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Zusammenarbeit im Team verbessern: Wie Du mit den Core Design Principles befreiende Strukturen schaffst

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Was brauchen Teams, damit die Teammitglieder gut und damit vor allem effektiv und effizient zusammenarbeiten können? Das ist – neben der Frage, was Organisationen brauchen, um ihren Zweck zu erfüllen – die zweite Kernfrage meiner Arbeit. Bei beidem – Organisationen wie Teams – kann es aber nicht darum gehen, die Menschen verändern zu wollen. Denn der Versuch, Menschen verändern zu wollen, ist massiv übergriffig. Wirkungsvoller ist es, den Kontext zu gestalten, die Strukturen und Rahmenbedingungen und damit die Verhältnisse gelingender Zusammenarbeit. Denn: Die Verhältnisse prägen das Verhalten. Wenn Du auch die Zusammenarbeit im Team verbessern willst, können die Core Design Principles (CDP’s) sehr wertvolle Hinweise auf die gestaltbaren Verhältnisse in Teams liefern.

Zusammenarbeit als Kern (und Herausforderung nicht nur) Sozialer Arbeit

In Organisationen der Sozialwirtschaft ist Zusammenarbeit mit anderen – Teamarbeit – Kern täglicher Arbeit. Ohne Zusammenarbeit geht nichts – in Pflege und Beratung ebenso wie in Kitas oder stationären Einrichtungen. Wenn dann noch der Blick auf die Kompetenzen, die wir für die Arbeit der Zukunft brauchen, gerichtet wird (sog. Future Skills, bspw. hier), zeigt sich, dass Zusammenarbeit nicht nur an der sozialarbeiterischen Basis wichtig ist, sondern Kollaboration für alle Branchen, Berufe und Bereiche enorm bedeutsam ist und zunehmend werden wird.

Wenn Teams gut zusammenarbeiten, entsteht etwas Besonderes – ein gemeinsamer Sinn, kollektive Stärke, gegenseitige Unterstützung – vielleicht hast Du das schon selbst erlebt?!

Aber Zusammenarbeit ist genauso oft eine Herausforderung: Unterschiedliche Professionen, hoher Zeitdruck, Fachkräftemangel, starre Hierarchien und Bürokratie, Missverständnisse oder eben unklare Rahmenbedingungen führen zu Konflikten oder Ineffizienzen in Teams.

Daraus ergibt sich die Frage:

Wie kannst Du als Führungskraft (und wie kann ich als externer Berater) die Zusammenarbeit im Team verbessern?

Als (ein Teil einer doch etwas komplexeren) Antwort bin ich vor kurzem über die Core Design Principles (CDPs) gestolpert.

Zusammenarbeit im Team verbessern mit den Core Design Principles

Die Core Design Principles können vielleicht so etwas wie ein Kompass für gelingende Zusammenarbeit in Gruppen und Teams sein. Im Folgenden gehe ich näher darauf ein, was sich genau hinter den CDP’s verbirgt und wie Du damit arbeiten kannst. Vorab aber:

Woher kommen die Core Design Principles?

Mir ist es wichtig, dass das, was ich hier schreibe ebenso wie die Theorien, die mein Denken und Handeln prägen und genauso die Methoden, mit denen ich arbeite, nicht von irgendwem am grünen Tisch im Sinne einer Management-Mode erdacht sind, sondern praxiserprobt und idealerweise wissenschaftlich überprüft sind. Und das, würde ich behaupten, ist bei den CDP’s der Fall.

Denn sie basieren auf den Arbeiten der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die übrigens die erste Frau war, die 2009 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen hat.

Sie arbeitete an der Frage, „wie sich Menschen organisieren, um gemeinschaftlich komplexe Probleme zu lösen. Sie analysierte, wie institutionelle Regeln sich auf Handlungen von Individuen auswirken, die bestimmten Anreizen ausgesetzt sind, Entscheidungen treffen (müssen), und sich zudem noch gegenseitig beeinflussen, und sie zeigte praktikable, gerechte und effiziente Lösungen für diese Probleme auf“ (hier mehr zu ihr und ihrer Arbeit).

