Backcasting New Work, oder: Warum jetzt die richtige Zeit ist, die Zukunft in die Hand zu nehmen!

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Die eine Krise ist noch nicht vorbei, da steht die nächste Krise vor der Tür. Eine Pandemie mit weltweit bislang mehr als 6 Millionen Toten wird, so scheint es, obwohl sie noch nicht vorbei ist, abgelöst durch einen Krieg in Europa mit noch nicht absehbaren Folgen und unfassbarem Leid für die Menschen in der Ukraine. Politisch geraten bislang als sicher geltende Bedingungen ins Wanken. Die Bundeswehr soll 100 Milliarden Euro als Sondervermögen erhalten, um ihre desolate Ausstattung wieder auf Vordermann zu bringen. Absurde Geldmengen zur Verteidigung unseres Landes, an die wir uns spätestens seit „der Bazooka“ irgendwie schon gewöhnt zu haben scheinen. Bei diesen Geldmengen – vor allem aber beim Blick auf die auch durch Pandemien und Kriege nicht wartende Klimakatastrophe – blicke ich auf meine Kinder und frage mich, welche Welt wir hinterlassen, hinterlassen wollen? Und in dem Zuge einen Beitrag zu New Work, zur Blogparade #newworknow?

Macht das noch irgendwie Sinn?

“Er, der begehrt, aber nicht handelt, brütet die Pest.”

Wie kann man angesichts der Weltlage überhaupt einen halbwegs klaren Gedanken fassen, der dann auch noch (irgendwie) zukunftsgerichtet ist? Aber – noch einmal – der Blick auf die Kinder der Welt und meine Kinder im Besonderen erlaubt mir gar nichts anderes als optimistisch und zuversichtlich zu sein.

Was – bitteschön – sollen wir denn machen? Den Kopf in die Sandsäcke stecken und uns in Schützengräben verbuddeln und abwarten?

Oder ist nicht gerade jetzt, allen Krisen zum Trotz,  genau die richtige Zeit, die Zukunft in die Hand zu nehmen?

Ja, mir steckt die Belastung der letzten zwei Jahre, die Suche nach einer wie auch immer gearteten Sicherheit, nach Normalität zwischen Schreibtisch, Schule, Küche und Kindern verdammt tief in den Knochen. Noch dazu habe ich die sich in manchen Nächten mutig, in manchen Nächten wahnsinnig anfühlende Idee gehabt, mich in der Pandemie selbständig zu machen…

Alter, und jetzt soll genau die richtige Zeit sein, die Zukunft in die Hand zu nehmen? Geht’s noch?

Ich greife ins Regal hinter mir und ziehe das Buch „Die Freiheit leben“ heraus. Ja, auch dieses Buch ist von  Bergmann, diesem Frithjof Bergmann, der ja schon ein wenig zu New Work gesagt hat. Auf Seite 32 findet sich ein Zitat von William Blake:

„Er, der begehrt, aber nicht handelt, brütet die Pest.“

New Work heißt Handeln

Ich will nicht zum xten Mal wiederholen, dass sich hinter New Work weit mehr verbirgt als die Einführung digitaler Tools, die Möglichkeit von Homeoffice oder irgendwelche hippen Workspaces, die inzwischen selbst in der öffentlichen Verwaltung meiner sauerländischen Heimatstadt Einzug finden.

New Work findet vielmehr Niederschlag in jeder unserer Handlungen:

Im morgendlichen Aufstehen, im Weg zur Arbeit, der sich – bei mir zumindest – gewandelt hat von der täglich-sinnlosen Pendelei hin zum häuslichen Büro, in der Frage nach Vernetzungen in einer Kultur der Digitalität, in Fragen nach dem Sinn der eigenen Arbeit, der täglichen Aufgaben und „to-dos“.

„New Work is anything but finished!“

Noch einmal: Nur weil wir irgendein tolles Tool nutzen oder der Chef weiße Turnschuhe trägt, praktizieren wir kein New Work! Hybrid arbeiten – „wir dürfen jetzt auch 40% von zu Hause arbeiten“? Ernsthaft?

Das ist kein New Work, sondern unterstreicht vielmehr die Infantilisierung der Menschen und hält sie in der Unselbständigkeit. Vielleicht sogar mehr, als das vor den bisweilen lustigen Diskussionen rund um New Work der Fall war.

Schon vor sechs Jahren hat Cati Bruns in einem lesenswerten Beitrag aufgezeigt, dass New Work extrem viel mit „Selbständigkeit“ zu tun hat:

„Ob »New Work« in Zukunft wirklich die Arbeitswelt revolutioniert, hängt davon ab, wie ernst wir unsere Freiheiten wirklich nehmen. Es geht darum zu wissen, wie man leben möchte, darum, besser zusammenzuarbeiten und seine eigene Zuständigkeit wahrzunehmen, um eine neue Arbeitswelt mitzugestalten. Wer »New Work« will, muss sich etwas aus seiner Freiheit machen. Ansonsten bleibt Arbeit nur ein Job und »New Work« nur »New Office«.“

On the way to new world

Die zu Beginn angerissenen Herausforderungen, die uns – jede_n einzelne_n – unfassbar umhauen, Kraft kosten, sprachlos machen, die uns Angst machen bis hin zur Lähmung, lassen sich aber noch problemlos erweitern:

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Mangel an Pflegekräften führt zum Schluss, dass wir uns in (naher) Zukunft selbst pflegen müssen. Da hilft auch keine osteuropäische oder philippinische Pflegekraft, die immer wieder bemüht wird.

Ach ja, und während wir uns selbst pflegen, müssen wir auf die Enkel aufpassen, denn der Mangel an Fachkräften im Bereich von Erzieher_innen ist enorm und lässt sich ebenfalls nicht von heute auf morgen beheben. Und, mal ehrlich:

Der Glaube, dass “die Technik” das schon irgendwie richten wird, ist mit einem Fokus auf „das Soziale“ einfach nur naiv. Nein, wir haben heute keine Roboter, die Pflege übernehmen und wir werden diese auch zukünftig aller Voraussicht nach nicht haben – und das ist auch gut so!

Kurz:

Man könnte verzweifeln.

Backcasting New Work

Die bessere Alternative:

Wir beginnen damit, uns die Welt vorzustellen, die wir gerne hätten und überlegen dann von dort aus rückwärts , was wir heute dafür tun müssen, diese Welt zu gestalten.

Diese Technik – das Backcasting – ist nicht neu. Es geht, kurz gesagt, darum, den Ausgangspunkt der Betrachtungen nicht in der Gegenwart zu halten, sondern in die Zukunft zu verlegen.

Dazu ist zu Beginn ein mögliches, konkretes Zukunftsbild, eine Utopie im besten Sinne, zu erarbeiten:

Wie wollen wir im Jahr 2030, besser: im Jahr 2050, leben?

Wie wollen wir Bildung leben? Wie nachhaltig wollen wir wirtschaften? Wie wollen wir arbeiten? Was macht Sinn?

Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich eine Utopie (oder mehrere). Und von dieser Utopie ausgehend werden im Backcasting die vorher notwendigen Schritte und Ereignisse bis in die Gegenwart skizziert.

Im Backcasting stellt sich also die Frage:

  • Was muss geschehen, um die Utopie Realität werden zu lassen und das Zukunftsbild zu erreichen?

Konkret kann man dann in den Jahren zurückgehen:

  • Was muss in zwanzig Jahren erreicht sein?
  • Was in zehn Jahren?
  • Was in fünf Jahren?
  • Und was im nächsten Jahr?

Und plötzlich steht man vor der Frage, was heute und morgen getan werden muss, wenn wir in einer erstrebenswerten Zukunft leben wollen.

Auf der Seite der Bundesakademie für Sicherheitspolitik heißt es in einem Beitrag vom 18. Mai 2021 zur Methode mehr als treffend:

„Durch ein zeitlich verändertes Eintreten bestimmter Ereignisse können politische Handlungsempfehlungen auf Grundlage dieser Methode flexibler, systematischer und damit möglichst zukunftssicher angepasst werden. So könnten zum Beispiel Friedensgespräche zwischen verfeindeten Parteien ein Zukunftsszenario darstellen, bei dem im Backcasting immer wieder die Frage gestellt wird, was davor grundlegend geschehen muss und wann der richtige Zeitpunkt dafür wäre.“

Link

Es wäre so zu wünschen, heute mehr denn je…

Aber spätestens an dieser Stelle, in dieser Backcasting-Denklogik, wird mit Blick auf New Work deutlich, dass New Workspaces, Homeoffice zu 40% der Arbeitszeit und Videokonferenzen am laufenden Band, etc., nichts mit New Work zu tun haben, sondern mit – ich darf das sagen 😉 – elitärem Scheiß.

New Work in der Logik, die leider heute im Wesentlichen im Vordergrund steht, ist nicht mehr als die Fortführung bisheriger, traditioneller Denk- und Arbeitswelten in anderer, chicerer Verpackung. New Work in dieser Logik muss man “sich leisten” können. New Work ist dann nur “Lohnarbeit im Minirock”, wie Bergmann selbst es treffend ausdrückte. Mir kommen spontan Schokoriegel in den Sinn:

Raiders heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix.

Na ja, vielleicht etwas überspitzt!

New Work aber war und ist mehr. New Work ist eine Vision zur Gestaltung der Gesellschaft und der Welt als Ganzes!

New Work kann damit ein mögliches positives Zukunftsbild sein, auf das es hinzuarbeiten lohnt!

New Work ist Sozialutopie – und war niemals etwas anderes, oder:

[bctt tweet="New Work bleibt New World."]

New Work bleibt New World!

Um diese New World Realität werden zu lassen, sind an allen Ecken und Enden unserer Gesellschaft Bemühungen zu unternehmen, sich gegenseitig wirklich zuzuhören, sind Dialogräume zu gestalten, in den Betrieben und Organisationen, auf allen Ebenen der Politik, in den Sozialräumen der Menschen, in ihren Lebenswelten und in den Familien. Im Zentrum sollte die Fragen stehen:

Wie wollen wir in Zukunft leben? Und was können wir heute tun, um die daraus entstehenden Utopien Realität werden zu lassen?

Aus dieser Perspektive passt dann auch der Hashtag zur Blogparade: Wenn wir New World wollen, müssen wir Now damit beginnen – #newworldnow – oder so ähnlich… 😉

Abschließend ist methodisch bspw. die Theorie U von Otto Scharmer hilfreich, die ausgehend von Zuhören und echtem Verständnis neue Optionen eröffnet, wie Zukunft gestaltet werden kann – ob in der Arbeitswelt allgemein, in Organisationen im Spezifischen – oder in allen anderen Welten, die uns und alle anderen umgeben.

Wir müssen aber gemeinsam diese New World gestalten, in kleinen Schritten, zuversichtlich, mit Mut und Ausdauer!


P.S.: Weitere Beiträge zur Blogparade #NewWorkNow findest Du auf der Übersichtsseite „Digitial.Now“

BTHG und Organisationsentwicklung, oder: Wie es gelingt, wirksame Organisationsstrukturen zu gestalten

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In der Zeitschrift „Neue Caritas“ schreiben Carsten Effert und Anne Huffziger von der Ambulantisierung des Stationären. Sie haben dabei das BTHG – das Bundesteilhabegesetz – im Blick. Wir wollen hier nicht in die Tiefen dieses neuen Gesetzes einsteigen. Wir behalten uns auch eine ausführliche Bewertung der Zielsetzung des BTHG vor. Vielmehr wollen wir aufzeigen, wie es Ihnen gelingen kann, die Herausforderungen der Angebots- und Organisationsentwicklung durch das BTHG gut zu bewältigen.

Wir – das sind diesmal Florian Acker und Hendrik Epe. Danke an dieser Stelle, lieber Florian, für Deine fachkundige Beteiligung am Beitrag.

Aber ganz ohne Bewertung des BTHG kommen wir nicht aus. Deswegen zu Beginn sehr kurz zwei Aspekte, die aus unserer Sicht mit Blick auf das BTHG nicht unter den Tisch fallen dürfen: 

Stärkung der Position der Klient_innen

Auf der einen Seite des BTHG steht eine enorm positive Zielsetzung: 

Der „Paradigmenwechsel von der Institutionenorientierung hin zur Personenorientierung“, wie die beiden Autor_innen im oben verlinkten Artikel schreiben, ist aus unserer Sicht hochgradig sinnvoll. Das BTHG soll die Teilhabe und damit die individuellen Rechte der Menschen mit Behinderung stärken. 

