Schlagwort: Teamarbeit

Fünf Schritte zur gelingenden Teamarbeit trotz Fachkräftemangel

Tags: , , , , , , ,

Die Arbeitswelt wandelt sich. Begriffe wie „agiles Arbeiten“, „Selbstorganisation“ und „New Work“ prägen den Alltag – auch in Organisationen der Sozialen Arbeit. Doch was ist darunter zu verstehen und vor allem: Was hilft, damit Organisationen der Sozialen Arbeit gelingende Teamarbeit trotz Fachkräftemangel ermöglichen können?

Zu dieser Frage haben Marion Kleinsorge und ich den folgenden Beitrag verfasst und hoffen, damit praxisnahe Antworten zu liefern, um den herausfordernden Alltag in Deiner Einrichtung bzw. Deinem Team positiv zu beeinflussen.

New Work – was steckt dahinter?

Wenn von „New Work“ die Rede ist, denken viele an Digitalisierung, Homeoffice oder ortsunabhängiges Arbeiten. Im Kontext der Sozialen Arbeit spielt das kaum eine Rolle: Oft verfügen Mitarbeitende nicht einmal über eine eigene dienstliche E-Mail-Adresse. Ihre Arbeit findet fast ausschließlich in der direkten Interaktion mit Klient:innen, Kolleg:innen, Angehörigen… statt.

Relevanter sind hier „New Work Dimensionen“ wie sinnstiftende Arbeit, Selbstorganisation, -bestimmung und -wirksamkeit, der Bedarf nach flexiblen Arbeitszeiten und die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten. Damit sind wir mitten im Alltag von Organisationen der Sozialen Arbeit angekommen.

Problematisch wird es aber dann, wenn „New Work“ missverstanden wird: Wenn Organisationen New Work als reiner Fokus auf die Mitarbeitenden verstehen und beginnen, sich primär um ihre – hoch individuellen – Wünsche zu drehen, gerät der eigentliche Zweck – die Arbeit mit und für benachteiligte Menschen – aus dem Blick. Das gefährdet langfristig das Überleben der jeweiligen Einrichtung.

INFOBOX New Work:
Der Name Frithjof Bergmann ist historisch eng mit dem Konzept der „Neuen Arbeit“ verbunden. Mit “New Work” lieferte Bergmann in den 1980er Jahren einen Gegenentwurf zum Kapitalismus, verstanden als Abkehr von der klassischen Lohnarbeit (hier mehr dazu). Von seinen bis heute visionären Ideen ist vor allem der Satz geblieben, dass Menschen das tun sollten, was sie „wirklich, wirklich tun wollen“. Dieser Satz hat viel zu dem heute populären Bild von New Work beigetragen, das sich mit der Gestaltung von “selbstorganisierten und sinnstiftenden Organisationen, in denen es den Mitarbeitenden gut geht“, zusammenfassen lässt. Unter diesem Bild findet sich dann eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten – vom Kickertisch über zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten bis hin zu „agilen Organisationen“. Klassische Merkmale von Organisationen haben es dagegen heute schwer: Hierarchien, klare Prozesse und einzuhaltende Regeln gelten als nicht mehr zeitgemäß – auch wenn sie nach wie vor ihre Berechtigung haben.

Statt also beliebig „irgendwas mit New Work“ zu implementieren oder gar „New Work Washing“ zu betreiben, gilt es, (nicht nur) in Zeiten des Fachkräftemangels die formale Team- und Organisationsstruktur zu gestalten.

Im Folgenden wird zunächst der Blick auf den Zweck von Organisationen der Sozialen Arbeit gerichtet, um darauf aufbauend konkrete Gestaltungsmöglichkeiten der formalen Organisationsstruktur aufzuzeigen – mit dem Ziel, gelingende Teamarbeit trotz Fachkräftemangel zu ermöglichen.

Wozu brauchen wir eigentlich Organisationen der Sozialen Arbeit?

Die Soziale Arbeit bzw. konkret Organisationen der Sozialen Arbeit fördern – so jedenfalls die Definition der Sozialen Arbeit – gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen (vgl. hier). Das ist hochgradig komplex.

