Kategorie: Visionäres

Strategie in der Krise: 8 Fragen, die Organisationen der Sozialwirtschaft beantworten müssen

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tl;dr: Neben der „clickbait Überschrift“ findest Du im Beitrag Basics rund um Strategie, Strategieentwicklung und Strategieumsetzung mit einem spezifischen Fokus auf Organisationen der Sozialwirtschaft. Am Ende findest Du die – aus meiner Sicht wirklich wichtigen – Fragen, die Du Dir stellen solltest, wenn Du Dich mit der Strategie Deiner Organisation befassen willst.


Strategie – schon der Begriff weckt Hoffnungen: Sie gibt die Richtung vor, verspricht Klarheit und Transparenz. Die Unternehmensstrategie soll – so eine Definition – als Navigationsprinzip zur Bewältigung von Komplexität dienen (vgl. Malik, 2017:91) – mit dem Ziel, das Überleben der Organisation (nicht nur) in Krisenzeiten zu sichern. Und aktuell, in den wahrlich herausfordernden Zeiten, habe ich das Gefühl, dass in Organisationen der Sozialwirtschaft händeringend nach einer „Strategie in der Krise“ gesucht wird und damit nach etwas, das mehr verspricht als ein „Stochern im Nebel“. Dabei ist – so mein Eindruck – zum einen oft unklar, was unter Strategie verstanden wird und zum anderen, wie genau eine Strategie entwickelt werden und vor allem, wie die Strategieumsetzung gelingen kann.

Mit dem folgenden Beitrag zu Strategie in der Sozialwirtschaft stochere ich selbst ein wenig im Strategienebel, in der Hoffnung, Orientierung geben zu können. Gleichzeitig lade ich aber auch dazu ein, den Nebel einer ungewissen Zukunft proaktiv anzunehmen und gerade dadurch Gestaltungsfreiheit zu gewinnen.

Im Folgenden skizziere ich zunächst meinen aktuellen Eindruck von den Problemen, die hinter der (teilweise) berechtigten Suche nach einer Strategie in der Krise stehen, um darauf aufbauend einen Einblick in aktuelle Grundlagen rund um Strategieentwicklung und Strategieumsetzung zu geben. Abschließend versuche ich auf dieser Basis einige Handlungsoptionen für Organisationen der Sozialwirtschaft zu skizzieren, die Dir und Deiner Organisation hoffentlich etwas Orientierung auf der Suche nach Orientierung geben können.

Und falls Du Dich für weitere Beiträge rund um Strategie und Co. interessierst, findest Du zum Beispiel hier einen Beitrag mit dem Fokus auf agile Strategieentwicklung und -umsetzung und hier einen Beitrag zur adaptiven Strategiearbeit in Sozialen Organisationen mit Ausführungen für Ansätze, Herausforderungen und Lösungen.

Strategie in der Krise oder Krisenstrategien?

Du merkst schon in der Einleitung, dass ich mich vorsichtig ausdrücke. Ich schreibe nicht davon, dass ich – trotz einiger, erfolgreich durchgeführter Projekte – das eine Rezept habe, mit dem Strategieentwicklung immer gelingt. Ich schreibe nicht davon, dass ich den Stein der Weisen gefunden haben und damit den einzig wahren Weg, um Klarheit, Orientierung und Transparenz für dich und deine Organisation auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft zu gewinnen.

Das ist aus Marketingsicht schlecht.

Du suchst nach Antworten und ich antworte vage. Ich biete Dir kein „Strategierad“ an, das Dir die strategischen Themen vorgibt. Ich sage auch nicht, dass das Durchlaufen der sehr hilfreichen Strategie-Schleife (vgl. Nagel, 2014) der Königsweg ist. Ich stochere häufig genauso im Nebel wie du. Das ist für mein „strategisches Marketing“ – wie gesagt – alles andere als gut. Denn aus Vertriebssicht hilft es viel mehr, einfache, wenn auch oft falsche Antworten auf komplexe Fragen zu geben.

Und die Fragen sind nicht nur komplex, sondern auch paradox. Entweder-oder-Entscheidungen sind bei vielen Themen kaum möglich. An vielen Stellen geht es um ein „sowohl als auch“ und damit – eben – um Nebel.

Gleichzeitig, und das ist der Ausgangspunkt dieses Beitrags, stelle ich fest, dass gerade in den aktuell (wieder einmal) herausfordernden Zeiten viele Menschen und Organisationen auf der Suche nach Antworten sind, um wieder zu einer wie auch immer gearteten Sicherheit zu gelangen. Und da kommen Strategien ins Spiel.

Um nur drei Beispiele herauszugreifen geht es

  • in der „neue caritas“ (Ausgabe 06/25, siehe hier) übergreifend um das Thema Strategie.
  • im Leitartikel der „sozialwirtschaft aktuell“ (Erlinghagen, 05/2025) – etwas reißerisch – um „Organisationen der Sozialwirtschaft in Zeiten kollabierender Systeme“. Dabei beschreibt der Beitrag „einige absehbare Entwicklungen, begründet, warum wir uns mit dem Phänomen kollabierender Systeme auseinandersetzen, und geht der Frage nach, was das für Unternehmen der Sozialwirtschaft im Speziellen bedeutet“ (ebd.), womit er – zumindest aus meiner Sicht – viel mit dem Thema Zukunft und Strategie zu tun hat. So kommt der Autor auch passenderweise zum Schluss: „Solange Kollapsphänomene ignoriert oder als Ausnahmezustände betrachtet werden, sind tiefergehende Anpassungsstrategien nicht vorstellbar“ (ebd., 3).
  • im Beitrag von Anja um „Lebenslanges Lernen in Zeitenwenden: Überlebensstrategien für eine Welt im Umbruch“. Ja, dieser Beitrag ist nicht spezifisch auf die Sozialwirtschaft und auch nicht (nur) auf Organisationen bezogen. Aber der Untertitel – „In einer Zeit radikaler Veränderungen sind lebenslanges Lernen und Anpassungsfähigkeit entscheidend. Wie werden wir fit für unsere gemeinsame Zukunft?“ – hat mich – neben dem Strategieaspekt – doch sehr an die Herausforderungen von Organisationen der Sozialwirtschaft erinnert. Etwas abgewandelt:

Wie werden Organisationen der Sozialen Arbeit fit für eine gemeinsame Zukunft – und (wie) kann die Strategie in der Krise bei der Beantwortung der Frage helfen?

Basics der Strategieentwicklung und -umsetzung

Aber was ist Strategie im Kontext von Organisationen und Unternehmen eigentlich?

Das ist, wie auch Nagel (2014) schreibt, „oft unklar“. Es „hat sich bis heute keine allgemeinverbindliche Definition von ‚Strategie‘ durchgesetzt“ (ebd.).

In der Strategiearbeit geht es aber, so viel als gemeinsame Basis, um Fragen, die für die Organisation überlebensrelevant sind.

Zur weiteren Eingrenzung ist die Unterscheidung in die drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements – angelehnt an das St. Galler Management-Modell – hilfreich:

Während sich das normative Management mit den unternehmenspolitischen Wert- und Interessenkonflikten aller Beteiligten auseinandersetzt (Was sind unsere Grundwerte?) und das operative Management als die unmittelbare Steuerung wiederkehrender Prozesse und konkreter Strukturen zur Erbringung von (Dienst-)Leistungen verstanden werden kann, beschäftigt sich das strategische Management mit Entscheidungen zu komplexen Problemen qualitativer Art, wie z.B. der Bewältigung zukünftiger Marktbedingungen und/oder Exnovations- bzw. Innovationspotenziale der Organisation (vgl. Grunwald, 2022:9).

Hier kann die Frage „Welche zentralen Themen/Ziele/Möglichkeiten verfolgen wir (und welche auch nicht) in den nächsten Jahren?“ Orientierung geben.

Gibt es Kriterien für strategische Themen?

Wichtig ist, dass die Entscheidungen zu Problemen qualitativer Art (oder kürzer: die übergreifenden strategischen Themen/Optionen) langfristig (nicht kurzfristig), folgenreich (nicht beliebig), funktionsübergreifend (nicht spezifisch) und komplex (also nicht trivial) sind.

Diese vier Aspekte können gut als grobe Kriterien für die Überprüfung der eigenen strategischen Entscheidungen bzw. der auf den Entscheidungen basierenden strategischen Ziele herangezogen werden. Und wenn Du jetzt auf die (hoffentlich vorhandene) Strategie Deiner Organisation schaust:

Sind die formulierten strategischen Optionen

  • langfristig,
  • folgenreich,
  • funktionsübergreifend und
  • komplex?

Um es konkret zu machen ist die strategische Option „Ausweitung des Marktportfolios“

  • langfristig (Planung, Finanzierung, Personalaufbau → oft über Jahre),
  • folgenreich (Verändert Reichweite, Zielgruppen und Ressourcenstruktur),
  • funktionsübergreifend (Pädagogik, Verwaltung, Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit) und
  • komplex (gesetzliche Rahmenbedingungen, Bedarfsanalysen, Personalgewinnung…).

Das wird bspw. greifbar, wenn es um die Eröffnung eines neuen Standorts, einer neuer Einrichtung oder eines neuen Arbeitsfelds geht.

Im Gegensatz dazu ist – logisch – die Anschaffung neuer Möbel für ein Gruppenangebot keine strategische Entscheidung, da diese nur eine geringe Tragweite hat, kaum funktionsübergreifend ist und primär Sachmittel und nicht die inhaltliche Ausrichtung betrifft.

Entscheidungen treffen

Deutlich wird:

Es geht um das Treffen von – in dem Fall strategischen – Entscheidungen. Das sind Entscheidungen „zu den zu erbringenden Leistungen und zu den Modalitäten der künftigen Leistungserbringung. Dies zieht Nachfolgeentscheidungen zum Personal (…) und zu den Kommunikationswegen (…) nach sich, jedoch geht solchen Entscheidungen die basale Entscheidung zu den Programmen voraus“ (Merchel, Gesmann, 2021:305).

Angelehnt an Heinz v. Förster sind Entscheidungen jedoch immer Entscheidungen des prinzipiell Unentscheidbaren (vgl. Teil der Welt, S. 67 f.). Klingt komisch, heißt aber nur:

Wäre A besser als B, würden wir natürlich B nehmen – alles andere wäre blöd. Entscheiden ist hier nicht notwendig. Dann aber, wenn A und B gleichwertig sind, braucht es die Entscheidung.

A und B klingt einfach, sind auf Ebene der strategischen Entscheidungen jedoch die Optionen, die für die Organisation (Überlebens-)Relevanz haben:

Einrichtung eröffnen oder aufgrund des Fachkräftemangels das Portfolio fokussieren? Lobbyarbeit stärken oder die Ressourcen in den Ausbau des digitalen Marketings stecken? Formale Hierarchien abflachen und eher Richtung agiler Selbstorganisation oder formale Hierarchien stärken und eher in Richtung Klarheit und Orientierung gehen?

Strategieumsetzung

Noch einmal: Echte Strategien sind mehr als rein auf finanzielle Planungen ausgerichtete Plattitüden.

Sie lassen sich – eine andere Definition – als Navigationsprinzipien für das Bewältigen von Komplexität (vgl. Malik, 2017:91) definieren und verfolgen den Zweck, das Überleben der Organisation in Zeiten des Wandels sicherzustellen.

Einführend lohnt sich ein Blick auf Muster und damit auf Vorgehensweisen der Strategieumsetzung, die sich in Organisationen immer wieder zeigen. Grob lassen sich vier Muster unterscheiden;

  1. Der:die Chef:in entscheidet intuitiv (das erinnert ein wenig an den Zollidioten aus Amerika, bei dem man nie weiß, was morgen kommt).
  2. Strategiearbeit wird an „Expertinnen“ wie Beratungsunternehmen oder auch Stabsstellen in Unternehmen ausgelagert.
  3. Strategiearbeit passiert – positiv formuliert – evolutionär (negativ formuliert wurschtelt man sich so durch, da man ja nie wissen kann, was morgen ist).
  4. Strategiearbeit geschieht systemisch als gemeinsame Führungsaufgabe.

Optimal wäre natürlich eine systemische Strategiearbeit, die neben den Führungskräften auch die Mitarbeitenden mit einbezieht und ihnen vermittelt, dass sie mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur (Weiter-)Entwicklung der Gesamtorganisation leisten. In meinen eigenen Begleitungen von Strategieprozessen versuche ich diesen Weg zu gehen, was hoffentlich in den Ausführungen hier deutlich wird bzw. geworden ist. Und ja, manchmal haben auch die anderen drei Muster zu Teilen ihre Berechtigung: Manchmal macht es Sinn, dass top-down entschieden wird, manchmal hilft es, Expert:innen einzubinden und manchmal ist man im Nebel unterwegs und bewegt sich „evolutionär“ voran.

Wieder zurück zur Strategieumsetzung in Zeiten des Wandels: Selbst wenn die Marktdynamik in der Sozialwirtschaft nicht so ausgeprägt ist wie in der freien Wirtschaft, so haben wir doch – organisationsintern wie -extern – gerade genug Dynamik und damit Wandel, oder?

Spätestens hier wird es aber herausfordernd, denn die fundierte Strategieentwicklung, die in einen Plan führt, der nur noch checklistenartig umzusetzen ist, macht keinen Sinn. Dafür sind zum einen die hybriden, meist dezentral strukturierten Organisationen der Sozialwirtschaft viel zu komplex. Zum anderen kommt die Komplexität und Dynamik der (Um-)Welt hinzu – oft diskutiert als „VUKA-Welt“.

Entsprechend reicht es nicht, alle 5 Jahre auf das damals erarbeitete Strategiepapier zu schauen und mal eben neu auszurichten, um dann wieder fünf Jahre weiterzumachen wie bisher.

Nach der Entwicklung steht somit die Frage im Zentrum:

  • Wie können strategische Entscheidungen umgesetzt werden, wenn – Achtung, Binse – das einzig Sichere der Wandel ist?

Dazu präferiere ich einen Weg, der sich grob als „agile Strategieumsetzung“ beschreiben lässt.

Darunter verstehe ich, dass nach der Entscheidung für strategische Optionen und der Beschreibung der Ziele, die sich hinter den Optionen verbergen, gemeinsam überlegt wird, welche Projekte initiiert werden können, die einen Beitrag zu den Optionen leisten.

Strategieverantwortliche

Um die Strategie der Gesamtorganisation projektbezogen angehen zu können, ist es relevant, dass sich jeweils ein/e Verantwortliche/r für eine strategische Option findet und sich für das Thema „den Hut aufsetzt“. Hilfreich ist es, wenn die „Strategieverantwortlichen“ in der formalen Hierarchie möglichst hoch „aufgehängt“ sind (bspw. zweite Führungsebene), um dem jeweiligen strategischen Thema die notwendige Durchsetzungskraft zu verleihen.

Die Strategieverantwortlichen sind dann gefordert, sich ein interdisziplinäres und hierarchieübergreifendes „Strategieteam“ zu suchen, um erste Ideen für strategische Projekte zu generieren. Sie sind nicht unmittelbar operativ, sondern zum einen für die Zusammensetzung und das Funktionieren der Projektteams verantwortlich. Zum anderen besteht die Gefahr, dass ohne klare Verantwortlichkeiten Unsicherheiten entstehen, wer für welches strategische Projekt zuständig ist.

Strategische Projekte

Die Suche nach ersten Ideen für strategische Projekte kann und sollte auch darauf basieren, was in der Organisation aktuell bereits an Projekten läuft, die sich den entsprechenden strategischen Optionen zuordnen lassen. So wird ggfs. die strategische Option „Digitalisierung sinnvoll nutzen“ definiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach laufen aber bereits Projekte rund um das Thema Digitalisierung, vielleicht experimentieren einige Bereiche und Abteilungen bereits mit KI-Anwendungen, andere Bereiche testen und nutzen bereits Technik im Kontext von AAL.

Kurz: Projekte müssen nicht unbedingt „neu“ sein. Es können auch bestehende Projekte zukunftsorientiert weitergeführt werden – allerdings nicht mehr isoliert und unverbunden, sondern unter dem Dach der Strategie vernetzt und mit einem ganzheitlichen Blick auf die Gesamtorganisation.

Regelmäßige Retrospektiven

Wichtig ist, dass die Strategieverantwortlichen in regelmäßigen Abständen – z.B. alle vier Monate – über den Stand und die Entwicklung der jeweiligen Projekte in den Führungsrunden berichten. Der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand obliegt es dann – im Sinne eines „Product Owners“ und idealerweise gemeinsam mit dem Leitungsteam – zu entscheiden, ob und in welcher Form die angestoßenen Projekte mit welchen Ressourcen weiterverfolgt werden sollen.

Mit diesem Vorgehen gelingt es, Fehlentwicklungen zu vermeiden, knappe Ressourcen bedarfsgerecht zu steuern und die Strategieumsetzung nicht losgelöst von aktuellen Entwicklungen zu betrachten. Ideal ist, wenn es gelingt, nicht nur auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, sondern diese aktiv in die Strategieumsetzung einzubeziehen. In meiner – vielleicht etwas naiven – Traumvorstellung bewegen wir uns damit in einer „Effectuation-Logik“:

Unvorhergesehene Entwicklungen werden nicht als „Angriff auf die strikte Planung der Strategieumsetzung“ verstanden („Auch das noch!“), sondern als Möglichkeit und Chance, die für die jeweilige strategische Option bzw. das jeweilige Projekt gewinnbringend genutzt werden kann. Eine entsprechend flexible Reaktion auf Veränderungen ist hier nicht nur unvermeidlich, sondern sogar erwünscht.

Regelmäßige Retrospektiven sind aber nicht nur auf der obersten Ebene zu etablieren, sondern – fast selbstverständlich, oder? – auch in den Projektteams selbst, die an der Umsetzung der Strategie arbeiten:

Auch hier gilt es, in regelmäßigen, kurzen Abständen innezuhalten und zu überlegen, ob die laufenden Projekte auf dem richtigen Weg sind, ob sie modifiziert oder gar eingestellt werden müssen – weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, weil amerikanische oder russische Freaks absurde Entscheidungen getroffen haben oder weil irgendwelche Viren sich überlegt haben, die nächste Pandemie auszulösen. Mit anderen Worten:

Auch in der konkreten Projektarbeit können sich die Bedingungen ändern – aus welchen Gründen auch immer. Statt am Plan festzuhalten, muss immer wieder gemeinsam neu entschieden werden, ob und wie es weitergeht.

Strategische Projektsteuerung

Angenommen, eine Organisation hat sechs strategische Optionen erarbeitet und für jede Option Strategieverantwortliche gefunden. Diese beginnen nun, „strategische Projekte“ zu initiieren. So weit, so gut.

Die Gefahr, dass es zu einer unkoordinierten Vielzahl von Projekten kommt, die wiederum unverbunden nebeneinander stehen, wird aber sofort deutlich.

Um dieser Gefahr zu begegnen ist neben den bereits erwähnten regelmäßigen Retrospektiven auf Leitungsebene, die den Raum für Entscheidungen über die Neuaufnahme, Anpassung oder – auch wenn es manchmal weh tut – Beendigung von Projekten bieten, die Etablierung einer „strategischen Projektsteuerung“ hilfreich.

Vor allem in großen Komplexträgern der Sozialwirtschaft werden hierfür häufig Stabsstellen eingerichtet. In kleineren Organisationen ist es sinnvoll, die Rolle der Projektsteuerung zu definieren und in bestehende Strukturen zu integrieren.

Aus meiner Sicht geht es bei der strategischen Projektsteuerung aber nicht nur darum, den Überblick über Projekte und Ressourcen zu behalten. Sinnvoller ist es, die strategische Projektsteuerung – im Sinne eines „Scrum Masters“ oder „Agile Coaches“ – auch für die Begleitung der einzelnen, temporär zusammengesetzten Projektteams zu nutzen.

Ziel dabei ist es, die Projektteams unter den ohnehin herausfordernden Arbeitsbedingungen zu unterstützen, möglichst schnell arbeitsfähig zu werden, effektiv und effizient ergebnisorientiert zu agieren und der Gefahr zu begegnen, dass Projektteams zu „Arbeitskreisen“ werden, die existieren, weil sie schon immer existiert haben.

Weglassen nicht vergessen

Die bisherigen Ausführungen klingen so, als wäre Strategieentwicklung und -umsetzung immer die Arbeit am „mehr“, an neuen strategischen Optionen mithilfe neuer Projekte, die von in der Sozialwirtschaft sowieso mehr als überlasteten Menschen verantwortet und von Teams umgesetzt werden, die nicht wissen, woher die zeitlichen und finanziellen Ressourcen dafür kommen sollen.

Hier hilft zum einen Michael Porter, der (in diesem Beitrag) schrieb, dass „Die Essenz der Strategie (…) darin [besteht] zu entscheiden, was nicht zu tun ist!“ Oder anders ausgedrückt:

Alles geht nicht! Denn wenn alles ginge, bräuchte es keine Entscheidungen und damit auch keine Strategie.

Zum anderen hilft ein Blick auf den Begriff der Exnovation im Sinne der gezielten, bewussten Reduktion oder Abschaffung von Produkten, Technologien, Prozessen, Praktiken, Institutionen oder Strukturen (vgl. Bils, Töpfer, 2024:223).

Wie wäre es, wenn in der Strategie Deiner Organisation strategische Option definiert wäre, die Exnovation explizit in den Mittelpunkt stellt:

„Wir reduzieren gezielt nicht mehr sinnvolle Produkte, Technologien, Prozesse, Praktiken oder Strukturen. Wenn möglich und sinnvoll, schaffen wir sie ganz ab. Dabei ist uns bewusst, dass Abschaffen auch bedeuten kann, Alternativen zu entwickeln.“

Exnovation ist also – dies nur als kleiner Hinweis – ohne Innovation nicht denkbar.

Exkurs: Bereichs- oder Abteilungsstrategien als Alternative zur „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“?

Alternativ zu der hier skizzierten „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“ erlebe ich häufig, dass „Teilstrategien“ entwickelt werden:

Es wird z.B. in einem Komplexträger der Eingliederungshilfe für eine Abteilung – z.B. dem Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung – eine „Teilstrategie“ erarbeitet, die dann auf die Teams in den jeweiligen Bereichen „heruntergebrochen“ bzw. von den Teams umgesetzt wird bzw. werden soll.

Der Vorteil ist, dass die oftmals sehr abstrakte Gesamtstrategie für die Mitarbeitenden vor Ort deutlich greifbarer wird. So wird bspw. in der Gesamtstrategie die strategische Option „Personal und Führung – professionell gestalten!“ verabschiedet und ggfs. noch mit ein paar Sätzen hinterlegt. Die unmittelbare Übertragung des abstrakten Themas auf den eigenen Bereich ist schwierig.

Wenn aber – um im Beispiel zu bleiben – im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die zu dieser strategischen Option heruntergebrochene Bereichsstrategie „Förderung der Mitarbeiterbindung!“ (Oder wie auch immer) lautet, ist ein „Andocken“ deutlich leichter möglich: Wie können wir im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die Mitarbeiterbindung erhöhen?

Problematisch sehe ich jedoch, dass es sich bei Bereichs- oder Abteilungsstrategien nicht mehr um die Gesamtstrategie der Organisation handelt. Der Fokus verschiebt sich auf den eigenen Bereich.

Dem Wunsch nach „siloübergreifender Zusammenarbeit“ kann damit natürlich nicht mehr begegnet werden: Der Anreiz, gemeinsam an der Strategie für die Gesamtorganisation zu arbeiten, entfällt: „Ich arbeite an meiner Strategie für meinen Bereich. Was die anderen machen, interessiert mich nicht.“ Ja klar, das ist etwas radikal formuliert, trifft aber häufig zu und ist aus Perspektive der jeweils verantwortlichen Rolle (bspw. Bereichsleitung) völlig nachvollziehbar.

Das führt auch dazu, dass – sofern dennoch an der Gesamtstrategie der Organisation gearbeitet werden soll – der Koordinationsaufwand deutlich steigt, da Abstimmungen mit anderen Bereichen und Abteilungen schwierig, zeitintensiv und häufig konfliktträchtig sind.

Kurz: Auch hier zeigt sich, dass jede Problemlösung Lösungsprobleme erzeugt – jede Vorgehensweise hat Vor- und Nachteile. Wenn aber in den sowieso sehr dezentral strukturierten, lose gekoppelten Organisationen der Sozialwirtschaft der Wunsch nach einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung, der Wunsch nach mehr Identität oder der Wunsch nach interdisziplinären Zusammenarbeit und einem „voneinander Lernen“ besteht, liegen die Vorteile aus meiner Perspektive eher auf Seiten der projektbasierten, agilen Strategieumsetzung.

Strategie in der Krise entwickeln und umsetzen: Die 8 wichtigsten Fragen für Organisationen der Sozialwirtschaft

Hast Du geschafft, bis hierhin dranzubleiben? Respekt, denn es ist doch mehr geworden, als ursprünglich gedacht. Aber halbe Sachen sind auch doof.

Jetzt aber meine „10 wichtigsten Fragen“ rund um die Stratehieentwicklung und -umsetzung, die Du Dir vor und während der Strategiearbeit immer stellen solltest:

1. Was verstehst Du und Deine Organisation unter „Strategie“?

Dem folgend, dass es keine einheitliche Definition von Strategie gibt kannst Du auch nicht davon ausgehen, dass alle Menschen in Deiner Organisation ein einheitliches Verständnis von Strategie haben.

