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5 Ideen zur Gestaltung lebendiger Organisationsstrukturen

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Die Diskussion um neue Organisationsformen, zeitgemäße Organisationsentwicklung, die Gestaltung lebendiger Organisationsstrukturen oder das, was immer wieder als „New Work“ verkauft wird, kann zur Vorstellung führen, dass es genau zwei sinnvolle Logiken zur Strukturierung einer Organisation gibt:

Auf der einen Seite stehen traditionelle Hierarchiemonster, in viele Ebenen gestaffelte, pyramidale, hoch komplizierte, mit Stabsstellen versehene Organigramm-Konstrukte, gegen die die Pyramiden von Gizeh alt aussehen. Die Mitarbeiter* innen sind grauer als die Graumänner bei Momo und Frau Malzahn ist Chef. You know what I mean…

Auf der anderen Seite stehen sich evolutionär entwickelnde, einer integralen Logik folgende, dauermeditierende Hipsterbuden, die die Netzwerklogik so übertreiben, dass sie schon allein deswegen nicht ganz dicht sind, weil sie für alles und jeden offen sind. Matetee ersetzt Kaffee und das einzige Statussymbol sind die selbstgehäkelten, erkreiselten Pulswärmer. Da kann einem schon schwindlig werden…

Warum Polarisierung wichtig ist

Ja, ich überspitze, sehr bewusst. Aber eine Polarisierung ist (oder, besser: war) wichtig, um beide Seiten gegeneinander zu stellen und über die Polarität zu verdeutlichen, wo die Herausforderungen vor allem der formal-hierarchischen, einer technokratischen Management-Logik folgenden, bürokratischen Strukturen liegen. Und es bleibt wichtig, die beiden Pole aufzumachen, um zu verdeutlichen, dass Arbeit heute und in Zukunft anders sein muss, wenn wir die Herausforderungen unserer Welt gestalten wollen. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass wir so sozialisiert sind, Arbeit immer in „oben und unten“ zu denken, immer in „Ich Chef, du nix!“ zu agieren, immer anhand von Belohnung und Bestrafung zu entscheiden. Das hat mit der Realität im Übrigen ganz wenig zu tun, denn: Wenn man genau hinschaut, sieht man die hinter der Formalstruktur liegende Beziehungsstruktur der Organisation ebenso wie die Struktur, die für die Wertschöpfung zuständig ist. Aber dafür fehlen uns oft die Worte.

Der andere, der von mir oben sehr abschätzig als sich evolutionär entwickelnde, einer integralen Logik folgende, dauermeditierende, türkise Pol, schreckt aber genauso ab, wie die erste Seite. Das kommt wiederum durch die Sozialisation: Das, was wir nicht kennen, macht erstmal Angst, löst Unsicherheit aus, lehnen wir ab. Das geht uns mit fremden Menschen und Kulturen so wie mit nervigen Pandemien und der Art, wie wir Arbeit denken und strukturieren.

Die Realität zwischen den Polen

Zwischen den beiden – wichtigen – Polen (unten zeige ich dann, dass es diese so auch nicht existieren) gibt es jedoch deutlich mehr Optionen der Strukturierung von Arbeit. Vor kurzem bin ich im Buch „Corporate Rebels: Make work more fun“ über die im Folgenden skizzierten fünf möglichen „Zwischenformen“ organisationaler Struktur gestolpert. Ich greife sie hier mal als Anregung auf und bin gespannt, ob und wo Du noch Ergänzungen siehst:

1. Das reine Verständnis darüber, wo die Wertschöpfung geleistet wird

In einem pyramidalen Organisationsbild erfolgt die Wertschöpfung an der Basis. Dass die Basis damit wichtiger ist als die Führung, ist für viele immer noch verwunderlich, denn es wird immer und überall so getan, als wäre „weiter oben wichtiger“. Das ist aber nicht so, denn Führungskräfte sind ohne Mitarbeiter* innen: Nichts. Eine erste Stufe ist somit schon erreicht, wenn Führungskräfte dies einsehen. Das muss nicht ganz oben geschehen oder als „die Menschen im Mittelpunkt“ im Leitbild festgehalten werden. Das ist im täglichen Handeln der Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeiter* innen viel wichtiger (und kostet tatsächlich einfach erstmal nichts). Die Feststellung, dass die Führungskräfte dazu da sind, den Mitarbeiter* innen zu ermöglichen, bestmögliche Arbeit zu leisten, verändert einiges im Unternehmen.