Dies soll in der Praxis durch die Aufsplitterung der Betreuungsleistungen in Grund- oder Basismodule als Tagespauschale auf der einen Seite und auf der anderen Seite durch verschiedene individuell bemessene Assistenz- oder Fachleistungsmodule, über die bedarfsabhängige und personenzentrierte Einzelleistungen abgebildet werden, geschehen (vgl. ebd.). Kurz:

„Die Leistungserbringung und Finanzierung der besonderen Wohnformen erfolgen zukünftig über zwei Stränge: personenbezogene Fachleistungsstunden und Tagespauschalen.“

Auch die Stärkung der Position von Klienten ggü. den Leistungsträgern und Leistungserbringern durch eine unabhängige Teilhabeberatung ist mehr als notwendig. Die zusammenfassend als Personenorientierung bezeichnete Entwicklung ist mehr als notwendig und entsprechend positiv zu bewerten. Denn es geht nicht um die Aufrechterhaltung der Organisation, sondern um die bestmögliche Leistung für die bzw. jeden einzelnen Menschen – und das betrifft alle Arbeitsfelder Sozialer Arbeit. 

Einsparungen durch das BTHG?

Auf der anderen Seite wird in den betroffenen Organisationen deutlich, dass die Umsetzung des BTHG zum einen eine enorme bürokratische Aufgabe aka Bürokratiemonster ist und zum anderen als Einsparprogramm missbraucht wird.

Im zitierten Beitrag kommt dieser Aspekt nur an einer Stelle kurz durch, wenn es heißt, dass „es vermutlich zu einer deutlichen Ausdünnung der Personaldecke kommen“ wird.

Die Paradoxie des BTHG zeigt sich darin, dass auf der einen Seite damit geworben wird, die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Die Leistungen sollen sich am individuellen Assistenzbedarf orientieren und passgenau erbracht werden. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber klar formuliert, dass durch die Reform des BTHGs die seit Jahrzehnten ansteigende Ausgabendynamik gebremst werden soll (vgl. Bt-Drs. 18/9522, S.3). Auf diesen Widerspruch kann man eigentlich nicht oft genug hinweisen. 

Als weiteres Beispiel für das Ziel der Einsparungen kann hier auch die neu eingeführte Differenzierung von „einfachen“  und qualifizierten Assistenzleistungen angeführt werden (vgl. § 78 Abs. 2 SGB IX).

Durch diese Differenzierung hat der Gesetzgeber erreicht, dass in der Eingliederungshilfe auch Nichtfachkräfte eingesetzt werden können bzw. sollen. Wenn also im Rahmen des Gesamtplanverfahrens Ziele für den Bewilligungszeitraum vereinbart werden, kann der Leistungsträger dabei Unterscheidungen treffen, bei welchen Zielen es sich um Assistenzfachleistungen (zu erbringen durch Heilerziehungspfleger_innen, Sozialarbeiter_innen, Erzieher_innen etc.) oder um „einfache“ Assistenzleistungen handelt. Die Intention ist klar:

Hierdurch können perspektivisch Kosten gesenkt werden.

Es kommen Inklusionsbemühungen im Schulsystem in den Sinn: Auch da wurden „Sonderschulen“ unter dem Deckmantel der Inklusion aufgelöste und die betroffenen Kinder in die Regelschulen verteilt, ohne für eine ausreichende Unterstützung der LuL zu sorgen. Diese waren mit dem Verhalten und den Besonderheiten der Kinder oftmals heillos überfordert, was – sehr diplomatisch ausgedrückt – sicherlich nicht überall zu Verbesserungen der Situation der Kinder mit Behinderung geführt hat. Aber es spart natürlich Kosten! 

Organisationsentwicklung im Zuge des BTHG ist Angebots- und Strukturentwicklung

Hier wollen wir wie gesagt die Bewertung des Gesetzes nicht in die Tiefe fortführen (falls Sie einen Experten mit inhaltlichem Fokus suchen, steht Ihnen Florian Acker mit Rat und Tat zur Verfügung), sondern die Notwendigkeit zur Angebots- und Strukturentwicklung hervorheben.  

Zur Notwendigkeit der Angebotsentwicklung

Das BTHG zwingt die Einrichtungen dazu, sich intensiv mit ihrem eigenen Leistungsangebot auseinanderzusetzen. So müssen sie zum einen wissen, welche neuen gesetzlichen Anforderungen an sie gestellt werden und zum anderen müssen sie das dann mit ihrem bestehenden Angeboten abgleichen und dann entsprechende Konsequenzen daraus ziehen. 

Angeführt werden kann hier z.B. die (vollkommen berechtigte) Wirksamkeitsdebatte in der Eingliederungshilfe. Begriffe wie z.B. „Wirksamkeit von Leistungen“ oder auch „Wirkungskontrolle“ wurde vom Gesetzgeber wortwörtlich z.B. im Vertragsrecht mit aufgenommen (vgl. z.B:  § 125, 128, 129 SGB IX). 

Allein deswegen besteht schon die Notwendigkeit für die Leistungserbringer, dass sie ihre bestehenden Angebote evaluieren und ggf. anpassen und gleichzeitig neue Angebote unter der Prämisse der Wirksamkeit gestalten müssen.

Zur Notwendigkeit der Strukturentwicklung

Im Beitrag von Effert und Huffziger wird richtigerweise der mit der Umstellung vom Stationären zum Ambulanten notwendige Change Management Prozess – wir sprechen lieber von Transformationsprozess – angesprochen: 

„Es muss für alle Beteiligten spürbar werden und sich ein konkretes Bild ergeben, was Personenzentrierung heißt. Insbesondere bei Fachkräften sollte es so gut wie nicht mehr vorkommen, dass diese ohne Klient(inn)en arbeiten. Es ist dabei eine wichtige Führungsaufgabe, die Mitarbeitenden sprichwörtlich in die „neue Welt“ mitzunehmen. Jahrelange Institutionenorientierung verschwindet nicht einfach aus den Köpfen, denn die alte Welt war nicht schlecht, sondern anders.“

Das ist ein sehr wichtiges und schwieriges Thema im Führungsalltag:

Gerade die langjährigen Mitarbeiter_innen in der Eingliederungshilfe (EGH) empfinden ihr bisheriges Tun und Handeln plötzlich als abgewertet. Hier braucht es viel „Fingerspitzengefühl“, um den Kolleg_innen deutlich zu machen, dass man die bisherige Arbeitsweise oder Erfolge nicht in Abrede stellt. Es gelten nun allerdings neue Anforderungen in der EGH, an denen man sich auszurichten hat.

Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass sich die Teamkonstellationen bereits dadurch geändert haben, dass mittlerweile Nichtfachkräfte angestellt werden (in manchen Einrichtungen ist die Anzahl der Nichtfachkräfte fast höher als die Anzahl von Fachkräften). 

Nach unserer Erfahrung ergibt sich bereits hierdurch Konfliktpotential, da durch die neuen Kollegen auch vieles in Frage gestellt wird (und manches durchaus zu Recht ;-). 

Hier wird es in Zukunft wichtig sein, dass intern Möglichkeiten geschaffen werden, um die Nichtfachkräfte entsprechend zu qualifizieren. Man tut gut daran, entsprechende Bildungskonzepte zu entwerfen und Möglichkeiten zu schaffen, die Mitarbeiter_innen gut in diesem Handlungsfeld zu qualifizieren.

Die notwendigen Anpassungen jedoch bleiben nicht auf Ebene des individuellen Verhaltenswandels bzw. Kompetenzaufbaus stehen. Es geht – basierend auf einer passfähigen Strategie zum Umgang mit den Entwicklungen des BTHG und der Entwicklung neuer Angebotsformate – um die Entwicklung von Strukturen, die zu Kulturentwicklung führt. 

Strukturentwicklung und BTHG

Aber wie kann die Strukturentwicklung bzw. die Entwicklung der Aufbauorganisation aussehen, wenn es gilt, die klassische Versäulung, die sich in den meisten Organisationen der Behinderten- bzw. Eingliederungshilfe findet, so zu transformieren, dass den Ansprüchen des BTHG Rechnung getragen werden kann? 

Wenn Leistungen in Grund- oder Basismodule auf der einen und in verschiedene individuell bemessene Assistenz- oder Fachleistungsmodule, über die bedarfsabhängige und personenzentrierte Einzelleistungen angeboten werden, auf der anderen Seite aufgesplittet werden, gilt es, die bisherigen organisationalen Rahmenbedingungen und Strukturen hintenanzustellen und schnelle, individuelle Entscheidungen zu ermöglichen. Schnell und individuell reicht jedoch nicht. Es muss außerdem kompetenzübergreifend zusammengearbeitet werden.   

Nicht mehr die Abteilungen sind als Entscheidungsstrukturen relevant. Ab-Teilungen sind das Gegenteil der geforderten, ganzheitlichen Personenzentrierung und Lebenswelt- sowie Sozialraumorientierung. Die Menschen mit Unterstützungsbedarf erwarten flexible, angepasste „Leistungen aus einer Hand“. 

Konkret geht es um die konsequente Orientierung der Leistungsangebote am Sozialraum der Nutzer_innen. Damit geht eine Strategie des inklusiven Wohnens und Lebens einher. Nicht mehr der Bau von stationären Einrichtungen steht im Vordergrund, sondern der Aufbau von wohnortnahe Angeboten orientiert an der unmittelbaren Lebenswelt – im Gemeinwesen. Es geht auch um die Schaffung von Wahlmöglichkeiten, um individuelle, diverse Wohn- und Lebensformen zu schaffen.

Deutlich wird, dass die Fachlichkeit zur Gestaltung inklusiven Lebens in den Vordergrund rückt. Und deutlich wird auch die Ambulantisierung des Stationären:

„Durch das Herauslösen der Assistenz-/Fachleistungsmodule vollzieht sich der Übergang zu einem hybriden ambulant-stationären Setting“, wie es im Beitrag in der Neuen Caritas heißt. 

Selbstbestimmt agierende Teams und das BTHG

In der Begleitung von Organisationen in diesem herausfordernden Transformationsprozess wurde deutlich, dass sich die klassischen Abteilungsstrukturen (bspw. gegliedert in Wohnbereiche) auflösen müssen und es damit zu sich völlig neu formierenden Teamstrukturen kommt. 

Die Mitarbeiter_innen sehen in der Transformation die Möglichkeit, verstärkt selbstbestimmt im Sinne der Nutzer_innen agieren zu können. Hier finden Sie einen kleinen Auszug aus Rückmeldungen der Mitarbeitenden aus einem Transformationsprozess aus dem letzten Jahr. Im Kern stand an dieser Stelle die Frage, welche wesentlichen Chancen und Möglichkeiten sich aller Voraussicht nach durch die neue Struktur bezogen auf die Struktur der Organisation ergeben: 

  • „Flexibilität und selbstständiges Arbeiten“, 
  • „Vorhandene Instrumente (Führung/Personal etc.) nochmal kreativer gestalten. Neue Methoden bei Entscheidungsprozessen in Gruppen (kollegiale Beratungen)“, 
  • „Lernprozesse aufgrund multiprpfessioneller Teams werden angestoßen“… 

Schon aus diesen wenigen Rückmeldungen wird deutlich, dass die Transformation der Strukturen zum „Neulernen“ auf Ebene der Kommunikation und Kollaboration der Teams führt. Insbesondere sind dies für uns die beiden Fragen: 

  • Wie gelingt Führung dieser neuen, oftmals größeren Teams? 
  • Wie gelingt erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb der Teams, wenn diese „flexibler und selbständiger“ agieren? 

Ade Mikromanagement, oder: New Leadership im BTHG 

Führung und Zusammenarbeit müssen neu gedacht werden. Aber der Reihe nach: 

Was kommt auf Führungskräfte zu? Was ist deren Aufgabe? 

Für uns wird an dieser Stelle deutlich, dass Führungskräfte in den sich neu konstituierenden Teams nicht mehr für jeden Sch…nickschnack zuständig sein können. Die Komplexität aufgrund der Zunahme der Anzahl der Mitarbeiter_innen in den Teams steigt rasant. 

Wenn sich klassische, operative Führung fortführen würde, wären die Führungskräfte mit der Kommunikation im Kleinen vollkommen überfordert. Wenn jede_r Mitarbeiter_in mit jedem Anliegen zur Führung rennt, macht diese nichts mehr anderes als Brände löschen und brennt dabei selbst komplett aus. 

Führungskräfte sind in der neuen Struktur vielmehr dafür zuständig, die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter_innen so zu gestalten, dass diese „ungestört“ und damit selbstbestimmt und flexibel im Sinne der Nutzer_innen – fachlich – agieren können. Führungskräfte sind gefordert, an der Organisation bzw. den Strukturen und Rahmenbedingungen zu arbeiten und nicht mehr in den Teams. 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Basis sind diejenigen, die maßgeblich am Wertschöpfungsprozess beteiligt sind. Sie sind diejenigen, die die Assistenzleistungen erbringen und somit das Geld für die Einrichtungen verdienen. 

Das Management sollte daher doch das größtmögliche Interesse daran haben, dass diese Mitarbeiter_innen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ihre Arbeit vorfinden. Unserer Erfahrung nach ist dem häufig jedoch nicht so: Oft ist zu erleben, dass Mitarbeiter_innen im höheren Management meinen, dass sie die Bedürfnisse und Erfordernisse der Praxis besser kennen als die Mitarbeiter_innen an der Basis.

