Fünf Wege zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Hier thematisiere ich das weitverbreitete Problem der fehlenden Verbindlichkeit in Teams und Organisationen. Basierend auf meinen Erfahrungen in Gesprächen, Projekten und Beratungen in sozialen Organisationen zeige ich auf, wie diesem Problem erfolgreich begegnet werden kann. Der Fokus liegt dabei auf der Stärkung der Verbindlichkeit im Team durch die Etablierung gemeinsamer Ziele, durch klare Zuständigkeiten, definierte Prozesse, das Halten von Versprechen und die Schaffung psychologischer Sicherheit im Team.
Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Inhalt:

Fehlende Verbindlichkeit ist ein Problem in Teams und Organisationen. Das ist zumindest mein Eindruck aus Gesprächen, Projekten und Beratungsprozessen, die ich in den letzten Monaten und Jahren in sozialen Organisationen begleiten durfte. Ich habe das Ganze theoretisch aufgearbeitet und im Beitrag „dominierende Informalität“ genannt (auch wenn da noch mehr Aspekte mit reinspielen). Theorie ist gut, sie hilft mir, zu verstehen, aus anderen Perspektiven zu schauen und daraus neue Ideen für die Beratung meiner Kund:innen abzuleiten. Theorie hilft mir – aber nicht (unmittelbar) meinen Kund:innen. Sie stellen – nachvollziehbar – die Frage, wie die Steigerung der Verbindlichkeit im Team ganz praktisch gelingen kann.

Zu dieser Frage findest Du hier einführend und kurz eine Erläuterung, warum Verbindlichkeit – zumindest aus meiner Perspektive – gerade in sozialen Organisationen oft fehlt. Vor allem aber findest Du hier Ideen zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team.

Warum fehlt Verbindlichkeit gerade in sozialen Organisationen?

In Organisationen ist es sehr beliebt, die Schuld für Fehler bei den Individuen und damit Schuldige zu suchen. Das ist ganz praktisch, da man sich ab dem Zeitpunkt keine Gedanken mehr über tatsächliche Veränderungen machen muss.

Tatsächlich Veränderungen in Organisationen sind in den allermeisten Fällen strukturelle Veränderungen. Und so ist es auch mit der Verbindlichkeit ins sozialen Organisationen:

Unverbindlichkeit ist Nebenfolge der beruflichen Identität

Die einzelnen Menschen im Team sind nicht (immer) bewusst unzuverlässig. Vielmehr ist eine These, die ich im Beitrag zur dominierenden Informalität beschreibe, dass es den Professionellen in sozialen Berufen viel weniger auf die Einhaltung organisationaler Vorgaben als auf das individuelle „Helfen“ ankommt.

Damit – so könnte man sagen – ist Unverbindlichkeit dem Team gegenüber negative Nebenfolge der beruflichen Identität sozialer Berufe. Mit anderen Worten:

Es steht so viel an bezogen auf die Klient:innen, dass die Aufgaben im Team schon mal hinten herunter fallen.

Unverbindlichkeit ist Folge organisationaler Bedingungen

Aber nicht nur die berufliche Identität spielt eine Rolle. Auch die organisationalen Bedingungen sozialer Organisationen spielen der Unverbindlichkeit in die Hände.

Zum einen ist dies oft in der Gründungshistorie der Organisationen begründet. So basieren viele Gründungen sozialer Organisationen auf dem Engagement Einzelner oder auf dem Engagement kleiner Gruppen von Menschen mit einem besonderem Anliegen, einem „Calling“, das größer ist als die reine Notwendigkeit, für ein berufliches Auskommen zu sorgen. Daraus folgt, dass „Helfen“ in der Kultur tief verwurzelt ist. Nicht die Frage möglichst effizienter und effektiver Gestaltung der Organisationen stand im Vordergrund, sondern der Zweck – Helfen wollen in allen Variationen. Man kann hier von einem tiefgreifenden kulturellen Muster, das in viele Organisationen eingeprägt ist und damit auch heute noch – bewusst oder unbewusst – wirkt, sprechen.

Zum anderen spielen die Rechtsformen sozialer Organisationen eine Rolle: So ist die (in sozialen Organisation am häufigsten anzutreffende) Rechtsform Verein von Grund auf partizipativ angelegt: Nicht die Geschäftsführung dominiert die Tätigkeiten des Vereins, sondern die Mitgliederversammlung, die als oberstes beschlussfassendes Organ alle Vereinsangelegenheiten regelt, soweit sie nicht durch die Satzung einem anderen Organ, etwa dem Vorstand, zugewiesen sind. Die Mitgliederversammlung ist damit das wichtigste Organ des Vereins, was zu anderen, zweckgebundeneren (im Gegensatz zu rein organisational funktionalen) Entscheidungen führt.