Vor der eigentlichen Strategiearbeit, vor der Strategieentwicklung und -umsetzung also, ist ein gemeinsames Verständnis darüber herzustellen, was ihr unter Strategie versteht.

2. Ist es Dir und Deiner Organisation mit der Strategiearbeit ernst?

Organisationen brauchen eine Strategie, oder?

Mitarbeitende suchen nach Orientierung und wollen wissen, „wo es denn hingeht“, was die größere Linie ist. Genauso beschäftigen sich Führungskräfte gerne in netten Locations, abgekoppelt vom anstrengenden Alltag, mit Fragen der Zukunft. Denn die Zukunft ist – frei nach dem Reiseesel Mallorca – immer da, wo man gerade nicht ist. Du merkst mein Augenzwinkern, aber:

Strategiearbeit, insbesondere der oben beschriebenen Vorgehensweise, macht nur dann Sinn, wenn es ernst wird. Nur dann, wenn wirklich der Wunsch nach gemeinsamem Lernen, nach Entwicklung und partizipativer Umsetzung von Entscheidungen existiert, lohnt sich das „systemische Vorgehen“.

Wie oben geschrieben, ist die „evolutionäre Strategiearbeit“ aka Durchwurschteln deutlich einfacher ebenso wie das Treffen von emotional gesteuerten Top-Down Entscheidungen durch den:die Chef:in oder das Auslagern der Strategie an Expert:innen. Denen kann man dann zumindest die Schuld in die Schuhe schieben, dass es doch nicht so gekommen ist, wie geplant.

Kurz: Ist es Dir und Euch ernst?

3. Ist Strategiearbeit für Dich und Deine Organisation notwendig?

Ist das nicht die gleiche Frage wie oben? Nicht ganz. Bei der Frage nach dem Ernst ging es mir um die Herangehensweise. Hier geht es mir um die Frage, ob Du und Deine Organisation tatsächlich „Not wenden“ muss?

Not wenden – die Notwendigkeit – fokussiert darauf, dass Strategiearbeit wenig Sinn macht, wenn es nicht um wirklich (Überlebens-)Notwendiges geht. Denn dafür ist Strategie, dafür sind strategische Entscheidungen da:

Das Überleben der Organisation in Zukunft zu sichern.

4. Wer profitiert vom Status Quo?

„Wer will Veränderung?“ – Alle Hände gehen hoch.

„Wer will sich verändern?“ – Du kennst die Grafik vermutlich.

Deutlich wird dabei, dass es – auch wenn Strategie für Dich und Deine Organisation notwendig ist und auch wenn klar ist, was ihr unter Strategie versteht – Menschen in der Organisation gibt, die in ihrer Rolle vom aktuellen Zustand profitieren. Die einfache Zuschreibung, dass doch alle bei jeder noch so sinnvollen Veränderung „Widerstand“ aufbringen, reicht hier nicht aus. Die Zuschreibung verändert nichts.

Hilfreicher ist, sich schon vor oder zumindest während der Strategieentwicklung bewusst zu werden, wer warum vom Ist-Stand der Organisation profitiert. Dann wird es möglich, gezielt die Bedenken und Befürchtungen zu thematisieren und Veränderung – zumindest besser – gelingen zu lassen.

5. Wer hat welche Erwartungen an den Strategieprozess?

In eine ähnliche Richtung zielt auch die Frage nach den Erwartungen:

Erst wenn ein klareres Bild davon existiert, wer welche Erwartungen an den Strategieprozess hat, wird eine gemeinsame Arbeit an der Strategie und die Umsetzung strategischer Projekte wahrscheinlicher.

Dabei sind vor allem die informalen Erwartungen, also die Erwartungen, die verdeckt sind, interessant und gleichzeitig schwer zu thematisieren. Allein aber die Reflexion über die Frage, wer welche Erwartungen hat, kann befreiend sein, da überhaupt in diese Richtung gedacht wird.

Um näher an die informalen Erwartungen heranzukommen, hilft die Thematisierung dessen, was nach dem Strategieprozess aus Perspektive der Beteiligten anders sein soll als heute oder danach, was im Strategieprozess auf keinen Fall passieren soll.

6. Hast Du und Deine Organisation alles, was ihr braucht?

Dahinter verbirgt sich die Frage nach den Personen, die aktiv an der Strategieentwicklung und später verantwortlich an der Strategieumsetzung beteiligt sind:

  • Verfügen die Personen, die sich mit der Strategie befassen, über inhaltliche Kompetenzen, um die anstehenden Fragen kompetent beurteilen zu können?
  • Haben sie die Kompetenz, die Methoden, Instrumente und Verfahren auszuwählen und anzuwenden?
  • Können sie mit eventuell auftretenden schwierigen und konfliktreichen Situationen umgehen?
  • Haben sie die Zeit und das persönliche Engagement, sich dem Strategieprozess so zu widmen, wie es erforderlich ist oder werden könnte?

Zwei konkrete Beispiele:

Bei einem Kunden erarbeite ich gerade einen „Crashkurs Strategiearbeit“, in dem es darum geht, allen Führungskräften zumindest über die grundlegenden Kompetenzen der in dieser Organisation angestrebten Strategiearbeit an die Hand zu geben. Ich finde das wunderbar, denn so ist zumindest ein gemeinsames Grundgerüst gegeben, auf das immer wieder zurück gegriffen werden kann. Eine andere Organisation hat ein Programm ins Leben gerufen, dass die Arbeit in Projekten thematisiert, um so in der Gesamtorganisation das Thema Projektmanagement zu verankern.

Ja, das ist Aufwand. Und nein, es ist nicht sichergestellt, dass alle Projekte zum Erfolg führen und die Strategien umgesetzt werden. Aber zu hoffen, dass es auch so irgendwie klappt, ist sicher noch weniger erfolgsversprechend.

7. Wie kommunizierst Du die Arbeit an der Strategie von Beginn an?

Organisationen der Sozialwirtschaft sind komplexe soziale Systeme mit vielen Mitarbeitenden. Da ist es klar, dass nicht alle Mitarbeitenden in gleicher Weise in die Strategiearbeit eingebunden werden können. Nicht alle Mitarbeitende können in Workshops involviert sein, können strategische Optionen erarbeiten, Projektideen aufsetzen oder sich in Projektteams an strategischen Projekten beteiligen.

Entsprechend wichtig ist es, von Beginn an zu überlegen, wer wann wie eingebunden wird, wer wann über welchen Weg informiert wird, wer wann wie beteiligt wird usw.

Es wäre naiv – aber das wurde deutlich, denke ich – im stillen Kämmerlein eine noch so toll klingende Strategie zu erarbeiten, diese auf Hochglanzpapier zu veröffentlichen und dann zu glauben, dass Mitarbeitende die Strategie kennen geschweige denn sich dieser auch nur ansatzweise verbunden fühlen.

8. Brauchst Du und Deine Organisation alle fünf Jahre eine neue Strategie?

Hier bin ich unschlüssig:

Einerseits macht es durchaus Sinn, regelmäßig aus dem Alltag auszusteigen und zu überlegen, was in Zukunft für die eigene Organisation überlebenswichtig sein wird. Genau dazu dienen ja die „Strategieklausuren“.

Aus der oben skizzierten „agilen Strategieumsetzung“ ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, kontinuierlich über die Zukunft nachzudenken.

Ernsthaft umgesetzt sollte jede Retrospektive der Leitungsrunde einen Blick in die Zukunft werfen: Sind die laufenden Projekte noch sinnvoll? Wo müssen sie angepasst werden? Was kann und muss weg? Und darüber hinaus plädiere ich eher für regelmäßige, z.B. jährliche Überprüfungen, ob die strategischen Optionen noch den aktuellen Bedürfnissen entsprechen.

Das hat zur Folge, dass nicht mehr alle paar Jahre eine gesonderte Strategieentwicklung notwendig ist, sondern die Strategiearbeit und auch die Anpassung der strategischen Optionen an die aktuellen Bedingungen kontinuierlich erfolgt.

Nebeneffekt ist, dass die Strategie so kontinuierlich auf dem Schirm der Organisation bleibt und nicht nach fünf Jahren, kurz vor dem nächsten Strategiezyklus, hektisch hervorgeholt wird – mit der Feststellung, dass wir eigentlich nicht weitergekommen sind.

Strategie in der Krise – ein ganz kurzes Fazit

Strategie- komplexes Thema, was sich in einem definitiv zu langen Blogbeitrag zeigt. Aber ich hau den trotzdem raus.

Denn meine Hoffnung ist, dass Du darin vielleicht den einen oder anderen Hinweis findest, der Dich in Deiner Strategiearbeit weiterbringt. Und vielleicht hilft es Dir ja auch, über die Fragen am Ende nachzudenken und eigene Antworten für Dich und Deine Organisation zu finden.

Hilfreich für mich wäre aber zu erfahren, was Deine Erfahrungen mit Strategiearbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft sind?

Lass dazu doch gerne einen Kommentar da oder schreib mir gerne – würde mich sehr freuen.

Quellen:

  • Bils, S., Töpfer, G. (2024): Exnovation und Innovation. Synergie von Ende und Anfang in Veränderungen. Schäffer Poeschel.
  • Gesmann, S., Merchel, J. (2021): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Carl-Auer.
  • Grunwald, K. (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen: Eine Einführung. Springer VS.
  • Nagel, R. (2014): Lust auf Strategie: Workbook zur systemischen Strategieentwicklung. aktualisierte Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Nagel, R., Wimmer, R. (2014): Systemische Strategieentwicklung: Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider. 6. Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Malik, F. (2017): In: Roehl, H., Asselmeyer, H.: Organisationen klug gestalten. Das Handbuch für Organisationsentwicklung und Change Management. Schäffer Poeschel.

Fachcamp Soziale Arbeit 2025 – wo stehen wir und wo geht’s hin?

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tl;dr: Am Freitag, den 27. Juni 2025, findet das Fachcamp Soziale Arbeit 2025 im Bathildisheim in Bad Arolsen statt. Wir laden Dich herzlich ein, daran teilzunehmen. Besuche die Eventseite für mehr Infos und um Dich anzumelden.

Und damit: Welcome back zum Fachcamp Soziale Arbeit! Christian aka sozial-pr.net und ich freuen uns riesig, dass wir nach dem Start 2024 jetzt das zweite Fachcamp Soziale Arbeit ankündigen dürfen – und zwar am 27.06.2025 in Bad Arolsen.

Wir freuen uns darauf, Dich dabei zu haben!

Was ist das Fachcamp Soziale Arbeit?

Nur noch einmal kurz zur Wiederholung:

Das Fachcamp Soziale Arbeit ist eine Veranstaltung für Fach- und Führungskräfte aus der Sozialen Arbeit. Anders als klassische Barcamps, die oft ein breites Publikum ansprechen, konzentrieren wir uns ausschließlich auf die spezifischen Themen und Herausforderungen, denen Du in Deinem und denen Sie in Ihrem Arbeitsalltag in der Sozialen Arbeit begegnest.

Das Fachcamp bietet eine Plattform für kollegialen Austausch, Inspiration und, ja, auch ein wenig Psychohygiene 😉 Unabhängig von Deiner Rolle, Deiner hierarchischen Position oder Deinem Arbeitsbereich ist das Fachcamp der richtige Ort für Dich, wenn Du in der sozialen Arbeit tätig bist, Dich austauschen, neue Ideen generieren, alte Ideen loslassen, Lösungen anstreben und gemeinsam weiterdenken willst.

Warum braucht es das Fachcamp Soziale Arbeit?

Die Idee für dieses Event entstand vor einiger Zeit aus zwei Gedanken:

Zum einen steht die Soziale Arbeit und damit auch Organisationen der Sozialen Arbeit unter ziemlichem Druck:

Digitalisierung, KI, Finanzierungsengpässe, steigende Energiekosten, Fachkräftemangel, Klimakatastrophe und nicht zuletzt Demokratiekrise erfordern andere Lösungen, Ideen und Herangehensweisen.

Das klingt alles extrem herausfordernd, komplex und unsicher. Die Entwicklung von Ideen und Lösungen für die Themen und Fragen der „VUKA-Welt“ findet aber am Besten gemeinsamin einem offenen, innovativen Format und ohne organisationale Grenzen – statt.

Zum anderen sind wir überzeugt, dass es im Bereich der Sozialen Arbeit eine Lücke gibt:

Obwohl es großartige Barcamps wie bspw. das SocialBarCamp in Kiel gibt, fehlte bislang ein Barcamp, das sich vor Ort, lokal und explizit an Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit richtet.

Deswegen haben wir das neue Format aufgesetzt, bei dem sich Menschen, die täglich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, treffen können, um sich in einem geschützten Raum auszutauschen, Ideen zu entwickeln und gegenseitig zu unterstützen.

Warum Bad Arolsen?

Jaja, uns ist klar, dass Bad Arolsen nicht der Nabel der Welt und damit nicht ganz einfach zu erreichen ist.

Wir haben uns trotzdem für Bad Arolsen, vor allem aber für das Bathildisheim als Veranstaltungsort entschieden, weil wir zum einen wunderbar supported werden (Danke dafür!!!).

Erst diese Zusammenarbeit ermöglicht es uns, das Event in einem kleinen Rahmen anzubieten, ohne hohe Teilnahmegebühren verlangen zu müssen (40 EUR inkl. Verpflegung für den Tag klingen echt entspannt, oder?).

Zum anderen entwickelt sich das Bathildisheim seit einigen Jahren hin zu einem kollegial geführten Unternehmen. Und diesen Aspekt wollen wir beim Fachcamp Soziale Arbeit 2025 etwas stärker in den Blick rücken:

Wie gelingt Organisationsentwicklung und menschenfreundliches Arbeiten in und für Organisationen und Mitarbeitende der Sozialen Arbeit?

Da können die Mitarbeiter:innen aus dem Bathildisheim sicherlich einige spannende Insights liefern…

Das Format

Das Format bleibt auch beim 2. Fachcamp: Wir nutzen das Barcamp-Format, nennen unsere Veranstaltung aber bewusst „Fachcamp“.

Dabei geht’s darum, Diskussionen über Teilnahmegebühren zu vermeiden. Unsere Tickets sind erschwinglich, aber sie kosten Geld, um die Ausgaben für Verpflegung und Location zu decken – 40 Euro, bzw. 20 Euro für Studierende – echt entspannt, oder?

Und klar ist, dass das Programm – wie bei einem Barcamp – von Dir, von Euch und damit von den Teilnehmer:innen, nein, besser „Teilgeber:innen“ gestaltet wird. Es gibt zwar einen Zeitplan und vorgesehene Zeiträume für Sessions, aber die inhaltliche Gestaltung liegt bei Dir und den anderen Teilnehmenden.

Kurz: Du kannst die Themen einbringen, die Dir wichtig sind, und Dich mit anderen darüber austauschen.

Programm und Ablauf des Fachcamps

Das Fachcamp beginnt um 9 Uhr mit einem Snack und einer Begrüßung. Um 9:30 Uhr gibt es eine kurze Vorstellungsrunde, gefolgt von der Session-Planung. Die Sessions finden zwischen 10:30 Uhr und 15 Uhr statt, gefolgt von einem gemeinsamen Abschluss. Um 15:30 Uhr endet das Fachcamp. Die Sessions werden dokumentiert und die Dokumentationen dann unter allen Teilnehmenden geteilt, so dass auch im Nachgang weiter gearbeitet werden kann.

Und – ganz wichtig – das Format ist offen und praxisorientiert:

Ob Du eine Diskussion anstoßen, eine Frage klären oder einfach eine Idee vorstellen möchtest – beim Fachcamp ist alles möglich. Es geht um interaktiven und co-creativen Austausch und gemeinsames Lernen, nicht (nur) um Vorträge oder Präsentationen.

Anmeldung zum Fachcamp Soziale Arbeit 2025, Tickets und Kosten

Die Tickets für das Fachcamp Soziale Arbeit kosten 40 Euro, für Studierende 20 Euro. Wir haben uns bewusst für diesen kleinen Beitrag entschieden, um die Veranstaltung finanziell abzusichern. Sollten die Kosten für Dich ein Problem darstellen, melde Dich gerne bei uns – wir finden sicher eine Lösung.

Dankeschön und Einladung

Ein herzliches Dankeschön geht an unseren Hauptsponsor des 2. Fachcamps – das Bathildisheim Bad Arolsen!

Ohne Euch wäre dieses Event nicht möglich.

Wir freuen uns auf den 27. Juni 2025 und darauf, Euch (wieder) zu sehen, um sich zu vernetzen, auszutauschen und neue Ideen mitzunehmen.

Bock drauf? Dann melde Dich an und sei dabei. Wir freuen uns darauf, Dich in Bad Arolsen zu begrüßen!

Für weitere Informationen und zur Anmeldung besuche die Eventseite unter https://eveeno.com/fachcamp-soziale-arbeit-ii.

P.S.: Zum ersten Fachcamp haben Christian und ich einen Podcast aufgenommen. Oder Du hörst in den Podcast rein, den Christian zum Fachcamp aufgenommen hat.

Und noch ein letzter Hinweis: Es wäre super, wenn Du das Fachcamp Soziale Arbeit 2025 in Deinem Netzwerk teilst!

Wir sind Dir dann zu ewigem Dank verpflichtet – echt jetzt 😉

Organisationale Ambidextrie: Eine Einführung für soziale Organisationen

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Inzwischen eine Binse: Organisationen der Sozialen Arbeit stehen vor großen Herausforderungen. Steigende Anforderungen, knapper werdende Ressourcen (klick) und nicht zuletzt der Fach- und Arbeitskräftemangel verlangen von sozialen Organisationen, flexibel und innovativ zu agieren. Doch wie können Organisationen der Sozialen Arbeit diesen Herausforderungen begegnen, ohne ihre Kernaufgaben und ihre gute Praxis zu vernachlässigen? Hier kommt das Konzept der organisationalen Ambidextrie ins Spiel, das Organisationen befähigt, sowohl im Tagesgeschäft effizient zu sein als auch innovative Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.

Im Folgenden habe ich zusammengefasst, was organisationale Ambidextrie ist, warum das Konzept (auch) für Organisationen der Sozialen Arbeit wichtig und eine Auseinandersetzung mit den dahinter stehenden Denkweisen für Verantwortliche in Organisationen der Sozialen Arbeit notwendig ist. Außerdem habe ich zwei Herausforderungen hervorgehoben und natürlich Ideen zur Umsetzung von „ambidextren Möglichkeiten“ in Deiner Organisation skizziert.

Transparenzhinweis: Teile des Textes sind KI-generiert.

Was ist organisationale Ambidextrie?

Ambidextrie, abgeleitet vom Lateinischen „ambidexter“, bedeutet wörtlich „beidhändig“ oder „beidhändig geschickt“. Organisationale Ambidextrie kann sehr kompakt als die Fähigkeit von Organisationen definiert werden, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein. Diese duale Fähigkeit lässt sich als Balance zwischen „Exploitation“, d.h. der Nutzung vorhandener Ressourcen und Prozesse, und „Exploration“, d.h. der Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, dargestellen.

Während Exploitation auf die Verbesserung und Optimierung bestehender Aktivitäten abzielt, steht Exploration für Innovation und das Ausprobieren neuer Ansätze. Ambidexteren Organisationen gelingt es, beide Aspekte gleichzeitig zu verfolgen, ohne dass einer den anderen übermäßig beeinträchtigt.

Interessant ist, dass der Begriff bereits Mitte der 70er Jahre entstand, „als der amerikanische Organisationsforscher Robert Duncan ihn in einer seiner Schriften erstmalig benutzte und damit die Fähigkeit von Organisationen bezeichnete, durch die gleichzeitige Nutzung zweier unterschiedlicher Management-Praktiken mit neuen Marktentwicklungen flexibel umgehen zu können“ (Thinktank Ambidextrie).

Warum ist die Befassung mit organisationaler Ambidextrie (auch) in der Sozialen Arbeit wichtig?

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat das Interesse an organisationaler Ambidextrie kontinuierlich zugenommen. Dieser starke Anstieg ist auf die zunehmende Komplexität und Dynamik der (post-)modernen Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuführen: Globalisierung und Digitalisierung stellen enorme Herausforderungen dar, an denen selbst große und renommierte Unternehmen bereits gescheitert sind bzw. zu scheitern drohen.


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Da viele andere Managementmodelle und -strategien den Unternehmen nicht den erhofften Mehrwert gebracht haben, haben viele Entscheidungsträger in öffentlichen und privaten Organisationen die Ambidextrie als vielversprechenden Lösungsansatz erkannt. Im Gegensatz zu anderen Managementstrategien, die oft radikale Veränderungen der Organisationsstrukturen und -prozesse erfordern, bietet Ambidextrie einen „Mittelweg“ zwischen dem Erhalt des Bewährten und gleichzeitig die Organisation in einem dynamischen, kreativen und produktiven Spannungsfeld mit Innovationen und neuen Ideen weiterzuentwickeln.

Auch soziale Organisationen befinden sich in verschiedenen Spannungsfeldern zwischen den wachsenden Bedürfnissen der Klienten, den Anforderungen der Kostenträger und der Notwendigkeit, auf gesellschaftliche Veränderungen (Digitalisierung, demokratiegefährdende Tendenzen usw.) zu reagieren. Von besonderer Bedeutung ist aktuell die Frage, wie es trotz des massiven Fach- und Arbeitskräftemangels gelingen kann, die Leistungen der sozialen Organisationen weiterhin professionell anzubieten. Kurz: Die Sozialwirtschaft steht nicht nur unter hohem Kostendruck bei gleichzeitig zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Als plakatives Beispiel hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig es ist, schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, ohne dass die laufenden Aufgaben darunter leiden.

Traditionelle Strukturen und Prozesse, die in der Vergangenheit funktioniert haben, sind angesichts dieser Dynamik nicht immer ausreichend. Gleichzeitig müssen soziale Organisationen sicherstellen, dass sie ihre Kernaufgaben effizient und zuverlässig erfüllen.

Das Konzept „organisationale Ambidextrie“ kann hier ein Weg sein, um auch Organisationen der Sozialen Arbeit zeitgemäß und bedarfsgerecht zu gestalten. Durch die Fähigkeit, sowohl bestehende Prozesse zu optimieren als auch innovative Ansätze zu entwickeln, können sie den vielfältigen Herausforderungen besser begegnen.

Herausforderungen ohne Befassung mit organisationaler Ambidextrie

Ohne eine ambidextre Ausrichtung laufen (nicht nur) soziale Organisationen Gefahr, entweder in veralteten Mustern zu verharren oder durch zu viele neue Projekte ihre Effizienz zu verlieren.

Die alleinige Konzentration auf Exploitation und damit die Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse, ohne wirklich neu zu denken und zu handeln, kann zwar kurzfristig erfolgreich sein, führt aber langfristig entweder zur Stagnation der Organisation oder zum (organisationalen) Burnout sowieso schon stark belasteter Organisationen, Teams und Menschen in der sozialen Arbeit.

Auf der anderen Seite können Organisationen, die sich ausschließlich auf Exploration und damit auf die ständige Neugestaltung von Prozessen, Strukturen, Angeboten und Dienstleistungen konzentrieren, Schwierigkeiten haben, nachhaltige Strukturen zu schaffen, die für einen langfristigen Erfolg notwendig sind. So finden sich auch in der Sozialwirtschaft Organisationen, in denen eine Veränderung die nächste und ein Projekt das nächste jagt – immer verbunden mit der Hoffnung, nun endlich den Durchbruch zu schaffen und die Überforderung zu überwinden. Doch im reinen Explorationsmodus bleibt die Entlastung – natürlich – aus. Der Wechsel von Organisationsformen in kurzen Abständen, die wiederholte Optimierung von Prozessen und die Implementierung von „Managementmoden“ wie Agilität, New Work und Diversity scheinen die Lösung zu versprechen – und enden in Enttäuschung, wenn die groß angekündigten Ziele nicht erreicht werden und die Grundprobleme bestehen bleiben.

Digitalisierungsprojekte in Organisationen der Sozialen Arbeit können als Beispiele für beide Extreme angeführt werden. So erlebe ich auf der einen Seite soziale Organisationen, die davor zurückschrecken, zumindest grundlegende digitale Technologien zu integrieren, um ihre traditionellen Methoden zu schützen. Statt digitale Möglichkeiten auszuprobieren, laufen sie Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Auf der anderen Seite erlebe ich Organisationen, die sich so sehr auf neue digitale Lösungen konzentrieren, dass sie die Bedürfnisse der Menschen, für die sie Verantwortung tragen, vernachlässigen.

Vorteile der Befassung mit organisationaler Ambidextrie für soziale Organisationen

Übergreifend geht es bei der Befassung mit und der erfolgreichen Umsetzung von organisationaler Ambidextrie um die Sicherstellung des Überlebens der Organisation. Aus meiner Perspektive zeigen sich diesbezüglich vor allem zwei Vorteile, die das Konzept auch für Organisationen der Sozialen Arbeit bieten kann:

  1. Bessere Anpassungsfähigkeit: Ambidextre Organisationen sind besser in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren, ohne dass ihre laufenden Prozesse darunter leiden. Dies ermöglicht eine bessere Anpassungsfähigkeit bzgl. gesellschaftlicher Veränderungen und Krisen (vgl. dazu auch das Konzept der organisationalen Resilienz)
  2. Erhöhte Innovationsfähigkeit: Durch die gleichzeitige Fokussierung auf Exploitation und Exploration können Organisationen neue Angebote, aber auch neue Organisationsstrukturen und -prozesse entwickeln, die den sich ändernden Bedürfnissen der Klient:innen, der Organisation selbst, der Mitarbeiter:innen und – sehr global gedacht – der Gesellschaft gerecht werden, ohne das laufende Geschäft in Gefahr zu bringen. Wichtig ist, dass Innovationsfähigkeit nicht nur ein „immer mehr“, sondern im Sinne der Exnovation auch das Verlernen und Loslassen von liebgewonnenen Angeboten, Prozessen und Strukturen bedeuten kann.