Es braucht eine Haltung des Vertrauens, um Verantwortung für den „Alltag“ in die Teams geben zu können. Es braucht ein Verständnis davon, dass Mitarbeiter_innen gerne arbeiten und ihre Leistungen für die Organisation auch dann einbringen, wenn sie nicht kontrolliert werden. Das Menschenbild der Theorie Y von McGregor kann hier hilfreich sein.

Welcome New Work, oder: New Collaboration im BTHG

Und wie gelingt jetzt Zusammenarbeit in den – meist sehr großen – Teams untereinander? Wie gelingt die Zusammenarbeit vor allem, wenn nicht wieder neue Strukturen von „Teamleitungen“ o.ä. installiert werden können, da diese die sowieso schwierige Finanzierung ins Wanken bringen würden?

Hier greifen die Merkmale selbstbestimmt agierender Teams, die wir in den folgenden sechs Schritten skizzieren: 

  1. Es gilt, im Vorhinein den Rahmen zu gestalten, innerhalb dessen die Teams selbstbestimmt entscheiden und agieren können. Hier ist immer zu bedenken, dass die neu konstituierten Teams ja in bestehenden Organisationen eingebunden sind und nicht „auf der grünen Wiese“ neu gegründet wurden. Entsprechend sind bspw. die Satzung der Organisation sowie – selbstverständlich – gesetzliche oder arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen einzuhalten. Aber auch finanzielle Mindestanforderungen, die für ein erfolgreiches Bestehen der Teams notwendig sind, sollten in der Rahmenvereinbarung, die bindend für das jeweilige Team ist, festgehalten werden.  
  2. Daran anschließend geht es an die Arbeit mit dem Team: Es ist der Zweck und die Vision des jeweiligen Teams zu definieren, um dessen „Nordstern“, dessen Ausrichtung festzulegen. Darüber, über diesen Nordstern, wird ermöglicht, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, die in die angestrebte Richtung gehen. 
  3. Der dritte Schritt besteht in der Sammlung und Clusterung aller anfallenden, über die grundlegend pädagogischen Aufgaben im Team hinausgehenden Aufgaben. Als Beispiele sind dies: Urlaubsplanung, Dienstplanung, IT, Atmosphäre im Wohnbereich uvm. 
  4. Schritt 4 ist die Definition von Mandaten, in denen die Verantwortlichkeiten und Aufgaben festgeschrieben werden. Bspw. macht ein Mandat „Interne Ansprechpartner_in“ Sinn, damit die Anliegen des Teams innerhalb der Organisation an die richtige Stelle kommen und Informationen aus der Organisation ins Team zurückgespielt werden. So ist es nicht zielführend, wenn „jede_r alles macht“. Die damit einhergehende Komplexität ist nicht handlebar. 
  5. Anschließend steht der Wahlprozess an: In diesem Prozess wählen die Teammitglieder die Person aus, die als für das jeweilige Mandat am Kompetentesten erachtet wird. Dabei besteht auch die Möglichkeit, sich selbst wählen zu können. Aus Erfahrung ergeben sich schon in diesem Schritt die ersten echten Learnings: Nicht mehr der_die Vorgesetzte entscheidet, wer was macht, sondern die Teammitglieder entscheiden selbst, wer die Aufgaben und Verantwortung im Sinne des Teams übernehmen sollte. 
  6. Schritt 6 ist dann die Umsetzung der neuen Mandate in der alltäglichen Arbeit. Das klingt einfach, ist in der Realität aber ein Paradigmenwechsel: Nicht mehr eine Person – der_die Vorgesetzte – entscheidet, sondern das Team bzw. die Verantwortlichen des jeweiligen Mandats im Rahmen der für das Mandat festgelegten Verantwortlichkeiten. Das muss geübt werden, da auch Konflikte und schwierige Entscheidungen nicht mehr „nach oben delegiert“ werden können. 

Führung selbstbestimmt agierender Teams

Auch wenn es schon angesprochen wurde: 

Aufgabe der Führungskräfte in dieser neugestalteten Angebots- und Organisationsstruktur ist es, die Teams dabei zu begleiten, Entscheidungen in Selbstorganisation treffen zu können, den Rahmen zu gestalten, in dem selbstbestimmtes Agieren der Teams möglich wird und die Strukturen immer weiter zu verbessern. Wie gesagt: 

Für Führungskräfte steht nicht mehr die Arbeit im Team im Vordergrund, sondern die Arbeit an den Strukturen, innerhalb derer die Teams selbstbestimmt agieren. 

Ebenfalls wiederholend ist zu betonen, dass die operative Arbeit in den Teams schnell zu einer Überforderung der Führungskräfte führen kann, da die Anzahl der Menschen in den Teams aufgrund der notwendigen Anpassungen oftmals sehr hoch sein muss. Die mit der Kommunikation einhergehende Komplexität ist dann kaum noch zu bewältigen. 

Entsprechend gilt es, intern oder extern Lern-, Unterstützungs- und Austauschmöglichkeiten für die Führungskräfte zu gestalten, damit die neue Aufgabe, die vielmehr moderierend als steuernd und kontrollierend ist, bestmöglich gestaltet werden kann. 

Fazit, oder: Die Chancen des BTHG nutzen

Abschließend hoffen wir, dass deutlich geworden ist, dass die durch das BTHG notwendig gewordenen Anpassungen Anpassungen an den Dienstleistungen, Produkten und Angeboten und gleichzeitig  strukturelle Anpassungen bedingen: 

Es ist zu überlegen, wie es gelingt, den Wandel insbesondere in stationären Settings hin zu einer “Ambulantisierung” zu vollziehen, um darüber möglichst wirksam Teilhabe für die Menschen zu ermöglichen. 

Unser Ansatz in diesem Kontext ist, die Chancen und Möglichkeiten selbstbestimmt agierender Teams zu nutzen, um die Führungskräfte zu entlasten und aus der operativen Arbeit zu nehmen und gleichzeitig die Kompetenzen der Mitarbeiter_innen in der unmittelbaren Arbeit bestmöglich im Sinne der Nutzer_innen einsetzen zu können. 

Dieser die Strukturen der Organisation betreffende Transformationsprozess hat dann den Kollateralnutzen, dass sich die Kultur der Organisation mit der Zeit verändert. Dabei darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass Transformation – egal welche – Ressourcen braucht und nicht zum Nulltarif und von heute auf morgen zu bekommen ist. 

Diese Zeit sollten Sie sich geben, um das BTHG nicht nur als Bürokratiemonster zu verstehen, sondern die darin für die Nutzer_innen, aber auch die für die Organisation liegenden Chancen im Hinblick auf eine wirkungsvollere Praxis nutzen zu können. 


Wir hoffen, dass Sie einige Anregungen mitnehmen konnten und freuen uns sehr über Ihre Kommentare.

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Oder Sie tragen sich zum IdeeQuadrat-Newsletter ein und verpassen sicher keinen Beitrag mehr.

Ach ja, hier geht es direkt zum Blog von Florian Acker.

Und hier können Sie den Beitrag auch als PDF herunterladen.

Dialogräume gestalten oder: Wie es gelingt, mit Angst, Unsicherheit und Spaltung umzugehen

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Die Pandemie ist alles andere als vorbei, da beginnen alte weiße Männer ihre Machtfantasien an der russisch-ukrainischen Grenze auszuleben. Das wirkt wie ein beleidigtes Kind, dem man im Sandkasten den Eimer geklaut hat. Die Klimakatastrophe zeigte im letzten Jahr mit krassen Überschwemmungen und in diesem Jahr mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 160 km/h, dass der Mensch der Erde ziemlich egal ist. Digitale Entwicklungen bedrohen ganze Branchen. Die individuell notwendigen Kompetenzen, um hier „mithalten“ zu können, sind in der Breite alles andere als entwickelt. Und in Teams, Organisationen und der Gesellschaft als Ganzes flammen Konflikte auf, die sich um den korrekten Umgang mit den Regeln und Vorgaben zur Bekämpfung der Pandemie drehen. Wie kann es gelingen, in diesen komplexen, sich permanent verändernden Zeiten den Kopf über Wasser zu halten? In meinen Augen müssen wir dazu wieder wirklich miteinander ins Gespräch kommen. Dazu will ich hier anregen, Dialogräume zu schaffen.

Was sind Dialogräume?

Als Dialogräume definiere ich Zeiten und Räume, in denen es möglich ist, angstfrei miteinander ins echte Gespräch zu kommen. Daraus resultiert gegenseitiges Verstehen. Und daraus wiederum resultieren neuen Handlungen zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.

In dieser Definition sind ein paar Aspekte enthalten, die wir näher anschauen müssen. Zu klären ist insbesondere, was unter Zeit und Raum zu verstehen ist, wie viele Personen teilnehmen können, wie die Schaffung psychologischer Sicherheit gelingen kann und und wie echtes Zuhören gelingt.

Zeit und Raum

Dialogräume brauchen Raum und Zeit. Aber Dialogräume müssen nicht in super hip ausgestatteten Future-Offices stattfinden. Im Gegenteil geht es darum, das zu nutzen, was ist: Die Teamsitzungen, der gemeinsame Spaziergang um den Block, das Sofa zu Hause, den Gemeindesaal, das Café um die Ecke. Notwendig ist jedoch, sich Zeit und den möglichst ungestörten Raum für den Dialog zu reservieren.

Allein, zu zweit oder in der Gruppe

Redest Du auch manchmal mit Dir selbst? Und hörst Du Dir zu? Wirklich?

Mir gelingt das nicht besonders. Jeder in meinem inneren Team beansprucht die Bühne – vor allem in herausfordernden Zeiten. Das führt zu ziemlichem Lärm in meinem Kopf. Was ich damit sagen will:

Auch allein macht es Sinn, den eigenen Anteilen zu zuhören zu können. Dazu ist Ruhe nötig, Meditation, Wald, Rauskommen.

Ein Dialograum ist aber auch zu zweit wunderbar zu gestalten. Auch im Zwiegespräch, im Gespräch mit dem/der Partner_in, mit dem/der Kolleg_in, mit dem/der Vorgesetzten, ist Ruhe und Zeit notwendig, um Zuhören gelingen zu lassen. Zum letzten Punkt gibt es übrigens wenig Schlimmeres als standardisierte, angstbesetzte, jährliche Mitarbeitergespräche. Das ist kein Dialog.

Und auch in Teams, Organisationen und großen Gruppen gelingen Dialogräume, zu denen es wiederum Zeit, Ruhe und die Möglichkeit braucht, den anderen Teilnehmer_innen angstfrei zuhören und seine Gedanken und Gefühle äußern zu können.

Angstfreie Räume und psychologische Sicherheit

Zum letzten Punkt habe ich das Konzept der psychologischen Sicherheit in meinem letzten Newsletter bereits aufgegriffen:

Um in Teams und Gruppen das äußern zu können, was man wirklich denkt und fühlt, ohne Gefahr zu laufen, dafür abgestraft, komisch angeschaut, in eine Ecke gestellt zu werden, braucht es emotionale bzw. psychologische Sicherheit.

Psychologische Sicherheit ist „a sense of confidence that the team will not embarrass, reject, or punish someone for speaking up“, so Amy Edmondson, die an der Harvard Business School als Professorin für Führung und Management zu den Geheimnissen erfolgreicher Teams, dem Lernen in Organisationen und zur psychologischen Sicherheit lehrt und forscht.

Für psychologische Sicherheit in Teams sind insbesondere zwei Faktoren wesentlich (vgl. diesen Link hier):

  • Durchschnittlich ausgeprägte soziale Sensibilität. Jeder im Team ist in der Lage und willens wahrzunehmen, wie es dem Gegenüber gerade geht. Dadurch kann jede/r in der Regel angemessen auf diese wahrgenommene Befindlichkeit reagieren. Neudeutsch würde man von der Fähigkeit zu einer Begegnung auf Augenhöhe sprechen.
  • Gleichmässig ausgeprägte Redeanteile aller Teammitglieder. Am Ende des Tages sind alle ungefähr gleich häufig zu Wort gekommen und haben gleich grosse Redeanteile erhalten. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Art und Weise, wie Redeanteile von einer zur nächsten Person übergeben werden. Sprich, ob man sich traut und sicher fühlt, sich überhaupt zu Wort zu melden. Oder ob die innere Zensurstimme die Oberhand gewinnt, basierend auf einem Glaubenssatz wie, «da sage ich lieber nichts, damit es mir nicht so ergeht wie der Kollegin letzte Woche, über die seither hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird».“

Eigentlich einfach, oder? Naja, spätestens wenn es ans Zuhören geht, wird es etwas herausfordernd…

Zuhören

Im vorletzten Absatz habe ich das Zuhören angesprochen. Zuhören ist aber – das hat spätestens Otto Scharmer sehr eindrücklich auf den Punkt gebracht – nicht gleich Zuhören.