2. Selbstorganisiert Arbeiten

Unglaublich, aber wahr: Wenn die Gesamtorganisation den Weg hin zur sich selbst organisierenden Netzwerkorganisation nicht geht, hält Dich niemand davon ab, trotzdem in Deinem Team die Werkzeuge, Methoden und Tools selbstorganisierten Arbeitens anzuwenden. Warum nicht die Entscheidungen im Team mithilfe des Delegation-Board anders verteilen? Warum nicht andere Entscheidungswerkzeuge verwenden? Warum nicht die Meetings sinnvoll gestalten? Warum nicht Vertrauen im Team vor Kontrolle setzen? Einfach mal ausprobieren, wirkt Wunder (und vielleicht sogar auf die anderen Teams der Organisation).

3. Flachere Hierarchien

Bevor Du komplett auf Hierarchien in Deiner Organisation verzichtest, macht es vielleicht Sinn, einige Hierarchieebenen zu hinterfragen: Könnten wir die Bereiche XY nicht anders gestalten, so dass diese sich selbst organisieren, aber gleichzeitig die Verantwortung immer noch bei Bereichsleitungen (oder wie auch immer) liegen? Wichtig ist in dieser Form, dass sich die einzelnen Teams darüber bewusst sind, wie sie arbeiten: Wollen Sie klassisch mit einer Teamleitung agieren oder wollen sie selbstorganisiert ihre Arbeit erledigen? Denn wenn das nicht klar ist, besteht die Gefahr flacher Hierarchien: Die Komplexität für die Bereichsleitung ist viel zu hoch und nicht mehr überschaubar.

4. Netzwerkorganisation

Buurtzorg, ein beliebtes Beispiel in diesem Kontext, ist als Netzwerkorganisation zu verstehen: Autonom agierende Teams werden unterstützt durch ein kleines Zentrum, in dem vor allem administrative Aufgaben abgearbeitet werden. Eine weitere wichtige Aufgabe des head office ist die Unterstützung der Teams in Fragen der Selbstorganisation: Wie gelingt Entscheidungsfindung? Wie gehen wir mit Konflikten um? Wie realisieren wir Einstellungen? usw. Mit dem head office existiert somit nur noch eine Hierarchieebene oberhalb der Teams.

Hier erläutere ich übrigens, warum Du Buurtzorg nicht als Vorbild heranziehen solltest.

5. Eco-System autonomer Mini-Firmen

Hier wird Haier, ein chinesischer Industriekonzern, der weltweit Marktführer im Bereich Haushaltsgroßgeräte ist, angeführt. Allein das ist schon sehr verwunderlich: Nicht die kleine Berliner Software-Schmiede oder der Öko-Versand aus Freiburg, sondern ein international agierender Konzern mit weit über 70.000 Mitarbeiter* innen. Das Besondere ist, dass sich Haier für die aktuelle Strategie darauf vereinbart hat, ein vertrauenswürdiges Ökosystem und eine Co-Sharing-Plattform durch Reformen des Organisationsmodells zu werden. Auf der Homepage findet sich der Vergleich des Konzerns mit einer Stadt, die im Gegensatz zum klassischen Unternehmen auch in Zeiten des Wandels überleben wird (vgl. Auch Kevin Kelly, The Inevitable: Understanding the 12 Technological Forces That Will Shape Our Future).

Entsprechend diesem Bild ist Haier nicht als eine Firma zu verstehen, sondern als Zusammenschluss vieler „Mikro-Unternehmen“ zu einem Ökosystem, das sich den Herausforderungen der Zukunft anpasst: „Selbstorganisierende Mikrounternehmen mit Selbstunternehmertum bilden eine Grundeinheit der Wertschöpfung.“ (klick)

Was lässt sich daraus für die Gestaltung lebendiger Organisationsstrukturen lernen?