Die Komplexität erhöht sich aber weiter, wenn die Arbeit „an der Basis“ in den Blick rückt:

Soziale Arbeit findet fast immer unmittelbar im direkten Kontakt mit den Menschen statt. Der direkte Kontakt jedoch ist kaum planbar und hoch individuell – jedes Kind ist anders, jede:r Jugendliche hat ihre individuellen Bedarfe, jeder Sozialraum ist anders. Das führt dazu, dass Mitarbeitende an der Basis der Sozialen Arbeit immer spontan entscheiden müssen. Sie agieren in “diffuser Allzuständigkeit” (vgl. hier, S. 166) zwischen den formalen und informalen Regeln, Mustern und Vorgaben der Organisation, den individuellen Anforderungen der Klient:innen und den Erwartungen der Gesellschaft.

Wie aber lassen sich Strukturen für diese hoch komplexen Arbeitswelten sinnvoll gestalten?

Strukturen funktional gestalten

Organisationsstrukturen dienen grundsätzlich dazu, Komplexität zu reduzieren. Das wird bspw. bei Stellenbeschreibungen deutlich. Hier ist geregelt, welche Aufgaben, wie lange und mit welchem Gehalt zu erledigen sind. Wenn jede:r Mitarbeiter:in täglich neu entscheiden würde, was, wie, wann und für welches Entgelt gearbeitet wird (oder auch nicht), wäre das Chaos vorprogrammiert.

Es lassen sich insgesamt vier “Bereiche formaler Strukturen” – sog. Entscheidungsprämissen – definieren, über die in Organisationen bewusst entschieden werden kann (vgl. näher z.B. hier):

  • Ziele und Zwecke (Wozu sind wir da? Was wollen wir erreichen?) verdeutlicht z.B. über das Leitbild oder die Organisationsstrategien
  • Entscheidungswege (Wer darf was entscheiden?) verdeutlicht z.B. über das Organigramm; Abteilungen, Teamstrukturen, Verantwortlichkeiten
  • Regeln und Prozesse (Wenn A passiert, ist B zu tun!) verdeutlicht z.B. über QM-Prozesse; Festlegung von Zeiten für Teambesprechungen
  • Personal (Welche Person übernimmt welche Aufgabe), verdeutlicht z.B. über Stellenprofile oder die Verteilung der Aufgaben innerhalb des Teams

Bis vor wenigen Jahren war es den Einrichtungen möglich, gute Personalentscheidungen bereits im Einstellungsverfahren zu treffen: Es wurde die Person eingestellt, die “am besten ins Team passt” oder “die eine zur Organisation passende pädagogische Haltung hat”. Auf diese Weise konnten motivierte, verantwortungsbewusste und fachlich kompetente Fachkräfte gewonnen und damit die Qualität gesichert werden. Diese Auswahlmöglichkeit ist in Zeiten des Fachkräftemangels kaum noch gegeben, da die Auswahl an geeigneten Personen sehr eingeschränkt ist (vgl. näher z.B. hier).

Da die Ziele und Zwecke oftmals klar sind (bzw. vom Team selbst nicht geändert werden können), folgt daraus, dass die Entscheidungswege (Zuständigkeiten) sowie die Regeln und Prozesse übrig bleiben, um darüber die Teamarbeit trotz Fachkräftemangel gelingend und damit “funktional” zu gestalten.

Fünf Schritte zur gelingenden Teamarbeit trotz Fachkräftemangel

Um eine möglichst hohe Qualität der erbrachten Leistungen zu gewährleisten, ist vor allem Klarheit auf allen Ebenen und in allen Rollen erforderlich. Dies wird erreicht durch Klarheit über das “Wozu” (Zweck der gemeinsamen Arbeit), die Erwartungen an Haupt- und Nebenrollen (Verantwortlichkeiten), den Verzicht auf Unnötiges und die Klärung von Regeln und Abläufen. Hilfreich sind die folgenden fünf Schritte:

