs Inner Work

New Work needs Inner Work

Inhalt:

Die Autorinnen des Buchs „New Work needs Inner Work“, Joana Breidenbach und Bettina Rollow, beschreiben die Zielsetzung im Ausklang des Buch sehr deutlich:

„Ziel dieses Handbuches war es, auf der einen Seite Dir als Leserin ein Gespür dafür zu geben, wie wichtig es ist neue Arbeitsformen nicht isoliert als äußere Veränderungen anzusehen, sondern die inneren Dimensionen miteinzubeziehen. Andererseits wollten wir sehr praktische Anregungen und Hilfestellungen geben, damit es Teams leichter fällt, New Work und Selbstorganisation (in unterschiedlichen Ausprägungen) umzusetzen“ (S.145).

Der Umgang mit Unsicherheit – individuell und organisational

Damit fokussiert das Buch zum einen auf jeden Leser und jede Leserin selbst: Wie genau denke ich über die Veränderungen der Arbeitswelt? Welche Bilder habe ich im Kopf, wie sich meine (berufliche und private) Zukunft gestalten wird? Wie kann ich selbst, ganz persönlich, in der sich zunehmend schneller verändernden Welt „gesund“ bleiben im besten Sinne? Wie gehe ich mit der zwangsläufigen Unsicherheit um?

Und zum anderen werden Veränderungsprozesse in Organisationen in den Blick genommen, die sich „auf den Weg nach New Work“ begeben wollen: Wie lassen sich Teams und Organisationen so gestalten, dass diese den Weg möglichst erfolgreich bestreiten können? Welche Voraussetzungen braucht es, damit das Konzept der Verbindung aus Selbstorganisation, organisationalem Sinn und Ganzheitlichkeit mehr ist als esoterisches Geschwurbel? 

In der aktuellen Diskussion um die Zukunft der Arbeit, um Arbeit 4.0 oder wie auch immer man die Entwicklung rund um „New Work“ nennen will, greift das Buch mit diesen beiden Ausrichtungen hoch relevante Fragen auf. Und insbesondere der Blick auf den eigenen Umgang mit den sich ergebenden Veränderungen ist aus meiner Perspektive alles andere als Standard.

Die Autorinnen

Joana Breidenbach lebt an der äußersten Spitze der Gegenwart. Aus meiner Perspektive und nach der Lektüre ihres Lebenslaufs scheint diese schöne Beschreibung, diese äußerste Spitze der Gegenwart, ihr Zentrum zu sein. Und für denjenigen, der es etwas greifbarer will, hat Joana (unter anderem) betterplace.org und das betterplace lab gegründet.

Die Entwicklung und Transformation dieses betterplace labs ist auch der Grund für das vorliegende Buch: Das lab wurde im Prozess hin zu einer New Work Organisation begleitet. Damit ist der Entstehungshintergrund für das Buch umrissen: das Buch ist auch ein Bericht über die Transformation des betterplace lab und die dabei auftretenden Herausforderungen und Hindernisse, geht aber – das vorweg – natürlich weit über das lab hinaus.

Begleitet wurde das lab übrigens von der zweiten Autorin, Bettina Rollow, die als freiberufliche Organisationsbegleiterin Organisationen auf dem Weg nach New Work begleitet.

Die Zusammenabreit beider Autorinnen zeigt auch die „Handbuchfunktion“ des Buchs:

Es will keine theoretische Abhandlung über die hinter sich selbst organisierenden Teams abspielenden Prozesse oder systemtheoretischen Grundlagen sein. Vielmehr soll der praktische Ansatz im Vordergrund stehen. So schließt das Buch auch mit einer Übersicht über sinnvolle Übungen zum individuellen und gemeinsamen Vorgehen +hin zu mehr Selbstorganisation.