Organisationale Ambidextrie hilft entsprechend dabei, eine Balance zwischen kurzfristigem Erfolg und langfristiger Überlebensfähigkeit zu finden. Organisationen können ihre aktuellen Dienstleistungen optimieren, während sie gleichzeitig an Innovationen arbeiten, die sie für die Zukunft wappnen. In einem auch in der Sozialwirtschaft zunehmend wettbewerbsorientierten Umfeld kann organisationale Ambidextrie somit einen entscheidenden Vorteil verschaffen, wenn es gelingt, sowohl effizient als auch innovativ zu sein.

Organisationale Ambidextrie in der Praxis

Ich denke, es ist deutlich geworden, was organisationale Ambidextrie ist und warum eine Befassung damit hilfreich sein kann. Entscheidend aber ist, wie Ambidextrie in der Praxis umgesetzt werden kann. Es gibt verschiedene Ansätze und Strategien, um die Fähigkeit zur Ambidextrie in einer Organisation zu fördern. Grundsätzlich können folgende Ansätze unterschieden werden:

1. Strukturelle Ambidextrie

Strukturelle Ambidextrie bedeutet, dass eine Organisation separate Einheiten oder Abteilungen schafft, die sich entweder auf Exploitation oder auf Exploration konzentrieren und nach verschiedenen Modi arbeiten. Diese Einheiten arbeiten weitgehend unabhängig voneinander, was es ermöglicht, dass jede Einheit ihre spezifischen Ziele verfolgen und in ihrem je spezifischen Modus (explore oder exploit) agieren kann, ohne durch die Anforderungen der anderen eingeschränkt zu werden.

In der Praxis gibt es Organisation und Verbände der Sozialen Arbeit, die explizite Abteilungen für Innovationsmanagement einrichten. Diese sind ausschließlich mit der Entwicklung neuer Programme und Dienstleistungen beschäftigt. Diese Abteilungen arbeiten (mehr oder weniger) unabhängig von den operativen Abteilungen, die weiterhin für die Bereitstellung der bestehenden Dienstleistungen verantwortlich sind.

Denkbar ist aber auch, bestehende Einheiten dahingehend zu analysieren, ob eine Unterteilung in die beiden Modi sinnvoll ist. Konkret gibt es Personalabteilungen, die unterteilt sind in die Personaladministration (exploit) und die Personalentwicklung (explore).

Frey und Töpfer (2021:87) weisen darauf hin, dass es Zeichen für unterschiedliche und ggfs. widersprüchliche Erwartungen und Anforderungen in Organisationseinheiten gibt, „wenn es schwierig ist, einer Organisationseinheit einen Modus zuzuweisen“ und führen aus, dass das Procedere der Betrachtung der bestehenden Organisationseinheiten aus der Brille „explore“ und „exploit“ eine Gelegenheit sein kann, „die Organisationsstruktur auf den Prüfstand zu stellen und Klarheit zu schaffen, wo (im Sinne der Ambidextrie) Änderungsbedarf in Handlungsroutinen und Koopera-tionsmechanismen besteht. Das kann mühselig sein, aber im Ergebnis für mehr Klarheit sorgen“ (ebd.).

2. Kontextuelle Ambidextrie

Ein anderer Ansatz ist die kontextuelle Ambidextrie, bei der die Mitarbeitenden je nach Kontext zwischen Exploitation und Exploration wechseln. „Kontextuelle Ambidextrie bedeutet, dass situativ, aufgrund einer aktuellen Aufgabe, eines Problems, einer Zielsetzung, eine Entscheidung für den Exploit- oder den Explore-Modus getroffen wird“ (ebd., 101).

Konkret lassen sich hier die in Organisationen der Sozialen Arbeit an vielen Stellen existierenden „Projekte“ anführen. So arbeiten Mitarbeitende bspw. in dem einem Projekt an der Optimierung bestehender Betreuungsangebote, während sie in einem anderen Projekt innovative Ansätze zur digitalen Beratung entwickeln.

Neben dem, dass hier eine hohe Flexibilität und die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Arbeitsweisen zu wechseln, erforderlich ist, kommt hinzu, dass immer wieder neu entschieden werden muss, welcher Modus für welches Thema, welches Projekt bzw. welche Aufgabe funktional ist. Darauf basierend ist dann eine (Projekt-)Gruppe zu bilden, die nach den Prinzipien gelingender Zusammenarbeit gestaltet sein sollte (vgl. dazu bspw. das GRPI-Modell).

3. Führungsbasierte Ambidextrie

Die führungsbasierte Ambidextrie betont die Rolle der Führungskräfte, die eine Balance zwischen Exploitation und Exploration fördern. Dies kann durch gezielte Schulungen, die Gestaltung der Organisationsstrukturen, die zu einer ambidextren Kultur beitragen und die Schaffung eines Umfelds geschehen, in dem sowohl Effizienz als auch Innovation geschätzt werden.

Konkret kann bspw. die Geschäftsführung regelmäßige Innovationsworkshops initiieren, bei denen neue Ideen gesammelt und bewertet werden. Gleichzeitig wird aber auch darauf geachtet, dass die bestehenden Strukturen und Prozesse regelmäßig überprüft und optimiert werden.

4. Organisationale Ambidextrie durch Netzwerke

Eine weitere Möglichkeit, Ambidextrie zu fördern, ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Durch die Einbindung von Netzwerken und Kooperationen können Organisationen sowohl ihre Effizienz steigern als auch neue, innovative Ansätze entwickeln.

Die Zusammenarbeit mit Start-ups aus dem sozialen Bereich, um innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln, kann hier ebenso angeführt werden wie bspw. die Strategieentwicklung in Zusammenarbeit mit den „traditionellen“ externen Stakeholdern im Sinne der „open strategy“. Beides – Zusammenarbeit mit Start-ups wie die Einbindung bestehender Stakeholder – kann wiederum für beide Modi – explore wie exploit – genutzt werden.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Trotz der zahlreichen Vorteile und Möglichkeiten gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung organisationaler Ambidextrie in Organisationen der Sozialen Arbeit. Zwei dieser Herausforderungen will ich im Folgenden kurz skizzieren.

Never change a running system

Eine der größten Hürden ist der Umgang mit der natürlichen Tendenz von (nicht nur) sozialen Organisationen, sich auf das zu konzentrieren, was funktioniert. So ist Veränderung und damit auch Innovation immer ein zusätzlicher Aufwand, wohingegen soziale Systeme nach Beständigkeit streben. Denn Organisationen sind autopoietische und selbstreferenzielle Systeme. Autopoietisch bedeutet, dass sie sich selbstständig generieren und darauf ausgerichtet sind, ihre Existenz zu erhalten. Selbstreferenziell bedeutet, dass sie ihre Handlungen auf Grundlage ihrer eigenen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Bewertungen steuern, wodurch neue Handlungen entstehen. Sie interpretieren und rechtfertigen fortwährend, was für sie sinnvoll ist und was nicht.

Dies zeigt, dass sich die Prozesse und Abläufe stark an bestehenden Strukturen orientieren. Handlungen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, dienen als Grundlage für zukünftige Entscheidungen. Entscheidungsprozesse in Organisationen basieren daher auf der Beobachtung von Handlungen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, während Alternativen als weniger relevant angesehen oder ignoriert werden. Ein häufiges Beispiel für dieses Verhalten ist der Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Und zusammenfassend kann dies dazu führen, dass Exploration bzw. die Neugestaltung, die Entwicklung von Innovationen vernachlässigt werden.

Ressourcenknappheit

Eine weitere Herausforderung ist die begrenzte Verfügbarkeit von Ressourcen. Ohne dies hier vertiefen zu wollen (vgl. näher hier), sind Organisationen der Sozialen Arbeit hinsichtlich ihrer Finanzierung im Wesentlichen von Kostenträgern abhängig, die wiederum auf der Basis gesetzlicher Grundlagen Mittel zur Verfügung stellen. Insbesondere Angebotsinnovationen stehen damit immer vor der Frage der Gegenfinanzierung, was es schwierig macht, gleichzeitig in Exploitation und Exploration zu investieren.

Hilfreich, um dieser Herausforderung zu begegnen, ist die gezielte Allokation von Ressourcen für Innovationsprojekte. Organisationen können zum Beispiel spezielle Innovationsbudgets einrichten, die ausschließlich für explorative Projekte verwendet werden.

Fazit: Management-Mode oder ein Schlüssel zum Erfolg?

Ich hoffe, dass der einleitende Beitrag deutlich gemacht hat, dass eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der organisationalen Ambidextrie auch Organisationen der Sozialen Arbeit Möglichkeiten bietet, den Spagat zwischen Effizienz und Innovation zu meistern. In einer komplexen und sich ständig verändernden Welt, in der die internen wie externen Herausforderungen für Organisationen der Sozialen Arbeit nicht weniger werden, ist die Fähigkeit, sowohl bestehende Prozesse zu optimieren als auch neue Lösungen zu entwickeln, von entscheidender Bedeutung.

Die Umsetzung von Ambidextrie in Organisationen der Sozialen Arbeit erfordert jedoch ein Verständnis der Besonderheiten des Organisationstyps „Organisationen der Sozialen Arbeit“, ein bewusstes Engagement der Führungskräfte für die Gestaltungsnotwendigkeiten der Rahmenbedingungen und eine strategische Planung der Maßnahmen zur Entwicklung einer „ambidextren Organisation“. Durch die Schaffung funktionaler Organisationsstrukturen, die Förderung einer offenen und innovativen Kultur und die gezielte Allokation von Ressourcen können Organisationen der Sozialen Arbeit die Vorteile der Ambidextrie nutzen und ihre Zukunftsfähigkeit sichern.

Und Verantwortliche in (nicht nur) sozialen Organisationen haben „mit Hilfe der Ambidextrie (…) die Chance, (…) jeweils den Punkt zu benennen, an dem aus einem bewährten ‚weiter so‘ ein ‚jetzt müssen wir es anders machen‘ werden muss“ (klick).

Und ja, Innovation und Optimierung sind für alle Organisationen alles andere als neu. Bleibt die Frage: Ist das Konzept der organisationalen Ambidextrie reine Managementmode? Ja und ja, und? Denn wenn die Auseinandersetzung mit dem Konzept und den dahinter stehenden Denk- und Handlungsmöglichkeiten zu positiven Veränderungen in der Organisation führt, ist es unerheblich, wie ein entsprechendes Konzept genannt wird. Aus meiner Sicht finden sich in der Auseinandersetzung mit Ambidextrie viele wirklich spannende Ansätze, die auch und gerade für Organisationen der Sozialen Arbeit hilfreich sein können.

Fachcamp Soziale Arbeit – Gestalte die Zukunft der Sozialen Arbeit am 25.10.2024

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tl;dr: Am 25. Oktober 2024 findet in Gelsenkirchen das erste Fachcamp Soziale Arbeit statt. Wir laden Dich herzlich ein, daran teilzunehmen. Besuche die Eventseite für mehr Infos und um Dich anzumelden.

Und damit: Herzlich willkommen zum Fachcamp Soziale Arbeit! Das Fachcamp Soziale Arbeit ist ein besonderes Event für Fachkräfte der sozialen Arbeit, das wir (Christian Müller aka sozial-pr.net und ich) ins Leben gerufen haben. Es ist der Nachfolger des ehemaligen Sozialcamps und wird erstmals am 25. Oktober 2024 in Gelsenkirchen stattfinden. Wir freuen uns darauf, Dich dabei zu haben!

Was ist das Fachcamp Soziale Arbeit?

Das Fachcamp Soziale Arbeit ist eine Veranstaltung für Fach- und Führungskräfte aus der Sozialen Arbeit. Anders als klassische Barcamps, die oft ein breites Publikum ansprechen, konzentrieren wir uns ausschließlich auf die spezifischen Themen und Herausforderungen, denen Du in Deinem Arbeitsalltag in der Sozialen Arbeit begegnest. Dieses Fachcamp bietet eine Plattform für kollegialen Austausch, Inspiration und, ja, auch ein wenig Psychohygiene 😉 Unabhängig von Deiner Rolle oder Deinem Arbeitsbereich ist das Fachcamp der richtige Ort für Dich, wenn Du in der sozialen Arbeit tätig bist, Dich austauschen, neue Ideen generieren, Lösungen anstreben und gemeinsam weiterdenken willst.

Warum Fachcamp Soziale Arbeit?

Die Idee für dieses Event entstand aus zwei Gedanken:

Zum einen steht die Soziale Arbeit und damit auch Organisationen der Sozialen Arbeit unter ziemlichem Druck: Digitalisierung, KI, Finanzierungsengpässe, steigende Energiekosten und natürlich der Fachkräftemangel erfordern neue Lösungen, Ideen und Herangehensweisen. Diese können am Besten gemeinsam – in einem offenen Format, ohne organisationale Grenzen – entwickelt werden.

Und zum anderen sind wir übergreifend der Überzeugung, dass es im Bereich der Sozialen Arbeit eine Lücke gibt: Obwohl es großartige Barcamps wie das SocialBarCamp in Kiel gibt, fehlt bislang ein Barcamp, das sich ausschließlich und explizit an Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit richtet.

Deswegen wollen wir ein neues Format aufsetzen, bei dem sich Menschen, die täglich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, treffen, um sich in einem geschützten Raum auszutauschen, Ideen zu entwickeln und gegenseitig zu unterstützen.

Warum Gelsenkirchen?

Gelsenkirchen haben wir als Veranstaltungsort für das erste Fachcamp gewählt, weil wir mit dem Sozialwerk St. Georg einen großartigen Partner und eine hervorragende Location gefunden haben. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es uns, das Event in einem kleineren Rahmen zu testen, ohne hohe Kosten und Risiken einzugehen.

Und vielleicht, wenn sich das Format etabliert, findet es in Zukunft an verschiedenen Stellen in Deutschland statt – meld‘ Dich gerne bei Ideen und Anregungen dazu.

Das Format

Obwohl wir das Barcamp-Format nutzen, nennen wir unsere Veranstaltung bewusst „Fachcamp“, um Diskussionen über Teilnahmegebühren zu vermeiden. Unsere Tickets sind erschwinglich, aber sie kosten Geld, um die Ausgaben für Verpflegung und Location zu decken – 40 Euro, bzw. 20 Euro für Studierende.

Das Besondere am Fachcamp ist, dass das Programm – wie bei einem Barcamp – von Dir, von Euch und damit von den Teilnehmer:innen gestaltet wird. Es gibt zwar einen Zeitplan und vorgesehene Zeiträume für Sessions, aber die inhaltliche Gestaltung liegt bei Dir und den anderen Teilnehmenden. So kannst Du Themen einbringen, die Dir wichtig sind, und Dich mit anderen darüber austauschen.

Programm und Ablauf des Fachcamps

Das Fachcamp beginnt um 9 Uhr mit einem Snack und einer Begrüßung. Um 9:30 Uhr gibt es eine kurze Vorstellungsrunde, gefolgt von der Session-Planung. Die Sessions finden zwischen 10:30 Uhr und 15 Uhr statt, gefolgt von einem gemeinsamen Abschluss. Um 15:30 Uhr endet das Fachcamp. Die Sessions werden dokumentiert und die Dokumentationen dann unter allen Teilnehmenden geteilt, so dass auch im Nachgang weiter gearbeitet werden kann.

Und – ganz wichtig – das Format ist offen und praxisorientiert: Ob Du eine Diskussion anstoßen, eine Frage klären oder einfach eine Idee vorstellen möchtest – beim Fachcamp ist alles möglich. Es geht um interaktiven Austausch und gemeinsames Lernen, nicht um Vorträge oder Präsentationen.

Anmeldung, Tickets und Kosten

Die Tickets für das Fachcamp Soziale Arbeit kosten 40 Euro, für Studierende 20 Euro. Wir haben uns bewusst für diesen kleinen Beitrag entschieden, um die Veranstaltung finanziell abzusichern. Sollten die Kosten für Dich ein Problem darstellen, melde Dich gerne bei uns – wir finden sicher eine Lösung.

Dankeschön und Einladung

Ein herzliches Dankeschön geht an unseren Hauptsponsor – das Sozialwerk St. Georg! Ohne Euch wäre dieses Event nicht möglich.

Wir freuen uns auf den 25. Oktober und darauf, viele von Euch zu sehen, um sich zu vernetzen, auszutauschen und neue Ideen mitzunehmen. Wenn Du Interesse hast, am Fachcamp Soziale Arbeit teilzunehmen, melde Dich an und sei dabei. Wir freuen uns darauf, Dich in Gelsenkirchen zu begrüßen!

Für weitere Informationen und zur Anmeldung besuche die Eventseite unter https://eveeno.com/fachcamp_soziale_arbeit.

Alternativ dazu kannst Du auch den Podcast anhören, den ich mit Christian dazu aufgenommen habe. Oder Du hörst in den Podcast rein, den Christian zum Fachcamp aufgenommen hat.

Und noch ein letzter Hinweis: Es wäre super, wenn Du die Veranstaltung in Deinem Netzwerk teilst! Wir sind Dir dann zu ewigem Dank verpflichtet!!!

How (not) to kill your Company, oder: Die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit und wie Du ihnen begegnen kannst.

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Hier mein Skript zu einer „Keynote“ 😉 meines Impulses, den ich vor wenigen Tagen im neu eröffneten Futurum halten durfte. Das Forum stand unter dem Oberthema „Diakonisches Umfeld im Wandel“ und die Teilnehmer:innen waren aufgefordert, ihren „Haupt-Killerfaktor“ zur Veranstaltung mitzubringen, um im Anschluss an meinen Impuls über diese Faktoren tiefer in den Austausch zu gehen. Ausgehend von dieser Themensetzung habe ich einleitend über die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit gesprochen.

Einschränkend ist zu erwähnen, dass es sich hierbei um die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht handelt – und ich werde meine Meinung dazu in Zukunft sicherlich ändern, weiterentwickeln und anpassen. Das sind also die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Jetzt aber – fast – los. Fast, weil ich einführend meinen Bezugsrahmen skizzieren will:

Mein Bezugsrahmen oder: Wozu existieren Organisationen der Sozialen Arbeit?

Unter dem Bezugsrahmen verstehe ich einleitend die Frage:

Wozu existieren Organisationen der Sozialen Arbeit heute und in Zukunft?

Für mich ist das so etwas wie der „Basic Purpose“, eine (fast) allgemeingültige Orientierung, die hilfreich sein kann.

Und mein Bezugsrahmen, den ich im Folgenden als Hintergrundfolie mitlaufen lasse, ist die „Definition Sozialer Arbeit“, die Du hier finden kannst.

Sie lautet:

„Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen.

Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit.

Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen.

Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein“ (Hervorhebungen durch d. Verf.).

Für mich ist diese Definition deshalb relevant, um eine – zwar sehr allgemeine, aber – grundlegende Orientierung darüber zu haben, wozu Organisationen der Sozialen Arbeit in all ihren Ausprägungen existieren. Sie liefert damit aus meiner Sicht eine gute Orientierung, warum es sinnvoll und wichtig ist, über das Überleben und die Zukunft von Organisationen der Sozialen Arbeit nachzudenken.

Es ist hervorzuheben, dass „die Sozialwirtschaft“ bzw. vor allem die beim Vortrag anwesenden Vertreter:innen der Komplexträger sich nicht nur in der Sozialwirtschaft, sondern in der „Gesundheits- und Sozialwirtschaft“ bewegen. So lassen sich z.B. Krankenhäuser, aber auch Pflegeeinrichtungen nicht unmittelbar unter dieser Definition zusammenfassen. Für mich wird damit deutlich, dass die ohnehin schon enorme Komplexität, in der sich die verantwortlichen Vorstände und Geschäftsführer dieser Organisationen bewegen, noch einmal deutlich erhöht wird.

Dennoch glaube ich, dass die Definition der Sozialen Arbeit eine Orientierung für die folgenden fünf Hauptgefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit geben kann.

Die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit

Jetzt geht’s aber wirklich los… Und ich bin gespannt auf Dein Feedback – gerne hier in den Kommentaren oder per Mail!

Gefahr I: Management-Moden!

Management-Moden lassen sich definieren als „Managementkonzepte, die relativ schnell viel Aufmerksamkeit von Manager:innen auf sich ziehen, ohne dass ihre Relevanz wissenschaftlich oder durch längere praktische Erfahrung belegt ist.“

Sie bieten „ihren Adressaten suggestive, aber vergleichsweise einfache Lösungen und Tools an, ohne situative oder organisationale Komplexität in Rechnung zu stellen“ (Bartel, 2020:4).

Bei näherer Befassung mit Management-Moden lassen sich bekannte Begriffe finden, wie:

  • „agiles Management“
  • „post-bürokratische Organisationen“
  • „Fehlerkultur“
  • „OKR“
  • „Lernende Organisation“
  • „Transformationale Führung“
  • „New Work“

Die Liste ist nicht abschließend und ließe sich verlängern.

Die aus meiner Sicht große Gefahr in der Existenz besteht darin, dass aufgrund der Existenz von Management-Moden organisationale Veränderungen nicht aufgrund echter Herausforderungen angegangen werden, sondern aufgrund normativer Beweggründe:

„Damit wir modern sind, müssen wir jetzt New Work machen!“

In meinem Newsletter vom 28. Juni 2024, den Du hier nachlesen und hier abonnieren kannst, bin ich vertiefend auf Management-Moden eingegangen.

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Organisationen der Sozialen Arbeit wird die Gefahr noch deutlicher:

So lassen sich Organisationen der Sozialen Arbeit, den Ausführungen von Klaus Grunwald (vgl. Grunwald, 2018:165ff) folgend, als „hybride Organisationen“ definieren.

Damit ist gemeint, dass sie mit verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren (informeller Sektor, Dritter Sektor, Staat und Markt) verbunden sind und von diesen geprägt werden. Diese Sektoren sind jedoch durch jeweils eigene Systemlogiken gekennzeichnet.

Organisationen der Sozialen Arbeit sind dementsprechend gefordert, unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Handlungslogiken zu integrieren, unterschiedliche Zielsetzungen zu einem eigenen Zielbündel zusammenzufügen, unterschiedliche und wiederum zum Teil widersprüchliche Einfluss- und Entscheidungsstrukturen zu berücksichtigen und zu kombinieren sowie aus unterschiedlichen Identitätsangeboten eine eigene Identität zu formen.

Daraus ergibt sich wiederum die Notwendigkeit, auch intern Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass sie den „hybriden Anforderungen“ gerecht werden und eine Vielzahl von Zweck- und Sinnbestimmungen zulassen und gleichzeitig identitätsstiftend sind.

Konkret müssen Organisationen der Sozialen Arbeit einerseits den Systemlogiken der Kostenträger folgen und gesetzeskonform handeln, um ihre Leistungen refinanziert zu bekommen. Gleichzeitig sind sie gefordert, auf einem Markt zu agieren, der dem binären Code Bezahlen/Nicht-Bezahlen folgt. Hinzu kommt, dass die Leistungen von Organisationen der Sozialen Arbeit in einem normativ aufgeladenen Umfeld agieren: Die Schließung von Angeboten aufgrund rein ökonomischer Notwendigkeiten stößt auf massiven gesellschaftlichen Widerstand.

Zusammenfassend besteht die Notwendigkeit, „hybride Anforderungen“ in eine Organisation zu integrieren, d.h. die Funktionslogiken unterschiedlicher Organisationseinheiten den hybriden Anforderungen anzupassen. Kurz:

One Management-Mode does not fit all Anforderungen.

Anstatt also der nächsten Management-Mode hinterherzurennen, sollte bei jeder Anpassung, Entwicklung und Veränderung die Frage in den Vordergrund rücken:

Was ist funktional für unseren Zweck?

Gefahr II: Die Mitarbeiter:innen im Mittelpunkt!

Diesen Aspekt habe ich bereits mehrfach angesprochen: Durch den Fachkräftemangel wird auf der Seite der Mitarbeiter:innen die Illusion genährt, dass sich die Organisation um ihre eigenen Anliegen und Wünsche herum entwickeln müsse.

Wenn aber die Organisation in den Dienst der Bedürfnisbefriedigung der Mitarbeiter:innen gestellt wird und damit die Personenorientierung die Oberhand gewinnt, hat dies „katastrophale Folgen für die Organisation“ (Wimmer, 2019).

Mit Blick auf die Geschichte vieler Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt sich die Personenorientierung (im Gegensatz zur Aufgabenorientierung) auch ohne Fachkräftemangel an vielen Stellen sehr deutlich – von der Gründung sozialer Organisationen auf der Basis individueller Schicksale der Gründer:innen über die auf ehrenamtliche Beteiligung angewiesenen Rechtsformen sozialer Organisationen bis hin zur auf intrinsische Motivation setzenden professionellen Identität der in sozialen Berufen Tätigen. Dies führt dazu, dass das für Organisationen konstitutive Element der Trennung von Person und Rolle in Organisationen der Sozialen Arbeit wenig ausgeprägt ist (vgl. näher hier).

Das primäre Ziel jeder Organisation ist jedoch ihr Überleben, das sekundäre Ziel ist die Erfüllung des Organisationszwecks.