Nicht abschließend, aber ebenso relevant ist, dass „Soziale Dienstleistungen (…) situativ und individuell konstituiert sind und (…) daher nur begrenzt standardisierbar: am ehesten in ihren administrativen Rahmenbedingungen, kaum jedoch in ihrem interaktiven Kern“ (Gesmann, Merchel, 2019, 59). Anders gesagt: Man kann den Mitarbeiter:innen nicht vorschreiben, wie genau sie welche Arbeitsschritte bei der „Bildung und Erziehung von Jugendlichen“ (Zweck) zu leisten haben. Aus dieser Zweckorientierung resultieren notwendigerweise viele „individuelle Möglichkeiten“, die Leistungserbringung zu gestalten. Entsprechend werden „übergestülpte“ Konzepte (bspw. QM, Controlling, Prozessmanagement) erklären, die die „individuellen Möglichkeiten“ der einzelnen Mitarbeiter:innen einschränken.

Wenn auch nur skizziert wird klar, dass Unverbindlichkeit weniger ein individuelles, als vielmehr ein organisationsstrukturelles Problem ist. Entsprechend macht es Sinn, die Lösung des Problems nicht in der „Haltung“ der Menschen zu suchen, sondern in der Frage, wie die Strukturen der Organisationen und Teams so gestaltet werden können, dass Verbindlichkeit gesteigert werden und eine „Kultur der Verbindlichkeit“ entstehen kann.

Strukturen für eine Kultur der Verbindlichkeit

Welche Strukturen aber können dies sein, die zu einer Kultur der Verbindlichkeit in Deinem Team und übergreifend der Organisation beitragen? Aus meiner Perspektive sind dazu zunächst die Basics gelingender Zusammenarbeit zu klären, namentlich Ziele, Zuständigkeiten und Prozesse. Darüber hinaus ist aber auch Kommunikation strukturell zu betrachten. Dabei geht es vor allem um das große Wort „Versprechen“. Und abschließend werfen wir noch einen Blick auf die Möglichkeiten der Gestaltung psychologischer Sicherheit. All dies trägt dazu bei, die Verbindlichkeit im Team und der Organisation zu erhöhen.

Aber der Reihe nach:

1. Klare Ziele zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Grundlegend für die Steigerung der Verbindlichkeit sind klare Ziele.

Klare Ziele beziehen sich dabei einerseits auf die Klarheit über Ziele und Zweck des Teams: Was wollen wir für wen erreichen?

Unklare Ziele und ein unklares Verständnis der gemeinsamen Ausrichtung und des Zwecks – den „purpose“ – des Teams führen zu Demotivation (Wofür mache ich das hier eigentlich?), enormer Ineffizienz und bieten außerdem ein großes Konfliktpotential.

Entsprechend gilt es, ein gemeinsames Verständnis von Zielen und dem Zweck des Teams zu generieren.

Andererseits beziehen sich klare Ziele auch auf die zu erledigenden Aufgaben: Was ist eigentlich das Ziel der Aufgabe, die ich erledigen soll? Wozu ist das gut? Und wie soll das Ergebnis aussehen?

Erst wenn die Zielsetzung soweit wie möglich geklärt und angenommen ist, kann es gelingen, dass diese auch übernommen wird. Das ist bei einigen Aufgaben sehr einfach (Kaffee holen), bei anderen Aufgaben aber deutlich komplexer (Konzept erstellen). Hinzu kommt, dass das Annehmen von Aufgaben dann gelingt, wenn die Aufgabe und das damit verbundene Ziel verstanden wurde. Das ist beim fehlenden Kaffee einfach, aber davon auszugehen, dass das Gegenüber schon verstanden hat, was gemeint ist, führt häufig zu Unklarheiten, da jede:r aus seiner eigenen Brille denkt und handelt. Hier macht es Sinn, Aufgabe und Ziel von der Person, die die Aufgabe übernehmen will, wiederholen zu lassen. Das wirkt auf den ersten Blick sperrig, zeigt aber schnell Bruchstellen der Kommunikation auf.

2. Klare Zuständigkeiten zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Klare, mit dem Zweck des Teams und der Aufgabe abgeleitete Ziele allein reichen jedoch noch nicht aus, um wirklich gut und verbindlich zusammen arbeiten zu können.