Gliederung

Das Buch „New Work needs inner Work“ untergliedert sich in die folgenden elf Kapitel:

  • Kapitel 1: Von Hierarchie zur Potentialentfaltung
  • Kapitel 2: Außen und Innen
  • Kapitel 3: Instrumente für die innere Navigation
  • Kapitel 4: Feedback als Entwicklungsinstrument
  • Kapitel 5: Standortbestimmung – Führung und Zusammenarbeit
  • Kapitel 6: New Work als Vermeidung
  • Kapitel 7: Flucht oder Inspiration?
  • Kapitel 8: Innere Klarheit und das große Ganze
  • Kapitel 9: Die Balance zwischen Reflexion und Umsetzung
  • Kapitel 10: Die Organisation neu gestalten
  • Kapitel 11: Übungen

Kein Kochbuch für Selbstorganisation

Die Gliederung aber zeigt, dass das Buch kein „Kochbuch für Selbstorganisation“ ist.

Es wird kein Rezept beschrieben, dass immer und überall – die richtigen Zutaten vorausgesetzt – gelingt. Trotz der praktischen Ausrichtung gehen die einzelnen Kapitel in ihrer inhaltlichen Perspektive sehr tief:

New Work im hier verstandenen Sinn der zukunftsfähigen Organisationsgestaltung bedarf einer enormen Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen, mit Intuition, mit der eigenen Spiritualität, mit den eigenen Ängsten und Grenzen.

In meinen bisherigen Organisationsbegleitungen und Workshops habe ich immer davon gesprochen, dass die Menschen auf den Weg in die Selbstverantwortung begleitet werden müssen. So, wie das Industriehuhn, das auf die grüne Wiese gesetzt wird:

Das Huhn fällt um, da ihm die Muskeln fehlen, selbständig zu stehen. Das Huhn muss begleitet werden, wenn der äußere Käfig wegbricht. Und – das nehme ich mit aus dem Buch – das Wegbrechen der tradierten Strukturen, Rituale, Regeln und  Vorgaben muss nach und nach geschehen und nicht von jetzt auf gleich. Die dann im Außen fehlenden Strukturen sind durch innere Strukturen, innere Festigkeit und Methoden zu ersetzen, die selbstorganisierte Arbeit ermöglichen.

New Work ist Evolution

Ganz klar: Organisationsentwicklung hin zu New Work ist damit vielmehr Evolution als Revolution. Organisationsentwicklung hin zu New Work geht nicht mal eben so und vor allem nicht mit einem Vortrag. Inspiration für New Work ist gut und wichtig , aber danach beginnt die eigentliche Arbeit am Team, den Strukturen, Strategien und der eigenen Haltung.

Kapitel wie „New Work als Vermeidung“ zeigen aber auch, dass dieser Weg kein Zuckerschlecken ist: Konflikte im Team, aber auch ganz individuelle Ängste sind notwendiger Bestrandteil der Auseinandersetzung mit neuen Formen der Arbeit, der Organisation und übergreifend auch der Frage, was wirklich, wirklich wichtig ist. Mein Lieblingszitat passt hier recht gut: Angst ist der Preis der Freiheit.

Uneingeschränkt lesenswert, aber…

Der oder die geneigte Leser*in merkt wahrscheinlich schon, dass ich das Buch als uneingeschränkt lesenswert erachte. Die Auseinandersetzung mit dem Thema neuer Arbeit ist hochgradig relevant. Das übliche Geblubber vom „höher, schneller, weiter“ der angeblich so dringend benötigten Agilität findet sich hier nicht. Sondern eine ganz ehrliche Auseinandersetzung mit dem Weg hin zu mehr Flexibilität, Sinn, Selbstorganisation und am Ende mehr Wirkung für die Organisation und die darin agierenden Menschen.

Aber 😉 ich habe auch noch zwei Kritikpunkte: Und diese beziehen sich auf die Fragen, aus welcher Organisationsperspektive und auf welchem Niveau hier die Transformation beschrieben wird.

10 Personen sind keine agile Organisation

Zunächst zur Organisationsperspektive: Im betterplace lab arbeiten 10 Personen. In einer Organisation mit 10 Mitarbeiter*innen von „Selbstorganisation“ zu sprechen, löst mit der Brille der wohlfahrtsverbandlichen Strukturen ein Lächeln aus. Dieses Lächeln erklärt sich über hochgradig heterogen strukturierte Ortscaritasverbände mit bis zu 2.000 Mitarbeiter*innen.