Es ist unstrittig, dass dazu insbesondere in sozialen Organisationen Menschen notwendig sind, die aber bestimmte Rollen einnehmen. Aufgrund des Fachkräftemangels in der Sozialwirtschaft können wir aber nicht mehr davon ausgehen, dass die Rollen aufgrund der „Haltung“ der Personen (vor allem bei Nicht-Fachkräften) „adäquat“ ausgefüllt werden.

Statt also die (sehr unterschiedlichen) Bedürfnisse der Personen in den Vordergrund zu stellen, gilt es, die formalen Rollenerwartungen (viel) expliziter zu machen und Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar(er) zu definieren.

Hier habe ich die Methode „Marktplatz der Erwartungen“ beschrieben, die hilft, ein klares Verständnis über und klare Erwartungen an die Rollen, Mandate bzw. Verantwortungsbereiche in der Organisation und damit (möglichst) klare Zuständigkeiten zu definieren.

Gefahr III: Alles gleichzeitig!

Vor dem Impuls habe ich mein digitales Netzwerk nach den aus ihrer Perspektive größten Gefahren befragt. Insbesondere bei LinkedIn gab es viele, sehr tiefgehende Rückmeldungen dazu, du Du hier nachlesen kannst.

Ein Aspekt, der mir in diesem Zusammenhang besonders auffiel, war der immer wieder vorgebrachte Hinweis auf den fehlenden Fokus bzw. die fehlende Strategie in und von Organisationen der Sozialen Arbeit, die tatsächlich angegangen wird.

Dies ist einerseits verständlich, wenn man die oben skizzierten hybriden Herausforderungen von Organisationen der Sozialen Arbeit in den Blick nimmt:

Wenn sich Organisationen der Sozialen Arbeit an unterschiedlichen Systemlogiken orientieren müssen, fällt es schwer, „den einen Weg“ zu gehen bzw. die eine Strategie umzusetzen. Hinzu kommt zum anderen, dass globale, gesellschaftliche, politische wie auch technologische Entwicklungen immer auch unmittelbare Auswirkungen auf Organisationen der Sozialen Arbeit haben. Nur zwei Beispiele:

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt nicht nur (wie bei allen Unternehmen) zu enorm steigenden Energiekosten, sondern gleichzeitig zu der Notwendigkeit, Menschen, die aus der Ukraine zu uns kommen, zu unterstützen. Ebenso reicht es nicht aus, sich mit digitalen Möglichkeiten zur Optimierung der eigenen Organisation zu beschäftigen, denn die Nutzbarkeit digitaler Tools und Technologien muss unter dem Begriff der Ermöglichung von Teilhabe immer auch aus der Perspektive der Klient:innen sozialer Organisationen betrachtet werden.

Kurz: Die Allzuständigkeit der Sozialen Arbeit im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen zeigt sich auch in einer Allüberforderung der Organisationen der Sozialen Arbeit, die sich allen Themen gleichzeitig widmen sollten/könnten/müssten.

Gleichzeitig wird natürlich auch der Fachkräftemangel von den anwesenden Teilnehmer:innen als ein, wenn nicht aktuell als das größte Problem von Organisationen der Sozialen Arbeit gesehen. Anders gesagt:

Organisationen der Sozialen Arbeit werden – mit Blick nach außen – nicht umhin kommen, deutlich stärker zu fokussieren, abzuwägen und zu priorisieren, was in und von Organisationen der Sozialen Arbeit zukünftig noch angeboten werden kann bzw. neu angeboten werden sollte.

Gleichzeitig muss mit Blick nach innen hinterfragt werden, welche internen Prozesse, Abläufe, Hierarchien, Abteilungen usw. (formale Organisationsstruktur) funktional sind (siehe Gefahr I) und welche weggelassen werden können.

Peter Drucker bringt es auf den Punkt, wenn er sagt:

„Wenn man etwas Neues will, muss man aufhören, etwas Altes zu tun“.

Es gilt also, adaptive Strategien zu entwickeln und umzusetzen, denn:

„Es gibt vielleicht nur ein einziges unausweichliches Ordnungsgesetz [in Organisationen]: daß nicht alles auf einmal geändert werden kann“ (Luhmann 1976:140 und Danke Stefan, für das schöne Zitat 😉

Ganz kurz zusammengefasst sind damit Strategien gemeint, die den Strategieprozess aus zwei Perspektiven denken:

  • a) für strategische Ziele müssen geeignete Wege gesucht werden (klassische Strategiearbeit) und
  • b) müssen Organisationen gleichzeitig offen bleiben für die Suche nach geeigneten Zielen, Problemen und Einsatzmöglichkeiten für die in den Organisationen vorhandenen Mittel, Problemlösungen und vorhandenen Ressourcen.

Details zur Gestaltung adaptiver Strategien findest Du hier.

Gefahr IV: Immer aus dem Bauch heraus!

Organisationen können definiert werden als „ein Netzwerk fortlaufender Entscheidungen“ (Richter, Groth, 2023, 125) – Entscheidungen, die sich in den formellen und informellen Strukturen der Organisation manifestieren (teils schriftlich, teils mündlich). So ist bereits die Gründung einer Organisation eine Entscheidung. Weitere Entscheidungen folgen (z.B. die Entscheidung, Personal einzustellen; die Entscheidung über den Zweck der Organisation; die Entscheidung über die Regeln, die in der Organisation gelten). Mit den ersten Entscheidungen wird ein Entscheidungsprozess in Gang gesetzt. „Jede Entscheidung impliziert weiteren Klärungs- und Handlungsbedarf, die entstehende Geschichte bereits getroffener Entscheidungen fordert und begrenzt weitere Entscheidungen“ (ebd., 126).

Soweit so einfach.

Fraglich ist jedoch, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden – vor allem, wenn es sich um einschneidende Entscheidungen handelt (z.B. die Einstellung von Angeboten, siehe Gefahr III).

Entscheidungen können einmal „aus dem Bauch heraus“ und damit intuitiv getroffen werden. Dagegen ist auch wenig einzuwenden, sofern die Intuition auf langjährigen Erfahrungen beruht. Aber gerade bei Entscheidungen, die finanzielle und ggf. existenzielle Auswirkungen haben, ist das Bauchgefühl nicht immer der beste Ratgeber.

Sicherlich ist es schwierig, Entscheidungen über Angebote und Leistungen der Sozialen Arbeit immer und an allen Stellen datenbasiert zu treffen. So stellen sich z.B. Fragen wie:

  • Wie lässt sich empirisch nachweisen, dass explizit das Angebot für die Veränderungen bei den Klient:innen verantwortlich ist (und nicht bspw. das familiäre Umfeld)
  • Wie können einheitliche Indikatoren erstellt werden, die die Spezifika der Institution abbilden und gleichzeitig allgemeingültig sind?

Gleichzeitig verfügen soziale Organisationen jedoch über enorm viele Daten (Daten über die Nutzer:innen der Dienstleistungen, über die Mitarbeiter:innen, über die Verweildauer von Klient:innen in Maßnahmen, Finanzdaten und und und…). Durch die Analyse der in der Organisation vorhandenen Daten können Anhaltspunkte dafür gewonnen werden, wie gut bestimmte Dienstleistungen funktionieren und wo möglicherweise Optimierungspotenzial besteht.

Die Gefahr, die ich in diesem Zusammenhang sehe, ist, dass in dem Moment, in dem andere Akteure die Wirkung von Angeboten datenbasiert nachweisen, diese bei allen Entgeltverhandlungen gewinnen. Und die Nutzung und Auswertung von Daten wird – auch durch die rasante Entwicklung von KI-Lösungen – immer einfacher.

Entsprechend ist es aus organisatorischer Sicht hoch relevant, systematisch bereitgestellte und ausgewertete Daten für die interne Entscheidungsfindung in einer Organisation zu nutzen. Wie bereits erwähnt, basiert diese derzeit noch zu oft auf Intuition und dem berühmten Bauchgefühl, das zwar sehr wichtig ist, aber in Zukunft nicht mehr ausreichen wird.

Es ist aber notwendig, die Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit jetzt und in Zukunft deutlich auszubauen, um (nicht nur digitale) Daten für Entscheidungen nutzen zu können.

Gefahr V: Systemüberlastung!

Gelingende Veränderung braucht Ressourcen – Zeit, Geld, Personal, Menschen, die Lust haben, Netzwerke… Hinzu kommt, dass bei Veränderung die „Leistungsfähigkeit“ (von Teams und/oder Organisationen) zunächst sogar abnimmt, da – zumindest bei echten Veränderungen – das „neue“ Arbeiten erst gelernt werden muss.

Der Blick in Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt jedoch an vielen Stellen, dass die Organisationen zu 100% und mehr ausgelastet sind. Logo, auch hier kann der Fachkräftemangel angeführt werden. Hinzu kommen aber aus meiner Sicht an vielen Stellen auch hochgradig ineffiziente Prozesse und insgesamt wenig funktionale formale Strukturen der Organisationen.

Ständiges Arbeiten an und über der Belastungsgrenze führt jedoch zu organisationalem Burnout. Darunter ist zu verstehen, dass sich eine Organisation „in einem Zustand der Erschöpfung und Lähmung befindet und diesen als unerwünscht erkannten Zustand aus eigener Kraft nicht mehr positiv verändern kann“ (mehr hier).

Ursachen für organisationalen Burnout sind (vgl. ebd.)

  • externer Systemstress (Strukturwandel, Wettbewerbsdruck, Finanzmarktrisiken, veränderter Rechtsrahmen…);
  • interner Ressourcenstress (Erfolgsarroganz, Kompentenzdefizite, nachhaltiger Ressourcenmangel, übertriebener Ergebnisdruck);
  • endogener Identitätsstress (ständige Strategiewechsel, wiederholte Reorganisationsprogramme, Verlustängste des Managements, übertolerante Fehlerkultur).

Der Blick auf die Ursachen aus Sicht der Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt einige neuralgische Punkte (z.B. veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen wie das BTHG oder das KJSG, dauerhafte Ressourcenknappheit, Kompetenzdefizite auf der Leitungsebene).

Zusätzliche Belastungen und Krisen in Organisationen, die sich bereits im organisationalen Burnout befinden, führen zum Zusammenbruch des Systems.

Wie aber kann es gelingen, organisationalem Burnout und damit Systemüberlastung – insbesondere unter den herausfordernden Bedingungen von Organisationen der Sozialen Arbeit – zu begegnen?

Für mich ist hier die Auseinandersetzung mit organisationaler Resilienz von zentraler Bedeutung. Ja, man könnte Organisationale Resilienz auch als Managementmodus definieren. Aber die Ausführungen und Ideen hinter dem Konzept liefern viele hilfreiche Ansätze, die – wie in Deutschland üblich – in einer ISO-Norm (ISO 22316) beschrieben sind. Demnach verfügen „Resiliente Organisationen“ über folgende 9 Elemente:

  1. Gemeinsame Vision und Klarheit über den Zweck: Eine resiliente Organisation zeichnet sich durch die gemeinsame Vision, klare Ziele und gemeinsame Werte aus. Dies wird auf allen Hierarchieebenen geteilt.
  2. Verständnis des internen und externen Umfelds und Einflussnahme: Eine resiliente Organisation verfügt über ein tiefes Verständnis der internen und externen Systeme, in denen sie agiert. Dies ermöglicht der Organisation, aktiv Einfluss zu nehmen und Möglichkeiten zur Anpassung zu schaffen.
  3. Führung, die Unsicherheit und Scheitern akzeptiert und ermutigt: In einer resilienten Organisation herrscht eine Führungskultur, die es den Mitarbeitenden erlaubt, Unsicherheiten und Veränderungen anzunehmen und zu bewältigen.
  4. Festlegung von relevanten Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen: Eine resiliente Organisation verankert gemeinsame Überzeugungen und Werte, positive Einstellungen und Verhaltensweisen fest in der Kultur, die für jeden Einzelnen von Bedeutung sind.
  5. Teilen von Informationen und Wissen: Die Mitglieder einer resilienten Organisation teilen aktiv Informationen und Wissen. Das Lernen aus Erfahrungen, einschließlich Fehlern, wird unterstützt und gefördert.
  6. Verfügbarkeit von Ressourcen: Eine resiliente Organisation verfügt über Ressourcen wie qualifizierte Mitarbeitende, finanzielle Mittel, Gebäude, Informationen und Technologie, um die anfälligen Bereiche der Organisation abzusichern und eine schnelle Anpassung an sich ändernde Umstände zu ermöglichen.
  7. Entwicklung und Koordination der Unternehmensbereiche: In einer resilienten Organisation werden die verschiedenen Unternehmensbereiche (bspw. Personalwesen, Qualitätsmanagement, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Krisenmanagement und Informationstechnologie), definiert, entwickelt und koordiniert. Dies geschieht im Einklang mit den strategischen Zielen der Organisation.
  8. Evaluierung und Unterstützung kontinuierlicher Verbesserung: Eine resiliente Organisation bewertet ihre Ergebnisse und lernt aus Erfahrungen, um Chancen für kontinuierliche Verbesserung zu identifizieren.
  9. Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren und zu managen: Eine resiliente Organisation erkennt frühzeitig zukünftige Veränderungen, kann angemessen darauf reagieren und diese erfolgreich bewältigen.

Auch hier lassen sich wiederum für Organisationen der Sozialen Arbeit spezifische Aspekte finden, die berücksichtigt werden müssen. Ich habe diese hier beschrieben.

Wichtig ist jedoch, dass Organisationen nicht in der Krise resilient werden, sondern im Training vor der Krise. Nur vor der Krise können Organisationen resilient gemacht werden.

In der Krise gilt der Krisenmodus. Das ist wie beim Fußball – auch da kann man vorher trainieren, aber nicht im Spiel.

Angesichts der gesellschaftlichen Spaltungen, der massiven Auswirkungen des Klimawandels, der unglaublich schnellen technologischen Entwicklungen und, und, und, ist eines aber sicher:

Krisen werden zunehmend zur Normalität – auch in und für soziale Organisationen.

Und dann gilt – optimistisch gesehen:

„If you‘re old, you‘re not dead!“ 😉

Gemeint ist damit, dass wir es in der Sozialen Arbeit nicht mit hippen Start-Ups zu tun haben, sondern mit Organisationen, die es geschafft haben, über Jahre, Jahrzehnte und teilweise Jahrhunderte zu existieren. Mit anderen Worten:

Wir können Krisen und wir haben Ressourcen, um mit Krisen umzugehen. Und vielleicht sind gerade Organisationen der Sozialen Arbeit aufgrund ihrer Besonderheiten besonders resilient.


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Fazit, oder: Heuristiken* zum Umgang mit den größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit

Zur Wiederholung noch einmal der Blick auf den eingangs eröffneten Bezugsrahmen:

Ziel muss es sein, Organisationen der Sozialen Arbeit zu entwickeln und zu gestalten, die heute und in Zukunft in der Lage sind, gesellschaftliche Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern sowie die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen zu stärken!

Das treibt mich in meiner Arbeit an und das sollte – zumindest aus meiner Sicht – auch Motivation genug sein, trotz aller Herausforderungen und „Gefahren“ weiterzumachen und zu versuchen, an, mit und in Organisationen der Sozialen Arbeit zu arbeiten.

Einschränkend und abschließend möchte ich jedoch betonen, dass es an vielen Stellen nicht um ein „statt“ geht. Man könnte z.B. meinen, ich plädiere – um nur ein Beispiel herauszugreifen – dafür, „statt intuitiv zu entscheiden“ nur noch datenbasiert zu entscheiden. Das ist zu kurz gegriffen.

Vielmehr können Heuristiken helfen. Darunter versteht man Methoden, um mit begrenztem Wissen und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen.

Heuristiken kennen wir z.B. aus dem agilen Manifest, in dem es heißt „Individuen und Interaktionen haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen“, „Funktionsfähige Produkte haben Vorrang vor umfassender Dokumentation“, „Zusammenarbeit mit den Kunden hat Vorrang vor Vertragsverhandlungen“ und „Das Eingehen auf Änderungen hat Vorrang vor strikter Planverfolgung“ (hier mehr).

Wichtig ist die Betonung von „haben Vorrang vor“. Dies bedeutet nicht, dass Pläne nicht mehr verfolgt werden sollen, sondern dass die Reaktion auf Veränderungen Vorrang vor der strikten Verfolgung von Plänen hat. Die Planverfolgung bleibt also relevant.

Überträgt man nun diese Denklogik auf die obigen Ausführungen zu den größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit, so lassen sich folgende Heuristiken formulieren:

  • Funktionale Veränderungen vornehmen hat Vorrang vor dem Verfolgen von Management-Moden!
  • Formale Erwartungen an Rollen definieren hat Vorrang vor der Personenorientierung!
  • Adaptive Strategien entwickeln und umsetzen hat Vorrang vor der kurzfristigen Reaktionen!
  • Datenkompetenz entwickeln und Wirkung messen hat Vorrang vor Bauchentscheidungen!
  • Organisationale Resilienz trainieren hat Vorrang vor dem Arbeiten über der Überlastungsgrenze!

Damit wird – hoffentlich – deutlich, dass auch die andere Seite kurzfristig relevant sein kann. Bauchentscheidungen z.B. sind ebenso relevant wie die kurzfristige Notwendigkeit, an und (wirklich nur kurz) über der Belastungsgrenze zu arbeiten. Und selbst Managementmoden haben ihre Berechtigung.

Fachkräftemangel als Chance – 10 Möglichkeiten für die Soziale Arbeit

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Vorab, weil es wichtig ist: Ich will hiermit den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit alles andere als schön reden. Die Auswirkungen heute und in Zukunft sind gravierend und die Analyse, dass dadurch der Sektor „vor dem Kollaps“ steht, wie es Hohendanner, Rocha und Steinke in ihrem gleichnamigen Buch eindrücklich beschreiben, ist bittere Realität. Ich bin jedoch auch davon überzeugt, dass es angesichts des Fachkräftemangels nicht ausreicht, zu jammern, sondern gleichzeitig die Möglichkeiten, die durch die herausfordernde Situation entstehen, in den Blick genommen werden müssen – für Mitarbeitende und Führungskräfte, für Organisationen der Sozialen Arbeit und für die Profession Soziale Arbeit als Ganzes. Entsprechend versucht der Beitrag, den Fachkräftemangel als Chance zu betrachten und 10 Möglichkeiten aufzuzeigen, die mit dem Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit einhergehen.

Ich will damit Mut machen, den Kopf aus dem Sand zu nehmen und sich neu Denken (und Handeln) zu erlauben. Ich will damit ermöglichen, trotz aller Schwierigkeiten immer wieder „proaktiv“ an die heute und in Zukunft mehr als wichtige Soziale Arbeit heranzugehen und eigene Einflussbereiche zu entdecken und zu nutzen.

Außerdem – und dann gehts auch schon los mit den Chancen – bin ich davon überzeugt, dass wir in der Sozialen Arbeit mehr „unternehmerisches Denken“ im besten Sinne brauchen. Und erfolgreiche Unternehmer:innen denken – wie die Forschungen rund um „Effectuation“ zeigen – in Möglichkeiten und fragen immer wieder „Was haben, was können, wen kennen wir, um diese Herausforderung zu lösen?”. Sie denken viel weniger ans Ziel (bspw. „Bewältigung des Fachkräftemangels“), sondern überlegen, was mit den vorhandenen Mitteln, Kompetenzen, Beziehungen… ein nächster Schritt auf dem Weg sein kann.

Und wenn Dir noch mehr Möglichkeiten rund um den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit einfallen, immer her damit.

Ich unterteile im Folgenden die Chancen in drei Ebenen – Chancen für die Menschen, Chancen für die Organisationen und – im Fazit – Chancen des Fachkräftemangels für die Sozialen Arbeit.

Fachkräftemangel als Chance für die Menschen

Mit den individuellen Chancen meine ich die Chancen, die mit dem Fachkräftemangel für die Mitarbeitende in sozialen Organisationen einhergehen. Und Führungskräfte sind auch Menschen 😉

Chance 1: Bessere Arbeitsbedingungen

Logisch, das liegt auf der Hand: Auch wenn es aus Perspektive der Organisation problematisch ist, ermöglicht der Fachkräftemangel für die Mitarbeitenden ganz neue Verhandlungspositionen. Überspitzt formuliert hat sich durch den Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit eine Machtverschiebung von der Organisation hin zu den Mitarbeitenden vollzogen. Nicht mehr die Organisation gibt vor, was zu tun ist „und basta“, sondern die Mitarbeitenden können ein gewichtiges Wörtchen mitreden, wie sie sich ihren Arbeitsplatz und damit die Arbeitsbedingungen wünschen.

Jaja, mir ist sehr bewusst, dass mit der Machtverschiebung die Gefahr einhergeht, zu übertreiben:

Da wird schneller gekündigt, als Lucky Luke seinen Colt ziehen kann, da werden die Bedürfnisse des Hamsters über die der Klientel gestellt und vom Arbeitgeber erwartet, für das persönliche Glück Verantwortung zu tragen. Das meine ich mit der Chance auf bessere Arbeitsbedingungen natürlich nicht.

Ich will hier auch explizit darauf hinweisen, dass wir uns in der Sozialen Arbeit befinden. Homeoffice und Streetwork passen genauso wenig zusammen wie „nine to five“ und die stationäre Jugend- oder Eingliederungshilfe. Kinder in Kitas sind heute und werden auch in Zukunft in Kitas zu betreuen sein und in der stationären Altenhilfe riecht nicht jeder Ausfluss nach Lavendel. Soziale Arbeit ist vornehmlich Arbeit – wie eine Haustür kein Haus, sondern erstmal Tür ist.

Aber diese Arbeit kann hinterfragt werden: Warum machen wir das hier so? Gibt es keine Alternativen dazu? Das beginnt bei geteilten Diensten in stationären Kontexten, geht über die Verschlankung von dysfunktionalen Prozessen bis hin zur Ausstattung der Arbeitsplätze.

Anstatt aber die Verantwortung für die Verbesserungen allein „nach oben“ abzugeben, ist es sinnvoll, wenn Mitarbeiter:innen ihren „circle of influence“ – ihren Einflussbereich – betrachten und mit konkreten Vorschlägen an ihre Führungskräfte herantreten. Neben den gesteigerten Partizipationsmöglichkeiten ergeben sich dadurch deutlich passendere Lösungen, als wenn wieder jemand über die Arbeitsbedingungen entscheidet, der:die eigentlich gar nicht wirklich tief drinsteckt.

Chance 2: Arbeitsplatzsicherheit

Könnte auch unter Chance 1, da bin ich mir nicht sicher:

Menschen arbeiten dann gut (und gerne) wenn die im SCARF-Modell (und andere Modelle bestätigen das in ähnlicher Weise) beschriebenen Aspekte am Arbeitsplatz gegeben sind:

  • Anerkennung,
  • Sicherheit,
  • Autonomie,
  • Verbundenheit und
  • Fairness.

Mehr zum SCARF-Modell findest Du hier.

Und es ist wiederum logisch, dass der Fachkräftemangel die Arbeitsplatzsicherheit erhöht. Überspitzt formuliert könnte man fragen, warum Menschen in der Sozialen Arbeit überhaupt noch einen befristeten Job annehmen – es sei denn, sie wollen dies explizit?

Aus Perspektive der Organisationen lässt sich auf diesen Aspekt natürlich wieder mit einer anderen Brille schauen:

Manchmal wäre die Möglichkeit, die Mitgliedschaft eines:einer Mitarbeitenden einfacher zu beenden, wünschenswert. Hier – dazu später vielleicht mehr – plädiere ich aber dazu, dass die Organisationen weniger „ängstlich“ agieren sollten, als sie das meiner Wahrnehmung nach tun. Erfolgreiches „Employer Branding“ bedeutet aus meiner Perspektive nicht, dass zu tun, was die Mitarbeitenden wollen, sondern Strukturen und Bedingungen zu schaffen, um den Zweck der Organisation bestmöglich zu erfüllen. Dazu ist dann an der ein oder anderen Stelle vielleicht auch die Trennung von Mitarbeitenden notwendig.

Aber auch das gibt wiederum Klarheit, Sicherheit und Orientierung für alle Beteiligten. Meiner Erfahrung nach spricht diese Klarheit eher für als gegen einen Arbeitgeber, was mittelfristig zu mehr Bewerber:innen, vor allem aber zu einer gewünschten Organisationskultur führen kann.

Chance 3: Individuelles Lernen

Fritz B. Simon (vgl. 2019, 42f) beschreibt Lernen als Möglichkeit, interne Strukturen autopoietischer Systeme zu verändern, wenn diese „mit ihren etablierten Verhaltensweisen nicht erfolgreich sind“ (ebd., 42).

Der Blick auf die Arbeitsweisen der Professionellen in der Sozialen Arbeit zeigt, dass das „erfolgreiche“ Agieren zunehmend an Grenzen kommt. Als Beispiel steigen seit Jahren (und in den letzten Jahren verstärkt) die Burnout-Raten in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Ja, ich komme später noch zur Notwendigkeit des organisationalen Lernens, da ich der Überzeugung bin, dass es nicht ausreicht, die systemischen Probleme auf die Individuen zu verlagern, aber trotzdem:

Es besteht die Chance, die eigenen, ganz individuellen Arbeitsweisen zu hinterfragen und neu zu lernen. Angefangen von Zeit- und Selbstmanagement über den Umgang mit Stress und die Entwicklung „individueller Resilienz“ bis hin zur Auseinandersetzung mit fachlich-inhaltlichen und methodischen Fragen gelingender Sozialer Arbeit besteht durch den Fachkräftemangel die (leider nicht ganz freiwillige) Möglichkeit, neu zu lernen, wie „soziale Arbeit“ in der Sozialen Arbeit gelingt.