Ihre Antwort fand sie durch die Analyse zahlreicher, erfolgreicher und gescheiterter Beispiele für die nachhaltige Bewirtschaftung lokaler Allmenderessourcen in Selbstorganisation weltweit – wie regionaler Bewirtschaftungsformen für Hochgebirgsalmen in der Schweiz und Japan sowie Bewässerungssystemen in Spanien und auf den Philippinen.

Auf dieser empirischen Forschung basierend entwickelte sie die Core Design Principles, die eine erfolgreiche Bewirtschaftung von sog. Common Pool Resources ermöglichen.

Und sie zeigte, dass die Gestaltungsprinzipien immer dann zu finden sind, wenn Zusammenarbeit wirklich funktioniert.

Sie übertrug dann – gemeinsam mit dem Evolutionsbiologen David Sloan Wilson – die Prinzipien auf alle möglichen Gruppen – nicht nur Dorfgemeinschaften und Allmenden, sondern auch auf Teams in Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, Schulen oder Behörden (hier mehr dazu).

Daraus entstanden die acht Core Design Principles, die für die Analyse verschiedener Gruppenkontexte genutzt werden können.

Die 8 Core Design Principles für gelingende Zusammenarbeit

Jetzt aber endlich los mit den acht Core Design Principles – die ich sprachlich schon so angepasst habe, dass sie direkt(er) in Deinen Arbeitsalltag integriert werden können (und bei Interesse hier im Original):

  1. Gemeinsame Identität und gemeinsame Ziele: Alle Mitglieder identifizieren sich mit der Gruppe bzw. dem Team und verfolgen gemeinsame Ziele und Zwecke – wir wissen, wozu wir da sind!
  2. Kosten und Nutzen werden gerecht verteilt: Die Kosten und der Nutzen, die den Mitgliedern aus der Zusammenarbeit entstehen, stehen in einem proportionalen Verhältnis zueinander – jede:r hat das Gefühl, gerecht behandelt zu werden.
  3. Gerechte und gemeinsame Entscheidungsfindung: Alle Mitglieder sind in Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen und es ist transparent, wie Entscheidungen getroffen werden.
  4. Transparenz und Beobachtung des Fortschritts: Im Team herrscht Transparenz darüber, wer woran arbeitet und inwieweit die gemeinsamen Ziele erreicht werden.
  5. Angemessenes Feedback auf hilfreiches und nicht hilfreiches Verhalten: Es gibt angemessene Reaktionen auf Verhaltensweisen, um hilfreiches Verhalten zu fördern und nicht hilfreiches Verhalten zu unterbinden bzw. zu sanktionieren.
  6. Schnelle und faire Konfliktlösung: Es existieren Mechanismen für die schnelle und faire Lösung von Konflikten im Team.
  7. Autorität zur Selbstverwaltung: Die Gruppe bzw. das Team hat innerhalb der Organisation ein Mindestmaß an Rechten und die Freiheit, sich selbst (bezogen auf die Prinzipien 1–6) zu organisieren.
  8. Kollaborative Beziehungen mit anderen: Die Gruppe bzw. das Team ist nicht allein auf der Welt und geht kooperative Beziehungen mit anderen Teams bzw. Gruppen ein.

Warum die Prinzipien besonders in der Sozialwirtschaft wichtig sind

In Organisationen der Sozialwirtschaft läuft ohne Vertrauen und Zusammenarbeit nichts – egal ob in einer Wohngruppe, einem sozialen Dienst oder einer Kita.

Gleichzeitig erlebe ich in Teams an der Basis ebenso wie in Führungsteams bis hin zum Top-Management, dass die bewusste Gestaltung des Miteinanders und damit die Auseinandersetzung mit der Frage „Wie wollen wir zusammenarbeiten?“ nicht oder nur rudimentär beantwortet wird.