Das Lächeln erklärt sich über die einzige wirklich wachsende Branche in Deutschland mit weit mehr als 3 Millionen Beschäftigen, wenn allein im Deutschen Caritasverband mehr als 600.000 Menschen hauptamtlich beschäftigt sind. Das Lächeln relativiert sich jedoch dann, wenn man die Perspektive der Gesamtorganisation bzw. des Verbandes verlässt und die einzelnen Organisation und deren Abteilungen und die in diesen Abteilungen agierenden Teams in den Blick nimmt: Hier, auf Ebene der Teams, werden die beschriebenen Übungen relevant. Hier, auf Ebene jeder einzelnen Mitarbeiterin wird deutlich, was New Work wirklich bedeutet: Die Auseinandersetzung mit sich selbst.

Werte und Gefühle sind harter Tobak!

Und damit sind wir auch beim zweiten Kritikpunkt, zu dem ich nur einen Satz beispielhaft herausgreifen will:

„Um unsere subjektiven Erfahrungen und unser Verhalten besprechbar und verständlich zu machen, hilft es sich in Teams über die Werte, Interessen und Bedürfnisse jedes Einzelnen bewusst zu werden“ (46).

Der Satz ist ohne Frage richtig und vor allem: wichtig!

Aber gleichzeitig erfordert die Auseinandersetzung mit Werten und Bedürfnissen im Team eine enorme Offenheit den oftmals „weichen“ Themen, den sog. Soft Skills, gegenüber. Diese Soft Skills sind heute und vor allem in Zukunft mehr als relevant für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Aber der Blick in unsere Organisationen zeigt leider allzu oft, dass es gerade an einer Auseinandersetzung mit diesen Themen fehlt. Die Menschen sind es nicht gewohnt, sich über ihre Gefühle, Bedürfnisse, Spitiuralität und Werte auszutauschen. Sie haben sich oftmals noch nie damit beschäftigt (zumindest kaum in Schule, Studium oder klassischen Organisationen) und sollen jetzt im Team darüber sprechen? Das ist hart.

New Work needs Inner Work – primär geht es um Freiheit und Selbstverantwortung

Aber – und damit relativiere ich meine Kritik – niemand hat gesagt, dass es einfach wäre, eine bestehende Organisation „zu drehen“.

Vielleicht muss man sich aber auch eingestehen, dass es bei dem Weg nach New Work erst tertiär um die Organisation geht.

Sekundär geht es um den Weg der Teams hin zu besserer Zusammenarbeit.

Und primär geht es bei New Work um die Auseinandersetzung mit sich selbst, um darüber zu mehr Freiheit und (Selbst-)Verantwortung zu gelangen.

Für mich hat die Lektüre des Buches „New Work needs Inner Work“ vor allem auf dieser primären Ebene richtig was gebracht.

Danke!


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2 comments on “Rezension: New Work needs Inner Work

  1. birthe am

    Hendrik, hab herzlich Dank für deine Rezension!
    Ich habe nun einen Eindruck davon bekommen, für welche Themen der Weiterentwicklung in der Arbeitswelt dieses Buch nützlich sein kann. Besonders hat dazu deine abschließende persönliche Bewertung, wo die Grundgedanken von New Work – und hier möchte ich gerne an F.Bergmann erinnern – ansetzen, beigetragen. Sicher lassen sich diese Fragen auch auf politischer sowie anderen Ebenen diskutieren, dies geschieht aber eben nicht in diesem von dir vorgestellten Buch. Dies isr für mich eine wertvolle Information.

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Hey und ja, du hast recht:

      das Buch ist sehr konkret, greift aber die übergreifende, Gesellschaftspolitische Dimension zur Zukunft der Frage wirklich nur am Rande auf.

      Liebe Grüße aus Freiburg

      Hendrik

      Antworten

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