Meine zu Beginn eröffnete Polarität kommt an die Grenze:

Ja, auf der einen Seite der beiden Pole stehen klassische Unternehmen, die formal-hierarchisch strukturiert basierend auf einem technokratischen Management-Verständnis versuchen, die alte Welt zu bewahren. Traurigerweise laufen wir auch in der jetzt notwendigen Transformation unseres Wirtschaftssystems Gefahr, diese Unternehmen zu stützen, obwohl immer deutlicher wird, dass deren Betriebssystem am Ende ist (Lufthansa als Beispiel).

Der andere Pol jedoch existiert nicht: Wenn die Entwicklung von Unternehmen und Organisationen evolutionär gedacht wird, wenn Städte oder, noch besser, Ökosysteme als Grundlage der Gestaltung von Organisation gedacht werden, gibt es kein Ende, keinen zweiten Pol. Vielmehr stehen wir vor einer offenen Landschaft enormer Vielfalt, die durch uns gestaltet werden kann. Wieder einmal zeigt sich, dass diese Vielfalt nützlicher, resilienter und krisenfester ist, als Monokulturen.

Abschließend noch ein Gedanke zu sozialen Organisationen:

Es wäre denkbar (und mir sind die Hürden sehr wohl bewusst), gerade große Wohlfahrtsverbände so zu strukturieren, dass diese ebenfalls dem sich gegenseitig befruchtenden Gedanken eines Ökosystems entsprechen. Und ganz ehrlich: Auf dem Papier sind sie es in vielen Fällen schon. Wichtig ist aber, nicht den Verband als Organisation, sondern die darunter liegenden Organisationseinheiten, Beratungsstellen, Kindergärten, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen… gesondert als je eigene Organisation zu betrachten. Um im Bild von Haier zu bleiben, ginge damit einher, die kleinen Einheiten mit allen Verantwortlichkeiten auszustatten, wodurch – so die Hoffnung – auch das Unternehmertum innerhalb der Einheiten gestärkt werden kann.


P.S.: Vielfalt ist im Übrigen auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene mehr als sinnvoll. Die absurden Geschehen in Amerika führen und gerade vor Augen, wie hoch problematisch gegensätzliche Lager ohne Gesprächsbereitschaft sind.

Das Subsidiaritätsprinzip als handlungsleitendes Prinzip zur Gestaltung zeitgemäßer sozialer Organisationen

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Meine These seit Beginn der Beschäftigung mit der Gestaltung sozialer Organisationen lautet: Soziale Organisationen sind (eigentlich) perfekte Organisationen, um den Herausforderungen gesellschaftlichen Wandels gewachsen zu sein.

Diese These begründet sich zum einen aus den vielfältigen Anforderungen unterschiedlichster Funktionssysteme, denen sich soziale Organisationen als pluralistische Organisationen gegenüber sehen: Soziale Organisationen müssen den Anforderungen des Wirtschaftssystems und des Politik- sowie Rechtssystems ebenso gerecht werden wie – je nach Arbeitsfeld – den Anforderungen des Bildungssystems oder des Gesundheitssystems. Ein Umgang mit dieser Komplexität kann nur gelingen, wenn die Organisationen nicht einem klassischen, zweckrationalen Organisationsverständnis folgen.

Zum anderen begründet sich die These durch die Art der Organisationen als „front-line organizations“: Auch wenn der Begriff arg nach militärischer Logik klingt, sagt er nur aus, dass die Wertschöpfung der Organisationen durch die Professionellen unmittelbar an der Basis erfolgt: Geschäftsmodelle Sozialer Organisationen (ja, sowas gibt es) basieren nicht auf der angeblich herausragenden Arbeit der Führungskräfte und schon gar nicht auf Maschinen oder digitalen Technologien, sondern auf der Arbeit von Menschen mit Menschen, in der Beziehung, im direkten Kontakt. Maschinen, digitale Technologien ebenso wie die Führung können (und müssen) Unterstützung leisten, damit die Arbeit bestmöglich umgesetzt werden kann.