Vielleicht erwarten wir informell, dass Zusammenarbeit in der Sozialen Arbeit schon irgendwie gelingt, weil wir doch so wahnsinnig „sozial arbeiten“? Aber das Gegenteil ist der Fall:

Gerade dort, wo die diffuse Allzuständigkeit Sozialer Arbeit (vgl. Thiersch zit. n. Hollstein-Brinkmann 1993:166) in Verbindung mit einer in den Organisationen vorherrschenden „dominierenden Informalität“ (klick) zu enormer Unsicherheit und fehlender Orientierung führt, brauchen Menschen und Teams klare Strukturen der Zusammenarbeit, die sie stützen, Sicherheit und Orientierung bieten.

Über die Strukturen kann dann eine Kultur der Zusammenarbeit entstehen, die einerseits Sicherheit bietet und andererseits die für professionelle Soziale Arbeit notwendige Freiheit zulässt. Und hier können (u.a.) die CDPs helfen, Teams so zu gestalten, dass gelingende Zusammenarbeit nicht von Glück, vom Zufall oder von einzelnen, hochengagierten „Kümmerer:innen“, die den Laden schon am Laufen halten, abhängt. Die CDPs machen Zusammenarbeit bewusst gestaltbar und können bei der Bearbeitung der folgenden, vielleicht sogar typischen Herausforderungen helfen:

  • Fehlende gemeinsame Ausrichtung,
  • Unklare Rollen und Zuständigkeiten,
  • Spannungen und unausgesprochene Konflikte im Team oder zwischen Teams bzw. Abteilungen,
  • Entscheidungen, die „von oben“ getroffen werden, obwohl „oben“ in dem Fall gar keine Ahnung hat,
  • Motivationsverlust und hohe Fluktuation,
  • Neugestaltung oder -ausrichtung von Teams

So kannst Du die Core Design Principles nutzen, um die Zusammenarbeit im Team zu verbessern

Wichtig ist: Die CDPs sind kein reines Rezept, dass Du in Deinem Team 1:1 umsetzen musst, damit es läuft. Sie sind eher eine Art Landkarte oder Hintergrundfolie, mit der Du die Zusammenarbeit im Team beobachten, analysieren und anhand der folgenden Schritte verbessern kannst:

  • Schritt 1: Selbstreflexion! Nimm Dir etwas Zeit und frag Dich:
    • Haben wir einen klaren gemeinsamen Zweck? Wissen wir, wozu wir da sind? (P1)
    • Weiß jede:r, was seine Rolle(n), seine Aufgaben, seine Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten, sind und wie diese auf den Zweck einzahlen? (P1)
    • Hat jede:r das Gefühl, gerecht behandelt zu werden? Was heißt Gerechtigkeit eigentlich für uns? (P2)
    • Dürfen alle dann mitreden und -entscheiden, wenn sie betroffen sind (nicht jede:r ist immer von allem betroffen)? (P3)
    • Haben wir Entscheidungsmethoden etabliert, die zu tragfähigen Teamentscheidungen führen? (P3)
    • Wissen wir, wer im Team woran arbeitet? Ist Arbeit insgesamt und die zu erledigenden Aufgaben transparent für alle? (P4)
    • Feiern wir gemeinsam Erfolge, geben uns Rückmeldung und sprechen auch gemeinsam an, wenn sich jemand nicht an Regeln und Vereinbarungen hält? (P5)
    • Sind Mechanismen etabliert, wie wir mit Konflikten umgehen? (P6)
    • Innerhalb welchen (von „oben“) vorgegebenen Rahmens können wir uns bewegen? Haben wir als Team die Freiheit, das „Wie?“ unserer Zusammenarbeit gemäß den Prinzipien selbst zu gestalten? (P7)
    • Mit wem arbeiten wir zusammen? Welche Teams inner- und außerhalb der Organisation sind auf welche Ergebnisse von uns angewiesen und worauf sind wir angewiesen, um gut arbeiten zu können? (P8)

Schon die Beschäftigung mit diesen (oder ähnlichen) Fragen bringen oft spannende Erkenntnisse.