Hier gilt es, die „Kommunikationswege des Teams“ und damit Rollen, Zuständigkeiten oder Verantwortungsbereiche (ich spreche gerne von Mandaten) unter den Teammitgliedern zu klären.

Diese Mandate sollten den Kompetenzen der Rolleninhaber:innen entsprechen. In der Arbeit mit Teams stelle ich fest, dass Konflikte häufig auf unklare und/oder sich überschneidende Zuständigkeiten zurückzuführen sind. Daraus resultieren Machtkämpfe zwischen den Inhaber:innen der Mandate, die aber nicht in den Personen, sondern in der fehlenden Struktur begründet sind.

Wenn neben den Zuständigkeitsbereichen auch die damit verbundenen wesentlichen Aufgaben geklärt werden (alles kann nicht und sollte nie erfasst werden), ist schon ein großer Teil getan, da zumindest klar ist, welches Mandat welche Aufgaben umfasst.

Hier kannst Du Dir eine einfache Vorlage herunterladen, die ich bei der Gestaltung selbstbestimmter Teams nutze und die zur Beschreibung der Mandate hilfreich ist.

Mit der Klärung und dem Festhalten der zu den Zuständigkeiten gehörenden Aufgaben fallen bereits viele der zu erledigenden Aufgaben in eine bestimmte Zuständigkeit. Das heißt jedoch noch nicht, dass diese tatsächlich erledigt werden.

Hier lohnt sich ein Blick auf die Prozesse.

3. Definierte Prozesse zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Ein Prozess lässt sich – etwas sperrig – definieren als (technologisch), zeitlich und örtlich bestimmtes effizientes Zusammenwirken von Faktoren zur Herstellung einer bestimmten Gütermenge in bestimmter Qualität.

Prozesse – systemtheoretisch auch Konditionalprogramme genannt – legen fest, was zu tun ist, wenn ein bestimmter Impuls auftritt. Als Beispiel: Wenn ein neues Kind in der Kita angemeldet wird, dann sind die Schritte a, b, c… zu abzuarbeiten. Wenn ein Klient eine neue Unterhose braucht, dann ist x, y, z… zu tun. Wenn eine Teamsitzung stattfindet, dann sind bis zum XY Themenvorschläge für die Tagesordnung einzureichen und wenn die Teamsitzung rum ist, dann findet sich zwei Tage später das Protokoll hier (oder hier).

Prozesse sind Teil der Regeln einer Organisation und folgen einer „wenn – dann“ Logik. Das ist hilfreich, um die Komplexität im Alltag zu reduzieren. Denn wenn wir jedes mal neu überlegen würden, wo das Protokoll wann zu finden ist, wäre das Chaos vorprogrammiert.

Prozesse sind auch Teil des QM-Systems einer Organisation und sollen darüber Verlässlichkeit herstellen. Um die Verlässlichkeit zu gewährleisten sollten Prozesse immer mit einem:r für den Prozess verantwortlichen Person oder einem entsprechenden Mandat hinterlegt sein (bspw. Protokollant:in in der Teamsitzung) hinterlegt werden.

Über diese Festlegung der Zuständigkeiten wird deutlich, dass es einfacher wird, Verbindlichkeit zu erzeugen. Es ist klar, wer die Verantwortung trägt.

Und erst dann, wenn dies klar ist, kann auf die Einhaltung des Prozesses insistiert werden.

Eine Herausforderung der Prozessdenkweise besteht in sozialen Organisationen jedoch darin, dass insbesondere die Erstellung der sozialen Dienstleistung nur sehr begrenzt prozesshaft abgebildet werden kann. So kann – als Beispiel – in der stationären Jugendhilfe zwar geregelt sein, dass zum Ende eines Dienstes dokumentiert wird. Was aber genau den Tag über passiert, wer welche Gespräche wie führt und zu welchen Ergebnissen die Gespräche und Aktionen mit den Jugendlichen führen, kann nicht festgeschrieben werden.

Entsprechend dominieren in sozialen Organisationen sog. „Zweckprogramme“. Darunter ist der Versuch zu verstehen, über Zwecke – bspw. „Wohnen, Leben, Lernen, Arbeiten
für Menschen mit Behinderung“ – zu steuern, dass die Art und Weise, wie genau im Beispiel Wohnen, Leben, Lernen und Arbeiten ermöglicht wird, nicht geregelt ist (und nicht geregelt werden kann).