Daraus folgt, dass Soziale Arbeit – wenn sie denn erfolgreich sein soll – nur durch selbstorganisierte, möglichst autonom agierende Teams gelingen kann: Die Menschen an der Basis entscheiden selbst, was in der jeweiligen Situation gut und richtig ist. Sie orientieren sich an ihrer Profession, ihrer persönlichen Haltung sowie an organisationalen Prinzipien.

Selbstorganisation wiederum ist eins der wesentlichen Prinzipien zeitgemäßer und damit „agiler“ (im Sinne von anpassungsfähiger) Organisationen. Die anderen Prinzipien sind – mit Blick auf die Menschen – Ganzheitlichkeit und – mit Blick auf die Vision – der organisationale Sinn. Ich habe bereits hier ausgeführt, warum Selbstorganisation, Ganzheitlichkeit und Sinn nicht nur als Prinzipien für zeitgemäße Organisationen, sondern auch als grundlegend für gelingende soziale Organisationen gelten können.

Subsidiarität als Grundprinzip der Selbststeuerung

Meine o.g. These wird – drittens – unterstützt durch das die Arbeit sozialer Organisationen prägende Subsidiaritätsprinzip. Jeder Studierende der Sozialen Arbeit lernt im ersten Semester wenn nicht die Bedeutung, so zumindest das Wort „Subsidiaritätsprinzip kennen. Zur Wiederholung des im Studium hoffentlich Gelernten:

„Das S.sprinzip ist ein Strukturprinzip einer freiheitlichen und menschenwürdigen Staats- und Gesellschaftsordnung. Es verpflichtet den Staat ebenso zur Aktivität wie zur Selbstbeschränkung. Es verpflichtet ihn zur Hilfe für die kleineren und untergeordneten Gliederungen (Länder, Kreise, Kommunen, Selbstverwaltungseinrichtungen), um der einzelnen Bürger und der Familien willen, aber es verbietet ihm auch die Intervention in deren Aufgaben, wenn diese sie aus eigenen Kräften erfüllen können. Können sie diese Aufgaben aus eigenen Kräften nicht erfüllen – z. B. im Bildungs- oder Sozialbereich – dann verpflichtet das S.sprinzip den Staat darüber hinaus, diese Aufgaben nicht gleich an sich zu ziehen, sondern Wege zu suchen, auf denen sich die Selbsthilfekräfte stärken lassen. Dem S.sprinzip eignet also eine positive, den Staat aktivierende, und eine negative, ihn abwehrende und zugleich vor Überforderung schützende Dimension. Beiden Dimensionen zugleich gerecht zu werden, ist das dauernde und häufig kontroverse Geschäft der Politik.“ (Spieker M. (2020): Subsidiarität).

Für mich ist insbesondere spannend, dass es dem Staat verboten ist, in die Arbeit und die Aufgaben der untergeordneten Teilsysteme einzugreifen, wenn diese sie aus eigenen Kräften erfüllen können. Wenn jedoch die eigenen Kräfte nicht ausreichen, wird die übergeordnete Stelle (der Staat, in diesem Fall) verpflichtet, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben: Die untergeordnete Stelle wird darin unterstützt, selbstbestimmt und autonom handeln zu können.

Übertragen auf Organisationen lässt sich festhalten, dass es unter Voraussetzung des Subsidiaritätsprinzips nicht rein selbstorganisierte Organisationen geben muss (und kann). Es ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass die an der Basis agierenden Kräfte von der übergeordneten Ebene darin unterstützt werden (sollten), sich selbst zu helfen – sofern sie ihre eigenen Aufgaben nicht allein bewältigen können.

Das Subsidiaritätsprinzip verlangt dienende Führung

Führung wird damit zur „dienenden Führung“: einer Führung also, die die Menschen an der Basis, dort, wo die Wertschöpfung sozialer Organisationen stattfindet, unterstützt, damit sie ihre Arbeit autonom und selbstbestimmt und damit bestmöglich machen können.