  1. Das “Wozu” klären: Im ersten Schritt geht es darum, sich der gemeinsamen professionellen Grundhaltung bewusst zu werden und zu beschreiben, wozu es die Einrichtung gibt: Für wen sind wir da? Welchen Mehrwert wollen wir bieten? Wie machen wir das konkret? Neudeutsch spricht man hier vom „Purpose“, der ganz spezifisch für das Team und/oder die Einrichtung die Daseinsberechtigung beschreibt.
  2. Hauptrollen klären: Dann ist transparent zu machen, was von den Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Rolle (als Leitung, Erzieher:in, Kindheitspädagog:in, Kinderpfleger:in oder auch als ungelernte Kraft) erwartet wird. Sicherlich haben alle Erwartungen an die eigene Rolle und auch an die Rolle der anderen. Problematisch wird es, wenn die Erwartungen unklar sind und voneinander abweichen. Unausgesprochene, sogenannte informale Erwartungen führen zu Frustration – auf beiden Seiten. Deshalb braucht es klare Rollenbeschreibungen, in denen Aufgaben (Was genau ist in der Rolle zu tun?), Befugnisse (Was darf die Rolle entscheiden?) und Verantwortlichkeiten (Wofür ist die Rolle verantwortlich?) definiert sind.
  3. Nebenrollen klären: Der Versuch, den Betrieb trotz Fachkräftemangel aufrechtzuerhalten, führt häufig dazu, dass vor allem Leitungskräfte ihre Leitungsaufgaben vernachlässigen, um im pädagogischen Alltag “einzuspringen”. Dies wird sich nicht gänzlich vermeiden lassen. Durch die Klärung und Verschriftlichung der Erwartungen an die “Hauptrollen” (s.o.) wird deutlich, dass Aufgaben ggf. auch von anderen Mitarbeitenden übernommen werden können. Darüber hinaus ist es sinnvoll, einzelne Aufgaben in “Nebenrollen” (Mandate bzw. Verantwortungsbereiche) zusammenzufassen und zu festzulegen, wer im Team für das jeweilige Mandat verantwortlich ist, welche Aufgaben mit dem Mandat einhergehen und welche Entscheidungsbefugnisse im Mandat liegen.
  4. “Unnötiges” klären: Es wird nicht möglich sein, alle Aufgaben wie bisher weiterzuführen. Deshalb sollte auch Klarheit hergestellt werden über das, was nicht mehr leistbar ist. Hier hilft der Blick auf das Konzept der Exnovation – verstanden als Pendant zur Innovation und Grundlage jeder Weiterentwicklung. Hier geht es darum, Raum für Neues zu schaffen – oder vielleicht auch nur darum, konkrete Ansatzpunkte zu finden, was in Zukunft weggelassen werden kann, um überhaupt wieder Luft zum Atmen zu bekommen.
  5. Den Rest klären: Damit ist gemeint, zu beachtende ‘Grundregeln’ (Regeln und Prozesse) transparent zu machen. Das beginnt bei Zeiten für Teambesprechungen, geht über die Struktur der Besprechungen oder die Frage, wer moderiert und dokumentiert, bis hin zur Frage, wie Entscheidungen im Team getroffen werden. So werden Teamsitzungen effizienter, es ist klar, wer Protokoll schreibt, und es werden schnell gute und verbindliche Entscheidungen getroffen.

Das Team-Handbuch als Orientierung

Die Ergebnisse dieser Klärungen sollten in einem Team-Handbuch schriftlich festgehalten werden. Damit wird Orientierung für bestehende Mitarbeitende gegeben, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen erleichtert und Konflikte reduziert, da klarer zwischen Rolle und Person unterschieden werden kann: Statt die ganze Person zu kritisieren, kann die Kritik auf die Rolle fokussiert werden (Peter hat in seiner Rolle als Erzieher die formalen Erwartungen nicht erfüllt). Darauf aufbauend können konkrete Lösungen erarbeitet werden, wie die Rollenerwartungen in Zukunft besser erfüllt werden können.

Damit es praxistauglich bleibt, sollte das Team-Handbuch möglichst schlank gehalten werden. Außerdem ist es wichtig, dass die darin formulierten Leitlinien und Regeln der gemeinsamen Teamarbeit nicht “in Stein gemeißelt” sind, sondern regelmäßig (z.B. jährlich) aktualisiert werden. Denn Rahmenbedingungen ändern sich ebenso wie die Zusammensetzung des Teams und Regeln von gestern sind morgen nicht mehr unbedingt hilfreich. Deshalb sollte bereits bei der Erarbeitung und Verabschiedung des ersten Entwurfs vereinbart werden, wann genau eine Überprüfung und Überarbeitung ansteht.