Der Blick in die Fachliteratur, in die Veröffentlichungen rund um Methoden Sozialer Arbeit, der Blick auf Studien und die gesamte Disziplin Sozialer Arbeit zeigt, dass wir enorm viel haben, was hilfreich sein kann – allein es fehlt das Wissen (und die Anwendung des Wissens) bei den Fachkräften. Anders gesagt:

Wenn es gelänge, in Studium ebenso wie in Aus-, Fort- und Weiterbildung verstärkt auf Kompetenzen für „gute“ Arbeit in der Sozialen Arbeit zu setzen und die Bewältigung der Herausforderungen des Fachkräftemangels immer (mindestens im Hintergrund) mitschwingen zu lassen, wäre das Lernen anderer Herangehensweisen möglich. Konkret:

Führungskompetenzen – als ein Beispiel – gewinnen auch für Fachkräfte Sozialer Arbeit an Bedeutung. Hintergrund ist die Notwendigkeit, in vielen Arbeitsfeldern nicht nur mit Fach-, sondern auch mit nicht ausgebildeten Hilfskräften zu arbeiten. Und diese müssen fachlich-inhaltlich (auch) durch die Fachkräfte geführt werden. Und Führung bezieht sich neben der Team- und der Organisationsführung eben auch auf die Selbstführung (vgl. bspw. Richter, Groth, 2023).

Chance 4: Lebensphasenorientierte Personalentwicklung

Der folgende Gedanke steht zwischen dem Individuum und der Organisation:

Angesichts der Notwendigkeit, aufgrund des demographischen Wandels neu über die Sicherstellung der Angebote bzw. das Funktionieren der Organisationen der Sozialen Arbeit insgesamt nachzudenken, wird es zunehmend relevant, die Beschäftigungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Lebensphasen der Beschäftigten und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit zunächst überhaupt in den Blick zu nehmen: Wer arbeitet wie lange (noch) in der eigenen Organisation? Wer befindet sich in welcher Lebensphase? Diese Betrachtung ermöglicht es dann, die Beschäftigungsfähigkeit zu fördern, um so Lebens- und Berufsphasen besser miteinander zu vereinbaren.

Neben dem, dass daraus individuelle Chancen erwachsen, ergeben sich auch für die Organisation enorme Vorteile. So kann über die Betrachtung der Lebensphasen auch eine deutliche „Ausweitung der Arbeitsmarktpartizipation“ erreicht werden, denn: Warum sollen Menschen, die Lust haben (oder finanziell darauf angewiesen) und in der Lage dazu sind, auch nach dem Erreichen des Rentenalters noch weiter zu arbeiten, daran gehindert werden?

Dazu jedoch bedarf es flexibler Möglichkeiten der Integration der Mitarbeitenden in die Organisation. Zu denken ist unter anderem an Projekte, in denen Menschen mit langjähriger Erfahrung mit ihrer Expertise eingebunden werden oder die Teilzeitbeschäftigung zum „Abpuffern“ von Ausfallzeiten.

Über diese Möglichkeiten ergeben sich ggf. auch für Mitarbeitende im „Regelbetrieb“ neue Möglichkeiten und Chancen, ihren Arbeitsalltag besser und angepasst an ihre jeweiligen Lebensphasen zu gestalten.

Fachkräftemangel als Chance für Organisationen der Sozialen Arbeit

Meine Perspektive in meiner Arbeit sind ja weniger die Menschen in den Organisationen als die Strukturen der Organisationen der Sozialen Arbeit als soziale Systeme. Deswegen sind die „individuellen Chancen“, die mit dem Fachkräftemangel einhergehen, alles andere als abschließend beschrieben. Falls Du zum vorhergehenden Punkt also Ergänzungen hast, immer her damit. Jetzt aber zu den Chancen, die mit dem Fachkräftemangel für Organisationen der Sozialen Arbeit einhergehen.

Chance 5: Lernen von Ambidextrie

Ich bleibe beim Lernen und übertrage die Gedanken der Chance 3 auf das soziale System „Organisation der Sozialen Arbeit“. Denn genau wie Menschen als psychische Systeme sind Organisationen autopoietische Systeme, die dann in der Lage sind zu lernen, wenn sie mit ihren etablierten Verhaltensweisen nicht erfolgreich sind.

Und wiederum sehr naheliegend und an vielen Stellen mehr als sichtbar ist, dass der Fachkräftemangel die etablierten Verhaltensweisen der Organisationen infrage stellt. Prominente Beispiele sind aufgrund des Fachkräftemangels in finanzielle Schieflage geratene Wohlfahrtsverbände.

Problematisch am o.g. Zitat von Simon ist, dass es aus meiner Sicht reaktiv ist: Dann, wenn es nicht mehr geht, wird gelernt. Fraglich ist, wie „proaktives Lernen“ gelingen kann? Wie können aufziehende, aber noch nicht akute Probleme – verstanden als „Situationen und Begebenheiten, die von Beobachtern und Beobachterinnen als Differenz zwischen Soll und Ist erlebt und negativ bewertet werden (Seliger, 2022, 63) – antizipiert und dann daraus bereits gelernt werden?

Das ist für Organisationen nicht leicht, da das Aufrechterhalten des Alltagsgeschäfts und das gleichzeitige Beobachten und Antizipieren zukünftiger Entwicklungen „Beidhändigkeit“ braucht. Im organisationalen Kontext ist hier das Modell der Ambidextrie entscheidend.

Unter Ambidextrie ist „das Nebeneinander von Exploit-Modus (Bewährtes erhalten und optimieren) und Explore-Modus (Innovationen verfolgen) [zu verstehen]. Die beiden Modi sind wie zwei ‚Betriebssysteme‘ für Unternehmen, die sich gleichzeitig widersprechen und ergänzen und die beide absolut kritisch für langfristigen Erfolg sind“ (Thinktank Ambidextrie).

Ambidextrie zu lernen erfordert für Organisationen jedoch, Möglichkeiten zu schaffen, neben dem rein operativen Geschäft und der schrittweisen Optimierung von bestehenden Strukturen, Prozessen, Angeboten und Geschäftsmodellen gedanklich herauszutreten, neue Wege zu gehen und innovative Entwicklungen und Angebote schnell und agil voranzutreiben (vgl. hier).

Das ist einfacher gesagt als getan, denn explizit für Organisationen der Sozialen Arbeit ergeben sich neben der Herausforderung, das Alltagsgeschäft zu unterbrechen, echte Herausforderungen, die ich hier beschrieben habe. Sehr kurz zusammengefasst:

Aufgrund der externen Finanzierung sozialer Arbeit durch Leistungsträger sind die Möglichkeiten der innovativen Gestaltung neuer Angebote und Dienstleistungen, aber auch der Organisationsentwicklung begrenzt.

Hinzu kommt, dass die „zwei sich widersprechenden und gleichzeitig ergänzenden Betriebssysteme“ unterschiedliche Herangehensweisen brauchen, die – verkürzt – als „Management“ auf der einen (Aufrechterhaltung des Bestehenden) und „Unternehmertum“ auf der anderen Seite (Neuentwicklung und Umsetzung) gedacht werden können.

Für Führungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit gilt es entsprechend, beide Perspektiven „in sich“ zu vereinen oder aber – eine echte Chance, aus meiner Sicht – Modelle des „Shared Leadership“ (geteilter Führung) zu testen. Oder warum sollte es sinnvoll sein, wenn angesichts der Herausforderungen nur eine Person den Hut für die Organisation, den Bereich, die Abteilung oder das Team aufhat?

Chance 6: Exnovation

Ambidextrie und organisationales Lernen sind ja eher die übergreifenden Gedanken. Wie können die Chancen aber im Konkreten aussehen?

Da ist natürlich die Chance der Exnovation hervorzuheben. Dazu findest Du hier ausführlichere Gedanken.

Zusammenfassend ist Exnovation die Abschaffung oder das Zurücknehmen von Angeboten, Prozessen, Praktiken oder Technologien, die erfolgreich waren, aber nicht mehr wirksam sind oder nicht mehr mit der Strategie übereinstimmen. Damit wird schon deutlich, dass Exnovation intern wie extern betrachtet werden kann:

Intern geht es um die Frage, wie wirksam interne Zwecke, Organisationsstrukturen im Sinne von Hierarchien oder Prozesse angesichts der Herausforderung Fachkräftemangel (noch) sind. So neigen (Menschen wie) Organisationen dazu, immer in einem „mehr“ zu denken – mehr Regeln, mehr Angebote, mehr Wachstum, mehr von allem. Daraus resultieren interne Regelwerke, QM- oder Prozesshandbücher, die nicht mehr zu überblicken geschweige denn lebendig zu halten sind. Hier besteht die Chance, wegzukommen von der Beschäftigung mit sich selbst und aufzuräumen, um wieder Luft zum Atmen bzw. für echte Arbeit zu bekommen. Konkret hilft es, regelmäßig die Regeln und Vorgaben der Organisation zu beleuchten und – im Sinne der Methode „Kill a stupid rule“ – nicht (mehr) wirksame Regeln zu streichen bzw. durch wirksame Regeln zu ersetzen. Der zweite Punkt – das Ersetzen – ist wichtig:

Ich bin kein Freund von „Selbstorganisation“ im falschen Verständnis eines „anything goes“. Im Gegenteil: Ich bin aufgrund der „dominierenden Informalität in sozialen Organisationen“ davon überzeugt, dass es gerade in unseren Organisationen mehr Regeln und Vorgaben braucht – aber eben „funktionale Regeln“, die dazu dienen, das „Wie“ der gemeinsamen Zusammenarbeit zu gestalten. Im letzten Beitrag zum „Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft“ habe ich dazu geschrieben, dass es darum gehen muss, funktionale formale Vorgaben zu gestalten, die Sicherheit und Orientierung für Mitarbeiter:innen – unabhängig von ihren fachlichen Qualifikationen – ebenso wie Sicherheit für die Adressat*innen Sozialer Arbeit bzgl. der zu erwartenden Leistungen im komplexen Alltag bieten (siehe auch das SCARF-Modell oben).

Exnovation heißt übrigens nicht die Abkehr von Innovation. Exnovation geht mit Innovation einher und so lässt sich auch aus interner Perspektive darauf schauen, wie interne Prozesse zukünftig anders gestaltet werden können. Spätestens hier rückt – wie Jan Meine hier auf meine kleine Frage bei LinkedIn schreibt – „auch der Einsatz von neuen Ressourcen, wie KI“ in den Blick, die wiederum zur Reduzierung von zeitbindenden, aber wenig wirksamen Aufgaben führen können. So sind – das ist auch hier zu berücksichtigen – Organisationen der Sozialen Arbeit nicht im luftleeren Raum unterwegs, sondern haben (teilweise absurde), durch die Leistungsträger vorgegebene Anforderungen zu erfüllen, die nicht mal eben „exnoviert“ werden können.

„Externe Exnovation“ bezieht sich dann natürlich auf die Angebote und Leistungen von Organisationen der Sozialen Arbeit. Wir werden zukünftig aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr alle Angebote und Dienstleistungen aufrecht erhalten können. Wir werden Angebote einstellen müssen. Das wird auch dazu führen, dass Mitarbeiter:innen das, was sie bislang getan haben, nicht mehr tun können. Und es wird auch dazu führen, dass Adressat:innen bislang vorgehaltene Angebote nicht mehr wahrnehmen können.

Es gilt, Abschied zu nehmen – auch wenn dies schmerzt.

Die Chance im Abschiednehmen sehe ich im Blick auf die Qualität und damit die Wirksamkeit der Angebote der Sozialen Arbeit. So sind, wie von Hohendanner, Rocha und Steinke (2024, 16ff) dargelegt, über die letzten Jahre „ausnahmslos alle Bereiche des sozialen Sektors in absoluten Beschäftigtenzahlen gewachsen“. Sie schreiben weiter, dass „angesichts der steigenden Bedarfe (…) anzunehmen [ist], dass das Beschäftigungswachstum in allen Bereichen des sozialen Sektors bei ausreichend verfügbarem Personal noch deutlich höher ausgefallen wäre“ (ebd.).

Quantität allein ist aber kein Kriterium für Qualität. So besteht jetzt die Chance, das Angebotsportfolio der eigenen Organisation kritisch in den Blick zu nehmen und genau abzuwägen, ob die Leistungen in der bereitgestellten Art und Weise wirksam sind und weiterhin angeboten werden sollten bzw. müssen.

Die Entscheidung darüber kann und darf in Organisationen der Sozialen Arbeit aber nicht allein an monetären Kennzahlen festgemacht werden. Soziale Organisationen sind – sofern sie ihren Auftrag ernst nehmen – weit mehr als ausschließlich auf Profit ausgerichtete Unternehmen.

Wenn es gelingt, Angebote von Organisationen der Sozialen Arbeit hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu reflektieren, erwächst daraus auch die Chance der Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden.

So ist es eine Binsenweisheit, dass die Arbeitszufriedenheit nicht durch Obstkorb und Kickertische, sondern deutlich stärker durch das Selbstwirksamkeit wächst. Anders gesagt besteht die Chance, weniger die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt zu stellen, als wirksame Soziale Arbeit zu leisten, die dann zu langfristiger Zufriedenheit aller Beteiligten – Mitarbeitenden wie Adressat:innen – führt.

Chance 7: Kooperation

Florian Acker (Grüße und Danke an der Stelle) bringt über LinkedIn einen spannenden Gedanken ein:

„Durch den Fachkräftemangel wird die soziale Infrastruktur ja nicht mehr in dem Maße bedient werden können, wie wir es bisher erlebt haben. Das bietet insofern die Chance, dass wir uns mit neuen Angebotsformen und neuen Arbeitsweisen auseinandersetzen müssen. Das meint nicht nur, dass wir in Zukunft vermutlich viel stärker auf Kooperationen (mit anderen Leistungserbringern) setzen müssen, sondern wir eben auch zu veränderten Arbeitsweisen mit den Adressaten Sozialer Arbeit kommen müssen. An der einen oder anderen Stelle wird dabei sicherlich auch die positive Erkenntnis entstehen, dass die (erzwungene] Abkehr von paternalistischen Strukturen durchaus sinnvoll sein kann ;-)“

Na gut, das ist mehr als ein Gedanke 😉 Neben der wichtigen Abkehr von paternalistischen Strukturen sozialer Arbeit und den veränderten Arbeitsweisen mit den Adressat:innen will ich hier den Kooperationsgedanken hervorheben:

Die Vorstellung, komplexe Probleme – individuell, organisational, gesellschaftlich und global – mit „der einen“ Lösung in den Griff kriegen zu können, ist absurd (und vielfach widerlegt). Wir brauchen Kooperation, Inter- oder Multidisziplinarität, Zusammenarbeit und KoKreation auf allen Ebenen und damit auch in Organisationen der Sozialen Arbeit. In die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind komplex.

Neben den von Florian dargestellten Kooperationsnotwendigkeiten mit anderen Leistungserbringern (dazu hilfreich das Konzept der „Koopkurrenz in der Sozialwirtschaft“ – vgl. Schönig, 2015) sehe ich zusätzlich eine Chance in der Kooperation mit wirklich externen Stakeholdern. Darunter verstehe ich Unternehmen, Anbieter, Netzwerke, Initiativen usw., die nicht genuin der Sozialwirtschaft zuzuordnen sind. Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen vor Ort sind nur ein Beispiel, von dem beide Partner profitieren können. Aber auch die verstärkte Kooperation von Schulen und Hochschulen mit Organisationen der Sozialen Arbeit sind – wie vieles andere – denkbar.

Wiederum gilt es, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und im Sinne einer „open organization“ zunehmend die Systemgrenzen der eigenen Organisation zu öffnen. Das bedarf wiederum der schon angesprochenen Ambidextrie im Denken und Handeln.

Chance 8: Innovation

Klar, wenn einerseits geprüft werden muss, welche internen wie externen Angebote, Prozesse, Arbeitsweisen usw. noch sinnvoll sind, ergibt sich andererseits die Chance durch den Fachkräftemangel, neue Ideen ins Leben zu bringen und damit echte Innovation zu ermöglichen.

Unter Innovation verstehe ich die zielgerichtete Durchsetzung von neuen sozialen Dienstleistungen, wirtschaftlichen, organisationsstrukturellen und -prozessualen sowie sozialen Problemlösungen, die darauf ausgerichtet sind, den:die Zweck:e der Organisation auf eine neuartige Weise zu erreichen.

Aktuell viel diskutierte Innovationen beziehen sich auf die Nutzung digitaler Möglichkeiten in der und für die Soziale Arbeit. Da ist mit Sicherheit enormes Potential, auch wenn berücksichtigt werden muss, dass die Digitalisierung in Organisationen der Sozialen Arbeit besondere Herausforderungen mit sich bringt.

Ebenso interessant sind aber „soziale Innovationen“, die ein neues Miteinander ermöglichen. Ich denke hier an die Stärkung von „caring communities“ oder – im Bereich der stationären Altenhilfe an Konzepte wie die „stambulante Pflege“ und damit die Kombination aus stationärer Versorgung mit betreutem Wohnen, bei dem die ambulante Pflege durch die Personen durchgeführt wird, die auch die stationäre Versorgung anbieten.

Auch hier wieder ein Plädoyer für die Unternehmer:innen in der Sozialen Arbeit. Das sind nicht nur die Menschen, die etwas gründen und sich „selbständig machen“, sondern auch die „Intrapreneur:innen„, die in den Organisationen für neue Gedanken, neue Herangehensweisen und damit auch neue Angebote sorgen.

Chance 9: Echte Diversität leben

Laut einer Studie der Boston Consulting Group (vgl. näher hier) gibt es eine eindeutige Korrelation zwischen Diversität und Innovationsleistung von Unternehmen. Diversität in Unternehmen lässt sich bspw. anhand des Modells der „4 Layers of Diversity“ nach Gardenswartz und Rowe (1998) darstellen, das auch von der Charta der Vielfalt e. V. genutzt wird.

Wenn man jetzt neben der Korrelation von Vielfalt und Innovation berücksichtigt, dass – um dem Fachkräftemangel zu begegnen – Deutschland eine Nettoeinwanderung von 400.000 Personen pro Jahr benötigt und wir einmal von der Utopie ausgehen, dass wir zumindest annähernd in diese Richtung steuern würden, wird deutlich, dass Vielfalt und damit das Thema „Diversity & Inclusion“ auch in Organisationen der Sozialen Arbeit an Relevanz gewinnen wird.

Ja, auch das Thema „Diversity & Inclusion“ führt zur Notwendigkeit ganzheitlicher Veränderungsprozessen, die in Organisationen der Sozialen Arbeit anstehen. Denn eine genaue Vielfaltsanalyse führt nicht in allen sozialen Organisationen zu einem super Ergebnis, „weil wir doch so sozial sind“. Allein der Blick auf die Herausforderungen der konfessionellen Träger bzgl. der verschiedenen Vielfaltsdimensionen reicht aus, um die Notwendigkeiten in diesem Themenfeld zu unterstreichen.

Aber – und darauf will ich hinaus – in dem Thema Diversity liegen eben auch enorme Chancen, die aufgrund des Fachkräftemangels herausgearbeitet werden können.

Chance 10: Techniknutzung in der Sozialen Arbeit

Oben habe ich bereits einmal verlinkt, warum das mit der Digitalisierung in Organisationen der Sozialen Arbeit ein Problem darstellt. Kurz: Digitalisierung führt immer zur Formalisierung der Organisation. Aufgrund u.a. der beruflichen Identität der Professionellen in unserem Sektor („Helfen wollen!“) und der damit nachvollziehbaren Abneigung gegen durch die von der Organisation vorgegebenen Regeln und Vorgaben haben es digitale Anwendungen nicht leicht. Hier geht’s noch einmal zu dem Beitrag.

Jedoch besteht die Möglichkeit (und damit auch die Chance), dass zukünftig aufgrund des Fachkräftemangels die reine Notwendigkeit besteht, digitale bzw. überhaupt technische Tools stärker nutzen zu müssen, um die Arbeit bewältigen zu können.

Neben den Möglichkeiten der Verschlankung von zeitfressenden Prozessen durch (funktionale) digitale Anwendungen ist vor allem der Blick interessant, wie die Technik den Adressat:innen Sozialer Arbeit zugute kommt. Florian spricht in seinem Kommentar auf LinkedIn ja auch die Möglichkeit an, „dass Themen wie ‚Ambient Assisted Living‘ an Bedeutung gewinnen werden.“

Darunter sind technische Assistenzsysteme zu verstehen, die das Umfeld der Adressat:innen Sozialer Arbeit mit Technologien verknüpfen, um den Menschen mit Unterstützungsbedarf mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Und wenn das Ziel Sozialer Arbeit die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen ist (vgl. Definition Sozialer Arbeit) kann ja nichts dagegen sprechen.

Vielmehr könnte man die These aufstellen, dass bei deutlicher Verbesserung der digitalen und technischen Möglichkeiten die Notwendigkeit sinkt, professionelle Soziale Arbeit wahrnehmen zu müssen, was eine echte Chance im Blick auf den Fachkräftemangel wäre. Ja, logo, das kommt massiv an seine Grenzen wenn man in Betreuungssettings (Kita, stationäre Arbeit usw.) denkt. Aber in Beratungssettings sind die Entwicklungen interessant:

Die neueste Version von ChatGPT – 4o – wirft (zumindest aus meiner in dem Kontext nicht professionellen Brille) die Möglichkeit auf, nicht mehr zum:zur Berater:in zu müssen, sondern Familien-, Paar- und Einzelberatung digital abbilden zu können. Ehrlich gesagt ist das nicht sooooo futuristisch, wie es vielleicht auf den ersten Blick klingt. Mara Stieler zeigt Möglichkeiten hier für die Caritas auf und Emily Engelhardt befasst sich damit sowieso schon lange – deswegen die klare Empfehlung für ihren Blog 😉

Fazit, oder: Fachkräftemangel als Chance für die Soziale Arbeit

Längeres Nachdenken über den Fachkräftemangel als Chance führt auch hier vielleicht zu noch mehr Ideen. Wenn Dir also noch mehr einfallen, lass es mich gerne wissen, dann ergänze und aktualisiere ich den Beitrag.

Deutlich wird aber schon so, dass der Fachkräftemangel bei Änderung der Perspektive und durch das Denken in Möglichkeiten nicht nur die allseits bekannten Herausforderungen, sondern auch Chancen birgt.

Für die Professionellen, für die Menschen in Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt sich der Fachkräftemangel als Chance vor allem in der Möglichkeit der Beeinflussung und aktiven Gestaltung von Arbeitsbedingungen.

Die Betrachtung des Fachkräftemangels als Chance aus organisationaler Perspektive zeigt Möglichkeiten, Organisationen der Sozialen Arbeit zu professionalisieren, also Organisationsstrukturen ebenso wie Angebote zu überdenken und neu zu gestalten.

Und für die Soziale Arbeit, den Sektor und die Profession insgesamt kann die Betrachtung des Fachkräftemangels als Chance darin bestehen, der ihr schon in der Corona-Pandemie attestierten „Systemrelevanz“ echte Bedeutung zu verleihen.

Über diese Bedeutung kann dann – hoffentlich – die Möglichkeit bestehen, politische Lobbyarbeit im besten Sinne – für die Menschen – zu betreiben und Forderungen zu stellen. Hohendanner, Rocha und Steinke bringen dies auf den Punkt, wenn sie in ihren „elf Punkten gegen den Kollaps des Sozialen“ (vgl. 2024, 65ff) unter Punkt 11 (ebd., 74) fragen:

„Was ist der soziale Sektor der Gesellschaft wert?“

Fünf Thesen zur Zukunft sozialer Organisationen in Zeiten des Wandels

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Der Beitrag „Fünf Thesen zur Zukunft sozialer Organisationen in Zeiten des Wandels“ ist die Verschriftlichung eines Impulses, den ich vor kurzem in einer sozialen Organisation halten durfte. Die Aufgabe bestand darin, einen breiteren Blick auf die Entwicklungen in der Sozialwirtschaft zu werfen und meine Gedanken zur Zukunft sozialer Organisationen darzulegen. Ziel des Impulses war es, Anregungen für die strategische Arbeit der Organisation zu geben. Und – kleiner Teaser vorab – es geht unter anderem um Datenkompetenz, Exnovation und organisationale Resilienz.

Aber wo fängt man an? Wo, an welcher Stelle, ist es sinnvoll, zu überlegen, was Optionen sind, wie sich soziale Organisationen entwickeln können?

Ich habe hier den klassischen Weg gewählt und lege im ersten Schritt kurz da, wozu soziale Organisationen aus meiner Perspektive da sein sollen – was ihr Zweck ist. Davon ausgehend werden dann Überlegungen angestellt, welche Implikationen dies für die strategische Ausrichtung haben kann.

Wozu sind soziale Organisationen da?

Dazu hilft die Befassung mit der Definition Sozialer Arbeit. Diese ist in meinen Augen beinahe zeitlos und dient mir immer wieder als Anker, um auf dem Boden zu bleiben und gleichzeitig die Zukunft sozialer Organisationen in den Blick nehmen zu können:

„Soziale Arbeit fördert (als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin) gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein“ (hier geht’s zur Definition).