Gerade in Zeiten von Corona, von Lockdown und Homeoffice wird dies vielen Führungskräften schmerzlich bewusst: In der operativen Arbeit werden sie nicht gebraucht. Gebraucht werden sie aber, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Arbeit auch unter erschwerten Bedingungen gut gelingen kann. Das kann die strategische Weiterentwicklung der Organisation bedeuten. Das kann aber auch bedeuten, einfach mal Pizza und Bier zu bestellen. Und im einfachsten Fall kann es bedeuten, den Mitarbeiter*innen zu vertrauen und einfach mal nichts zu tun. Wie im Subsidiaritätsprinzip angelegt:

Es ist der übergeordneten Stelle verboten, in die Arbeit und die Aufgaben des untergeordneten Teilsystems einzugreifen, wenn dieses die Arbeit aus eigener Kraft erfüllen kann.

Das Kapital sozialer Organisationen

Abschließend sei nur noch der Verweis darauf gestattet, dass es – nicht nur mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip – jeder Führungskraft mehr als einleuchten sollte, dass das wirkliche Kapital jeder sozialen Organisation bei den Menschen an der Basis liegt.

Die Menschen, die Sozialarbeiter* innen, die Pflegekräfte, die Erzieher *innen, sind in ihrer Entwicklung so zu unterstützen, dass sie ihre Arbeit bestmöglich, selbstbestimmt und autonom erledigen können. Das jedoch zeigt sich leider nicht in allen sozialen Organisationen, geschweige denn in der gesellschaftlichen Wertschätzung dieser Berufsgruppen. Klatschen allein hilft hier nicht.

Mitarbeitergespräche in der Krise – muss das?

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Zum Thema Mitarbeitergespräche bin ich persönlich zwiegespalten.

Auf der einen Seite ist es irgendwie sehr befremdlich, einmal im Jahr mit seinen Vorgesetzten zu sprechen und basierend auf diesem Gespräch zu überlegen, wie es das nächste Jahr weitergehen soll.

Selbstverantwortung? Fehlanzeige!

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Vor etwas mehr als zwei Jahren, im November 2017, habe ich den Beitrag „Zurück in die Zukunft! Oder: New Work Sozial!“ veröffentlicht. Der Beitrag basierte auf der Blogparade von Christian, der sich in der Blogparade mit der Übertragung des Konzeptes New Work auf soziale Organisationen befasst hat. Für mich war eine Beteiligung an der Blogparade natürlich gesetzt:

Die Grundlagen des Ursprungskonzeptes „New Work“ im Sinne von Frithjof Bergmann mit den „New Ways of Working“ und der damit einhergehenden Frage nach zeitgemäßen und zukunftsfähigen Organisationen zu kombinieren und mit einem spezifischen Blick auf soziale Organisationen zusammenzubringen ist heute und war lange vor dem genannten Beitrag mein Antrieb.

Sinn, Selbstorganisation und Ganzheitlichkeit

Im Beitrag habe ich die Ausführungen von Laloux, die er in Reinventing Organizations macht, auf soziale Organisationen übertragen.

Der Dreiklang aus evolutionärem Sinn, Selbstorganisation und Ganzheitlichkeit war und ist für mich vergleichbar mit der „DNA sozialer Organisationen“, woraus sich für mich eine neue Art, Arbeit und im Spezifischen „Soziale Arbeit“ zu denken ergeben hat.

New Work heißt Freiheit, Selbstverantwortung, Verbundenheit, Entwicklung und Nachhaltigkeit

Die Übertragung dieser „New Ways of Working“ auf das Konzept „New Work“ von Bergmann ergibt sich für mich über die hinter dem Konzept liegenden Werthaltungen, die ich in einem Beitrag zum Fachkräftemangel aufgegriffen habe:

New Work – übertragen auf die heutige Welt und die Möglichkeiten, die sich aus dem Konzept ergeben – basiert für mich auf den Werten „Freiheit, Selbstverantwortung, Verbundenheit, Entwicklung und Nachhaltigkeit“. Wiederum verweise ich hier nur auf die Ausführungen, die ich vor einigen Wochen dazu gemacht habe, werde diese aber sicherlich – bspw. im Hinblick auf die Strategieentwicklung sozialer Organisationen – noch weiter ausformulieren.