Scharmer unterscheidet die vier Ebenen des Zuhörens „Downloading, Seeing, Sensing und Presencing“, die ich hier nur skizzieren kann:

  1. Downloading: Downloading ist die erste Ebene des Zuhörens. Sie ist hilfreich für einfache, wiederkehrende Prozesse und Routinen, die sich bspw. in Checklisten, Anleitungen o.ä. zusammenfassen lassen. Downloading im Gespräch erkennt man bspw. An Äußerungen wie „Das wissen wir schon!“, „Kein Problem!“ bis hin zum „Hier ist die Lösung auf Deine Frage!“ Kurz: Es geht nicht um das Neue, sondern nur um die Bestätigung bzw. Ablehnung der eigenen Annahmen.
  2. Seeing: Seeing fokussiert auf die im Gespräch geäußerten Daten und Fakten. Man nimmt diese bewusst wahr und reflektiert Widersprüche zum Gewohnten. Man versucht außerdem, die Widersprüche mit eigenen, gewohnten Mustern und dem eigenen Wissen zu verknüpfen. Im sachlichen Gespräch findet eine Auseinandersetzung über Daten und Fakten statt. Das logische Denken dominiert. Aussagen auf dieser Ebene sind bspw. „Das kann nicht sein“ oder „Das stimmt so nicht! Die Statistik zeigt ganz andere Zahlen.“ Hier kommen Widerstände zum Ausdruck und automatisch kommt die Stimme des Urteils (richtig/falsch) zum Vorschein.
  3. Sensing: Auf dieser Ebene des Zuhörens kommt es zur Öffnung des Fühlens. Empathie kommt ins Spiel und der Versuch, den Anderen wirklich wahrzunehmen und „in seinen Schuhen zu gehen“. Hier dockt auch die erste Notwendigkeit zur Gestaltung der psychologischen Sicherheit an – die zumindest durchschnittlich ausgeprägte soziale Sensibilität zur Schaffung eines Klimas des Vertrauens. Auf dieser Ebene des Zuhörens wandert der Aufmerksamkeitsfokus nach außen, außerhalb der eigenen Person bzw. Situation (oder auch Organisation). Hier kann es gelingen, gemeinsam mit dem/den Gesprächspartner_innen von außen auf die eigene Person, Situation oder Organisation zu schauen. Die blinden Flecken im eigenen Denken werden sichtbar.
  4. Presencing: Im Scharmers Theory U ändert das Zuhören auf Ebene des Presencing nicht nur die Sichtweise, die Perspektive. Wenn es gelingt, auf dieser Ebene zusammenzukommen, ist das Ergebnis, „dass wir am Ende nicht mehr dieselbe Person sind, die wir zu Beginn des Gesprächs waren“, wie es in diesem umfangreichen Beitrag zu den vier Ebenen des Zuhörens heißt. „Man agiert auf einem höheren Aufmerksamkeitslevel, und dies ermöglicht uns tiefer an die Quelle unseres eigenen (oder auch organisationalen) Selbst heranzukommen. „Wer möchte ich (wirklich) sein?“ (und nicht welche Rolle möchte ich spielen) und „Wo möchte ich Nutzen und Sinn stiften?“ sind hier die beiden zentralen Fragen.“ Daraus resultieren dann wirklich neue Handlungen, die aus der Zukunft her Gegenwart gestaltet.

Hast Du die vierte Ebene schon mal erlebt? Wenn ja, freue ich mich riesig über einen Kommentar, wie es dir gelungen ist. Denn einfach und oft ist sie wohl nicht zu erreichen. Aber ohne die dritte Ebene, das emphatische Zuhören, wird echtes Verständnis und die Gestaltung der daraus neu resultierenden Möglichkeiten schwer werden.

Dialogräume konkret

Ja, die Gestaltung von Dialogräumen ist auf den ersten Blick voraussetzungsreich.

Aber wenn man pragmatisch herangeht, eröffnen sich Möglichkeiten. Dazu hier ein paar Fragen und Anregungen, die Dir vielleicht helfen, auf individueller Ebene, auf Paarebene, auf Teamebene, auf Organisationsebene und auch auf Ebene der Gesellschaft Dialogräume zu schaffen.

Individuelle Dialogräume

Wo und wann nimmst Du Dir echte Auszeiten, in denen Du Dir und den in Dir agierenden Anteilen aufmerksam zuzuhören? Ich selbst versuche regelmäßig zu meditieren, um zumindest ein wenig Ruhe in das Geplapper in meinem Kopf zu bekommen. Außerdem hilft mir Bewegung, Wandern und Sport, um Nachdenken und mir selbst zuhören zu können. Und ja, als Familienvater mit drei Kindern geht es leider nicht darum, das nächste Sabbatical zu planen, sondern „Miniauszeiten“ im Alltag zu integrieren. Heißt konkret: 15 Min. meditieren und regelmäßig Bewegung (whatever regelmäßig means).

Dialogräume als Paar

Familien sind von den Auswirkungen der Pandemie hart getroffen. Homeoffice, Geldsorgen, Alltagsbewältigung ohne schöne Rituale (Fasnet daheim ist keine Lösung), unregelmäßiger Besuch von Kindergarten und Schule, Angst vor der eigenen Erkrankung und der Erkrankung von Angehörigen bis hin zum innerfamiliär unterschiedlichen Umgang mit essentiellen Fragen der Pandemiebewältigung (Impfen ja oder nein?) treffen Paare mit und ohne Kinder hart. Unter dem Begriff des „Zwiegesprächs“ findet sich ein interessantes Konzept, das es ermöglicht, im ganzen Alltagsscheiß wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Lohnt sich…

Dialogräume im Team

Hier verweise ich auf das schon angesprochene Konzept der psychologischen Sicherheit. Im Team gilt es, hierarchieunabhängig auf die gleichen Redeanteile zu achten (vorausgesetzt, die durchschnittlich ausgeprägte Empethiefähigkeit stimmt, was ich aber bei den Leser_innen meines Blogs mal voraussetze 😉

Der verlinkte Beitrag gibt Dir Fragen an die Hand, die für die systematische Reflexion und Verbesserung der Dynamik im Team hin zu mehr psychologischer Sicherheit sinnvoll sind:

  • „Wie gut nutzt ihr das Team-Potenzial auf einer Skala von 1 (low performing) bis 99 (high performing) aus?
  • Welche Kraftquelle gibt dir ganz persönlich in diesem Team am meisten Energie?
  • Was kostet dich ganz persönlich in diesem Team am meisten Energie?
  • Was ist dein Beitrag zu den Kraftquellen und Energiefressern im Team? Wie beurteilen die anderen Teammitglieder deinen Beitrag?
  • Wie steht es um eure psychologische Sicherheit? Was ist der Beitrag jedes Teammitglieds zur psychologischen Sicherheit?“

Nehmt ihr euch regelmäßige Zeit und Raum, die Fragen in Eurem Team zu reflektieren?

Dialogräume in der Organisation

Hier greife ich die Idee von Sabine auf, die sie in einem der letzten „Werkraum Zukunft“ Veranstaltungen die Idee der Denkräume geäußert hat. Kurz:

Es braucht „Denkräume“ in unseren Organisationen, in denen es angstfrei möglich ist, über die Zukunft nachzudenken, zu sprechen und – vielleicht im Sinne der Theory U von Otto Scharmer – Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen.

Oftmals reichen aber schon neue Formate wie gemeinsame Barcamps, die ohne Vorgaben Themen der Menschen in der Organisation öffnen. Ebenfalls hilfreich ist die Methode des Lean Coffee, die sehr schnell und kompakt abteilungsübergreifend neue Möglichkeiten der Kooperation innerhalb der Organisation eröffnen kann.

Dialogräume in der Gesellschaft

In einem der letzten Beiträge habe ich den Gedanken formuliert, dass die kommunalen Verwaltung eine Schlüsselrolle einnimmt, wenn es um New Work geht.

Unter New Work verstehe ich hier ganz explizit die Grundidee von Bergmann, der nicht von Organisationsentwicklung, sondern von der (sozialutopischen) Gestaltung der Gesellschaft spricht.

Und für die Gestaltung der Gesellschaft braucht es Begegnungs- und Dialogräume, die – so die These des Beitrags – von Seiten der kommunalen Verwaltung vor Ort gestaltet werden können (und müssen).

Es braucht vor Ort Dialogräume, in denen die Menschen aus dem Stadtteil, der Nachbarschaft, der Kommune wieder zusammen kommen können, um miteinander zu reden, sich zuzuhören und neue Ideen für ihren lebenswerten, zukunftsfähigen Sozialraum zu gestalten.

Zur Gestaltung und Begleitung der Dialogräume bedarf es neuer Kompetenzen auf Seiten der Mitarbeiter_innen in den Verwaltungen (oder die Einstellung von Menschen), damit entsprechend offene und damit unsichere Beteiligungsprozesse gestaltet, begleitet und „der Raum gehalten“ werden kann.

Hieraus, aus dieser „New Work Vision“ erwachsen auch, so zumindest meine Hoffnung, neue Optionen zur Bewältigung des Fachkräftemangels in den Verwaltungen.

Dialog in der Organisationsentwicklung

Noch ein Gedanke zum Abschluss, der mich in meiner Arbeit immer wieder tangiert:

Organisationsentwicklungsprozesse erzeugen Instabilität. Das hat bspw. Peter Kruse hier sehr lesenswert dargelegt. Instabilität erzeugt immer Unsicherheit. Und daraus wiederum folgt – völlig nachvollziehbar – Widerstand.

Entsprechend gilt es auch in Organisationsentwicklungsprozessen, Dialogräume zu schaffen, um die Ängste und Sorgen der von den angestrebten Veränderungen betroffenen Mitarbeiter_innen nicht nur zu hören, sondern daraus im besten Fall neue Optionen zur Gestaltung des Prozesses ableiten zu können.

Denn, auch das darf kein Geheimnis bleiben, jede Intervention in eine Organisation hat Vor- sowie Nachteile. Es gibt immer Gruppen, die am Status Quo leiden (sonst würden die Prozesse nicht angestoßen). Und gleichzeitig gibt es Menschen und Gruppen, die am Neuen leiden. Das lässt sich zwar nicht ändern, aber durch offenen, sicheren Dialog besprechbar machen.

Unsicherheit bewältigen im Dialog

Zum Ende greife ich noch einmal den Titel des Beitrags auf:

Die Anforderungen, Brüche und permanenten Veränderungen, die heute und in Zukunft an uns und vor allem an die nachfolgenden Generationen gestellt werden, sind unfassbar komplex, kaum überschaubar. Sie können vor allem nicht durch einfache „Schwarz-Weiß Antworten“ gelöst werden. Das macht Angst und löst massive Unsicherheiten aus – individuell, in Familien, in Teams, Organisationen und der Gesellschaft. Dies gilt vor allem, da wir den Umgang mit Komplexität in unseren formalen Bildungswegen nicht gelernt haben. Daraus folgt:

[bctt tweet="Wir müssen die Gestaltung komplexer Zukünfte ganz neu lernen. Das gelingt in Dialogräumen."]

Und zur Entwicklung der Kompetenzen zum Umgang mit Unsicherheit und zur Gestaltung komplexer Zukünfte braucht es das geschilderte, gesteuerte und oft auch begleitete Zusammenkommen. Wir brauchen Räume, in echten Dialog zu treten, Räume, sich zuzuhören, Gräben zu überwinden und gemeinsam neue Lösungen und damit soziale Innovationen zu entwickeln und umzusetzen. Und vielleicht zeigen sich durch die Dialoge sogar bislang verborgene Ressourcen zum Umgang mit Komplexität und Veränderung, die in der Vergangenheit bereits wirksam geholfen haben.


Haben die Informationen Dich in Deiner Arbeit weitergebracht? Dann freue ich mich, wenn Sie mir davon berichten.

P.S.: Hier findest Du noch einen Beitrag, in dem ich 10 Strategien für den erfolgreichen Umgang mit Unsicherheit darlege. Vielleicht hilft Dir auch das…

Rezension: Veränderungsmanagement in der Sozialwirtschaft

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Wie gelingt erfolgreiches Veränderungsmanagement in und von Organisationen der Sozialwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung des digitalen Wandels? Anhand von Fallbeispielen werden im Buch „Veränderungsmanagement in der Sozialwirtschaft. Praxisorientierte Personal- und Organisationsentwicklung in unruhigen Zeiten des digitalen Wandels“ Chancen wie auch Herausforderungen der digitalen Transformation für Organisationen und Mitarbeiter*innen in der Sozialwirtschaft aufgezeigt.