  • Schritt 2: Team-Workshop! Lade Dein Team ein, gemeinsam auf die CDPs zu schauen:
    • Druck die acht Prinzipien und die Fragen (oder den Beitrag hier) aus.
    • Lest sie gemeinsam durch.
    • Diskutiert: Was läuft bei uns gut? Wo gibt’s Luft nach oben?
    • Überlegt gemeinsam: Welches Prinzip wollen wir uns als Nächstes vornehmen und verbessern?
  • Schritt 3: Pilotphase starten! Pickt Euch ein oder zwei Prinzipien heraus – zum Beispiel „Entscheidungen gemeinsam treffen“ oder „Konflikte früh ansprechen“. Dann probiert aus, wie Ihr das konkret umsetzen könnt. Wichtig ist: ausprobieren, lernen, anpassen.
  • Schritt 4: Dranbleiben und Erfahrungen teilen! Dokumentiert, was gut läuft – und auch, was nicht klappt. Teilt Eure Erfahrungen mit anderen Teams oder in Leitungskreisen. So kann vielleicht sogar eine „bottom up“ Bewegung entstehen, die Eure ganze Organisation verändert…
  • Schritt 5: Reden ist Silber, Schreiben ist Gold! Anstatt auf der Ebene „Schön, dass wir drüber geredet haben!“ zu bleiben, hilft es für die weitere Zusammenarbeit enorm, ein „Teamhandbuch“ zu verschriftlichen: Haltet fest, was ihr gemeinsam verabredet habt. Haltet darin auch fest, in welchen regelmäßigen Zyklen ihr gemeinsam wieder auf das Handbuch schaut und dieses weiterentwickelt. Denn es werden sich immer Veränderungen ergeben.

Nutzt eure gemeinsamen Spielregeln aka das Handbuch immer – in Teamsitzungen, wenn Entscheidungen getroffen werden, wenn Neueinstellungen erfolgen und, und, und…

Zusammenarbeit im Team verbessern: Beispiele aus der Praxis

Ich begleite gerade ein (mehr oder weniger) neu geschaffenes Team einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung. Wie überall sind die Belastungen hoch, die Fluktuation ebenso. Inzwischen hat der erste Termin mit dem Team stattgefunden und wir werden jetzt – in den nächsten Runden – an dem gemeinsamen Zweck des Teams, an der Erarbeitung von Rollen, an gemeinsamen Regeln usw. arbeiten. Mein Ziel des Prozesses ist, gemeinsame Spielregeln zu erarbeiten, die in der herausfordernden Arbeit mit den Menschen mit Behinderung Orientierung bieten und damit Sicherheit schaffen.

Ein anderes Beispiel ist die Begleitung eines Führungsteams eines Komplexträgers (Führungsebene 1 und 2). Herausfordernd ist, dass jede Person in ihrer Rolle denkt und agiert und damit – nachvollziehbar – die lokalen Rationalitäten großen Platz einnehmen. Zweck des Führungsteams ist aber, gemeinsam auf das große Ganze zu schauen. In der Arbeit im Führungsteam gilt es also, die „Hüte zu wechseln“ und die eigenen Stärken für die Gesamtorganisation einzubringen. Auch hier geht es darum, so etwas wie eine „Geschäftsordnung“ für das Führungsteam zu erarbeiten und darin festzuschreiben, was der Zweck des Teams ist, wer welche Rollen einnimmt, wann wie welche Entscheidungen getroffen werden, wie mit Konflikten umgegangen wird usw.

Kurz gesagt geht es bei beiden Prozessen – aber auf unterschiedlichen Ebenen – darum, den Rahmen gelingender Zusammenarbeit zu gestalten. Innerhalb des Rahmens ist es dann möglich, frei zu agieren.