Der erste Satz macht die Breite Sozialer Arbeit zwischen Mensch und Gesellschaft deutlich. Und bezogen auf beide Perspektiven wird betont, dass es um Förderung geht – zum einen die Förderung gesellschaftlicher Veränderungen, sozialer Entwicklungen und des sozialen Zusammenhalts und zum anderen die Förderung bzw. Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen.

In der Definition heißt es, dass dazu „Strukturen eingebunden“ werden. Das sind die Organisationen, Institutionen, Einrichtungen ebenso wie Hochschulen, Verbände und und und.

Soweit, so einfach.

Wobei – die Realität zeigt, dass es eben gar nicht so einfach ist. Denn beide Perspektiven erfordern immer den Blick in die Zukunft:

  • Was braucht denn unsere Klientel heute und in Zukunft, damit es uns als Organisation gelingt, die Selbstbestimmung und Autonomie zu fördern?
  • Und was braucht die Gesellschaft (in unserem Sozialraum) heute und morgen, zu dem wir als Organisation einen essentiellen Beitrag leisten können?

Um das herauszubekommen komme ich zu meiner ersten These:

These 1: Datenkompetenz mehr als Bauchentscheidungen

Da ich kein Datenkompetenzprofi bin, habe ich mir bei Sebastian Unterstützung geholt. Entsprechend sind die folgenden Ausführungen eine Zusammenfassung seines mehr als lesenswerten Beitrags „Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft“.

In jeder sozialen Organisation fallen enorm viele Daten an. Darunter sind Daten über die Nutzer:innen der Dienstleistungen, Daten über die Mitarbeiter:innen, Daten über die Verweildauer von Klienten in Maßnahmen, Finanzdaten und und und…

Durch die Analyse der in der Organisation vorhandenen Daten können Anhaltspunkte herausgearbeitet werden, um festzustellen, wie gut bestimmte Angebote funktionieren und wo möglicherweise noch Optimierungspotenzial besteht.

Aus den Daten und der Analyse der Daten lässt sich ferner langfristig ein Wissensmanagement aufbauen, das dabei unterstützt, potenzielle Nutzer:innen gezielt zu den für sie am besten geeigneten Angeboten zu lenken. Darüber hinaus ist es angesichts des demografischen Wandels unabdingbar, Wissen, vor allem aber Kompetenzen der Mitarbeiter:innen systematisch zu erfassen und zu sichern, um so dem „brain drain“ vorzubeugen.

Achtung, Werbung: Zur Frage, wie der Aufbau eines sinnvollen Wissensmanagements gelingen kann, habe ich einen Workshop gestaltet.

Neben diesen Aspekt kann die systematische Datenanalyse ebenso Ergebnisse für die politische Lobbyarbeit liefern. So kann die Auswertung von Beratungs- oder Belegungsdaten beispielsweise zeigen, ob bestimmte soziale Probleme im Sozialraum auftreten.

Aus organisationaler Perspektive hochgradig relevant sind systematisch zur Verfügung gestellte und ausgewertete Daten für die interne Entscheidungsfindung innerhalb einer Organisation. Diese basiert zu häufig auf Intuition und dem berühmten, sehr wichtigen, zukünftig aber nicht mehr ausreichenden Bauchgefühl.

Und Sebastian weist auch darauf hin, dass Daten aus der eigenen Organisation als Grundlage für (eigene) KI-Lösungen sein können (hierzu sind vertiefend die Ausführungen im Blog von Emily immer mehr als lesenswert).

Die (nicht abschließenden) Beispiele zeigen auf, dass und welches Potenzial in einem systematischen Datenmanagement und der Datenanalyse stecken.

Sebastian betont, dass die Daten Informationen für eine Entscheidung liefern, die Entscheidung selbst aber immer die Fachkräfte und Mitarbeitenden in den Organisationen treffen. Der Mensch fällt somit durch die Daten nicht raus, im Gegenteil. Es braucht jedoch die Kompetenz, mit Daten angemessen umzugehen.

Dazu noch ein eigener Gedanke, der den Blick weitet und nicht mehr nur die digital zur Verfügung stehenden Daten betrachtet:

Wenn es gelingt, statt nach dem „Warum“ zu fragen, die Frage in den Vordergrund zu rücken „Woran erkennen wir, dass…?“, basieren unsere Entscheidungen ebenfalls auf Daten. Das sind dann zwar keine digitalen, aber genauso hilfreiche Daten, die in Entscheidungsfindungen leiten können. Methodisch hilfreich ist die regelmäßige Durchführung von Retrospektiven, die auf die Gewinnung und Bewertung von nicht nur digitalen Daten großen Wert legen.

Basierend auf den politischen Rahmenbedingungen ebenso wie basierend auf den gesellschaftlichen Entwicklungen, den Kürzungen der Sozialkassen und insbesondere dem demographischen Wandel werden sich Soziale Organisationen neben der datenbasierten Wirkungsmessung aber auch für „Weniger“ entscheiden müssen.

Ich fasse dieses „Weniger“ unter dem Begriff der Exnovation und komme damit zur zweiten These.

These 2: Exnovation mehr als Innovation

Wir müssen realistisch sein:

Der Fachkräftemangel in Verbindung mit der wirtschaftlichen Situation der Leistungsträger zwingt soziale Organisationen in die Notwendigkeit, abzuwägen, welche Angebote und Arbeitsfelder zukünftig noch sinnvoll bewirtschaftet werden können.

Berichte von schließenden bzw. aufgrund von Fachkräftemangel nicht öffnenden Altenhilfeeinrichtungen, die ganze Wohlfahrtsverbände in finanzielle Schieflagen bringen, sind ebenso an der Tagesordnung, wie der Ausbaustop der Kinderbetreuung. Wir stehen an dem Punkt, dass es in vielen Arbeitsfeldern keine ausreichende Anzahl an Fach- und leider auch nicht mehr an Arbeitskräften gibt.

Entsprechend wird die Zukunft sozialer Organisationen (auch) darin bestehen, abwägen zu müssen, welche Angebote und Dienstleistungen sie zukünftig noch erbringen werden. Die Nutzung von Daten zur Wirkungsmessung (These 1) kann hier wertvolle Dienste leisten.

Wichtig ist aber auch, dass sich Exnovation (hier findest Du nähere Ausführungen zum Begriff der Exnovation) nicht nur auf die Angebotsstrukturen der Organisationen bezieht.

Exnovation bezieht sich auch auf die interne Perspektive. Konkret geht es immer auch um die Frage, ob nicht auch die internen Prozesse, Abläufe, Hierarchien, Abteilungen… und damit die Formalstruktur der Organisation hinterfragt und hinsichtlich der Frage ihrer Funktionalität entschlackt werden muss.

Neben der Frage, welche Angebote eingestellt werden müssen, stellt sich in der dritten These explizit die Frage, welche Regeln und Prozesse funktional sind.

These 3: Funktionale Formalisierung mehr als die Hoffnung auf Eigenverantwortung

Zu dieser These ist einführend zu erwähnen, dass ich hier aus systemtheoretischer Perspektive auf die Frage schaue, was in Organisationen bewusst gestaltet werden kann.

Bewusst gestaltet werden kann die Formalstruktur der Organisation. So macht es aus meiner Perspektive keinen Sinn, an die Haltung der Mitarbeiter:innen oder die Kultur der Organisation zu appellieren.

Unter der Formalstruktur ist zu verstehen, dass bewusste Entscheidungen getroffen werden können über die Ziele und Zwecke der Organisation, über die Zuständigkeiten und formalen Hierarchien, über Regeln und Prozesse und über das Personal.

Das Personal ist insofern relevant, da es für zukünftige Entscheidungen in der Organisationen einen großen Unterschied macht, wer welche Stelle bzw. Rolle in der Organisation einnimmt.

Da es jedoch zunehmend weniger Fach- und Arbeitskräfte gibt, werden wir zunehmend mit Menschen arbeiten müssen, die nicht über die von uns gewünschte Qualifikation verfügen.

Hinzu kommt, dass auch weiterhin neue Fachkraftstellen besetzt werden müssen (staatliche Anerkennung in der Sozialen Arbeit). Hier können wir aber nicht mehr aus einem großen, intrinsisch motivierten Pool an Bewerber:innen auswählen.

Da somit die Möglichkeit verringert wird, die Entscheidungen in der Organisation über das Personal im für die Organisation gewünschten Sinne zu beeinflussen, muss ein stärkerer Fokus auf die funktionale Gestaltung von Zuständigkeiten ebenso wie auf die funktionale Gestaltung von Regeln und Prozessen gelegt werden.

Funktional bedeutet dabei, genau abzuwägen, an welcher Stelle in der Organisation und den Teams mehr Regeln und Vorgaben funktional sind und welche Regeln und Vorgaben auch überflüssig sind.

In meinen Augen brauchen wir mehr Regeln und Vorgaben, die sich auf das „Wie“ der gemeinsamen Zusammenarbeit beziehen: Wie treffen wir Entscheidungen? Wie gestalten wir unsere Teamsitzungen? Wie werden welche Prozesse erledigt? Wie regeln wir die Zuständigkeiten? Wie erfolgt die Dienstplanung?

Dabei geht es um die Notwendigkeit, die formale Seite der Organisation zu stärken um der in sozialen Organisationen dominierenden Informalität entgegenzuwirken – aber so, dass es für die Organisation funktional ist!

Die Entscheidungen über die Formalstruktur werden jedoch von Führungskräften getroffen. Entsprechend gilt es zunehmend, ein Augenmerk auf die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften zu legen, um deren Organisationsbewusstsein zu stärken und eine Abkehr vom reinen Blick auf den Menschen zugunsten des Blicks auf die Verhältnisse im sozialen System Organisation zu erreichen.

Entscheidungen in sozialen Organisationen werden jedoch in den seltensten Fällen eindeutig zu treffen sein. Dazu These 4:

These 4: Dilemmatamanagement mehr als die Suche nach Eindeutigkeit

Es ist wohl wenig überraschend, dass sich insbesondere Organisationen der Sozialwirtschaft zunehmend mit gegensätzlichen und damit paradoxen Anforderungen konfrontiert sehen. Übergreifend zeigt sich das bspw. in dem Zwang, ihre Komplexität gleichzeitig zu steigern und zu reduzieren, kreatives Chaos ebenso wie Ordnung zu organisieren und gleichzeitig flexibel und stabil zu sein.

An allen Ecken und Enden sehen wir, dass es gelingen soll, einerseits Wandel zu initiieren und zu fördern und andererseits Sicherheit und die notwendige Stabilität (nicht nur) in Veränderungsprozessen zu garantieren.

Für Organisationen der Sozialwirtschaft kommt hinzu, dass es die Spannungen zwischen personenbezogenen und strukturbezogenen Leitungsimpulsen ebenso wie zwischen der Orientierung an den Mitarbeitenden und an den Aufgaben und außerdem an den sachlichen Zielen der Organisation gibt.

Wenn der Fachkräftemangel in den Blick genommen wird, gilt es einerseits, Vertrauen in die Bereitschaft der Mitarbeitenden zur Leistung und in ihre Kompetenz zu haben und gleichzeitig die zunehmend notwendige Kontrolle nicht aus den Augen zu verlieren.

In Organisationen der Sozialwirtschaft ist auf der einen Seite die Offenheit und Flexibilität bei Einzelentscheidungen hochgradig relevant, steht aber im Spannungsverhältnis zur Begrenzung der Komplexität möglicher Entscheidungen durch die „Vorgabe von Orientierungen/Richtungen für Wahrnehmung/Interpretation/Entscheidungen“ auf der anderen Seite (vgl. Merchel, 2015, S. 285 f).

Das ist soweit alles bekannt und tagtäglich erlebbar. Schwieriger ist da die Frage, wie man mit den Dilemmata in Organisationen der Sozialwirtschaft umgehen kann.

Grunwald (Grunwald, 2022, 98) schlägt dazu „einen die Pole ausbalancierenden und von Lernprozessen geprägten Umgang mit dem Grunddilemma ‚offene versus geschlossene Organisationsformen‘“ vor .

Führungskräften in sozialen Einrichtungen muss es gelingen, „allgemeine und diffuse Paradoxien und Widersprüche der Organisation zu überführen in formulier- und greifbare Spannungsfelder und Dilemmata“ (ebd.) und diese „nicht als Hemmschuh zu begreifen, dem mit psychologischen und sozialpsychologischen Methoden beizukommen ist, sondern sie als einen möglichen Motor von Wandel in Organisationen zu begreifen. Dilemmata sind Hinweise auf nicht auflösbare Widersprüche (…), die nicht standardisierte Kommunikation notwendig machen; Kommunikationen, die für die Entwicklung von Organisationen genutzt werden können“ (Kühl, 2015, 125ff).

Klingt auch einleuchtender, als die Umsetzung in der Realität einfach ist. Hilfreich und konkreter ist eine Auseinandersetzung mit den Dilemmata über das Tetralemma. Darunter ist ein Modell zu verstehen, das zur Reflexion von Konflikten und Ambivalenzen entwickelt wurde und auch zur Entscheidungsfindung hilfreich sein kann.

„Die Struktur des Modells lässt sich zunächst in vier Positionen darstellen:

  • Das Eine – die eine Seite der Ambivalenz bzw. die eine Option oder Perspektive.
  • Das Andere – die andere Seite der Ambivalenz bzw. die andere Option oder Perspektive.
  • Beides – die bisher möglicherweise übersehenen Verbindungen oder Vereinbarkeiten zwischen dem Einen oder dem Anderen.
  • Keines von Beiden – die bisher möglicherweise übersehenen Kontexte, die das Eine und das Andere auch noch tangieren, bedingen oder möglicherweise erst verursachen; worum es bei dem Einen und dem Anderen eben auch noch gehen könnte.“ (Kleve, Tetralemma)

Hinzu kommt eine weitere, fünfte Ebene:

  • „… all dies nicht – und selbst das nicht“ – die Negation der bisherigen vier Positionen sowie die Negation dieser Negation bzw. etwas ganz Anderes.

Kleve schreibt, dass die fünf Positionen des Tetralemmas „als Etappen eines Prozesses bzw. einer Wanderung zu verstehen [sind]: Man kann sie bei Ambivalenzen oder Konfliktsituationen durchlaufen, um auf dem Weg auf Neues, neue Perspektiven oder Optionen, zu stoßen“ (ebd.).

These 5: Organisationale Resilienz mehr als kurzfristige Anpassungsfähigkeit

Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag zum Thema „organisationale Resilienz“ verfasst. Ich darf die in dem Beitrag zusammenfassenden Aspekte – soviel kann schon hier verraten werden – weiter ausbauen und zu einem die organisationale Resilienz kritisch betrachtenden Buchbeitrag ausweiten.

Im Zuge der Vorbereitung des Beitrags habe ich in den letzten Wochen viel zum Thema organisationale Resilienz gelesen, habe Podcasts gehört und mich in das Thema tiefer eingearbeitet.

Dabei sind mir – bislang – vor allem zwei spannende Gedanken über den Weg gelaufen:

Der erste Gedanke wird durch den Satz „If you’re old, you’re not dead!“ gut zusammengefasst.

Ja, da kann man schmunzeln und sich freuen. Man kann den Blick aber auch auf viele seit Jahren, Jahrzehnten und teilweise Jahrhunderten existierende soziale Organisationen richten.

Viele dieser Organisationen wirken auf den ersten Blick alles andere als hip, agil, modern oder post-bürokratisch. Aber – und das ist der relevante Punkt – sie sind nicht tot! Sie existieren trotz aller Umbrüche, historischen Entwicklungen, Krisen und Veränderungen.

Wenn wir an dieser Stelle unser Narrative ändern, weg von den jungen, hippen Unternehmen, die wir doch so gerne sein bzw. in denen wir doch so gerne arbeiten würden, hin zu den Stärken, zur Resilienz der „Tanker“ der Sozialwirtschaft, kann es gelingen, Zukunft positiv zu gestalten.

Ja, da sind Büros ohne Kickertische. Aber soziale Organisationen brauchen (in vielen Fällen) keine hippen Büros, da Soziale Arbeit bei und mit den Menschen stattfindet. Anders gesagt (und nicht ganz ernst gemeint) sind die muffigen Büros vielleicht sogar funktional, damit die Sozialarbeitenden nicht zu viel Zeit darin, sondern bei den Menschen vor Ort verbringen, für die sie Verantwortung tragen (und nein, dass ist kein Plädoyer für dauerndes Sparen an allem).

Und der zweite Gedanke bezieht sich auf das Krisen-Training. So erlangen Menschen ebenso wie Organisationen Resilienz nicht in der Krise, sondern im Training vor der Krise.

Nur vor der Krise können Organisationen resilient aufgestellt werden. Was das im Detail heißen kann (es gibt sogar eine eigene ISO-Norm für organisationale Resilienz), habe ich im Beitrag zum Thema dargelegt.

In der Krise jedoch gilt Krisenmodus. Das ist wie beim Fußball – auch da kann man vorher trainieren, nicht jedoch im Spiel.

Angesichts der gesellschaftlichen Spaltungen, der massiven Auswirkungen durch den Klimawandel, der unglaublich schnellen technologischen Entwicklungen und, und, und, wird eines sicher sein:

Krisen werden – auch in und für soziale Organisationen – zu Normalität.

Aber auch hier wieder: Krise selbst ist für soziale Organisationen alles andere als neu. Man kann sogar sagen, dass Krise das Geschäftsmodell sozialer Organisationen ist. Stabilität und Wandel – siehe Dilemmatamanagement – ist und war schon immer Alltag sozialer Organisationen.

Anstatt also im Jammermodus zu verharren, sind jetzt, heute Anstrengungen zu unternehmen, die eigene Organisation bzw. konkreter die Formalstrukturen der eigenen Organisation weiterzuentwickeln und resilient zu gestalten. Hier ist – so mein Eindruck – noch Luft nach oben.

Fazit zur Zukunft sozialer Organisationen, oder: Soziale Energie, Datenkompetenz, Exnovation und organisationale Resilienz

Zum Anfang vom Ende ein Zitat vom Godfather of New Work – Bergmann. Dieser schrieb 2004:

„Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit, die wir leisten, sollte nicht all unsere Kräfte aufzehren und uns erschöpfen. Sie sollte uns stattdessen mehr Kraft und Energie verleihen, sie sollte uns bei unserer Entwicklung unterstützen, lebendigere, vollständigere, stärkere Menschen zu werden.“

Arbeit sollte Kraft und Energie verleihen.

Angesichts der ständigen Krisen, die – wie hier erläutert – insbesondere die Soziale Arbeit an die Belastungsgrenze und darüber hinaus bringt, ist das leichter gesagt als getan.

Und trotzdem sollte es Ziel sein.

Es sollte bei aller Effizienz und Digitalisierung immer die Frage im Hinterkopf mitschwingen, wie es gelingen kann, Arbeit allgemein, Soziale Arbeit im Speziellen und soziale Organisationen im Besonderen so zu gestalten, dass sie Menschen mehr Energie gibt als nimmt.

Passend dazu schreibt Hartmut Rosa in der Zeit vom 11. Januar 2024 von der „sozialen Energie“.

Er stellt die Frage, wie es sein kann, dass wir, freitagsabends, fertig von einer langen Woche, Energie aufbringen, uns vom Sofa quälen, rausgehen und mit mehr Energie nach Hause kommen? „Anstrengung führt zu Energiegewinn!“ Das ist seltsam:

Wir müssen Energie aufbringen, wir müssen uns anstrengen, um Energie zu gewinnen. Das widerspricht dem inneren Schweinehund ebenso wie jeder physikalischen Energielogik.

Die seltsame Logik funktioniert jedoch nur bei sozialer Energie! Und sie funktioniert nicht, wenn es um das Abarbeiten von To-Do-Listen, wenn es um reine „Input-Output-Beziehungen“ geht.

Übertragen auf Arbeit, die Kraft und Energie verleiht, übertragen auf Soziale Arbeit in sozialen Organisationen, ergeben sich daraus viele Fragen.

So kennt wohl jede:r in dem hochgradig herausfordernden Berufsfeld das „Ausgelaugtsein“ (siehe Beitrag hier) nach einem Tag mit fordernden Klient:innen. Nach einem Tag massiver Kommunikation ruft die Ruhe doppelt laut. Im Extrem lässt sich auf die Burn-Out-Raten unserer Branche blicken, die – so bspw. der jährlich erscheinende AOK-Fehlzeitenreport – nicht nur Jahr für Jahr an der Spitze der Statistik liegen, sondern in den letzten Jahren nochmals massiv gestiegen sind.

Dieses „Ausgelaugtsein“ ruft aber auch, wenn man den ganzen Tag gerödelt hat und am Ende des Tages das Gefühl hat, keine Zeit mehr und trotzdem nichts „geschafft“ zu haben – Input-Output. Bürokratie, ick hör‘ Dir trapsen!

Parallel zu diesen Gedanken lese ich meinem Sohn gerade – wieder einmal – Momo vor.

Und logo, darin kommt Beppo mit seinem berühmten Straßenfeger-Zitat vor:

„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst Du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Oder mit den Worten von Rosa:

„Anstrengung führt zu Energiegewinn, wenn ihr subjektiver Fokus auf der Tätigkeit selbst, auf dem „Throughput“ liegt, und sie führt zu Erschöpfung, wenn er auf der Input-Output Beziehung ruht.“

Wie aber können wir unser individuelles Leben, unsere Arbeit, soziale Organisationen und übergreifend eine Gesellschaft gestalten, die (wieder?) wegkommt vom „Input-Output“ hin zum „throughput“?

Dieser Blick auf Soziale Arbeit und die Zukunft sozialer Organisationen wird, angesichts der sich stapelnden Krisen der Welt, für uns alle wichtig werden.

Für die Menschen aber, die sich um andere Menschen kümmern, wird er überlebenswichtig.


Ich hoffe, dass meine Gedanken zu den Thesen hilfreich sein können, strategisch zu denken und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Sie sind und können aber nur Orientierung sein. Und vor allem:

Es sind meine Perspektiven auf die aktuelle Situation sozialer Organisation, in meinem Kopf konstruiert, basierend auf meinen aktuellen Erfahrungen. Entsprechend gespannt bin ich auf Deine – vielleicht unterstützenden, vielleicht aber auch konträren – Gedanken hierzu.

Daraus ergibt sich dann ein breiteres Bild, das dabei helfen kann, die Sozialwirtschaft, die sozialen Organisationen und die darin agierenden Menschen für die anstehenden Herausforderungen zu unterstützen.

Lass doch gerne einen Kommentar mit Deinen Gedanken da…

Utopische Organisationen der Sozialen Arbeit im Jahr 2048, oder: Die Problemlösungen von heute sind die Lösungsprobleme von morgen!

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Vor Kurzem wurde ich angefragt, einen Beitrag für die Zeitschrift „FORUM sozial – Die Fachzeitschrift des DBSH“ zu verfassen. Dabei sollte es um die Frage gehen, wie ich mir soziale Organisationen im Jahr 2048 vorstelle. Zentral dabei sollte die Frage sein, wie sich Organisationen der Sozialen Arbeit entwickeln müssen, um die Herausforderungen im Jahr 2048 bewältigen zu können. 2048 – das ist ein Blick 25 Jahre in die Zukunft. Diese ist aber, wenig verwunderlich, zukünftig. Ich aber denke aus der Gegenwart, basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit und den absehbaren, kurzfristigen Herausforderungen. Und trotzdem habe ich versucht, meine Sicht auf „utopische Organisationen der Sozialen Arbeit“ zu werfen.

Der Beitrag ist dann aber etwas lang geworden, so dass ich noch einmal in die Überarbeitung gehen musste. Entsprechend findest Du hier die „long version“ und im Frühjahr 2024 dann den Beitrag in der Zeitschrift „FORUM sozial“. Jetzt aber los:


„Könnten wir eine kraftvollere, gefühlvollere und sinnvollere Art der Zusammenarbeit erfinden, wenn wir nur unser Glaubenssystem ändern?“

Laloux, F., 2014

Die Ausführungen von Frederic Laloux in seinem 2014 erschienenen Buch „Reinventing Organizations“ haben mich fasziniert. Im Kontext „sozialer Organisationen“ ist da vor allem Buurtzorg  als Vorreiterorganisation zu nennen. Buurtzorg ist eine niederländische Organisation im Arbeitsfeld der ambulanten Pflege mit mehr als 10.000 Mitarbeiter:innen, die in selbstorganisierten Teams zusammenarbeiten.

Das klingt doch schon sehr utopisch, oder?

Selbstorganisation, Ganzheitlichkeit und der evolutionäre Zweck der Organisation

Laloux beschrieb 2014 drei wesentliche Durchbrüche (vgl. Laloux, 2014, 55ff) „neuer“ Organisationen:

  • – Selbstorganisation,
  • – Ganzheitlichkeit und
  • – die Orientierung am evolutionären Zweck der Organisation.

Für mich waren die Ausführungen von Laloux mehr als Utopie:

Sie passten – aus meiner damaligen Sicht – vielmehr „wie die Faust auf’s Auge“ oder besser: auf die von mir gesehenen Herausforderungen sozialer Organisationen.

Herausforderungen bestanden darin, so meine damalige Annahme, dass soziale Organisationen zu hierarchisch, zu langsam, zu wenig innovativ, zu reguliert, zu starr, zu you name it… wären, um die Dynamik und Komplexität der unterschiedlichen Arbeitsfelder in einer Welt im Wandel bewältigen zu können. Hier wäre die von Laloux beschriebene Selbstorganisation doch „der Hammer“?! Menschen entscheiden selbst, vor Ort, an der Basis, was zu tun ist?!