Dabei werden die Aspekte der Digitalisierung im Bereich Lernen und Entwicklung, Wissensmanagement und Zusammenarbeit explizit betrachtet. Ferner werden mögliche Auswirkungen auf die Organisationskultur berücksichtigt. Über die beschriebenen Fallbeispiele sollen „praxiserprobte Instrumente für ein gelingendes Change-Management im Rahmen von Best-Practice-Beispielen zur Verfügung gestellt und mit hilfreichen Praxistipps angereichert“ (1) werden.

Zielgruppe des Buchs auf Ebene der Entscheider*innen, Führungskräfte und Praktiker*innen in der Sozialwirtschaft.

Veränderungsmanagement in der Sozialwirtschaft – meine Bewertung

Das Buch lässt sich aus meiner Perspektive als praxisorientierter, grober Überblick über Möglichkeiten der Organisationsveränderung mit einem spezifischen Fokus auf die Beeinflussung der Organisationskultur verstehen. Dabei werden einige gute Ansätze zur Gestaltung von Veränderungsinitiativen aufgezeigt, die dem einen oder anderen Projekte sicherlich dienlich sein können.

Wünschenswert wäre an einigen Stellen die tiefergehende Betrachtung systemischer Perspektiven gewesen, um so die Steuerungsfantasien insbesondere mit Blick auf die Gestaltung der Organisationskultur in Grenzen zu halten.

Für Praktiker*innen, die einen ersten Überblick über die Themen Kulturveränderung in Verbindung mit möglichen Aufgabenstellungen aus dem umfassenden Kontext der Digitalisierung erhalten wollen, ist das Buch empfehlenswert.

Rezension auf socialnet

Die vollständige Rezension zum Buch findest Du bei socialnet unter diesem Link!

Und unter diesem Link kannst Du das Buch bei genialokal erwerben! 


P.S.: Lust auf Online-Workshops zur Entwicklung sozialer Organisationen? Dann schau mal hier vorbei! Vielleicht ist ja was für Dich oder Dein Netzwerk dabei?

4 Schritte zu einem lebendigen Innovationsmanagement

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Vor inzwischen 5 Jahren habe ich meine Master-Thesis zur Frage geschrieben, wie es Organisationen der Sozialwirtschaft gelingt, ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Es ging darum, organisationale Innovationskompetenz aufzubauen. Unter den Begriff der organisationalen Innovationskompetenz fallen dabei viele Aspekte, die ich – als Fazit der Arbeit – in zehn Thesen formuliert habe. Ich will diese hier nicht wiedergeben, sondern nur auf eine These eingehen. Diese These lautete: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen ein Innovationsmanagement etablieren, das sowohl die Ebene des normativen, strategischen und operativen Managements als auch der Geschäfts-, Unterstützungs- und Vernetzungsprozesse abbildet.

Ich greife hier diese These auf, da mir immer wieder auffällt, dass es den Organisationen nach all den Jahren in der digitalen Transformation und angesichts der anstehenden Herausforderungen – allen voran der Etablierung echter ökologischer, aber auch sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit – immer noch schwerfällt, Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Viele Organisationen, Verbände, Bildungseinrichtungen und Kommunen verfügen nicht über ein System, in dem die Ideen, die bei den Mitarbeiter*innen gären, aber auch aus der Umwelt an die Organisationen herangetragen werden, so aufgegriffen werden, dass sie zu echten Innovationen – also umgesetzten Ideen – werden.

Innovation habe ich damals ganzheitlich definiert als die zielgerichtete Durchsetzung von neuen sozialen Dienstleistungen, wirtschaftlichen, organisationsstrukturellen und -prozessualen sowie sozialen Problemlösungen, die darauf ausgerichtet sind, die Unternehmensziele auf eine neuartige oder bessere Weise zu erreichen.

Was ist Innovationsmanagement?

Zwischen Innovation und Management klafft eine Lücke: Innovation ist das Neue, das Unerwartete, oftmals das Zufällige. Innovation ist in den Worten von Wolf Lotter („Streitschrift für barrierefreies Denken“) „die Hoffnung, dass es besser wird.“

Diese Hoffnung lässt sich doch nicht managen, oder?

Mit Blick auf die Organisationen, die ich in meiner Arbeit begleite, ist es jedoch komplizierter: Sie sind ausgerichtet auf Stabilität. Das ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar und wichtig: Gerade die Arbeit mit Menschen braucht Zuverlässigkeit und Sicherheit. „Herumexperimentieren“ wird da zum (auch ethischen) Problem.

Hinzu kommt, dass sich soziale Organisationen in den 90er Jahren aufgrund gesetzlicher Anforderungen und ausgehend von Verwaltungsreformen – nicht freiwillig – ausgerichtet haben auf „neue Steuerungsmodelle“. Diese sind jedoch angelehnt an sehr klassische Vorstellungen von Management: Formale Hierarchien, Controlling und die heute immer noch vorherrschenden Vorstellungen von Qualitätsmanagement, Controlling, Prozessmanagement etc. sind Artefakte dieser Art der Organisationsgestaltung. Diese Art der Organisationsgestaltung wird jedoch in vielen Fällen von den Kostenträgern (Kommunen, Rentenversicherung etc.) eingefordert. Entsprechend sind neue Organisationsansätze immer unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu bewerten: Dürfen wir dies und jenes ausprobieren, ohne unsere wirtschaftliche Stabilität zu gefährden?

Ein Innovationsmanagementsystem dient vor diesem Hintergrund und unter den spezifischen Bedingungen sozialer Organisationen dazu, „neue Ideen zu entwickeln, zu fördern und einen Prozess zu gestalten, der ihre Durchsetzung sichert“ (Güntner, Langer, 2018, 823).

Wie aber kommen Sie zu einem (lebendigen und vor allem wirkungsvollen) Innovationsmanagement?

Dazu finden Sie im folgenden vier „Grundschritte“, die aus meiner Sicht unabdingbar sind:

1. Innovationsverständnis schaffen

Im Kern steht hier die Frage: Was ist Innovation für Ihre Organisation?

Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, die unterschiedlichen Innovationsarten und Innovationsgrade zu kennen und diese für die eigene Organisation zu spezifizieren. Hilfreich sind auch immer, die Ideen mit Beispielen zu hinterlegen, damit die Mitarbeiter*innen einen Vorstellung der Möglichkeiten haben.

Die oben angeführte Definition zeigt, dass Innovation auf den folgenden Ebenen ansetzt bzw. folgende Innovationsarten umfasst:

Produkt- bzw. Dienstleistungsinnovation: Entwicklung und Vermarktung neuer oder die Verbesserung bestehender Dienstleistungen.
Prozessinnovation: Entwicklung neuer oder Verbesserung bestehender Prozesse (die nach außen nicht zwingend sichtbar sind), die es ermöglichen, effektiver und/oder effizienter zu agieren.
Strukturinnovation: Entwicklung eines neuen oder die Verbesserung der bestehenden Organisationsstruktur mit dem Ziel der Steigerung der Wirksamkeit der Organisation.
Geschäftsmodellinnovation: Neuentwicklung oder Verbesserung der Art und Weise, wie Ihre Organisation seine Leistung erstellt, auf den Markt bringt und damit (finanzielle und soziale) Wertschöpfung generiert.

Relevant ist aber auch der Innovationsgrad. Hier kann unterschieden werden zwischen der:

  • inkrementellen Innovation, die einen bereits bedienten Markt betrifft und auf bekannten Vorgehensweisen aufbaut, es geht um Weiterentwicklung.
  • Entwicklung einer neuen Vorgehensweise, wobei der Zielmarkt aus Sicht der Organisation jedoch derselbe bleibt.
  • Entwicklung eines neuen Arbeitsfeldes mit bereits erprobten Vorgehensweisen.
  • radikalen Innovation, die sowohl ein neues Arbeitsfeld fokussieren und auf neuen Technologien/Vorgehensweisen basieren.

Sinnvoll zur Beantwortung der Frage, was Innovation für Ihre Organisation ist, ist die Beteiligung möglichst vieler Menschen der Organisation und auch externer Stakeholder. Dazu ist ein einführender Workshop sinnvoll, in dem die Notwendigkeit von Innovation dargelegt und die unterschiedlichen Möglichkeiten vorgestellt werden.

Ziel ist es, Innovationsarten und Innovationsgrade festzulegen und auf die Spezifika der Organisation anzupassen. Es macht hier auch Sinn, bereits laufende und geplante Projekte den Innovationsarten und – graden zuzuordnen.

2. Innovationsstrategie erarbeiten

Im zweiten Schritt ist ein Rahmen zu bestimmen, innerhalb dessen die innovativen Aktivitäten Ihrer Organisation stattfinden sollen (Innovationsfelder).

Weitere Schritte dieses Handlungsfeldes sind die Bestimmung von Zielen innerhalb des Rahmens sowie die Bestimmung des Vorgehens zum Erreichen der Ziele.

Mit diesen Entscheidungen sind die wesentlichen Eckpunkte einer Innovationsstrategie definiert.

Insbesondere sind folgende Fragen zu klären:

  • Wozu wollen wir Innovation?
  • Wo, in welchen Bereichen, wollen wir Innovation?
  • Was wollen wir neu gestalten oder verbessern?
  • Welche Ziele lassen sich daraus ableiten?
  • Wie wollen wir diese Ziele erreichen?
  • Was machen wir schon aktuell?

Hier wird deutlich, dass die Innovationsstrategie eng an die Organisationsstrategie andocken muss:

„Nur wenn ein Innovationsmanagement ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, können die wichtigsten Phasen eines Innovationsprozesses (Ideengenerierung, Ideenpriorisierung, Konzeptualisierung, Implementierung) überhaupt an die entscheidenden Einflussfaktoren angebunden werden, an Organisation (organisationale Faktoren) und Mensch (personale Faktoren und Team)“ (ebd., 823f).

Strategie bedeutet aber auch, festzulegen, wo keine neuen Entwicklungen verfolgt werden. Bspw. lassen sich auch Geschäftsfelder finden, die zukünftig nicht weiter verfolgt werden sollen.

Hinsichtlich der Innovationsziele ist relevant, diese am Leitbild des Gesamtunternehmens zu orientieren. Unter Leitbild verstehe ich die Kombination aus Unternehmensvision, -mission, Werten und strategischen Stoßrichtungen. Diese Sichtweise basiert auf dem Framework OKR, in dem die Ziele nicht als smarte Ziele formuliert, sondern als „Mini-Visionen“ mit Key Results hinterlegt werden. Das Leitbild ist damit ein lebendiges Dokument, in dem der aktuelle Zustand und die zukünftige Ausrichtung der Organisation abgebildet wird.

3. How to, oder: Prozesse des Innovationsmanagements definieren

Wie oben definiert ist Ziel eines Innovationsmanagementsystems, die Entwicklung und Förderung von Ideen ermöglichen und einen Prozess zu gestalten, der zur Umsetzung der Ideen führt. Denn erst die Umsetzung macht Ideen zu Innovationen. Die Umsetzung muss jedoch so effizient und effektiv wie möglich erfolgen.

Die erfolgsversprechendsten Projekte sollen möglichst ressourcenschonend verfolgt werden. Entsprechend relevant ist es, für die einzelnen Schritte des Innovationsmanagements Prozesse zu gestalten. Diese müssen aufeinander abgestimmt und in ein integriertes Innovationsprozesssystem zusammengefasst werden. Hier sind auch Verantwortlichkeiten (Personen und Gremien) sowie Entscheidungsroutinen festzulegen.

Sinnvoll in diesem Schritt ist das Herangehen mit der schrittweisen Ermöglichung von sich zunehmend entwickelnden Ideen.

So kann der Innovationsprozess zunächst grob untergliedert werden in die beiden Phasen der

a) Ideenfindung: Nicht nur durch Duschen, sondern vor allem mithilfe unterschiedlicher Kreativitätstechniken, aber auch basierend auf Rückmeldungen aus der Umwelt, von Nutzer* innen, Angehörigen, Kostenträgern und weiteren internen wie externen Stakeholdern, werden Ideen für neue sozialen Dienstleistungen, wirtschaftlichen, organisationsstrukturellen und -prozessualen sowie sozialen Problemlösungen generiert. Ein in der Phase sehr hilfreiches Tool ist für mich der Double Diamond Prozess, der den Kreativprozess visualisiert und damit ermöglicht, die Bedürfnisse der Nutzer*innen gezielt zu verstehen und für die Innovationsentwicklung zu nutzen. Der Double Diamond Prozess verläuft schrittweise vom Verstehen des Problems über die konkrete Definition des spezifischen Problems und das Entwickeln erster Lösungsansätze bis hin zu ersten, spezifischen Lösungen/Prototypen (vgl. b). Aber auch Design Thinking hilft in dieser frühen Phase zur Findung von Ideen. Insbesondere in dieser sowie in der Phase der Ideenumsetzung können Innovation Labs wertvolle Dienste leisten und Unterstützung liefern.

b) Ideenumsetzung: Im Vordergrund steht die Frage: „Wie kommen wir von der Idee zur neuen Lösung!?“ Neben klassischem Projektmanagement zur Begleitung der Innovationsprozesse sind die Methoden des agilen Projektmanagements hilfreich und handlungsleitend. Insbesondere ein Vorgehensmodell orientiert an der Logik von Scrum ist erfolgsvorsprechend, da nicht „im stillen Kämmerlein“ an der Umsetzung gearbeitet wird, sondern immer wieder der Kontakt zu den Nutzer*innen gesucht wird.