Selbstorganisation, Ganzheit und Sinn in der Wissenschaft

Hier will ich aber nur kurz darauf hinweisen, dass inzwischen auch wissenschaftliche Veröffentlichungen (s.u.) auf diesen Phänomene zukunftsfähiger Organisationen basieren und in ersten Ansätzen versuchen, empirisch mittels leitfadenstrukturierter Expert*inneninterviews zu erheben, wie Führung, Kultur und Struktur, oder kurz: wie zukunftsfähige Organisationen der Sozialwirtschaft gestaltet sein sollten.

Zur Studie, auf die ich mich hier beziehe, ist anzumerken, dass „acht Führungskräfte aus acht Unternehmen ausführlich nach der Kultur in ihren Unternehmen (…) – nach ihrer Wirksamkeit, nach Macht und Ohnmacht, Wunsch und Wirklichkeit“ (Brinkmann, Balz, 2019, 15) befragt wurden.

Die Autorinnen schreiben weiter, dass sich „nach der ersten systematischen Durchsicht zeigte (…), dass der überwältigende Teil der Aussagen drei Oberkategorien zugeordnet werden konnte, die im Kern den von Laloux beschriebenen Durchbrüchen entsprachen: Grad der Selbstführung, Grad der Ganzheit und Grad des evolutionären Sinnes“ (ebd., 16).

Ganzheit und Sinn: Klar!

Hinsichtlich der Ergebnisse aus der Studie folgern die Autorinnen, dass „bei gleichzeitig geringerer Bezahlung von Mitarbeiter*innen wie Führungskräften in der Sozialwirtschaft im Vergleich zur gewinnfokussierten Wirtschaft (…) deutlich [wird], dass die Säulen Ganzheit und evolutionärer Sinn zentral sind, um die Attraktivität dieser Aufgaben zu erhalten“ (ebd., 19, Hervorhebg. d. Verf.).

Diese Aussage ist für die in der Sozialwirtschaft Tätigen eine Binse (auch wenn die Realität in den Organisationen leider immer noch anders aussieht).

Für die Beschäftigung mit zukunftsfähigen Organisationen ist die Aussage jedoch insofern spannend, da der dritte Aspekt im Dreiklang von Laloux, der Aspekt der Selbstorganisation, von den befragten Führungskräften nicht unmittelbar aufgegriffen wird.

Die Autorinnen schreiben vom „Grad der Selbstführung“ und der Feststellung, „dass sich ungerecht verteilte Macht innerhalb der Unternehmen an vielen unterschiedlichen Punkten manifestiert. Diese Punkte erkannten die Führungskräfte auch und benannten sie eindeutig. So wurde immer wieder das Machtgefälle zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen, aber auch innerhalb der höheren Hierarchien als stark belastend und den Arbeitsablauf hemmend beschrieben. Veränderungswünsche der angeprangerten Missstände wurden jedoch insbesondere für die eigene Position formuliert“ (ebd., 17).

Ausgeliefert und „macht-los“ zu sein, wurde als extrem frustrierend beschrieben. Und weiter:

„Im Hinblick auf ihre eigenen Untergebenen ließen die Interviewten hingegen eine starke Zerrissenheit erkennen – zwischen dem Wunsch nach Abgabe von Kontrolle und Macht auf der einen Seite und dem Wunsch, Macht zu erhalten. Es zeigte sich, dass die Interviewten zum Teil in sehr hierarchischen Strukturen verhaftet sind, die die Kulturen ihrer Unternehmen und ihren eigenen Führungsstil beeinflussen und umgekehrt“ (ebd.).

Selbstverantwortung? Fehlanzeige!