Befreiende Strukturen für gelingende Teamarbeit – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels

Zusammenfassend ist der Fachkräftemangel nicht wegzudiskutieren und führt dazu, dass es immer schwieriger wird, genügend (und geeignetes) Personal für die eigene Einrichtung zu finden. Statt jedoch mit falsch verstandenen “New Work”-Maßnahmen und orientierungsloser Selbstorganisation um neue Mitarbeitende zu werben, plädieren wir für die Gestaltung klarer Strukturen der gemeinsamen Zusammenarbeit.

Diese Strukturen bilden den Rahmen, innerhalb dessen ein sicheres, vertrauensvolles und wertschätzendes Miteinander möglich wird, das von kontinuierlicher individueller und gemeinsamer Entwicklung geprägt ist. Teams in Organisationen der Sozialen Arbeit, die auf dieser Basis zusammenarbeiten, werden zu starken Teams und bieten – auch in Zeiten des Fachkräftemangels – beste Voraussetzungen für gute Arbeit.

Auf den ersten Blick scheint dies dem populären Verständnis von New Work zu widersprechen. Doch auf den zweiten Blick schaffen Strukturen Sicherheit – eine Sicherheit, die neue Freiheiten und Freiräume in der hochkomplexen Sozialen Arbeit ermöglicht.

Daraus können im besten Fall sogar neue Nischen entstehen, um neue Probleme wahrzunehmen und Raum für zukünftige Lösungen zu bieten.


P.S.: Hier findest Du unseren Podcast, in dem wir aktuell eine Staffel zum Thema Fachkräftemangel aufnehmen. Viel Spaß beim Hören!

Wie gelingt gute Zusammenarbeit im Team?

Tags: , , , , , , ,

In (nicht nur) sozialen Organisationen arbeiten wir meistens als Teams zusammen. Das wird meist unhinterfragt vorausgesetzt. Und selbst als „Solopreneur“, wie ich mich gerade verstehe, ist gute Zusammenarbeit mit anderen Menschen mehr als wichtig. Teamfähigkeit ist einer der wohl meistgefragten „Skills„, die in Stellenausschreibungen gefordert werden. Aber die Frage im Titel wird dadurch noch lange nicht beantwortet: Wie gelingt eigentlich gute Zusammenarbeit im Team? Dazu findest Du hier einige Ergebnisse einer Studie, die Google – bekannt unter dem Project Aristotele – durchgeführt hat.

Wie steht es um die Zusammenarbeit in Deinem Team?

Zu Beginn aber: Wie bewertest Du die folgenden fünf Fragen zur Zusammenarbeit in Deinem Team für Dich auf einer Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft voll zu): 

  • „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht übelgenommen.“
  • „Wenn meine Kolleg*innen sagen, dass sie etwas tun, halten sie sich auch daran.“
  • „Wenn wir im Team eine Entscheidung zu treffen haben, wissen wir, wie uns das gemeinsam am Besten gelingt. Wir haben einen effektiven Entscheidungsfindungsprozess.“
  • „Die Arbeit, die ich für mein Team mache, ist bedeutungsvoll für mich.“
  • „Ich verstehe, wie die Arbeit unseres Teams zum Erfolg unserer Organisation beiträgt.“ 

Natürlich kannst Du die Fragen auch gemeinsam mit Deinem Team beantworten. Lass doch mal nen Kommentar hier, was herausgekommen ist 😉

Mit der Beantwortung der Fragen erhältst Du einen ersten Überblick darüber, wie es um die Zusammenarbeit in Deinem Team steht. 

Was ist eigentlich ein Team?

Ich werde auf diese Frage hier nicht vertieft eingehen, aber sie ist trotzdem wichtig, denn – wie einleitend geschrieben – gehen wir fast immer davon aus, dass dort, wo mehrere Menschen zusammenarbeiten, automatisch ein „Team“ arbeitet.

Es macht aber mindestens Sinn, zwischen Teams und Arbeitsgruppen zu unterscheiden.

  • Arbeitsgruppen lassen sind durch ein geringes Maß an gegenseitiger Abhängigkeit kennzeichnen. Sie basieren auf einer Organisations- oder Führungshierarchie (Abteilung). Arbeitsgruppen treffen sich ggf. regelmäßig, um Informationen zu hören und auszutauschen – you know die regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen
  • Teams sind hingegen in hohem Maße voneinander abhängig – sie planen die Arbeit, lösen Probleme, treffen Entscheidungen und überprüfen den Fortschritt im Rahmen eines bestimmten Projekts. Und am allerwichtigsten: Die Teammitglieder brauchen einander, um die Arbeit zu erledigen.