Für beide Phasen sind dann Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf strategischer, administrativer und operativer Ebene festzulegen.

Strategische Aufgaben betreffen strategische Entscheidungen (Erarbeitung und Entwicklung der Innovationsstrategie, Festlegung des Innovationsbudgets, Zuteilung von Ressourcen…). Auf den ersten Blick ist hier die Geschäftsführung gefragt. Bewährt hat sich jedoch, im Sinne des Open Innovation Ansatzes (vgl. bspw. Hanisch, Grau, 2020) ein Innovationsgremium einzurichten, in dem auch innovationsorienterte Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter*innen (aus dem Innovation Lab) und ggf. weitere (externe) Stakeholder auf strategischer Ebene eingebunden werden. Dadurch erweitert sich der Blick auch auf die strategischen Fragen des Innovationsmanagements.

Auf administrativer Ebene ist festzulegen, wie der reibungslose Ablauf des Innovationsprozesses sichergestellt werden kann. Auf dieser Ebene kommen Innovations(prozess)manager*innen ins Spiel, die bspw. Die erste Prüfung eingereichter Ideen vornehmen und das Projektmanagement, Meetingmoderation etc. vornehmen können.

Operative Aufgaben umfassen die konkrete Durchführung der Innovationsprojekte. Die jeweiligen Projektverantwrtlichen sind hier die relevanten Personen.

Zur strategischen Steuerung der jeweiligen Innovationsprojekte hat sich bewährt, dass das Innovationsgremium iterativ (in regelmäßigen Abständen, bspw. quartalsweise) zusammenkommt und entscheidet, ob die angestoßenen Innovationsprojekte in die nächste Phase des Entwicklungsprozesses übergehen, weiterbearbeitet oder abgebrochen werden sollen.

Herausfordernd im sozialwirtschaftlichen Kontext ist die Festlegung von Kennzahlen als Entscheidungsgrundlage für das Innovationsgremium. Hilfreich ist in dem Kontext aber bspw. die Messung des Inputs (Wie hoch ist der bisherige Aufwand an Personal und Kosten?).

Diese Phase abschließend ist darauf zu verweisen, dass es nicht um Innovation um der Innovation willen geht. Im Zentrum muss immer der Impact, die Wirkung für die Nutzer*innen stehen.

Entsprechend ist das Innovationsmanagementsystem insgesamt in regelmäßigen Retrospektiven hinsichtlich des Funktionierens des Prozesses selbst (bspw. Anzahl der Ideen) und des Ergebnisses (Output) (bspw. Umsatz, neue Geschäftsfelder, neue interne Prozesse…) zu reflektieren: Erzielen wir mit dem, was wir beabsichtigen, echte soziale Wertschöpfung? Ist unser Innovationsprozess wirkungsvoll? Hier bietet sich an, den Rhythmus der regelmäßigen Überprüfung und Entwicklung der Innovationsstrategie zur Reflexion des Innovationsmanagementsystems insgesamt zu nutzen.

4. Innovationsmanagement in der Gesamtorganisation verankern

Die Umsetzung der ersten drei Schritte ist zwar nett, aber ein funktionierendes Innovationsmanagementsystem entsteht erst, wenn die erarbeiteten Prozesse tatsächlich gelebt werden. Dazu ist es wesentlich, das Thema Innovation und das erarbeitete Innovationsmanagementsystem möglichst flächendeckend und regelmäßig zum Thema in der Organisation zu machen.

Nicht nur bei konkreten Innovationsprojekten, sondern bspw. auch bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen oder bei Teamsitzungen sollte der Wille zur Innovation und die vorhandenen Prozesse thematisiert werden.

Gerade zu Beginn der Einführung ist es wichtig, erkannte Herausforderungen im Innovationsmanagementsystem schnell in das System einzubinden. Dadurch wird zu Beginn ermöglicht, das erarbeitete System an die real herrschenden, in sozialen Organisationen oft enorm komplexen, Bedingungen anzupassen.

Zur Schaffung einer Innovationskultur ist es entsprechend relevant, die Ausrichtung auf Innovation und das Verständnis des dahinterliegende Systems transparent und verständlich für alle Mitarbeiter*innen zu gestalten.

Hilfreich ist es, ein möglichst partizipatives Kick-off Event zum Start der Nutzung des Innovationsmanagementsystems durchzuführen. Bewährt haben sich in größeren Organisationen außerdem Leitfäden, die das System mit den wesentlichen Eckpunkten erklären und damit für alle Beteiligten Innovation greifbar und umsetzbar machen.

Auch das regelmäßige Aufgreifen von Innovation und die Darstellung innovativer Projekte in den internen wie externen Veröffentlichungen (bspw. Zeitungsberichten, Jahresberichten, Mitarbeiterzeitschriften, Blogs, Intranet…) ist wichtig, um Innovation und Lernen als Haltung und Kultur tiergehend zu etablieren. Last but not least sind regelmäßige Schulungen zu neuen (Projekt-)Management-Methoden und innovationsfördernde Veranstaltungsformate wie Barcamps oder Lean Coffee hochgradig sinnvoll, um Ideen zu generieren und Innovation und die entsprechende Kultur in der eigenen Organisation immer weiter zu entwickeln.

Fazit, oder: Die eigenen Anforderungen im Blick halten

Bis hier hin durchgehalten? Respekt… Ich will abschließend auch nur noch mal betonen, dass die beschriebenen Schritte zu einem lebendigen Innovationsmanagement auf die eigene Organisation anzupassen sind.

So braucht ein Komplexträger mit mehreren Tausend Mitarbeiter*innen eine andere Verankerung als ein kleiner freigemeinnütziger Träger sozialer Dienstleistungen. Unabhängig davon aber können die einzelnen Schritte hilfreich sein, um die wesentlichen Aspekte eines lebendigen Innovationsmanagementsystems zu bedenken.


Ach ja, inzwischen gibt es einen eigenen kleinen Online-Kurs zu dem Beitrag. Hier findest Du mehr Infos.


Hat Ihre Organisation eine Idee davon, wie mit neuen Ideen umgegangen werden soll? Und ist diese Idee in einen strukturiertes Vorgehen und damit in ein Innovationsmanagement geflossen? Würde mich sehr interessieren…

Es wird Zeit, oder: Drei gute Gründe, warum sich soziale Organisation mit Wertschöpfung, Selbstbestimmung und kollektiver Führung beschäftigen müssen

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Wir reden seit Jahren von den Entwicklungen einer neuen Arbeitswelt, Arbeit 4.0 oder gar von New Work. Im Kern, im Maschinenraum von sozialen Organisationen und Bildungseinrichtungen hat sich jedoch wenig bis nichts geändert. Ja, es gibt einige Vorreiter (die im Übrigen sehr gut durch die Krisenzeiten gekommen sind), aber viele Organisationen haben noch nicht einmal von den sich vollziehenden Entwicklungen gehört, geschweige denn daraus konstruktive Schlüsse gezogen. Man könnte diesen Beitrag als erneuten Wink mit dem Zaunpfahl, nein, eher als Wink mit der Zaunfabrik vergleichen: Liebe soziale Organisationen, es wird Zeit! Es ist richtig dringend, es ist 12! Beschäftigt euch mit euren Wertschöpfungsstrukturen, mit den Funktionsweisen selbstbestimmt arbeitender Teams, mit „agiler“ Zusammenarbeit und dem, was unter kollektiver oder kollegialer Führung verstanden wird. Beschäftigt euch mit eurer Zukunft! Warum? Das kannst Du hier lesen.

Mein OKR Set für das 1. Quartal 2022

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Ich wollte Euch ja auf dem Laufenden halten über die Entwicklungen zur Umsetzung meiner Strategie auf dem Weg in meine Selbständigkeit. Außerdem ist die Darlegung meines OKR Set ein Committment, eine höhere Verpflichtung für mich selbst (hoffentlich)… Zur Strategieumsetzung versuche ich, das Framework OKR – Objectives and Key Results – zu nutzen. Hier findest Du nähere Infos dazu, falls es Dich interessiert.

Bevor wir aber ins 1. Quartal 2022 starten, hier noch eine kurze Darlegung, wie ich meine OKR für mich strukturiere.

Meine Struktur der OKR

Zur Erklärung der folgenden Struktur: Ich untergliedere meine Objectives nach den Fokusbereichen, die ich für IdeeQuadrat angehen will:

  1. New Social Work: Das betrifft mein Kerngeschäft. Konkret sind darunter meine Aktivitäten und Angebote zur Organisationsentwicklung zu verstehen, aber auch Themen und Ziele, die IdeeQuadrat allgemein betreffen (bspw. Marketing).
  2. New Social Learning: Das betrifft alle Aktivitäten zum Aufbau von offenen und internen Weiterbildungsangeboten, die ich mit IdeeQuadrat realisieren will. Ideen gibt es einige, Umsetzungen noch nicht 😉
  3. New Social Projects: Das betrifft alles um mein zukünftiges Angebot zur Begleitung von Organisationen bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Projekten und neuen Dienstleistungen wie bspw. der Begleitung bei der Entwicklung von eigenen Weiterbildungsformaten. Aller Voraussicht nach werde ich hier aus ressourcengründen (noch) keine Priorität drauf legen (können).
  4. Private: Ich habe für mich noch einen Bereich „Private“ eingerichtet, der sich um meine persönliche Entwicklung im Rahmen der Selbständigkeit dreht. Denn, soviel steht schon nach der ersten Woche des neuen Jahres fest, Selbständigkeit bedeutet vor allem die Übernahme von Eigenverantwortung und innere Auseinandersetzung mit den kleinen und großen Monstern in mir selbst.

Zu jedem Bereich versuche ich jeweils ein Objective mit entsprechenden Key Results zu definieren. Hinzu kommen dann die Projekte, mit denen ich das Objective umsetzen und die Key Results erreichen will.

Ob das alles so gelingt und ob ich immer alle Objectives teile (vor allem zum 4. Punkt), weiß ich noch nicht. Das ist meine künstlerische Freiheit, die ich mir herausnehme 😉

Fokus New Social Work

Objective 1: IdeeQuadrat ist als Anbieter professioneller Organisationsberatung im Kontext sozialer, kommunaler und Bildungsorganisationen regional bekannter

Key Result 1: Der Text auf meiner Website ist so angepasst, dass mein Angebot klar ersichtlich ist.

Key Result 2: Ich habe ein günstiges, produktähnliches Angebot für die Beratung kleiner sozialer Organisationen erarbeitet und veröffentlicht.

Key Result 3: Ich habe eine Marketing-Strategie erarbeitet, die explizit auf regionale soziale, kommunale und Bildungsorganisationen zugeschnitten ist.

Fokus New Social Learning

Objective 2: Neben individuellen Beratungsangeboten ist der Grundstein für buchbare „Produkte“ gelegt

KR1: Ein mögliches Produktportfolio (nicht nur Weiterbildungen) ist erstellt.

KR2: Die website ist so gestaltet, dass online Produkte (auch Weiterbildungen) angeboten werden können.

KR3: Eine erstes, digitales MVP ist konzipiert und wird angeboten.

Fokus New Social Projects

Das Objective bleibt noch offen, ich muss mich erst noch einspielen und schauen, dass ich in einen halbwegs lebendigen Arbeitsrhythmus komme…

Fokus Private

Objective 3: In meinem Leben herrscht Klarheit 😉

KR1: Ich weiß exakt, wie viele Steuern ich für die letzten beiden Jahre zahlen muss

KR2: Mein Schlaf hat sich soweit normalisiert, dass ich an mindestens vier Nächten in der Woche gut schlafe.

KR3: Ich gehe in der Regel morgens vor der Arbeit spazieren/laufen/radfahren.

Erkenntnisse zu meinem OKR Set für das erste Quartal 2022

Welche Erkenntnisse lassen sich ableiten? Was habe ich gelernt? Das will ich am Ende immer kurz darlegen, um auch reflektieren zu können, was mit die Arbeit mit diesem OKR Set gebracht hat. Das geht natürlich jetzt nur in der Vorausschau, da ich ja gerade erst anfange.

Ich habe oben die einzelnen Projekte, die ich zur Umsetzung der jeweiligen KR angehen will, noch nicht aufgeführt. Das hängt daran, dass ich diese zu Teilen erst noch erarbeiten muss. Und manchmal tue ich mir dann mit dem Fokus auf eine Sache schwer und veröffentliche lieber schon mal etwas… 😉

Mir ist aufgefallen, dass ich noch ein wenig an der klaren Vision und dem Zweck für IdeeQuadrat schleifen muss: Wo genau will ich hin und was genau ist der Zweck von IdeeQuadrat? Aktuell ist es noch etwas schwer greifbar. Das erschwert dann die Erstellung klarer OKR.