Meine Annahme bestand außerdem darin, dass die seit Jahren hohen Burnout-Raten der Mitarbeiter:innen daraus resultierten, dass es ihnen nicht möglich ist, ihre in der Organisation nicht gewünschten, aber in ihnen verborgenen Kompetenzen und Fähigkeiten zu zeigen. Wenn aber die empfundene Dissonanz zwischen dem, was tagtäglich getan werden muss und dem, was aus der Professionalität der individuellen Organisationsmitglieder fachlich als sinnvoll erachtet wird, permanent zu groß ist, ist Burnout doch vorprogrammiert, oder? Hier wäre die von Laloux beschriebene Einbeziehung des „ganzen Menschen“ doch der perfekte Lösungsansatz, oder? Und dies vor allem in Organisationen, in denen „der Mensch im Mittelpunkt“ steht?

Und ferner bestand meine Annahme darin, dass die Bedarfe der Klient:innen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt würden. Wenn es gelänge, soziale Organisationen zu gestalten, die ihren „evolutionären Zweck“ verfolgten, dann müsste es gelingen, diese Herausforderung zu bewältigen und wirklich soziale Probleme zu lösen, oder?

Kurz: Meine Utopie bestand aus sozialen Organisationen, in denen Menschen ganzheitlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um darüber dem Zweck der Organisationen zu dienen, denn, so Laloux (ebd., 83), “when organizations are built not on implicit mechanisms of fear but on structures and practices that breed trust and responsibility, extraordinary and unexpected things start to happen.

Warum sich meine Sicht auf soziale Organisationen gewandelt hat

Inzwischen, fast 10 Jahre nach dem Erscheinen von „Reinventing Organizations“ und der Befassung mit der Frage der theoretischen und praktischen Gestaltung von Organisationen in Verbindung mit den Besonderheiten von Organisationen der sozialen Arbeit, hat sich meine Sicht zu Teilen radikal gewandelt.

Der Wandel basierte insbesondere auf der Auseinandersetzung mit der Frage, was Organisationen eigentlich sind und wie sie sich verändern lassen. Und, wenig überraschend:

Diese Fragen hatten sich schon (viele) Menschen vor mir – und vor Laloux – gestellt.

Mich faszinierten und faszinieren in diesem Kontext insbesondere die Ausführungen rund um die Systemtheorie. Wenn hier noch die Besonderheiten von Organisationen der Sozialen Arbeit hinzugezogen werden, wird es zwar komplex, aber ebenso Augen öffnend (vgl. für einen sehr guten Überblick bspw. Gesmann, Merchel, 2019).

Entsprechend folgt hier eine Skizze dessen, was Organisationen sind, wie diese zu verändern sind und an der einen oder anderen Stelle auch der Blick auf die Besonderheiten von Organisationen der Sozialen Arbeit.

Am Ende gibt es dann aber doch noch einen kleinen, vielleicht ernüchternden, hoffentlich aber ermutigenden Blick auf meine Vorstellung utopischer Organisationen der Sozialen Arbeit.

Nehmt den Menschen aus dem Mittelpunkt, oder: Was sind Organisationen?

Ganz grundlegend (und verkürzt) lassen sich Organisationen (aus Perspektive der Systemthorie – vgl. bspw. Kühl, 2016, 18) als „soziale Systeme“ verstehen, die sich darüber definieren, dass sie sich zur Umwelt abgrenzen, einen oder mehrere Zwecke verfolgen, im Gegensatz zu bspw. Familien eine formale Struktur aufweisen und Mitgliedschaftsbedingungen formuliert sind. Das ist wenig überraschend.

Überraschender ist da schon die Feststellung, dass Organisationen nicht aus Menschen bestehen. Organisationen bestehen aus Entscheidungen, die in den formalen und informalen Strukturen der Organisation (teilweise schriftlich, teilweise mündlich) manifestiert sind.

Das wirkt auf den ersten Blick „unmenschlich“. Aber wenn man versucht, den Menschen „aus dem Mittelpunkt“ der Organisation zu nehmen, ergeben sich enorme Vorteile für das Be- und Verstehen von Organisationen, denn:

Wenn eine Organisation aus Menschen bestünde, ergäben sich bei jedem Weggang von Menschen aus der Organisation Lücken, die niemals von anderen Menschen gefüllt werden könnten, da Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit nun mal sehr verschieden sind. Mehr noch:

Wenn Organisationen um einzelne Menschen herum gebaut werden (was dann und wann bspw. bezogen auf Gründer:innen zu beobachten ist), „wird damit auf der Personenseite die Illusion genährt, dass die Organisation sich um die eigenen Anliegen und Wünsche herum entwickelt – d. h. die Organisation tritt in den Dienst der Bedürfnisse ihrer Beschäftigten. Diese Illusion hat katastrophale Auswirkungen auf die Organisation“ (Wimmer, 2019). Katastrophal wird es für die Organisation vor allem dann, wenn nach Weggang einer oder mehrerer Personen ihr Überleben gefährdet ist.

Anstatt also als „ganzer Mensch“ Teil der Organisation zu werden, übernehmen Menschen Rollen in der Organisation. Sehr einfach ausgedrückt wird man nicht als „Klaus“ oder „Claudia“ eingestellt, sondern – hoffentlich unabhängig vom Geschlecht – in der Rolle als „Sozialarbeiter:in“.

Das ist zum einen ein Gegenentwurf zu Laloux’s Ganzheitlichkeit, wobei er zumindest sieht, dass seine Idee eine echte Herausforderung ist:

„It is a challenge for any organization to create an environment where people feel safe to show up whole.“

Laloux, 2014, 151

Zum anderen zeigt der Blick auf die Spezifika sozialer Organisationen, dass wir mit dem „Herausnehmen des Menschen aus dem Mittelpunkt“ echte Probleme haben.

So erfüllen Sozialarbeiter:innen zwar als Mitglieder der Organisation die in der Stellenbeschreibung (oft diffus) formulierten Anforderungen. Gleichzeitig aber dient in der Sozialen Arbeit „die Person als Werkzeug“ (vgl. bspw. Spiegel 2008, S. 101 f.), wodurch eine Trennung von Person und Rolle erschwert, wenn nicht gar unmöglich wird. Daraus resultiert eine auf Seiten der Mitarbeitenden schwer auszuhaltende Konfusion zwischen den Anforderungen der Organisation, den Bedarfen der Klientel und den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen. Auf Seiten der Organisation entsteht eine „dominierende Informalität“ (vgl. näher dazu Epe, 2022). D.h., dass die Einhaltung der von der Organisation entschiedenen Regeln, Vorgaben und verbindlichen Absprachen als nachrangig bzw. unwichtiger gesehen wird als das individuelle, teilweise sehr spontane und damit wenig planbare „Helfen wollen“ im Sinne der Klientel.

Im Übrigen sind die Rolle bzw. Stelle selbst, aber auch die in der Stellenbeschreibung festgehaltenen „formalen Erwartungen“ Beispiele für die Entscheidungen, aus denen Organisationen bestehen.

Wie können Organisationen verändert werden?

Auch wenn die Ausführungen sehr verkürzt waren, zeigt die Feststellung, dass Organisationen nicht aus Menschen, sondern aus Entscheidungen bestehen, den Ansatzpunkt für die Veränderung und Entwicklung von Organisationen.

Das klingt wiederum zunächst trivial: Wenn in der Organisation entschieden wird, „anders“ zu sein, dann funktioniert das auch. So könnte die Entscheidung getroffen werden, zukünftig anders, agil, innovativ, selbstorganisiert, vielleicht sogar „ganzheitlich“ zu arbeiten – und dann wird das so gemacht, fertig.

Die Realität in Organisationen wiederum zeigt jedoch, dass es so leicht eben nicht ist. Das resultiert daraus, dass zwischen mehreren sog. „Entscheidungsprämissen“ unterschieden werden muss, die den Spielraum für konkrete Entscheidungsmöglichkeiten festlegen. Zu unterscheiden sind zunächst a) prinzipiell unentscheidbare Entscheidungsprämissen und b) prinzipiell entscheidbare Entscheidungsprämissen. Das klingt holprig, das Gemeinte wird aber an folgendem Beispiel deutlich:

Als Führungskraft möchte man entscheiden, dass ab morgen alle Mitarbeitenden innovativ sind. Jedoch ist das Generieren neuer Ideen a) prinzipiell nicht entscheidbar, auch wenn dies schön wäre. Genauso wenig kann über die Haltung oder das „Mindset“ der Mitarbeiter:innen entschieden werden wie darüber, dass sie „nett“ miteinander umgehen, oder dass sich die vorhandene Organisationskultur gefälligst in eine vorab festgelegte Richtung zu ändern hat.

Die b) prinzipiell entscheidbaren Entscheidungsprämissen in Organisationen sind wiederum zu unterteilen in i) prinzipiell entscheidbare und entschiedene Entscheidungsprämissen sowie in ii) prinzipiell entscheidbare, jedoch nicht entschiedene Entscheidungsprämissen. Hier sind wiederum viele Beispiele denkbar:

Die schon angesprochene Beschreibung der Stelle der Sozialarbeiter:in ist eine prinzipiell entscheidbare und entschiedene Entscheidungsprämisse wohingegen oftmals nicht offiziell entschieden wurde, dass Raucherpausen als Arbeitszeit geduldet und nicht von den Pausenzeiten abgezogen werden. Diese Entscheidung kann auch anders getroffen werden – sie ist damit prinzipiell entscheidbar, hier jedoch nicht entschieden.

Das klingt an dieser Stelle noch sehr theoretisch, eröffnet aber den Blick auf das, was zur Entwicklung von Organisationen entschieden werden kann. Das lässt sich kurz zusammenfassen:

Alle Entscheidungen, die den prinzipiell entscheidbaren Entscheidungsprämissen zugeordnet werden können, tragen zur Entwicklung und Veränderung von Organisationen bei. Insbesondere lassen sich die folgenden vier prinzipiell entscheidbaren Entscheidungsprämissen unterscheiden:

  1. Zweckprogramme: Hier wird entschieden, welche Ziele oder Zwecke in der Organisation erreicht werden sollen.
  2. Konditionalprogramme: Vorgaben, Regeln und Prozesse der Organisation. Sie legen fest, was getan werden muss, wenn in einer Organisation ein bestimmter Impuls wahrgenommen wird.
  3. Entscheidungswege: Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Hierarchien, Mitzeichnungsrechte und damit, verkürzt, das Organigramm.
  4. Personal: Hier kommt „der Mensch“ wieder ins Spiel, denn es macht für Organisationen einen großen Unterschied, wer welche Stelle wie ausfüllt. Unter den Bedingungen des Fachkräftemangels ergeben sich hier jedoch Probleme, wenn nicht mehr ausgewählt werden kann, sondern Menschen bspw. aufgrund von Fachkraftquoten eingestellt werden müssen.

Fraglich bleibt leider, was wie entschieden und damit formalisiert werden sollte und welche prinzipiell entscheidbaren Entscheidungsprämissen besser nicht entschieden werden.

Die Lösungen von heute sind die Probleme von morgen!

So gibt es bezogen auf Zweck- und Konditionalprogramme, auf Entscheidungswege und das Personal leider nicht die eine „richtige Entscheidung“, da fraglich ist, was für die jeweils sehr individuelle Organisation unter ihren je spezifischen Bedingungen richtig ist. Das ist interessant, wenn man auf die aktuell sehr populären „Management-Moden“ schaut:

Agiles Management und agile Organisationen, „teal organizations“ (vgl. Laloux, 2014, 43ff), demokratische Organisationen, Holocracy, „irgendwas mit New Work“ und Vieles mehr wollen oftmals Lösungen sein für in der eigenen Organisation vielleicht gar nicht existierende Probleme. Aber wenn doch selbst die Apotheken-Umschau (im November 2022) ihren Titel mit „New Work“ schmückt – dann muss an dem New Work doch was dran sein, oder etwa nicht?

Nein, denn der Blick auf die oben skizzierten, in Organisationen prinzipiell entscheidbaren Entscheidungsprämissen zeigt, dass dort ein „richtig“ nicht propagiert wird. Vielmehr geht es darum, für die jeweilige Organisation zu analysieren, zu bewerten und dann zu entscheiden, was funktional sein könnte. Daraus folgt, dass es OK ist, wenn Entscheidungswege steil oder flach sind und es ebenso OK ist, wenn in der einen Organisation viele, in der anderen hingegen wenige Regeln, Vorgaben und definierte Prozesse existieren. Es kann auch Organisationen geben, die nur einen Zweck verfolgen und Organisationen, die mehrere Zwecke in unterschiedlichen Bereichen verfolgen.

Man kann sich Organisationsentwicklung somit vorstellen wie das, was ein DJ an einem Mischpult betreibt: Es kann der Regler „Zwecke“, der Regler „Entscheidungswege“, der Regler „Konditionalprogramme“ oder auch der Regler „Personal“ bewegt / verändert werden.

Wichtig ist, dass die Veränderungen eines Reglers Auswirkungen auf die anderen Regler hat oder, anders formuliert: „Jede Veränderung eines Strukturaspekts hat (…) mehr oder minder starke Auswirkungen auf die anderen Strukturaspekte“ (Kühl, 2016, 29) – es bleibt jedoch unklar, welche Auswirkungen genau dies sein werden. Anders formuliert folgt daraus, dass „es ’normal‘ ist, zu erwarten, dass die Lösungen von heute die Probleme von morgen sein werden“ (Göpel, 2022, 33).

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Anstatt „Management-Moden“ und utopische Vorstellungen von Organisationen zu verfolgen, ist die zu beantwortende Frage gelingender Organisationsentwicklung:

Passen die Konditionalprogramme, Entscheidungswege und das Personal zu den von der Organisation verfolgten Zwecken oder (wo) sind Veränderungen vorzunehmen?

Utopische Organisationen der Sozialen Arbeit

Aber was heißt das jetzt für meine Vorstellung „utopischer“ sozialer Organisationen? Habe ich kein zukünftiges Wunschbild sozialer Organisationen, das zwar – wie für Utopien üblich – wahrscheinlich nicht realisiert werden kann, aber als Orientierung gebender „Nordstern“ dienen könnte?

Doch, das habe ich, aber es ist deutlich nüchterner, als vielleicht erwartet:

Meine Utopie von Organisationen der Sozialen Arbeit im Jahr 2048 sind Organisationen, die dazu beitragen, dass soziale Entwicklungen und der soziale Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen wirklich gefördert werden. Als Orientierung für die Organisationen dienen die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt.

Ob diese Organisationen nun klassisch hierarchisch strukturiert sind, agile Strukturen aufweisen, wenige oder viele Regelungen und Vorgaben von den Mitarbeiter:innen abverlangen, irgendwas mit New Work zu tun haben oder nicht, ist zweitrangig.

Zum einen ist es viel wichtiger, ein „Organisationsbewusstsein“ für soziale Organisationen zu entwickeln: Es ist und bleibt auch in Zukunft auf allen Ebenen sozialer Organisationen, insbesondere aber für Führungskräfte, relevant zu verstehen, was eine Organisation ist und wie „die Einstellungen des Mischpults“ verändert werden können / sollten / müssten.

Zum anderen ist mir wichtig, dass es den Menschen, die für die Führung und Gestaltung sozialer Organisationen Verantwortung tragen (und damit eigentlich allen Mitarbeiter:innen), gelingt, Motivation, Kraft, Mut und Optimismus aufrechtzuerhalten. Denn nur damit ist die kontinuierliche Arbeit an der zeitgemäßen und bedarfsgerechten Gestaltung sozialer Organisationen unter den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Sozialwirtschaft zu bewältigen.

Nebenbei bemerkt: Meine Utopie sozialer Organisationen ist nur eine kleine Abwandlung der deutschsprachigen Definition Sozialer Arbeit, die in meinen Augen als zeitlose Orientierung für Wissenschaft und Praxis Sozialer Arbeit dienen und ebenso wunderbar als Orientierung für Entscheidungen in sozialen Organisationen herangezogen werden kann.


Wie aber sieht Deine Utopie sozialer Organisationen aus? Freue mich auf deinen Kommentar dazu…


Quellen:

  • Epe, H. (2022): Dominierende Informalität, oder: Warum sich soziale Organisationen so schwer entwickeln lassen. URL: https://www.ideequadrat.org/dominierende-informalitaet/. Download am 15.11.2023.
  • Gesmann, S., Merchel, J. (2019): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit: Handbuch für Studium und Praxis. Erste Auflage. Systemische soziale Arbeit. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
  • Göpel, M. (2022): Wir können auch anders: Aufbruch in die Welt von morgen. Berlin: Ullstein.
  • Laloux, F. (2014): Reinventing Organizations. A Guide to Creating Organizations Inspired by the Next Stage of Human Consciousness. Brüssel: Nelson Parker.
  • Spiegel, Hiltrud von (2008): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis. München.
  • Wimmer, R. (2019): Agilität, Ambidextrie und organisationale Veränderungskompetenz. Rudi Wimmer über Erbe und Zukunft des Change Managements. Gr Interakt Org 50, S. 211–216, 2019. https://doi.org/10.1007/s11612-019-00458-0.

Sieben Gründe, warum Barcamps wichtig für die Entwicklung sozialer Organisationen sind

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Barcamps sind nichts Neues. Den Ausführungen von Simon Dückert folgend lassen sich erste Ideen dazu bis ins Jahr 1998 zurückverfolgen. Wir waren etwas später dran, aber Sabine und ich haben immerhin im Jahr 2016 das erste #Sozialcamp (unter dem Link mein Review aus 2016) ins Leben gerufen. Und ich bin immer wieder geflasht von der Kraft des Formats Barcamp. Deswegen will ich Dir hier – angelehnt an die Ausführungen in meinem letzten Newsletter – darlegen, warum Barcamps wichtig für die Entwicklung sozialer Organisationen sind.

Aktuell denke ich übrigens wieder darüber nach, ein offenes Barcamp-Format für die Soziale Arbeit ins Leben zu rufen (da das Sozialcamp leider durch Corona ziemlich gelitten hat ;-( Außerdem war ich gerade unterwegs in einer „Barcamp-Woche“. Konkret durfte ich in den letzten Tagen zwei Barcamps moderieren.

Das erste Barcamp der letzten Woche war ein „Semi-Barcamp“ rund um das Thema „Fachkräftemangel“ des Paritätischen Baden-Württemberg, bei dem im ersten Teil am Vormittag ein „klassisches Konzept“ gefahren wurde: Grußworte, Vorstellung eines Best Practice Modells und ein Impuls (den ich zum Thema Fachkräftemangel halten durfte). Der Nachmittag war dann als Barcamp-Format rund um das Thema „Fachkräfte“ konzipiert.

Das zweite Barcamp war ein „reines Barcamp“ ohne explizit vorgegebenes Thema. Es ging um Projektverzahnung, Vernetzung, die Generierung neuer Ideen und Ansätze usw., initiiert vom Verband der Privaten Krankenversicherungen.  

Warum Barcamps nicht „auch“ in der Sozialwirtschaft ankommen sollten…

Barcamps sind in den letzten Jahren auch in unseren „eher klassischen Branchen“ angekommen sind. Hier bspw. beim DRK, hier bei der Caritas in Freiburg oder hier als digitales Barcamp bei der Diakonie. Das sind nur einige Beispiele, es gibt viel mehr.

Aber aus meiner Sicht macht dieses „auch“ eigentlich keinen Sinn, denn: 

Barcamps und ähnliche Formate wie bspw. „Open Space“ sollten nicht „auch in der Sozialwirtschaft“ ankommen. 

Wir sollten uns vielmehr darüber wundern, dass es in unseren Kontexten überhaupt noch „klassische Konferenzformate“ gibt! 

Ja, diese klassischen Formate haben auch (noch) ihre Berechtigung, aber wenn man sich ein paar der Vorteile von offenen Konferenz- oder Barcamp-Formaten anschaut, wird es sehr deutlich.

Dazu macht es Sinn, sich die Vorteile von Barcamps in der Sozialwirtschaft vor Augen zu führen.

Vorteile von Barcamps in der Sozialwirtschaft  

1. Partizipation und Mitgestaltung: 

Barcamps zeichnen sich durch ihre offene Struktur aus, bei der die Teilnehmer:innen zu Teilgeber:innen werden und damit aktiv an der Gestaltung des Programms teilnehmen. Statt vordefinierter Vorträge und Workshops können die Teilgeber:innen selbst Themen, Fragen, Ideen… einbringen. Und wo, wenn nicht in sozialen Organisationen, wird Partizipation besonders groß geschrieben? Das gilt übrigens nicht nur für die Partizipation(swünsche) der Mitarbeiter:innen. Vielmehr wird auch von den Klient:innen aktive Beteiligung und Eigenverantwortung erwartet, da Soziale Arbeit ja genau darauf abzielt: Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung. Autonomie und Selbstbestimmung aber findet in klassischen Settings kaum statt.

2. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: 

Herkömmliche Veranstaltungen haben oft ein sehr starr vorgegebenes Programm. Barcamps hingegen haben zwar auch einen Zeitplan (45 minütige Sessions). Sie sind aber inhaltlich flexibel und können sich damit an aktuelle Themen, Bedürfnisse und Interessen der Teilgeber:innen anpassen. Und gerade in der Arbeit mit Menschen ist Flexibilität und die Notwendigkeit, schnell auf Veränderungen zu (re-)agieren, im Alltag Standard. Warum nicht auch in Veranstaltungsformaten? 

3. Vielfalt an Themen und Perspektiven: 

Da bei Barcamps die Teilgeber:innen die Themen bestimmen, sind die Veranstaltungen inhaltlich enorm divers. Dies fördert den interdisziplinären Austausch und ermöglicht den Teilgeber:innen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Und wo, wenn nicht in der Sozialwirtschaft, ist Diversität – themenbezogen, aber noch vielmehr bezogen auf die Menschen – hoch relevant? 

4. Netzwerken und Beziehungen: 

Barcamps bieten viel Gelegenheit zum Netzwerken. Die informelle Atmosphäre, das „Barcamp-Du“ und die Möglichkeit, sich aktiv in Diskussionen einzubringen, erleichtern es, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende Beziehungen zu vertiefen. Netzwerk-, vor allem aber Beziehungsgestaltung...muss ich nicht vertiefen, oder? 

5. Geringe Kosten:

Barcamps sind oft kostengünstiger als herkömmliche Konferenzen. Man muss keine Referent:innen bezahlen (auch wenn eine Moderation von außen hilfreich ist, you can call me ;-), Man muss die Räume nicht wahnsinnig technisch ausstatten usw. Vielmehr leben Barcamps zum einen von der Partizipation der Teilgeber:innen (s.o.) und zum anderen vom „Werkstattcharakter“, dem „Unfertigen“, dem Gestaltbaren. Und weniger Kosten…muss ich nicht vertiefen, oder?

6. Informelle Atmosphäre: 

Herkömmliche Veranstaltungen sind oft sehr „förmlich“, während Barcamps eine entspannte, „informellere“ Atmosphäre bieten. Und falls Du an der Stelle Lust hast, kannst Du meinen Beitrag zur „dominierenden Informalität in sozialen Organisationen“ lesen. Hier, in Barcamps, ist die Informalität hochgradig funktional (was bei dominierender Informalität in der Gestaltung der Zusammenarbeit nicht immer der Fall ist). 

7. Wissensaustausch und Lernen: 

Die offene Natur von Barcamps fördert den Wissensaustausch und das gemeinsame, selbstbestimmte Lernen. Die Teilgeber:innen profitieren von den Ideen und Erfahrungen der anderen und in kurzer Zeit entsteht Verbindung, Verbundenheit und persönliche ebenso wie inhaltliche Netzwerke. Und das (neues) Lernen für Menschen in und soziale Organisationen insgesamt wichtig ist, kannst Du bspw. hier nachlesen. 

Warum Barcamps die Möglichkeit zum Umgang mit der VUCA-Welt sind

Was mich aber über all diese Punkte hinaus am Meisten fasziniert, ist die Möglichkeit, wie es in Barcamps gelingt, mit der uns alle beschäftigenden Komplexität umzugehen

Durch all die oben genannten Aspekte und Vorteile wird es möglich, komplexe Fragen so anzugehen, dass nicht unterkomplexe Antworten gegeben, sondern die Welle der Komplexität gemeinsam gesurft wird. Denn: 

Für fast alle Fragen, die Soziale Organisationen, Bildungseinrichtungen, Verwaltungen… aktuell bewegen (Fachkräftemangel, KI, Klima, Krieg, Einsparungen und Co.) gibt es nicht die eine richtige Antwort.  

Vielmehr sind diese Fragen nur gemeinsam, interdisziplinär und sektoren- bzw. innerhalb von Organisationen bereichsübergreifend anzugehen.

Komplexität zu bewältigen braucht Tests und Experimente.

Es ist auszuprobieren, es ist gemeinsam zu experimentierenwie eine bessere Zukunft gestaltet werden kann. 

Und aus den Ergebnissen, die in den Sessions der Barcamps entstehen, lassen sich genau diese „Experimente“ gestalten:

  • Es können sich neue Netzwerke ergeben – bspw. zum Thema „Nutzung von KI in der eigenen Organisation“.
  • Es können konkrete Lösungen erarbeitet werden – bspw. für spezifische Fragen.
  • Es kann aber auch ganz einfach Austausch stattfinden, der – vielleicht – im Sinne der Serendipität – zu neuen, bislang nicht gedachten Ideen und Lösungen führt.

Organisationsinterne Barcamps

Barcamps werden in den meisten Fällen entweder ganz offen angeboten (bspw. das Sozialcamp von damals…) oder häufig durch Verbände initiiert, die ihre Mitgliedseinrichtungen zu bestimmten Themen zusammenbringen wollen (siehe die Beispiele oben).