4. Versprechen zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Die obigen Ausführungen sind aus meiner Perspektive Basics der Gestaltung gelingender Zusammenarbeit. Ohne Ziele, Zuständigkeiten und Prozesse geht es nicht. Das gilt aber für alle Teams. Und ja, diese Basics fehlen häufig in Teams und Organisationen.

Aber Basics allein steigern noch nicht unmittelbar die Verbindlichkeit in der Übernahme von Aufgaben im Team.

Eine Möglichkeit wäre jetzt, entweder Druck auszuüben und zu drohen, oder noch stärker an die Menschen zu appellieren, doch endlich mal die Aufgaben zu übernehmen.

Aber es ist keine Raketenwissenschaft zu verstehen, dass Druck ebensowenig hilft, wie der Appell an die Disziplin und Eigenverantwortung.

Und wenn es dann noch darum geht, selbstbestimmt und „auf Augenhöhe“ zu arbeiten, helfen „Weisungen“, Druck und Appelle noch weniger.

Eine Alternative dazu ist die „Promise Theory“.

Darunter ist ein theoretischer Ansatz zu verstehen, der in den letzten Jahren im Bereich der Informatik und Systemtheorie entwickelt wurde. Sie wurde von Mark Burgess, einem Informatiker und Autor, konzipiert.

Die Promise Theory konzentriert sich auf das Konzept von „Versprechen“ (Promises).

Ein „Versprechen“ ist in diesem Kontext eine Art Vereinbarung oder Verpflichtung, die zwischen verschiedenen Akteuren in einem Netzwerk besteht. Diese Versprechen sind Grundlage für die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren.

Die Idee ist, dass Versprechen (Promises) in Teams ausgetauscht werden. Versprechen können erfüllt oder gebrochen werden.

Darüber wird ermöglicht, das verbindlichere Verhalten von sozialen Systemen und Netzwerken zu gestalten.

Damit die Promise Theory gelingt, sind einige Grundsätze zu beachten (vgl. Pukall, 2023, 152):

  • Transparenz: Alle Akteure können gegenseitig ihr Verhalten beobachten.
  • Akteure können nur das eigene Verhalten steuern, nicht das von anderen.
  • Es kann gemeinsame, aber auch individuelle Ziele und Aufgaben geben, die den anderen nicht unbedingt bekannt sind.
  • Akteure sind für das Erreichen ihrer Ziele auf gegenseitige Unterstützung angewiesen.
  • Zukunft ist ungewiss: Man kann nicht genau wissen, wie man selbst, geschweige denn die anderen handeln werden.

Darauf basierend kündigen abgegebene Versprechen an, was jemand tun oder auch nicht tun wird, da ein Versprechen immer an jemand anderen oder auch an das Team abgegeben wird.

Konkret geht es um Anfragen, die

  • zugesagt werden können: „Ja, ich mache das!“
  • vertagt werden können: „Ich kann das jetzt nicht tun, aber später!“
  • verhandelt werden können: „Ich kann das tun, wenn du…!“
  • abgelehnt werden können: „Nein, das kann ich nicht tun!“

Ja, auch die Ablehnung von Anfragen muss im Team akzeptiert werden und darf nicht negativ belegt sein, da sonst die Glaubwürdigkeit untergraben wäre.

Sinnvoll bei einem Versprechen ist es, bestimmte Ergebnisse zu versprechen („Ja, ich mache das und von mir bekommst Du…“). Daraus ergeben sich Spielräume, die unterschiedliche Wege zum Ergebnis eröffnen. Kurz: Es ist egal, wie man die Aufgabe erledigt, solange man liefert, was versprochen wurde.

Eingehaltene Versprechen führen zu mehr Vertrauen im Team bzw. des Teams gegenüber der Organisation. Über die Versprechungen entstehen interne Abhängigkeiten, die Strukturen und Interaktion notwendig machen.

Damit das Vertrauen entstehen kann, braucht es:

  • Transparenz (wie oben schon erwähnt), bspw. über ein gemeinsames Kanban-Board, auf dem alle Aufgaben ersichtlich werden.
  • klare Formulierungen an die Erwartungen der Aufgaben: „Das hier brauche ich – kannst Du das für mich tun?“
  • klare Zu- oder Absagen (s.o.). Formulierungen wie „Ich schau mal, ob ich es schaffe…“ erzeugen nur Unsicherheit.
  • eine positive Bewertung auch von Absagen – „Danke für die klare Rückmeldung, ich frage jemand anderen.“
  • eine angemessene Sanktionierung nicht eingehaltener Versprechen: Dabei geht es nicht um die Abwertung der Person („Klaus ist völlig unzuverlässig!“), sondern um die Frage, warum es Klaus nicht gelingt, seine Versprechen einzuhalten. Das deutet oftmals auf Probleme des Systems hin, bspw. Arbeitsüberlastung oder Aufgaben, die nicht zu den Fähigkeiten passen (wollen heißt nicht können).