Fazit: Gelingende Zusammenarbeit braucht befreiende Strukturen

Die Core Design Principles zeigen: Gelingende Zusammenarbeit ist kein Glücksfall und damit allein abhängig davon, ob die Menschen „miteinander können“! Gelingende Zusammenarbeit ist vielmehr das Ergebnis von klaren, gemeinsamen Spielregeln.

Das ist wichtig:

Anstatt Spielregeln als Einschränkung von individueller Freiheit zu verstehen, braucht es die Einsicht, dass Teams und Gruppen immer nur aufgrund von Regeln funktionieren. Fraglich ist dann nur, ob die Spielregeln gemeinsam, bewusst und transparent gestaltet wurden oder ob sie irgendwie informal „wild wachsen“ und deshalb oft destruktiv wirken.

Bei der Entwicklung können die Core Design Principles einen wunderbaren Rahmen und damit ein Werkzeug bieten, um Zusammenarbeit zu reflektieren, zu stärken und weiterzuentwickeln.

Deswegen: Druck die 8 Prinzipien aus und bring sie zum nächsten Teammeeting mit. Plane einen halben Tag als Workshop – intern oder mit externer Begleitung. Sprich mit anderen Leitungskolleg:innen darüber, wie sie die Zusammenarbeit erleben und in ihrem Team gestalten. Mach einen Selbsttest: Wie viele der CDPs sind in Deinem Team schon gelebt?

Und – wenn Du willst – begleite ich Dich und Dein Team gern. Sag einfach Bescheid!

Quellen:

  • Thiersch, zit. nach Hollstein-Brinkmann, H. (1993): Soziale Arbeit und Systemtheorien. Freiburg im Breisgau: Lambertus. S. 166.

Kollaboration im Team, oder: Wie Du Leitlinien für die Zusammenarbeit entwickelst

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Achtung, Achtung, nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!


Ich wurde zu meinem Beitrag zur Notwendigkeit von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team gefragt, wie denn konkret vorzugehen ist, um die Kollaboration im Team mit Leitlinien zu verbessern und was in den Leitlinien stehen sollte. Meine Erfahrungen dazu, mein Vorgehen und eine mögliche Gliederung mit entsprechenden Fragen, will ich hier für Dich beschreiben.

Dabei muss klar sein:

Es kann keine allgemeingültigen Leitlinien für Kollaboration im Team geben. Jedes Team ist anders, verfolgt andere Ziele, arbeitet orientiert an anderen Werten zusammen. Das ist nicht nur normal.

Das ist in einer komplexen Welt auch hochgradig sinnvoll, da steigende äußere Komplexität nur durch entsprechende innere Komplexität gestaltet werden kann. Klingt komisch, heißt aber nur:

Wenn von außen mehr und unterschiedliche Anforderungen kommen, muss es innerhalb der Organisation mehr und unterschiedliche Andockpunkte – Diversität und Selbstbestimmung – geben, um zweckgerichtet agieren zu können.

Warum Leitlinien für die Kollaboration in Team?

Bevor ich in die Entwicklung einsteige, nur kurz zur Wiederholung aus dem letzten Beitrag:

Viele Organisationen haben ein Leitbild, das jedoch auf Teamebene wenig lebendig ist: Die Übersetzung der globalen Werte auf Teamebene fehlt oder fällt zumindest schwer.

Gerade jedoch die gemeinsame Auseinandersetzung zur Frage, wie die Zusammenarbeit ganz konkret im Team gestaltet werden soll, die Festlegung von Werten und Prinzipien und das Committment auf gemeinsam definierte Regeln macht Sinn, um Orientierung in komplexen Situationen zu bekommen.

Ja, ich weiß: Festlegungen finden Menschen im sozialen Bereich nicht so prickelnd, es erleichtert aber wirklich die Arbeit…

Konkret macht sich der Nutzen von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team bspw. an Entscheidungsfragen fest, die in einer Pattsituation zu enden drohen:

„Sollen wir eher die Bedarfe der Mitarbeiter_innen oder eher die Bedarfe der Klient_innen berücksichtigen?“

Eine Festlegung in den Leitlinien, die besagt „Fokus Klientel mehr als Fokus Mitarbeiter“ würde diese Frage beantworten.