Es ist aber nicht nur möglich, sondern auch hochgradig sinnvoll, ein Barcamp innerhalb der eigenen Organisation – bspw. als Alternative zu einer klassischen Klausur – zu organisieren. Hilfreich dazu ist es, ein paar Schritte zu beachten:

  • Interesse wecken: Mitarbeiter:innen über die Idee und Grundanliegen eines Barcamps informieren um ihr Interesse zu wecken.
  • Organisationsteam bilden: Ein Team zusammenstellen, das die Veranstaltung planen und koordinieren kann.
  • Rahmenbedingungen schaffen: Einen geeigneten Ort und Zeitpunkt festlegen sowie die notwendige technische Ausstattung sicherstellen.
  • Teilnehmer einbinden: Die Mitarbeiter:innen dazu ermutigen, Themen für das Barcamp vorzuschlagen und abzustimmen, um eine relevante Agenda zu erstellen.
  • Kommunikation fördern: Die Teilgeber:innen aktiv dazu ermutigen, ihre Ideen und Meinungen während der Veranstaltung zu teilen.
  • Dokumentation: Alle Ergebnisse dokumentieren (und im Nachgang aufbereiten).
  • Feedback sammeln: Nach dem Barcamp Rückmeldungen sammeln, um Verbesserungen für zukünftige Veranstaltungen zu identifizieren.

Eine richtig gute Anleitung zur Organisation von einem Barcamp findet sich übrigens im lernOS Barcamp Leitfaden. Das lohnt sich wirklich.

Zukunft ermöglichen, oder: Warum Barcamps wichtig für die Entwicklung sozialer Organisationen sind

Auch wenn die Ausführungen für viele wahrscheinlich nicht besonders neu waren oder manche von Euch vielleicht schon Barcamps besucht haben, finde ich es relevant, immer mal wieder darauf zu verweisen, dass es Wege gibt, anders an übergreifende oder auch organisationsinterne Herausforderungen heranzugehen.

Und die Herausforderungen, die es heute und in Zukunft zu bewältigen gilt, sind enorm. Entsprechend plädiere ich hier, als eine Option, für die Barcamp-Methode.

Barcamps aber sollten keine exotischen „Experimente“ sein, sondern vielmehr zum Standardformat für Veranstaltungen werden, die zur Ermöglichung der Zukunft anregen

Ach ja, im Kleinen, im Team oder auch in organisationsinternen Netzwerken, lohnt sich auch ein Blick auf die Methode des „Lean Coffee“, um gemeinsam an neuen Ideen und der Entwicklung der Organisation zu arbeiten.

Organisationale Resilienz in Sozialen Organisationen: Herausforderungen und Lösungen

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Die Herausforderungen, denen Soziale Organisationen gegenüberstehen, sind enorm. Spannend ist, dass die sich überlagernden gesellschaftlichen Probleme und Polykrisen nicht nur akut sind, sondern sich gegenseitig verschärfen (vgl. hier). Dramatisch dabei ist, dass sich aktuell kaum erkennbare politische Lösungen abzeichnen. Vor dem Hintergrund dieser mehr als herausfordernden Situation ist es entscheidend, dass Menschen in und – hier liegt mein wesentliches Interesse in der Organisationsentwicklung – Soziale Organisationen übergreifend resilient bleiben. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist, wie organisationale Resilienz erreicht werden kann.

Im Folgenden werden dazu einige Ideen und Ansätze vorgestellt. So wird einleitend der Begriff der organisationalen Resilienz definiert. Anschließend werden aktuell diskutierte Ansätze organisationaler Resilienz skizziert und ein Blick auf die besonderen Herausforderungen sozialer Organisationen geworfen. Abschließend wird ein Vorgehensmodell zur Gestaltung organisationaler Resilienz beschrieben, das helfen kann, in der eigenen Organisation Schritte in Richtung „Krisenfestigkeit“ und damit organisationaler Resilienz zu gehen.

Der Beitrag basiert auf einem Artikel, den ich kürzlich in einem meiner IdeeQuadrat-Newsletter geschrieben habe. Wenn Du Lust hast, regelmäßig Ideen und Gedanken rund um New Social Work, rund um Organisationsentwicklung in sozialen Organisationen, Tipps, Links, Infos und mehr zu bekommen, kannst Du den Newsletter hier abonnieren.

Was ist organisationale Resilienz?

Organisationale Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit einer Organisation, sich an Veränderungen, Störungen, Krisen und unerwartete Herausforderungen anzupassen und weiterhin effektiv zu funktionieren. Dabei wirken verschiedene Aspekte und „Qualitäten einer Organisation auf der Mikro-, Meso- und Makroebene [zusammen], die das Unternehmen widerstandsfähig und flexibel für die Handhabung von Belastungen und Krisen machen“ (vgl. Heller, J. (Hrsg.) (2019). Resilienz für die VUCA-Welt. Heidelberg: Springer, 134).

Das Konzept der organisationalen Resilienz ist eng mit dem Konzept der Resilienz in der Psychologie verbunden. Dort beschreibt er die Fähigkeit einer Person, in schwierigen Zeiten widerstandsfähig zu bleiben und sich von Rückschlägen zu erholen.

Im organisationalen Kontext bezieht sich Resilienz insbesondere auf:

  1. Anpassungsfähigkeit: Eine resiliente Organisation kann sich schnell auf neue Situationen einstellen und flexibel auf Veränderungen reagieren. Dies kann bedeuten, dass sie Geschäftsmodelle, Entscheidungswege, Prozesse oder Strategien verändern kann, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen.
  2. Krisenbewältigung: Resiliente Organisationen sind in der Lage, mit Krisen und unvorhergesehenen Herausforderungen effektiv umzugehen. Sie haben bspw. Notfallpläne und -verfahren, um in Krisensituationen zu reagieren und den Betrieb aufrechtzuerhalten.
  3. Lernfähigkeit: Eine resiliente Organisation lernt aus Erfahrungen und Fehlern. Es werden regelmäßig Restrospektiven und Nachbetrachtungen durchgeführt, um zu verstehen, was schief gelaufen ist. Darauf basierend werden Maßnahmen zur Verbesserung erarbeitet und umgesetzt.
  4. Kommunikation: Effektive, effiziente und transparente Kommunikation ist ein wichtiger Faktor für organisationale Resilienz. Die Fähigkeit, Wissen und Informationen innerhalb der Organisation zu teilen und mit internen wie externen Stakeholdern zu kommunizieren, hilft, Unsicherheit zu reduzieren und Vertrauen aufzubauen.
  5. Ressourcenmanagement: Resiliente Organisationen verwalten ihre Ressourcen sorgfältig, um sicherzustellen, dass sie in schwierigen Zeiten ausreichend Kapazitäten und Mittel haben, um weiterhin funktionieren zu können.
  6. Risikomanagement: Eine wichtige Komponente der organisatorischen Resilienz ist die Identifizierung und Bewertung von Risiken. Durch die proaktive Erkennung von potenziellen Bedrohungen können Organisationen Maßnahmen ergreifen, um sich besser darauf vorzubereiten.

Kurz: Organisationale Resilienz trägt dazu bei, das Überleben und damit auch den langfristigen Erfolg von Organisationen sicherzustellen. Dabei geht es nicht allein darum, auf unmittelbare Herausforderungen zu reagieren, sondern proaktiv auf eine langfristige Fähigkeit zur Anpassung und Überwindung von Schwierigkeiten hinzuarbeiten.

Bei der Befassung mit organisationaler Resilienz ist es hilfreich, die Ebenen „Mitarbeitende“, „Teams“ und die „Organisation als Ganzes“ zu unterscheiden.

So ist a) „organisationale Resilienz aus Sicht der Beschäftigten (…) dann gegeben, wenn das resiliente Verhalten durch organisationale Ressourcen unterstützt wird. Diese Ressourcen umfassen Aspekte wie etwa: Handlungsspielraum Unterstützung durch Vorgesetzte, angemessene Arbeitsmenge und Arbeitsintensität“ (vgl. ebd., S. 104, Hervorhbg. durch den Verf.).

Aus b) der Perspektive von Teams ist organisationale Resilienz dann gegeben, wenn folgende Facetten berücksichtigt sind (vgl. ebd.):

  • Die Organisation hält die Mitarbeitenden über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden.
  • Die Organisation schafft ein Verständnis der Strukturen und Prozesse innerhalb der Organisation.
  • Die Organisation stellt Ressourcen flexibel bereit, um eine Reaktion auf unvorhergesehene Probleme zu ermöglichen.

Und übergreifend, aus c) der Perspektive der Organisation, gibt es sogar eine ISO-Norm zu organisationaler Resilienz (22136:2017), in der die folgenden 9 Elemente organisationaler Resilienz beschrieben werden (vgl. näher dazu bspw. hier):

  1. Gemeinsame Vision und Klarheit über den Zweck: Eine resiliente Organisation zeichnet sich durch die gemeinsame Vision, klare Ziele und gemeinsame Werte aus. Dies wird auf allen Hierarchieebenen geteilt.
  2. Verständnis des internen und externen Umfelds und Einflussnahme: Eine resiliente Organisation verfügt über ein tiefes Verständnis der internen und externen Systeme, in denen sie agiert. Dies ermöglicht der Organisation, aktiv Einfluss zu nehmen und Möglichkeiten zur Anpassung zu schaffen.
  3. Führung, die Unsicherheit und Scheitern akzeptiert und ermutigt: In einer resilienten Organisation herrscht eine Führungskultur, die es den Mitarbeitenden erlaubt, Unsicherheiten und Veränderungen anzunehmen und zu bewältigen.
  4. Festlegung von relevanten Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen: Eine resiliente Organisation verankert gemeinsame Überzeugungen und Werte, positive Einstellungen und Verhaltensweisen fest in der Kultur, die für jeden Einzelnen von Bedeutung sind.
  5. Teilen von Informationen und Wissen: Die Mitglieder einer resilienten Organisation teilen aktiv Informationen und Wissen. Das Lernen aus Erfahrungen, einschließlich Fehlern, wird unterstützt und gefördert.
  6. Verfügbarkeit von Ressourcen: Eine resiliente Organisation verfügt über Ressourcen wie qualifizierte Mitarbeitende, finanzielle Mittel, Gebäude, Informationen und Technologie, um die anfälligen Bereiche der Organisation abzusichern und eine schnelle Anpassung an sich ändernde Umstände zu ermöglichen.
  7. Entwicklung und Koordination der Unternehmensbereiche: In einer resilienten Organisation werden die verschiedenen Unternehmensbereiche (bspw. Personalwesen, Qualitätsmanagement, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Krisenmanagement und Informationstechnologie), definiert, entwickelt und koordiniert. Dies geschieht im Einklang mit den strategischen Zielen der Organisation.
  8. Evaluierung und Unterstützung kontinuierlicher Verbesserung: Eine resiliente Organisation bewertet ihre Ergebnisse und lernt aus Erfahrungen, um Chancen für kontinuierliche Verbesserung zu identifizieren.
  9. Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren und zu managen: Eine resiliente Organisation erkennt frühzeitig zukünftige Veränderungen, kann angemessen darauf reagieren und diese erfolgreich bewältigen.

Organisationale Resilienz und die besonderen Herausforderungen sozialer Organisationen

Meine erste Überlegung war, jeden der einzelnen Aspekte organisationaler Resilienz aus der ISO-Norm herauszugreifen und in Bezug zu den Besonderheiten sozialer Organisationen zu reflektieren. Der Aufwand dahinter ist jedoch enorm und der Mehrwert für Dich wahrscheinlich eher begrenzt… Entsprechend habe ich aus den drei Bereichen a) Mitarbeitende, b) Teams und c) Organisationen jeweils einen Aspekt herausgegriffen, die ich als besonders beachtenswert empfunden habe: 

  1. Auf Ebene der Mitarbeitenden ergeben sich spätestens durch den Fachkräftemangel Herausforderungen bezogen auf die angemessene Arbeitsmenge und Arbeitsintensität. Es ist keine Raketenwissenschaft, festzustellen, dass bei gleichbleibender Arbeitsmenge (bspw. zu betreuende Kids in der Kita) und abnehmendem Personal die Arbeitsmenge für die verbleibenden Mitarbeiter:innen steigt. In den Kernprozessen Sozialer Organisationen fehlt die Möglichkeit der Automatisierung (fast) vollständig.
  2. Auf Ebene der Teams sind zum einen die Ressourcen für Unvorhergesehenes (sog. Slack Ressources) fraglich: Gibt es sowas überhaupt oder sind soziale Organisationen „komplett auf Kante genäht“? Spannender finde ich aber, dass, so die obigen Ausführungen, Resilienz in Teams gefördert wird durch ein klares Verständnis der Strukturen und Prozesse innerhalb der Organisation. Mein Blick in soziale Organisationen zeigt jedoch immer wieder, dass nicht nur das Verständnis der Strukturen und Prozesse, sondern Strukturen und Prozesse überhaupt fehlen. Da fällt es dann entsprechend schwer, ein Verständnis dieser zu entwickeln.
  3. Auf Ebene der „Organisation als Ganzes“ könnte ich vieles, will aber nur das erste Element herausgreifen: Resiliente Organisationen antizipieren Veränderungen. Dazu braucht es die Fähigkeit, sog. irritationsrelevante Informationen überhaupt wahr- und dann auch noch aufnehmen zu können. Das klingt einfacher, als es ist, denn: Organisationen als soziale Systeme grenzen sich – sehr verkürzt – bewusst von ihrer Umwelt ab. Sie ignorieren bewusst viele Informationen, die vielleicht wichtig sein könnten, um mit der Komplexität überhaupt umgehen zu können: Hochschulen schauen auf das Hochschulsystem, soziale Organisationen beobachten die Entwicklungen der Sozialgesetzgebungen, Krankenhäuser beobachten die Entwicklungen im Medizinsektor und so weiter… Würden alle Informationen einfließen, wäre das System überlastet. Wenn man sich aber bspw. die Entwicklungen rund um KI oder AI anschaut (ich empfehle gerade diese Podcast-Episode sehr), stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese haben? Dabei reicht es nicht aus, dass einzelne Menschen in der Organisation sich mit diesen Fragen befassen. Vielmehr muss gegeben sein, dass es zu „anschlussfähigen Kommunikationen“ in der Organisation kommt.

Noch einmal: Ich hätte auch andere Aspekte herausgreifen können, die die Entwicklung organisationaler Resilienz in sozialen Organisationen erschweren. So wäre bspw. die Herausforderungen durch die Abhängigkeit von Kostenträgern (vgl. das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis) ebenso erwähnenswert wie die Frage, ob und wie es gelingen kann, die Lernfähigkeit als Mitarbeiter:in, Team und Gesamtorganisation zu steigern.

Und trotz dieser Herausforderungen müssen wir uns angesichts der skizzierten Veränderungen damit befassen…

…wie die Stärkung der organisationalen Resilienz auch in sozialen Organisationen gelingen kann!

Abschließend möchte ich ein schrittweises Vorgehen zur Stärkung der organisationalen Resilienz in sozialen Organisationen empfehlen. Dabei geht es darum, zeitgemäße und bedarfsgerechte Organisationen zu gestalten und zu entwickeln. Nicht mehr und nicht weniger. Aber der Reihe nach:

Die Entwicklung resilienter Organisationen beginnt mit a) einer umfassenden Bestandsaufnahme, gefolgt von b) einer gründlichen Resilienzdiagnose und endet schließlich mit c) gezielten Maßnahmen zur Stärkung der relevanten Fähigkeiten.

Bestandsaufnahme und Resilienz-Diagnose

Hilfreich für die Bestandsaufnahme bzw. die „Ist-Analyse“ ist die Orientierung an einem Management-Modell, das hilft, alle Bereiche einer Organisation in den Blick zu nehmen. Denkbar ist bspw. eine Befassung mit dem St. Galler Management Modell. Aber etwas Eigenwerbung darf hier ja ruhig sein…

Deswegen empfehle ich das – aus meiner Sicht natürlich – hilfreiche Werkzeug zur Bestandsaufnahme – die IdeeQuadrat New Work Canvas.

In diesem Tool finden sich zahlreiche Fragen, die dabei helfen können, die Organisation zu analysieren und über die Prozesse in der Organisation zu reflektieren, um dann auf Basis dieser Reflexion Entscheidungen zu treffen, die der Gestaltung der organisationalen Resilienz dienen.

Die Kategorien, die im New Work Canvas betrachtet werden, sind:

  • Vision, Zweck und Identität
  • Sachmittel und Ressourcen
  • Optimierung, Innovation und Exnovation
  • Strukturen und Entscheidungswege
  • Interne und externe Stakeholder
  • Prozesse und Regeln
  • Strategien und Konzepte
  • Mandate und Funktionen
  • Kommunikation

Bei der Bestandsaufnahme und der damit verbundenen Resilienzdiagnose wird der Blick zunächst auf die bestehenden Herausforderungen in der Gegenwart gerichtet. Der Blick auf die Herausforderungen ist insofern relevant, als zum einen oft unklar ist, wie die Prozesse in den meist hochgradig dezentralisierten sozialen Organisationen organisiert sind, und zum anderen nur über die wahrgenommene Notwendigkeit der Weiterentwicklung ausreichend „Veränderungsenergie“ erzeugt werden kann, um (ggf.) tiefgreifende Anpassungen vorzunehmen.

Gezielte Maßnahmen für organisationale Resilienz

Im dritten Schritt werden gezielte Maßnahmen zur Stärkung der organisationalen Resilienz ausgewählt und umgesetzt. Diese sind je nach Herausforderung der jeweiligen Organisation sehr individuell. Daher ist es schwierig, hier „Maßnahmen, die für alle passen“ zu beschreiben.

Der Blick auf die in der ISO-Norm aufgeführten Aspekte eröffnet jedoch zumindest eine Orientierung, was für eine resiliente Organisation gegeben sein sollte. Orientiert an den Kategorien des IdeeQuadrat New Work Canvas ist es dementsprechend relevant…

  • …sich über die Vision und (vor allem) die Mission der eigenen Organisation(seinheit) bewusst zu werden: Die Mission, der Zweck, von mir aus auch der „Purpose“ der Organisation ist relevant, damit allen Beteiligten klar ist, woran die Organisation arbeitet. Die Fokussierung auf eine erstrebenswerte Mission (und Vision), in der auch die emotionalen Aspekte innerhalb der Organisation berücksichtigt werden, bietet eine klare Ausrichtung, an der sich gemeinsame Strategien und Prozesse orientieren können.
  • …sich den vorhandenen Ressourcen bewusst zu sein und diese krisenfest zu entwickeln. Dabei sind es in dieser Kategorie vornehmlich finanzielle und personelle Ressourcen und Sachmittel. Hinzu kommen aber auch Gebäude oder die digitale Infrastruktur ebenso wie die Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen. Krisenfest entwickeln heißt übrigens nicht ausschließlich, die Ressourcen auszubauen und um jeden Preis zu wachsen. Auch der Blick auf Ineffizienzen und damit einhergehende Ressourceneinsparungen ist relevant.
  • …Prozesse zu gestalten, die es ermöglichen, aus Erfahrung zu lernen. Lernen ist umfassend zu verstehen. So sind zum einen regelmäßige Möglichkeiten zu schaffen, hypothesenbasiert Bestehendes (bspw. Prozesse, Abläufe, Angebote, Geschäftsmodelle) zu optimieren und weiterzuentwickeln. Hinzu kommt die Entwicklung der Innovationsfähigkeit, unterstützt durch ein passfähiges Innovationsmanagement. Nicht außer acht gelassen werden darf aber auch hier die Möglichkeit, explizit zu exnovieren und das Bestehende auf allen Ebenen infrage zu stellen. Hierbei ist relevant, internes und externes Wissen in den Prozess der Optimierung, Innovation und Exnovation zu integrieren.
  • …Strukturen zu gestalten, die Anpassungsfähigkeit ermöglichen. Das klingt leichter, als es in der Realität ist. Denn: In sozialen Organisationen geht es nicht immer um die Gestaltung „agiler Organisationsstrukturen“. Diese sind – in ihrer Grundstruktur – oftmals aufgrund der Dezentralität gegeben. So kümmern sich (kleine) Teams um die Wertschöpfung vor Ort, in Wohngruppen, Beratungsstellen, regionalen Einrichtungen. Anpassungsfähigkeit kann hier auch bedeuten, Klarheit (auch in der Krise) über die Gestaltung transparenter Entscheidungswege (Hierarchien) zu schaffen, anstatt Hierarchie ausschließlich „zu verteufeln“.
  • …zukunftsfähige Lern- und Entwicklungswege für die Menschen in der Organisation zu schaffen. Das Personal ist das wesentliche Kapital sozialer Organisationen. Dies gilt nicht nur, aber deutlich verstärkt in Zeiten des Fachkräftemangels. Entsprechend gilt es, sicherzustellen, dass die Kompetenzen der Mitarbeitenden mit aktuellen und zukünftigen Anforderungen korrelieren! Dies erhöht zum einen die Mitarbeiter(ver)bindung und sichert zum anderen das Überleben der Organisation. Hier sind aus meiner Sicht die Ansätze des New Learnings enorm hilfreich.
  • …transparente und funktionale Regeln und Prozesse zu schaffen, die Zusammenarbeit sicherstellen. So fällt mir immer wieder auf, dass Kern-, Unterstützungs- und Managementprozesse entweder gar nicht sind definiert oder nicht bekannt sind. Diese sind jedoch insbesondere in Krisenzeiten hilfreich, um den Betrieb verlässlich aufrechtzuerhalten. Es gilt jedoch auch, bestehende Vorgaben und Prozesse im Sinne der Exnovation zu hinterfragen und nicht funktionale Prozesse abzuschaffen.
  • …klare und sinnvolle strategische Stoßrichtungen für die (nahe) Zukunft zu definieren. Denn: Sofern nicht klar ist, wo die Entwicklungsrichtung der Organisation liegt, worein heute und in Zukunft investiert werden soll (und muss), bleibt auch in der Krise unklar, wo strategische Änderungen vorgenommen werden müssen. An dieser Stelle ist noch relevant, dass nicht nur die Entwicklung, sondern vor allem die Umsetzung der Strategien aktiv gestaltet wird. Im Sinne der adaptiven Strategie gilt es, auch aktuelle Entwicklungen in die Strategie zu implementieren, um auch hierüber die Anpassungsfähigkeit sicherzutellen.
  • …in der Organisation und in den Teams klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zu definieren. Hierbei recht es oft nicht aus, allein unflexible und wenig aussagekräftige „Stellenbeschreibungen“ zu erstellen. Vielmehr geht es um die Unterscheidung von Rollen (im Sinne von Stellen) und den Verantwortungsbereichen (Mandaten). So haben bspw. in einem Team einer stationären Einrichtung alle die gleiche Stellenbeschreibung. Dies führt jedoch dann zu Problemen, wenn (nicht nur) in der Krise selbstbestimmt agiert und Verantwortung übernommen werden muss.
  • …die Art und Weise, wie in der Organisation miteinander umgegangen wird, in den Blick zu nehmen. Die Interaktionen und Kommunikationen haben großen Einfluss auf den Geist, die Atmosphäre, die Kultur, das emotionale Wohlbefinden und die Effektivität der Teams und der Organisation als Ganzes. Und gerade in Krisenzeiten sind dies hoch relevante Aspekte, die das Überleben (oder auch nicht) einer Organisation massiv beeinflussen können. Wie auch in der ISO-Norm angeführt, geht es hier bspw. auch um die Frage, wie und ob Wissen in der Organisation geteilt wird.

Fazit, oder: Wir sind besser als wir denken!

Es wurde deutlich, dass in einer Zeit, in der der soziale Sektor mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert wird, die Entwicklung organisationaler Resilienz von entscheidender Bedeutung ist. Und es wurde auch deutlich, dass organisationale Resilienz Anpassungen und Entwicklungen auf individueller, Team- und Organisationsebene erfordert. Und hier stehen soziale Organisationen ohnehin vor spezifischen Herausforderungen. In Kürze:

Oh Mann, wer soll das bitte wann und wie machen?

Ja, das ist richtig. Aber! Aber ich habe oben schon oft auf die sehr vielfältigen, dezentralen Strukturen sozialer Organisationen hingewiesen. Ja, sie bringen auch Herausforderungen mit sich. Aber sie bieten auch enorme Chancen, wenn man sich die Vorteile vor Augen führt.

Und die Vorteile liegen in der Vielfalt. Betrachtet man soziale Systeme wie Ökosysteme, so zeigt sich, dass insbesondere Monokulturen sehr krisenanfällig sind. Reine Fichtenmonokulturen sterben an einem kleinen Käfer, und Geschäftsmodelle, die ausschließlich auf ein Produkt oder Angebot setzen, können durch eine kleine Gesetzesänderung oder Innovation am Ende sein.

P.S.: Das Bild zu diesem Artikel zeigt den Garten meines Vaters. Ich finde, es zeigt sehr schön, was Resilienz bedeuten kann (auch wenn hier der Wildwuchs etwas überwiegt 😉


Wie aber steht es um die Resilienz Deiner Organisation, Deines Teams oder Deiner ganz persönlichen Resilienz? Hinterlasse dazu gerne einen Kommentar – hier oder auf den verschiedenen, anderen Kanälen.

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Quellen

  • Heller, J. (Hrsg.) (2019). Resilienz für die VUCA-Welt. Heidelberg: Springer.