Tiefergehende Ausführungen zum Unterschied von Teams und Arbeitsgruppen finden sich bspw. hier und hier.

Für soziale Organisationen ergeben sich daraus einige Fragestellungen:

  • Seid ihr ein Team? Braucht ihr einander, um die Arbeit zu erledigen? Braucht ihr die verschiedenen Kompetenzen der Menschen im Team? Braucht es die Interdisziplinarität und die unterschiedlichen Fähigkeiten? Nicht umsonst habe ich das Bild der Feuerwehr für den Beitrag verwendet…
  • Oder erledigt jede*r von Euch seine Aufgaben, ohne auf andere Menschen angewiesen zu sein? Ist die interdisziplinäre Zusammensetzung vielleicht schön und hilfreich, aber nicht notwendig? Könnt ihr, wenn eine Person das Team verlässt, die Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend erledigen und braucht es entsprechend jemanden mit zumindest ähnlichen Fähigkeiten? Oder macht ihr nicht einfach weniger von dem, was ihr ohnehin macht?

Das Projekt von Google konzentrierte sich auf Teams und damit auf Gruppen mit wirklich voneinander abhängigen Arbeitsbeziehungen. Entsprechend sind die Ergebnisse zu werten…

Gute Zusammenarbeit bei Google

Vorab: Das Project Aristotle von Google ist nicht neu.

Von 2012 bis 2014 wurden etwa 180 Google-Teams untersucht, „um Muster zu finden, die zeigen, warum einige Teams scheitern, während andere Bestleistungen erreichen“ (Wikipedia). Die im Rahmen des Projekts untersuchten Teams bestanden aus drei bis fünfzig Personen (mit einem Durchschnittswert von neun Mitgliedern).

Die Ergebnisse der Studie sind gleichwohl spannend (und je mehr ich mich mit Zusammenarbeit in Teams befasse, werden sie immer spannender):

Der Erfolg der Teams und damit die gute Zusammenarbeit hing nicht an der Zusammensetzung oder dem Führungsstil der Vorgesetzten („Der Fisch stinkt vom Kopf her…“).

Es ging auch nicht darum, dass ein bestimmter Persönlichkeitstyp in den Teams vorherrschend war („Wir brauchen nur die richtigen Menschen!“) ebensowenig wie darum, dass die Teammitglieder bestimmte berufliche Hintergründe hatten.

Und interessanterweise hing der Erfolg der Teams auch nicht daran, ob diese selbstbestimmt agierend, mit wenigen Hierarchien oder – ganz traditionell – streng „top down“ geführt waren. 

Relevant für gute Zusammenarbeit im Team war vielmehr, wie die Teammitglieder miteinander umgingen:

In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll, geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit. Klarheit und Struktur war relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit.

Eigentlich gar nicht so schwer, oder? 

Wie steht es um die Zusammenarbeit in Deinem Team?

Wenn Du den Status Quo des Stands der Zusammenarbeit in Deinem Team tiefer erforschen willst, kannst Du auch folgende Frageliste nutzen (die von Google als Leitfaden zur Verfügung gestellt wird, um die Effektivität der Zusammenarbeit zu bewerten):  

Psychologische Sicherheit

  • Fühlen sich alle Teammitglieder wohl, wenn sie miteinander sprechen und gemeinsam Ideen entwickeln?
  • Haben alle im Team das Gefühl, dass sie auch Fehler machen dürfen?

Verlässlichkeit

  • Wenn Teammitglieder sagen, dass sie etwas erledigen werden, tun sie es dann tatsächlich?

Struktur und Klarheit

  • Kennen die Teammitglieder die Ziele des Teams und wissen, wie sie erreicht werden sollen?
  • Haben alle im Team das Gefühl, Eigenverantwortung zu tragen und eigene Projekte zu haben?

Sinn

  • Wird die Arbeit im Team auf Grundlage von Fähigkeiten und Interessen verteilt?
  • Gibt die Arbeit allen im Team ein Gefühl der persönlichen und beruflichen Erfüllung?