Noch ein Punkt: Gerade in Phasen von Homeoffice und Remote Work können Leitlinien auf Teamebene Orientierung geben. Und diese Orientierung – das haben wir vermutlich alle erlebt – ist enorm wichtig, wenn sich Teamarbeit und Kollaboration in die virtuelle Welt verlegt. Denkt also bei der Entwicklung Eurer Leitlinien – sofern nötig – die digitalen Settings direkt mit:

Wie kann virtuelle Zusammenarbeit in Eurem Team erfolgen? Welche Leitlinien braucht es dafür? Gibt es Unterschiede?

Der Prozess: Wie Du Leitlinien für die Kollaboration im Team entwickelst!

Grundsatz Partizipation

Ein eigentlich logischer Grundsatz vorab:

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind möglichst partizipativ im Team zu entwickeln. Die Beteiligung aller Teammitglieder (und manchmal sind das nicht so wenige Menschen) ist notwendig, um eine Verbindlichkeit zu den Leitlinien zu bekommen. Die „im Elfenbeinturm“ von der Teamleitung erarbeiteten Leitlinien sind oftmals das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Dieser Grundsatz gilt übrigens auch für die Leitbilder der Gesamtorganisation: Die Einbindung von mehr Personen macht mehr Sinn, wenn man zu lebendigen Leitbildern kommen will.

Workshop analog oder digital

Sinnvoll für die Erarbeitung der Leitlinien hat sich ein Tagesworkshop bzw. Klausurtag herausgestellt, in dem sich die Teammitglieder auf die Aufgabe und Themenfelder (s.u.) wirklich konzentrieren können. Optimalerweise findet der Tag nicht in der eigenen Organisation, sondern an anregenden Orten in der Umgebung statt. Das öffnet den Raum und die Gedanken. Und ideal ist, den Tag von jemandem, der_die nicht Teammitglied ist, moderieren zu lassen.

On-Site Workshops, also analoge Veranstaltungen vor Ort sind aktuell aber eher schwierig – wegen Du weißt schon was. Außerdem sind die Ressourcen gerade für soziale Organisationen oft knapp. Hinzu kommt die Problematik, dass oftmals Klientel für 24h an 365 Tagen im Jahr zu betreuen ist und damit ein gemeinsamer Teamtag nicht möglich ist. Dann geht die Entwicklung auch online als Remote-Workshops (ein wenig Technik und eine funktionierende Internetverbindung vorausgesetzt).

Aktuell begleite ich einen Prozess, in dem wir in mehreren, kurzen Online-Settings Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team peu a peu entwerfen. Das spart Ressourcen und ermöglicht die Einbindung auch der Teammitglieder, die zum aktuellen Zeitpunkt Dienst haben und nicht teilnehmen können.

Ach ja: Sollte eine externe Begleitung nicht möglich sein, macht es trotzdem: Denkbar ist ja, dass die einzelnen Themen, die ihr für Euer Team festlegt, von einzelnen Kolleg_innen als Entwürfe erarbeitet werden. Innerhalb der Teambesprechungen können die Themen dann diskutiert und zusammengeführt werden.

Eine denkbare Gliederung der Leitlinien

Noch einmal, weil es so relevant ist:

Es gibt keine Blaupause für Leitlinien. Jedes Team ist anders, arbeitet anders, hat andere Aufgaben und einen anderen Existenzzweck. Entsprechend sind die folgenden Aussagen beispielhaft! Nutzt diese als Anregungen und passt sie für euch und Euer Team an!

1. Mission/purpose des Teams

„Das englische Wort purpose, das in diesem Kontext auch im Deutschen genutzt wird, lässt sich übersetzen mit ‚Sinn und Zweck‘, Daseinszweck oder Bestimmung.“ (https://newworkglossar.de/warum-brauchen-organisationen-einen-purpose/) Mir reicht eigentlich der Begriff der Mission, der ebenfalls den Zweck beschreibt, aber im Begriff purpose kommt noch eine Zukunftsperspektive hinzu:
Stellt Euch also die Fragen:

  • Wofür existiert dieses Team?
  • Was ist sein Daseinsgrund?
  • Was ist sein Auftrag in der Organisation?