Außerdem muss ich noch an der Ausrichtung für das Jahr arbeiten: Macht es Sinn sog. MOALs, also „midterm goals“ zu erarbeiten, um das Jahr insgesamt in den Blick zu nehmen? Das muss ich für mich weiter testen.

Klar ist: In meiner Situation sind private nicht (ganz) von beruflichen OKR zu trennen. Das spiegelt sich in allem, was ich gerade tue, wieder. Für uns als Familie ist die Situation neu und wir werden eine zeitlang brauchen, um uns in dieser so oder so besonderen Zeit aufeinander einzuspielen…

Jetzt bin ich sehr gespannt, wie es in drei Monaten aussieht, ich werde berichten…


P.S.: Im Beitrag zu den Objectives and Key Results findest Du auch ein OKR Canvas, das ich zur Entwicklung auch meiner OKR genutzt habe.

Und hier kannst Du Dich in den Newsletter eintragen, um die Entwicklung fast live und in Farbe zu verfolgen 😉

Kollaboration im Team, oder: Wie Du Leitlinien für die Zusammenarbeit entwickelst

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Achtung, Achtung, nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!


Ich wurde zu meinem Beitrag zur Notwendigkeit von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team gefragt, wie denn konkret vorzugehen ist, um die Kollaboration im Team mit Leitlinien zu verbessern und was in den Leitlinien stehen sollte. Meine Erfahrungen dazu, mein Vorgehen und eine mögliche Gliederung mit entsprechenden Fragen, will ich hier für Dich beschreiben.

Dabei muss klar sein:

Es kann keine allgemeingültigen Leitlinien für Kollaboration im Team geben. Jedes Team ist anders, verfolgt andere Ziele, arbeitet orientiert an anderen Werten zusammen. Das ist nicht nur normal.

Das ist in einer komplexen Welt auch hochgradig sinnvoll, da steigende äußere Komplexität nur durch entsprechende innere Komplexität gestaltet werden kann. Klingt komisch, heißt aber nur:

Wenn von außen mehr und unterschiedliche Anforderungen kommen, muss es innerhalb der Organisation mehr und unterschiedliche Andockpunkte – Diversität und Selbstbestimmung – geben, um zweckgerichtet agieren zu können.

Warum Leitlinien für die Kollaboration in Team?

Bevor ich in die Entwicklung einsteige, nur kurz zur Wiederholung aus dem letzten Beitrag:

Viele Organisationen haben ein Leitbild, das jedoch auf Teamebene wenig lebendig ist: Die Übersetzung der globalen Werte auf Teamebene fehlt oder fällt zumindest schwer.

Gerade jedoch die gemeinsame Auseinandersetzung zur Frage, wie die Zusammenarbeit ganz konkret im Team gestaltet werden soll, die Festlegung von Werten und Prinzipien und das Committment auf gemeinsam definierte Regeln macht Sinn, um Orientierung in komplexen Situationen zu bekommen.

Ja, ich weiß: Festlegungen finden Menschen im sozialen Bereich nicht so prickelnd, es erleichtert aber wirklich die Arbeit…

Konkret macht sich der Nutzen von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team bspw. an Entscheidungsfragen fest, die in einer Pattsituation zu enden drohen:

„Sollen wir eher die Bedarfe der Mitarbeiter_innen oder eher die Bedarfe der Klient_innen berücksichtigen?“

Eine Festlegung in den Leitlinien, die besagt „Fokus Klientel mehr als Fokus Mitarbeiter“ würde diese Frage beantworten.

Noch ein Punkt: Gerade in Phasen von Homeoffice und Remote Work können Leitlinien auf Teamebene Orientierung geben. Und diese Orientierung – das haben wir vermutlich alle erlebt – ist enorm wichtig, wenn sich Teamarbeit und Kollaboration in die virtuelle Welt verlegt. Denkt also bei der Entwicklung Eurer Leitlinien – sofern nötig – die digitalen Settings direkt mit:

Wie kann virtuelle Zusammenarbeit in Eurem Team erfolgen? Welche Leitlinien braucht es dafür? Gibt es Unterschiede?

Der Prozess: Wie Du Leitlinien für die Kollaboration im Team entwickelst!

Grundsatz Partizipation

Ein eigentlich logischer Grundsatz vorab:

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind möglichst partizipativ im Team zu entwickeln. Die Beteiligung aller Teammitglieder (und manchmal sind das nicht so wenige Menschen) ist notwendig, um eine Verbindlichkeit zu den Leitlinien zu bekommen. Die „im Elfenbeinturm“ von der Teamleitung erarbeiteten Leitlinien sind oftmals das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Dieser Grundsatz gilt übrigens auch für die Leitbilder der Gesamtorganisation: Die Einbindung von mehr Personen macht mehr Sinn, wenn man zu lebendigen Leitbildern kommen will.

Workshop analog oder digital

Sinnvoll für die Erarbeitung der Leitlinien hat sich ein Tagesworkshop bzw. Klausurtag herausgestellt, in dem sich die Teammitglieder auf die Aufgabe und Themenfelder (s.u.) wirklich konzentrieren können. Optimalerweise findet der Tag nicht in der eigenen Organisation, sondern an anregenden Orten in der Umgebung statt. Das öffnet den Raum und die Gedanken. Und ideal ist, den Tag von jemandem, der_die nicht Teammitglied ist, moderieren zu lassen.

On-Site Workshops, also analoge Veranstaltungen vor Ort sind aktuell aber eher schwierig – wegen Du weißt schon was. Außerdem sind die Ressourcen gerade für soziale Organisationen oft knapp. Hinzu kommt die Problematik, dass oftmals Klientel für 24h an 365 Tagen im Jahr zu betreuen ist und damit ein gemeinsamer Teamtag nicht möglich ist. Dann geht die Entwicklung auch online als Remote-Workshops (ein wenig Technik und eine funktionierende Internetverbindung vorausgesetzt).

Aktuell begleite ich einen Prozess, in dem wir in mehreren, kurzen Online-Settings Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team peu a peu entwerfen. Das spart Ressourcen und ermöglicht die Einbindung auch der Teammitglieder, die zum aktuellen Zeitpunkt Dienst haben und nicht teilnehmen können.

Ach ja: Sollte eine externe Begleitung nicht möglich sein, macht es trotzdem: Denkbar ist ja, dass die einzelnen Themen, die ihr für Euer Team festlegt, von einzelnen Kolleg_innen als Entwürfe erarbeitet werden. Innerhalb der Teambesprechungen können die Themen dann diskutiert und zusammengeführt werden.

Eine denkbare Gliederung der Leitlinien

Noch einmal, weil es so relevant ist:

Es gibt keine Blaupause für Leitlinien. Jedes Team ist anders, arbeitet anders, hat andere Aufgaben und einen anderen Existenzzweck. Entsprechend sind die folgenden Aussagen beispielhaft! Nutzt diese als Anregungen und passt sie für euch und Euer Team an!

1. Mission/purpose des Teams

„Das englische Wort purpose, das in diesem Kontext auch im Deutschen genutzt wird, lässt sich übersetzen mit ‚Sinn und Zweck‘, Daseinszweck oder Bestimmung.“ (https://newworkglossar.de/warum-brauchen-organisationen-einen-purpose/) Mir reicht eigentlich der Begriff der Mission, der ebenfalls den Zweck beschreibt, aber im Begriff purpose kommt noch eine Zukunftsperspektive hinzu:
Stellt Euch also die Fragen:

  • Wofür existiert dieses Team?
  • Was ist sein Daseinsgrund?
  • Was ist sein Auftrag in der Organisation?

Die Antwort auf diese Fragen dient später als Nordstern, als Ausrichtung für Teamentscheidungen.

2. Wirkung und Ziele

Hier lauten mögliche Fragen:

  • Woran erkennt ihr, dass ihr gute Arbeit macht und als Team Wirkung erzeugt?
  • Welche Kriterien könnt ihr anlegen, um die Wirkung zu messen?

Ja, ich weiß, oftmals ist es nicht ganz einfach, die Wirkung personenbezogener, sozialer Dienstleistungen zu messen. Und trotzdem (oder gerade deshalb) braucht es eine Orientierung, ob und wie soziale Arbeit gut funktioniert. Schaut mal auf dem Blog von Sebastian Ottmann vorbei, da geht es genau um das Thema Wirkung. Von dort habe ich auch die Definition von Wirkung als „Eingetretene Veränderungen oder Stabilisierungen bei den Zielgruppen eines (…) Programms (…), die ursächlich auf dieses Programm zurückgehen.“ (Balzer & Beywl, 2015, S. 192) Balzer, L. & Beywl, W. (2015). evaluiert: Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich (1. Auflage.). Bern: hep verlag ag.)

3. Kommunikation

Hier wird es wieder sehr konkret:

  • Wann kommuniziert ihr?
  • Wann finden Teamsitzungen statt?
  • Über welche Tools kommuniziert ihr (vor allem in der digitalen Kommunikation)?
  • Finden Teamsitzungen in der Regel remote statt (warum nicht) oder analog?
  • Warum?

4. Dokumentation und Aufgaben

Im Zusammenhang mit der Kommunikation steht die Frage, wo getroffene Entscheidungen und Beschlüsse, aber auch andere Informationen festgehalten werden.

  • Wo finden sich welche Infos, die für die Teamarbeit wirklich wichtig sind?
  • Gibt es Protokolle?
  • Oder macht die Arbeit auf virtuellen oder analogen Whiteboards mehr Sinn?
  • Wo finden sich die Projekte, die ihr als Team angehen wolltet?
  • Wo lässt sich deren Status einsehen?

Und ganz ehrlich: Ich kenne einige Einrichtungen und Teams, in denen „vor sich hingewurschtelt“ wird. Es wird viel Zeit auf die Suche nach den richtigen Dokumenten verwendet, der Frust ist hoch, wenn Martin mal wieder in das falsche Dokument die richtigen Inhalte geschrieben hat und die Projekte, die wir als Team angehen wollten, kommen zum dritten Mal auf die Tagesordnung im Team… Das nervt nicht nur, das kostet auch richtig Geld und führt zur eine minderen Qualität Eurer Leistungen gegenüber der Klientel.

Abschließend: Macht die Leitlinien sehr konkret, mit Namen! Als Beispiel:

„Unsere Protokolle legen wir in der Dateiablage unter XXXX ab. Verantwortlich für eine transparente Dokumentation ist Claudia, vertreten wird sie von Klaus.“

5. Entscheidungen

Wieder im Zusammenhang mit den beiden vorherigen Aspekten stellt sich immer wieder die Frage in Teams, wie Entscheidungen getroffen werden. Klar, meist gibt es eine Teamleitung. Aber ist es sinnvoll, dass die Teamleitung alle Entscheidungen treffen muss? Sicher nicht. Hinzu kommt, dass die Personalsituation dazu führen wird, dass wir in vielen Arbeitsfeldern zukünftig zwangsläufig mit verstärkt selbstbestimmt arbeitenden Teams agieren müssen: Niemand will mehr die Leitungsposten übernehmen. Daraus folgt, dass es Leitlinien bedarf, wie welche Entscheidungen getroffen werden. Ich will hier nicht in die Tiefe gehen, Euch aber zwei Ressourcen an die Hand geben, die hilfreich sein könnten:

a) das „Delegation Board“ (schaut mal in diesen Artikel, der sehr schön das Vorgehensweise erklärt) und

b) das „Handbuch der Entscheidungen“, zu dem ihr hier mehr Infos finden könnt.

Kurz: Es gibt mehr und sinnvollere Möglichkeiten, gute Entscheidungen schnell im Team zu treffen als demokratische Abstimmungen, Konsens-Gelaber oder von oben durchgesetzte Anweisungen.

6. Verbindlichkeit

Hier geht es weg von der konkreten, hin zur Ebene der Werte, die ihr im Team leben könnt. Eng verbunden mit den Aspekten zuvor ist für mich der Punkt „Verbindlichkeit“, da Teamentscheidungen nur dann sinnvoll sind, wenn sich alle von der Entscheidung Betroffenen auch daran halten. Das macht es übrigens so sinnvoll, nicht nur die Teamleitung oder immer alle entscheiden zu lassen, wenn nicht immer alle und die Teamleitung schon gar nicht von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.

7. Entwicklung und Lernen

Das betrifft die Frage, wie ihr euch als Menschen und als Team entwickelt, lernt und bspw. auch mit Fehlern umgehen wollt. Aber auch Fragen, wer wie welche Fort- und Weiterbildungen wahrnehmen kann und soll, hängt hiermit zusammen.