Selbstwirksamkeit

  • Haben alle im Team das Gefühl, dass ihre Arbeit bedeutsam ist?
  • Sehen die Teammitglieder, dass ihre Arbeit etwas zum Besseren verändert?

Entwicklungsfelder für gute Zusammenarbeit

Aus den Antworten auf die Fragen lassen sich Entwicklungsfelder aufspüren, mit denen ihr Eure Teamarbeit gestalten könnt:

  • Was könnt ihr tun, um zu besseren Ergebnissen in den einzelnen Bereichen zu kommen?

Dazu empfehle ich immer ein experimentelles, auf Hypothesen basierendes Vorgehen:

  1. Macht die Ergebnisse der Befragung oben transparent (Pinnwand, Whiteboard…).
  2. Leitet aus den Ergebnissen möglichst viele Handlungsoptionen als Hypothesen ab: „Wenn wir XY tun würden, würde sich Z verbessern!“
  3. Einigt Euch auf eine (oder ein paar wenige) Hypothesen, die ihr testen wollt (Priorisierung bspw. durch Bepunktung der Hypothesen).
  4. Legt die Rahmenbedingungen für den Test fest: Wie lange wollt ihr was genau verändern? Wann überprüft ihr die Ergebnisse mithilfe einer Retrospektive? Woran genau macht ihr fest, dass sich etwas geändert hat?
  5. Feiert den Erfolg, passt die Vorgehensweise an oder beendet einfach den Versuch. Dann könnt ihr direkt die nächste Hypothese testen.

Was macht gute Zusammenarbeit für Dich aus? 

  • Was ist richtig gute Zusammenarbeit für Dich? 
  • Welche Strukturen und Rahmenbedingungen müssen aus Deiner Sicht gegeben sein, damit Zusammenarbeit gelingt? 
  • Welche Eigenschaften und Fähigkeiten müssen die Teamkolleg*innen aus Deiner Sicht mitbringen, damit Zusammenarbeit im Team funktioniert? 

Du kannst Deine Antworten gerne hier direkt in die Kommentare schreiben! Dann haben wir alle was davon 😉


P.S.: Wenn Du Lust hast, die Zusammenarbeit in Deinem Team zu stärken, können wir gerne mal sprechen. Hier kannst Du einfach einen Termin mit mir ausmachen.

Werte und Prinzipien, oder: Warum ihr mehr als ein Leitbild braucht!

Tags: , , , , , , ,

Jede Organisation braucht ein Leitbild. Diese Aussage wird vermutlich jede*r unterschreiben? Dabei ist unklar, was genau unter einem Leitbild zu verstehen ist. Ich definiere Leitbild umfassend als Kombination aus Vision, Mission, Werten und Strategien einer Organisation. Mein Verständnis eines Leitbilds geht damit über lustige Sprüche am Eingang oder die irgendwo herunterladbare PDF hinaus. Ein Leitbild sollte vielmehr der Kern einer Organisation sein, der definiert, wozu die Organisation angetreten ist (Vision und Zweck), anhand welcher Werte und Prinzipien sie wie arbeiten will und was konkret die Organisation heute und in Zukunft umsetzen will (Strategie). Da sich insbesondere Werte und Strategien, aber auch die Vision ändert, ist meine Leitbilddefinition lebendig.

Leider leben Leitbilder leidlich…

Wenn Organisationen überhaupt ein Leitbild entwickelt haben, ist schon viel gewonnen. Wenn sich das Leitbild dann noch an dem skizzierten Aufbau von Vision, Mission, Werten und Strategien orientiert, ist es noch besser.

Die Herausforderung besteht jedoch in der Übersetzung des „global formulierten“ Leitbilds auf die Abteilungen, Teams bzw. in komplexen Organisationen der sozialen Arbeit in die Unterorganisationen. Erst dann wird es für die Mitarbeiter*innen und hoffentlich auch für die Nutzer*innen wirklich lebendig und entfaltet seine Wirkung in der Organisation (Leitbilder wirken übrigens auch auf der Schauseite der Organisation und haben einen Nutzen für die Außenwirkungen, vgl. bspw. Kühl, 2016).