Selbstorganisation im Sinne der Ausführungen von Laloux, aber auch Selbstorganisation im Sinne der Ausführungen, wie sie bspw. im agilen Manifest beschrieben sind, sind Fehlanzeige!

Die Autorinnen formulieren den Beitrag abschließend noch einige, von ihnen selbst teilweise als selbstverständlich erscheinende „Dos and Dont’s“. Für mich aber bleibt das wesentliche, etwas überspitzt formulierte Learning (aus den kurzen und zu vertiefenden Ausführungen der Studie):

Sinn und Ganzheitlichkeit können wir in der Sozialwirtschaft recht gut, Selbstorganisation, -führung oder -verantwortung jedoch nicht.

Wer lebt und wie gelingt Freiheit und Selbstverantwortung?

Das wiederum unterstreicht meine Ausführungen, dass Soziale Organisationen „eigentlich“ die perfekten „New Work Organisationen“ sind: Wenn es gelingt, Methoden selbstorganisierter Arbeit zu erlernen, sind wir schon einen riesigen Schritt weiter, da Ganzheitlichkeit und evolutionärer Sinn in sozialen Organisationen verankert ist oder sein sollte.

Der Schritt hin zu echten New Work Organisationen (ja, mir gefällt der Begriff auch noch nicht) gelingt aber nur, wenn die dem Ursprungskonzept New Work zugrundeliegenden Werte „Freiheit“ und „Selbstverantwortung“ nicht nur im Hochglanzleitbild stehen, sondern vor allem von den Führungskräften gelebt werden.

Das ist leichter gesagt, als in der Realität gelebt. Jedoch werden Menschen erst dann (Selbst-)Verantwortung übernehmen, wenn sie Verantwortung, und zwar echte Verantwortung, übertragen bekommen. Das haben sie oft nicht gelernt. Ach ja: Und Mitarbeiter*innen sind auch Menschen 😉

Transformation sozialer Organisationen im Sinne von Selbstorganisation, Ganzheit und evolutionärem Sinn, da sollten wir uns nichts vormachen, gelingt entsprechend in kleinen Schritten, in iterativen Experimenten, im Verlernen bislang als richtig empfundener und im neu Lernen sich unsicher anfühlender Verhaltensweisen.


Quelle: Brinkmann, J., Balz, St. (2019): Von Wunsch und Wirklichkeit – Was erproben und was wünschen sich Führungskräfte in der Sozialwirtschaft? In: Parnow, H., Schmidt, P. (Hrsg., 2019): Zusammen arbeiten, Zusammen wachsen, Zusammen leben. Wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten. Wiesbaden: Springer.

Werde zur eigenen Organisation, oder: Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0

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#tl;dr: Der Beitrag nimmt „die Sozialwirtschaft“ in den Blick und geht der Frage nach, wie es gelingen kann, diese Branche auf das nächste Level, hin zu einer Sozialwirtschaft 4.0, zu heben. Dazu braucht es Organisationen, Verbände und Initiativen, da der Wandel von diesen ausgehen kann. Aber wer hört schon wirklich auf die eigene Organisation?


Wahrscheinlich kennst Du die Theory U von Otto Scharmer? Falls nicht kannst Du es einmal bei Ecosia nachschlagen, denn eine kurze Erläuterung dieses hoch spannenden Transformationsansatzes ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, wenn Scharmer schon 10 Jahre daran arbeitet 😉 Also: Googlen bei Ecosia und dann weißt du dazu mehr.

System Change

Im Rahmen der Theory U hat Scharmer – das ist das eigentliche Thema – die Frage gestellt, wie es gelingt, die Transformation sozialer Systeme so zu gestalten, dass eine neue Ebene der Wahrnehmung im jeweiligen System erreicht werden kann. Hilfreich ist dazu dieses Bild:

New Work, Rezession und die Rolle sozialer Organisationen

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Die Konjunktur kühlt ab – Industrie in der Rezession“ oder „Die Industrie befindet sich in der Rezession“ oder auch „Angekommen in der Rezession“ – das sind die ersten Artikel aus der Wirtschaftswoche, der FAZ und der Süddeutschen Zeitung, wenn ich in meinem Ecosia google 😉 Spannend auch der Titel: „Geopolitische Rezession möglich“ bei diepresse.com.