8. Transparenz

Auch dieser Aspekt ist auf Ebene der Werte angesiedelt, spielt aber im Rahmen der zunehmend selbstbestimmten Entscheidungen in Teams eine wesentliche Rolle: Wir können nur dann gut arbeiten, wenn offen, ehrlich und transparent kommuniziert wird. Wissen darf nicht zum eigenen Vorteil zurück gehalten werden und Mitarbeiter_innen können die Wahrheit sehr gut vertragen (es sind immerhin erwachsene Menschen, die auch noch bezahlt werden…). Und die Wahrheit betrifft auch finanzielle Aspekte oder Kennzahlen der Organisation. Denn wenn es finanziell nicht gut läuft, wissen die Mitarbeiter das sowieso schon – oft vor den Führungskräften.

9. Und so weiter und so fort…

Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt:

  • Welche Werte sind Euch als Team wirklich wichtig? Und vor allem:
  • Wie gelingt es, diese Werte in konkrete, handlungsleitende Prinzipien zu übersetzen?

Das ist wichtig:

Leitlinien sind nur dann sinnvoll, wenn sie von der abstrakten Ebene zu ganz konkreten, umsetzbaren und Orientierung gebenden Leitplanken werden. Scheut euch nicht, Verantwortlichkeiten festzulegen und Namen in die Leitlinien zu schreiben. Erst dadurch ergibt sich „skin in the game“, erst dann tut es für mich weh, wenn ich meiner Aufgabe nicht nachkomme.

Leitlinien für die Kollaboration im Team sind „working papers“

Abschließend der erneute Hinweis:

Leitlinien bringen nichts, wenn sie zu Leidlinien werden, wenn sie vor sich hin gammeln und in irgendwelchen Schubladen vergilben.

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind sinnvoll, wenn wirklich mit ihnen gearbeitet wird, wenn sie Grundlage für die Teamsitzungen sind und – ganz wichtig – wenn sie regelmäßig (reicht jährlich???) angeschaut und überarbeitet werden.

Aber auch hier wieder: Wer ist für die Nutzung und Überarbeitung der Leitlinien verantwortlich? Wählt eine Person aus dem Team, die zuständig und verantwortlich ist. Auch, wenn es sich zunächst ungewohnt anfühlt!


P.S.: Nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!

P.P.S.: Habt ihr Leitlinien im Team? Gelingt die Arbeit damit? Und falls nicht: Habt ihr Lust, welche zu erarbeiten? Dann nehmt gerne Kontakt auf…

Die IdeeQuadrat-Strategie 2025, oder: Verführungen am äußeren Rand der Panikzone

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tl:dr: Ich mache mich mit IdeeQuadrat im Jahr 2022 – also jetzt – komplett selbständig. Ich verlasse meine Komfortzone und begebe mich in neue Abenteuer am Rande der Panikzone und weiter. Das ist mit Blick auf die Historie nachvollziehbar: Mit IdeeQuadrat bin ich schon eine Weile unterwegs. Mein Fokus hat sich dabei nicht geändert. Ich bin immer noch und zunehmend überzeugt davon, dass Soziale Organisationen, Bildungseinrichtungen und kommunale Verwaltungen „New Work Vorreiter“ sein können (wenn nicht gar müssen). Und am Rande der Panikzone – in meiner Arbeit – will die Organisationen dahin verführen, ihren Zweck bestmöglich zu erfüllen. Hinzu kommen Bildungsangebote und die Begleitung bei der Projektentwicklung. Kurz: Hier ist meine IdeeQuadrat-Strategie für die kommenden Jahre.

Der New Work Gap, oder: Warum wir miteinander reden müssen!

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Im letzten Werkraum Zukunft, der dem Thema Jahresrück- und -ausblick gewidmet war, haben wir uns intensiv mit Fragen der Digitalisierung in der Pandemie auseinandergesetzt:

Wir haben übergreifend gesprochen: Wie gelingt Digitalisierung? Woher kommen Mittel zur Gestaltung der Digitalisierung? Und wir sind konkret abgetaucht: Gelingen hybride Veranstaltungen und wenn ja, wie? Wie akzeptiert ist Blended Counseling und warum zählt die Perspektive der Berater_innen nicht so sehr wie die Perspektive der Nutzer_innen? Wie lassen sich auch Blended Consulting Projekte in der Organisationsentwicklung neu und zielführend gestalten?

Worüber reden wir genau?

Diese und mehr Fragen haben eine grundlegende Herausforderung aufgezeigt, die (nicht nur) mit Fragen gelingender Digitalisierung einhergehen:

  • Worüber reden wir genau?
  • Wer versteht was genau unter dem Begriff der Digitalisierung?
  • Und wie kann es gelingen, ein gemeinsames Verständnis dessen herzustellen, um das es geht? Mehr noch:
  • Wie kann sich die Gesellschaft (gibt es sowas eigentlich?) hinsichtlich ihrer enorm weit auseinandergehenden digitalen Kompetenzen – dem digital gap – annähern?

Der New Work Gap

Die letzte Frage lässt sich erweitern auf grundlegende Herausforderungen unserer Gesellschaft, und nein:

Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten. Vielmehr schreit ein kleiner Teil der Gesellschaft laut, weil er auf einfache Antworten auf hoch komplexe Fragen hofft. Diese einfachen Antworten kann es aber nicht geben. Und ich will hier nicht über irgendwelche Impfdebatten sprechen…

Aber: Es ist festzustellen, dass es Entwicklungen gibt, die enorm weit auseinandergehen:

Digitale Vorreiter entwickeln selbstfahrende Autos und haben seit Jahren ihre Organisation, für die sie arbeiten, nicht mehr von innen gesehen, wohingegen andere Bereiche der Gesellschaft und der Organisationen auf Teufel komm raus an analoger Präsenz festhalten und damit notwendige Entwicklung verhindern – der schon angesprochene digital gap.

Diesen gap gibt es aber auch in vielen anderen Bereichen:

So stelle ich in meiner eigenen Arbeit regelmäßig fest, dass es alles andere als selbstverständlich ist, sich mit „New Work“, mit Arbeits- und Lebenswelten der Zukunft zu befassen.

Das ist ein new work gap oder new work divide, wenn man so will…

In seiner je eigenen Blase herrscht die Vorstellung, dass alles so bleiben kann, wie es die letzten 30 Jahre war und man bestärkt sich gegenseitig, dass es so ist, wie es ist. Logisch bin ich davon überzeugt, dass dem nicht so ist, damit verdiene ich ja mein Geld 😉

Aber worauf will ich hinaus?

Denkräume gestalten, um Zukunft zu entwickeln

Ich will darauf hinaus, dass es Räume und Zeiten braucht, in denen wir uns aufeinander verständigen, neue Ideen entwickeln, miteinander in Kontakt kommen, Dialoge führen. Wir brauchen die Verständigung, um die gaps unserer Gesellschaft zu schließen.

Sabine spricht im Werkraum Zukunft ihren Wunsch für das Jahr 2022 aus:

Sie will Denkräume, um reflektieren zu können, was wirklich neu gedacht und dann auch gemacht werden muss. Eigentlich logisch: Wir können und werden – hoffentlich – nicht dahin zurück gehen, wo wir vor der Pandemie standen. Wir werden uns hoffentlich weiterentwickelt haben – nicht nur, was die Nutzung digitaler Tools oder irgendwelche New Work Ideen, sondern was unsere Gesellschaft betrifft.

Ich kann mich der Idee der Denkräume nur anschließen:

Es braucht Raum, um sich in den unterschiedlichen, oben skizzierten Feldern gesellschaftlicher und organisationaler Entwicklung zu verständigen:

  • Über was reden wir, wenn wir Thema XY ansprechen?
  • Was ist der Status Quo und wo wollen wir hin?
  • Wie könnte es dort, in dieser Zukunft, aussehen?
  • Und was müssen wir tun, damit wir die positive Zukunft gestalten?

Denn, so viel ist klar:

„Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet.“

Alan Kay

Slack, oder: Wir brauchen Fettpolster

Aber Denkräume zum Schließen der gaps brauchen Ressourcen. Zeit zum Denken braucht – genau – Zeit und Menschen, die sich auf neue Gedanken, Wege, Ideen und Unsicherheit einlassen.

Jedoch ist mit Blick auf Organisationen im Sozial- und Gesundheitswesen in der Pandemie festzustellen, dass keine freien Ressourcen, sogenannte Slack Ressources, vorhanden sind und waren, um Mehrbelastung abzufedern geschweige denn zum Neudenken und -machen anzuregen.

Unter Slack sind organisatorische „Fettpolster“ zu verstehen:

„Eine Armee hält sich Ersatzteile für Panzer auch dann vorrätig, wenn kein militärischer Konflikt bevorsteht. An zentralen Bahnhöfen unterhalten halten staatliche Verkehrsbetriebe Pools von Technikern, die komplizierte Fehlerquellen beseitigen können, auch wenn deren Qualifikationen nur selten nachgefragt wird. Ein Landkreis erklärt sich bereit Krankenhausbetten zu finanzieren, die nicht permanent gebraucht werden, um auf eine Katastrophe oder eine Pandemie eingestellt zu sein.“ so Stefan Kühl.

Noch einmal:

In Sozialen Organisationen fehlen diese Fettpolster. Soziale Organisationen agieren am Limit und viel weiter. Die Burnoutstatistik im AOK Fehlzeitenreport sagt alles: Wir sind Burnout-Spitzenreiter!

Overhead-Fettpolster

Aber die fehlenden Fettpolster zeigen sich nicht nur in der operativen Arbeit „am Menschen“, wo der Fachkräftemangel unsere Gesellschaft noch richtig hart treffen wird.

Fehlender Slack zeigt sich auch auf den Management-Ebenen der Organisationen: In Organisationen der Sozialen Arbeit sind keine Mittel zur Finanzierung eines angemessenen Overheads vorhanden, der in der Lage ist, die Zukunft der Organisationen zu gestalten.

Und nein, mit „angemessenem Overhead“ meine ich nicht das Business-Theater und die sinnlose Aufblähung von Abteilungen, die die Beschäftigung der Organisationen mit sich selbst fördern. Ja, natürlich braucht es Controlling und QM, aber bitte nicht als Fettpolster.

Wir brauchen vielmehr Slack verstanden als Ressourcen für Menschen und Möglichkeiten, die nicht in der operativen Arbeit untergehen. Wir brauchen Menschen und Möglichkeiten, um Zukunft zu denken, anzustoßen und zu gestalten – genau:

Wir brauchen Denkräume.

Als negatives Beispiel für fehlenden Overhead sozialer Organisationen sind die meisten Stabsstellen zum Thema Digitalisierung projektfinanziert. Während privatwirtschaftliche Organisationen den oder die CDO einstellen, ist in vielen, vor allem den kleinen und mittleren Organisationen, nach drei Jahren Schluss, Ende im Gelände, Schicht im Schacht mit Digitalisierung.

Wer Digitalisierung so denkt, hat eine zeitgemäße Kultur der Digitalität nicht im Ansatz verstanden.

Das muss sich ändern, dringend. Und ja, das ist ein Plädoyer an die Politik, in die Ressourcenausstattung sozialer Organisationen zu investieren.

Miteinander reden

Dazu aber – ich komme zum Miteinander reden zurück – ist wiederum gemeinsames Verständnis von Kostenträgern und Leistungserbingern erforderlich, um verstehen zu können, wer welche Herausforderungen zu bewältigen hat.

In einem der letzten Beiträge habe ich geschrieben, dass sich „die Codes und Funktionsweisen von Sozialen und Bildungsorganisationen (…) radikal von denen der Sozialleistungsträger und für Bildung zuständigen Amtsstrukturen [unterscheiden]. Die einen sind im Kern auf die Gestaltung von Komplexität, die anderen auf die regelbasierte Abarbeitung von (gesetzlichen) Vorgaben, Plänen und die Kontrolle der Einhaltung von Regeln ausgerichtet.“

Das passt (noch) nicht zusammen. Die Logiken der Systeme agieren diametral entgegengesetzt. Um zusammen Ressourcen für die Gestaltung der Zukunft zu generieren, muss es zunächst Zuhören, Verständigung geben. Denn Veränderung braucht Ressourcen. Und diese kommen in sozialen Organisationen nunmal nicht von den „Kunden“, sondern sind im Wesentlichen öffentliche Mittel.

Wenn wir aber wollen, dass unsere Gesellschaft über ein zukunftsfähiges, nicht nur system-, sondern lebensrelevantes Gesundheits- und Sozialwesen verfügt, müssen wir in die Entwicklung der Organisationen investieren. Denn klar ist:

Egal welche Veränderung, für die keine Mittel vorhanden sind und die mal eben so nebenbei gemacht werden soll, ist zum Scheitern verurteilt.


P.S.: Der nächste Werkraum Zukunft findet am 20.01.2022 statt. Hier kannst Du Dich zum Newsletter anmelden, um informiert zu bleiben.

P.P.S.: Interessant bzgl. des Zuhörens sind die vier Arten des Zuhören von Otto Scharmer.