Das Leitbild der Gesamtorganisation hat damit grobe Orientierungsfunktion. Und selbst auf dieser Ebene: Kennst Du das Leitbild Deiner Organisation? In welcher Organisation ist das Leitbild wirklich präsent?

Strategie wird über Objectives and Key Results lebendig

Bezogen auf Übersetzung der Strategie auf die Teamebene gibt es inzwischen Methoden und Frameworks, die sicherstellen sollen, dass auch auf Teamebene tatsächlich an der Strategie und nicht an irgendwas gearbeitet wird. Das Management-Framework „Objectives and Key Results“ (OKR) habe ich hier beschrieben.

Ein schöner Beitrag dazu findet sich auch im Blog von Sebastian Ottmann, in dem wir (Christian Müller, Sebastian Ottmann und ich) über „Social Objectives and Key Results (SOKRs)“ geschrieben haben.

Das Framework OKR klärt in der Gesamtorganisation, was bis wann von wem bearbeitet wird bzw. werden sollte, um die Vision der Organisation zu erreichen.

Unklar bleibt aber, wie die Zusammenarbeit erfolgen soll. Denn die im Leitbild der Gesamtorganisation global formulierten Werte sind noch nicht greifbar, lebendig und übersetzt auf den Alltag der Abteilungen, Teams und der einzelnen Menschen im Unternehmen.

Von globalen Werten zu Prinzipien der Zusammenarbeit

Hier hilft es, die global formulierten Werte heranzuziehen und diese in Prinzipien für die gemeinsame Arbeit zu spezifizieren.

Um es konkret zu machen ein Beispiel aus einem Leitbild eines großen, konfessionellen Komplexträgers der Sozialwirtschaft mit mehr als 3000 Mitarbeiter*innen. In dessen Leitbild heißt es unter anderem:

„Wir leisten unseren Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung.“

Das ist unmittelbar einleuchtend und in der heutigen Zeit angesichts des Klimawandels unabdingbar. Aber was heißt der Wert der ökologischen Nachhaltigkeit, der im Leitbild der Gesamtorganisation dieser Aussage zugrunde liegt, für den Alltag in einem Team – bspw. in der Jugendhilfe?

Denkbar wäre jetzt, gleiche Vorgaben für alle Teams zu beschließen, die den Umgang mit den Ressourcen regeln: „Abends ab 20 Uhr sind die Heizungen zu drosseln!“ oder „Die Raumtemperatur muss zwischen 20 und 22 Grad liegen!“ wären zwar denkbare, aber ziemlich absurde Regeln. Schon hier fällt auf, dass solche Regeln ziemlicher Quatsch wären.

Wenn es im Winter richtig kalt wird, macht es Sinn, die Heizungen vielleicht nach 20 Uhr anzulassen und die Raumtemperatur kann auch durch die Sonneneinstrahlung beeinflusst werden, wodurch die Regel noch nicht mal in alleiniger Macht der Mitarbeiter*innen liegt.

Regeln und Vorgaben sind unflexibel und oftmals unpassend zur Situation.

Es braucht vielmehr Prinzipien der Zusammenarbeit, die einfach, verständlich und gleichzeitig  handlungsleitend  für die Entscheidungen im Team sind. Denkbar wäre hier bspw., im Team das Prinzip zu definieren

„Wir handeln so effizient wie möglich im Sinne der Jugendlichen!“

Damit ist zum einen klar, um wen es geht (die Nutzer*innen), zum anderen bleibt individueller Spielraum, selbstbestimmt zu entscheiden, was in der jeweiligen, sich immer wieder ändernden Situation so effizient wie möglich ist.

Heuristiken als Alternativen zu Prinzipien

Denkbar ist hier auch, anstatt der Prinzipien sogenannte Heuristiken anzuwenden. Darunter lassen sich Hilfestellungen verstehen, „die es erlauben, mit begrenztem Wissen und unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen.“ (vgl. https://newworkglossar.de/)

Die vier Werte im agilen Manifest sind bspw. als Heuristiken formuliert:

  1. Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
  2. Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
  3. Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
  4. Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

Ausgesagt wird, dass der erste Teil der Aussage wichtiger ist als der zweite Teil (wobei der zweite nicht unwichtig ist).