Die Antwort auf diese Fragen dient später als Nordstern, als Ausrichtung für Teamentscheidungen.

2. Wirkung und Ziele

Hier lauten mögliche Fragen:

  • Woran erkennt ihr, dass ihr gute Arbeit macht und als Team Wirkung erzeugt?
  • Welche Kriterien könnt ihr anlegen, um die Wirkung zu messen?

Ja, ich weiß, oftmals ist es nicht ganz einfach, die Wirkung personenbezogener, sozialer Dienstleistungen zu messen. Und trotzdem (oder gerade deshalb) braucht es eine Orientierung, ob und wie soziale Arbeit gut funktioniert. Schaut mal auf dem Blog von Sebastian Ottmann vorbei, da geht es genau um das Thema Wirkung. Von dort habe ich auch die Definition von Wirkung als „Eingetretene Veränderungen oder Stabilisierungen bei den Zielgruppen eines (…) Programms (…), die ursächlich auf dieses Programm zurückgehen.“ (Balzer & Beywl, 2015, S. 192) Balzer, L. & Beywl, W. (2015). evaluiert: Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich (1. Auflage.). Bern: hep verlag ag.)

3. Kommunikation

Hier wird es wieder sehr konkret:

  • Wann kommuniziert ihr?
  • Wann finden Teamsitzungen statt?
  • Über welche Tools kommuniziert ihr (vor allem in der digitalen Kommunikation)?
  • Finden Teamsitzungen in der Regel remote statt (warum nicht) oder analog?
  • Warum?

4. Dokumentation und Aufgaben

Im Zusammenhang mit der Kommunikation steht die Frage, wo getroffene Entscheidungen und Beschlüsse, aber auch andere Informationen festgehalten werden.

  • Wo finden sich welche Infos, die für die Teamarbeit wirklich wichtig sind?
  • Gibt es Protokolle?
  • Oder macht die Arbeit auf virtuellen oder analogen Whiteboards mehr Sinn?
  • Wo finden sich die Projekte, die ihr als Team angehen wolltet?
  • Wo lässt sich deren Status einsehen?

Und ganz ehrlich: Ich kenne einige Einrichtungen und Teams, in denen „vor sich hingewurschtelt“ wird. Es wird viel Zeit auf die Suche nach den richtigen Dokumenten verwendet, der Frust ist hoch, wenn Martin mal wieder in das falsche Dokument die richtigen Inhalte geschrieben hat und die Projekte, die wir als Team angehen wollten, kommen zum dritten Mal auf die Tagesordnung im Team… Das nervt nicht nur, das kostet auch richtig Geld und führt zur eine minderen Qualität Eurer Leistungen gegenüber der Klientel.

Abschließend: Macht die Leitlinien sehr konkret, mit Namen! Als Beispiel:

„Unsere Protokolle legen wir in der Dateiablage unter XXXX ab. Verantwortlich für eine transparente Dokumentation ist Claudia, vertreten wird sie von Klaus.“

5. Entscheidungen

Wieder im Zusammenhang mit den beiden vorherigen Aspekten stellt sich immer wieder die Frage in Teams, wie Entscheidungen getroffen werden. Klar, meist gibt es eine Teamleitung. Aber ist es sinnvoll, dass die Teamleitung alle Entscheidungen treffen muss? Sicher nicht. Hinzu kommt, dass die Personalsituation dazu führen wird, dass wir in vielen Arbeitsfeldern zukünftig zwangsläufig mit verstärkt selbstbestimmt arbeitenden Teams agieren müssen: Niemand will mehr die Leitungsposten übernehmen. Daraus folgt, dass es Leitlinien bedarf, wie welche Entscheidungen getroffen werden. Ich will hier nicht in die Tiefe gehen, Euch aber zwei Ressourcen an die Hand geben, die hilfreich sein könnten:

a) das „Delegation Board“ (schaut mal in diesen Artikel, der sehr schön das Vorgehensweise erklärt) und

b) das „Handbuch der Entscheidungen“, zu dem ihr hier mehr Infos finden könnt.