Nur kurz: eine Rezession ist eine Konjunkturphase, in „welcher ein Abschwung der Wirtschaft verzeichnet wird. Nach der am meisten verbreiteten Definition liegt eine Rezession vor, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder ein Rückgang zu verzeichnen ist (sinkendes Bruttoinlandsprodukt).“ (Wikipedia) Man kann von dem BIP halten was man will: die obige Definition ermöglicht eine Einschätzung der wirtschaftlichen Leistung.

Das ist ja alles ganz spannend, aber solange Du Deinen Job noch nicht verloren hast, stellst Du Dir vielleicht die Frage: Was hat das, bitteschön, mit New Work und der Rolle sozialer Organisationen zu tun?

Warum Du Buurtzorg nicht als Vorbild nehmen solltest

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Bild von Benedikt Geyer auf Pixabay


Wenn Du den Blog hier und vor allem Entwicklungen zur zukunftsfähigen Organisationen verfolgt, ist Dir Buurtzorg sicherlich ein Begriff. Die niederländische Pflegeorganisation, die alles umgekrempelt hat? Falls Du noch auf der Suche nach einführenden Infos über Buurtzorg bist, empfehle ich dieses kurze Video:

Das ist zwar nicht mehr ganz aktuell (inzwischen ist die Organisation bei weit über 10.000 Mitarbeiter*innen angekommen), aber die grundlegenden Strukturen sind geblieben.

Ich will aber gar nicht über die Rahmenbedingungen von Buurtzorg schreiben, sondern über eine mich irritierende Wahrnehmung:

Buurtzorg ist Vorbild

Buurtzorg wird als Vorbild, Role Model oder Best Practice Beispiel für alles herangezogen, was gerade irgendwie soziale Organisationen anders machen sollten:

Rezension: Kraftquelle Tradition. Benediktinische Lebenskunst für heute 

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Im Folgenden findest Du meine Rezension zum Buch „Kraftquelle Tradition. Benediktinische Lebenskunst für heute“ von Bodo Janssen.


New Work und benediktinische Regeln

Ich habe “Die stille Revolution” noch nicht gelesen und noch nicht gesehen. Aus mehr oder weniger unerfindlichen Gründen habe ich mich bislang geweigert, tiefer in die Welt von Upstalsboom hinabzusteigen und die Werke von Bodo Janssen zu verfolgen. Aber das neue Buch, Kraftquelle Tradition, hat mich neugierig gemacht:

Was Transformation sozialer Organisationen wirklich behindert

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Artikelbild Kaboompics .com aus Pexels

Transformation, Change, Veränderung, Agilität, Innovation – Wandel als Normalität und dann kommt es vor allem irgendwie auf die Haltung an, bitte! Mit all diesen Themen beschäftigen sich soziale Organisationen zunehmend. Das freut mich, natürlich. Aber der leicht ironische Unterton im Eingangssatz zeigt schon: Ganz so einfach ist es mit dieser Transformation nicht.

Rezension: New Work needs Inner Work

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Die Autorinnen des Buchs „New Work needs Inner Work“, Joana Breidenbach und Bettina Rollow, beschreiben die Zielsetzung im Ausklang des Buch sehr deutlich:

„Ziel dieses Handbuches war es, auf der einen Seite Dir als Leserin ein Gespür dafür zu geben, wie wichtig es ist neue Arbeitsformen nicht isoliert als äußere Veränderungen anzusehen, sondern die inneren Dimensionen miteinzubeziehen. Andererseits wollten wir sehr praktische Anregungen und Hilfestellungen geben, damit es Teams leichter fällt, New Work und Selbstorganisation (in unterschiedlichen Ausprägungen) umzusetzen“ (S.145).

Der Umgang mit Unsicherheit – individuell und organisational