Im ersten Wert „Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“ wird betont, dass Individuen und Interaktionen höher gewertet werden als Prozesse und Werkzeuge. Entsprechend kann in unklaren Entscheidungssituationen hier Orientierung gefunden werden. Übrigens habe ich auch die 6 Thesen zur Zukunft Sozialer Arbeit als Heuristiken formuliert.

Werte und Prinzipien helfen, wirkungsvoll und selbstbestimmt zu handeln

Deutlich wird: Führungskräfte können nicht erwarten, dass Mitarbeiter*innen selbstbestimmt entscheiden, wenn völlig unklar ist, woran sich die Entscheidung orientieren soll. Diese Orientierung kann über Heuristiken oder Prinzipien gegeben werden, die auf Ebene der Teams Werte (im Beispiel Jugendhilfe der Wert der Nachhaltigkeit und im Beispiel agiles Manifest die agilen Werte) in handlungsleitende Prinzipien übersetzen. Erst mit dieser Orientierung kann wirkungsvoll und selbstbestimmt agiert werden.

Im Gegensatz zu meist durch die Vorgesetzten oder äußere Bedingungen (bspw. Brandschutzvorgaben) festgelegte Regeln ist es notwendig, Prinzipien in einem dialogischen Prozess im Team bzw. auf Ebene der unmittelbar Betroffenen auszuhandeln, um im jeweiligen Kontext wirksam zu werden.

Das gilt im Übrigen nicht nur für Organisationen, sondern auch für Gesellschaften, aber das ist ein anderes Thema…

Werte und Prinzipien dialogisch aushandeln

Wie auch auf Ebene der Gesamtorganisation macht es auf Teamebene Sinn, sich vom gemeinsamen Zweck des Teams („Wozu sind wir da? Warum existieren wir als Team in dieser Organisation? Was ist unser Zweck und Auftrag?“) über die gemeinsamen Werte (Welche Werte sind uns in unserer Zusammenarbeit wirklich wichtig?) hin zu den konkreten, aus der Strategie abgeleiteten Zielen und Aufgaben („Was ist die konkrete Aufgabe? Wer ist verantwortlich?“) vorzuarbeiten.

Herauskommen kann so etwas wie das „Teamleitbild“, der gemeinsame Leitfaden der Zusammenarbeit, sowas wie die „10 Prinzipien unserer Arbeit“ oder die Leitlinien von Team XY. Wichtiger als der Titel ist, die Prinzipien so einfach und schlank wie möglich zu halten, um den Spielraum der Mitarbeiter*innen nicht unnötig einzuschränken.

Prinzipien lebendig halten

Abschließend ist relevant, die Prinzipien der Zusammenarbeit zum einen möglichst präsent zu halten. In Teamsitzungen, Gesprächen unter Mitarbeiter*innen und Führungskräften ebenso wie in Gesprächen mit Klient*innen sollten die Leitlinien angewendet werden. Ansonsten besteht die Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie viele vergilbte Leitbilder vieler Organisationen: Zwar existent, aber alles andere als lebendig.

Zum anderen sind die Prinzipien nicht nur im Team zu entwickeln, sondern auch iterativ weiterzuentwickeln. Das Team sollte in bestimmten Abständen (bspw. einmal im Jahr) die Prinzipien selbst in den Blick nehmen und überlegen, ob sie noch Gültigkeit besitzen oder angepasst werden müssen.

Viele Leitbilder helfen, Diversität zu leben und Organisationskulturen sichtbar zu machen

Mit eigens formulierten „Leitlinien“ oder Teamleitbildern entsteht früher oder später ein enorm diverses „Biotop“ an lebendigen Werten und Prinzipien in der Organisation.

Die vielfältigen Unternehmenskulturen einer Organisation werden sichtbar.

Als Führungskraft gilt es, dies auszuhalten: Nein, wir müssen nicht alle gleich sein, es darf, kann, soll (und muss sogar) Unterschiede geben. Und mal ehrlich:

Diese Unterschiede gab es schon immer. Jetzt dürfen sie nur offensiv im Sinne der Organisation gelebt werden.

P.S.: Wie wäre es mit dem Prinzip, sich an die Vereinbarungen im Team zu halten? Dahinter steht der Wert der Verbindlichkeit. Ohne Verbindlichkeit, neudeutsch Committment, machen alle niedergeschriebenen Werte und Prinzipien keinen Sinn.