Kurz: Es gibt mehr und sinnvollere Möglichkeiten, gute Entscheidungen schnell im Team zu treffen als demokratische Abstimmungen, Konsens-Gelaber oder von oben durchgesetzte Anweisungen.

6. Verbindlichkeit

Hier geht es weg von der konkreten, hin zur Ebene der Werte, die ihr im Team leben könnt. Eng verbunden mit den Aspekten zuvor ist für mich der Punkt „Verbindlichkeit“, da Teamentscheidungen nur dann sinnvoll sind, wenn sich alle von der Entscheidung Betroffenen auch daran halten. Das macht es übrigens so sinnvoll, nicht nur die Teamleitung oder immer alle entscheiden zu lassen, wenn nicht immer alle und die Teamleitung schon gar nicht von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.

7. Entwicklung und Lernen

Das betrifft die Frage, wie ihr euch als Menschen und als Team entwickelt, lernt und bspw. auch mit Fehlern umgehen wollt. Aber auch Fragen, wer wie welche Fort- und Weiterbildungen wahrnehmen kann und soll, hängt hiermit zusammen.

8. Transparenz

Auch dieser Aspekt ist auf Ebene der Werte angesiedelt, spielt aber im Rahmen der zunehmend selbstbestimmten Entscheidungen in Teams eine wesentliche Rolle: Wir können nur dann gut arbeiten, wenn offen, ehrlich und transparent kommuniziert wird. Wissen darf nicht zum eigenen Vorteil zurück gehalten werden und Mitarbeiter_innen können die Wahrheit sehr gut vertragen (es sind immerhin erwachsene Menschen, die auch noch bezahlt werden…). Und die Wahrheit betrifft auch finanzielle Aspekte oder Kennzahlen der Organisation. Denn wenn es finanziell nicht gut läuft, wissen die Mitarbeiter das sowieso schon – oft vor den Führungskräften.

9. Und so weiter und so fort…

Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt:

  • Welche Werte sind Euch als Team wirklich wichtig? Und vor allem:
  • Wie gelingt es, diese Werte in konkrete, handlungsleitende Prinzipien zu übersetzen?

Das ist wichtig:

Leitlinien sind nur dann sinnvoll, wenn sie von der abstrakten Ebene zu ganz konkreten, umsetzbaren und Orientierung gebenden Leitplanken werden. Scheut euch nicht, Verantwortlichkeiten festzulegen und Namen in die Leitlinien zu schreiben. Erst dadurch ergibt sich „skin in the game“, erst dann tut es für mich weh, wenn ich meiner Aufgabe nicht nachkomme.

Leitlinien für die Kollaboration im Team sind „working papers“

Abschließend der erneute Hinweis:

Leitlinien bringen nichts, wenn sie zu Leidlinien werden, wenn sie vor sich hin gammeln und in irgendwelchen Schubladen vergilben.

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind sinnvoll, wenn wirklich mit ihnen gearbeitet wird, wenn sie Grundlage für die Teamsitzungen sind und – ganz wichtig – wenn sie regelmäßig (reicht jährlich???) angeschaut und überarbeitet werden.

Aber auch hier wieder: Wer ist für die Nutzung und Überarbeitung der Leitlinien verantwortlich? Wählt eine Person aus dem Team, die zuständig und verantwortlich ist. Auch, wenn es sich zunächst ungewohnt anfühlt!


P.S.: Nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!

P.P.S.: Habt ihr Leitlinien im Team? Gelingt die Arbeit damit? Und falls nicht: Habt ihr Lust, welche zu erarbeiten? Dann nehmt gerne Kontakt auf…