Logisch ist, dass dies alles nicht ganz neu ist: Handel funktioniert auf Basis von Versprechen, Verträge funktionieren auf dieser Basis, die Vereinbarung und Einhaltung von Terminen funktionieren auf dieser Basis usw.

Die Zusammenarbeit im Team aber ausdrücklich auf „Versprechen“ basieren zu lassen, klärt jedoch gegenseitige Erwartungen (wieder so ein wichtiger Begriff) und beugt Manipulationsversuchen und Machtspielen vor (vgl. Pukall, 2023, 154).

Ach ja: In Organisationen bzw. selbstbestimmt agierenden Teams muss ein Teammitglied mindestens ein Versprechen abgegeben haben:

Es braucht mindestens die Zusage, dass es sich für die gemeinsame Sache des Teams engagieren und seine Zeit freiwillig einbringen will – man steigt in den Team-Bus ein.

Und in letzter Konsequenz bedarf es auch der Möglichkeit, die Mitgliedschaft in einem Team (aus beiden Perspektiven) beenden zu können – man kann auch wieder aussteigen können.

Du siehst:

Die Anforderungen an die Steigerung der Verbindlichkeit ist – insbesondere in selbstbestimmt agierenden Teams, aber nicht nur dort – ziemlich voraussetzungsreich.

Wenn aber klar ist, was auf die Teammitglieder zukommt, kann es richtig gut werden… Versprochen 😉

5. Psychologische Sicherheit zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

Abschließend will ich auf das Konzept der psychologischen Sicherheit eingehen. Denn insbesondere bei der Promise Theory wurde deutlich, dass gute Zusammenarbeit immer beinhaltet, offen miteinander umzugehen – sei es als Kritik an einem nicht eingehaltenen Versprechen oder als klare Aussage, eine Aufgabe nicht übernehmen zu können.

Das Konzept „psychologische Sicherheit“ hat seine Wurzeln in der Forschung von Amy Edmondson, einer Professorin für Führung und Management an der Harvard Business School. In einem ihrer wegweisenden Artikel aus dem Jahr 1999 mit dem Titel „Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams“ (hier) definierte Edmondson psychologische Sicherheit als die „Wahrnehmung von Mitarbeitern, dass die Umgebung sicher ist für zwischenmenschliches Risiko, so dass sie nicht für unsicheres Verhalten belastende Konsequenzen im Hinblick auf ihre Arbeitseffektivität oder ihre Karriereerfolge fürchten müssen.“

Edmondson untersuchte psychologische Sicherheit im Kontext von Arbeitsgruppen und Teams. Sie fand heraus, dass Teams mit einem höheren Maß an psychologischer Sicherheit eher bereit sind, neue Ideen zu teilen, Fragen zu stellen, Unsicherheiten auszudrücken und voneinander zu lernen. Dies trägt übergreifend zu einer positiven Teamdynamik, besserer Problemlösung und einer insgesamt effektiveren Zusammenarbeit bei, worunter auch die verbindliche Übernahme und Erledigung von Aufgaben fällt.

Seit Edmondsons Pionierarbeit ist das Konzept der psychologischen Sicherheit zu einem wichtigen Aspekt in den Bereichen Organisationspsychologie, Führung und Teamentwicklung geworden. Unternehmen und Führungskräfte nutzen diese Erkenntnisse, um sicherzustellen, dass ihre Teams ein Umfeld haben, das Offenheit, Vertrauen und konstruktive Zusammenarbeit fördert.

Aber wie „geht“ das jetzt?

Dazu ist es hilfreich, dass Du in Deinem Team und Deiner Organisation einige Schlüsselprinzipien in den Blick nimmst, die die psychologische Sicherheit fördern:

  • Offene Kommunikation fördern: Schaffe einen Raum, in dem Teammitglieder offen und ehrlich ihre Gedanken, Meinungen und Bedenken teilen können. Betone die Wichtigkeit von klaren und transparenten Kommunikationskanälen, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Respektvolles Feedback ermöglichen: Stelle sicher, dass Feedback konstruktiv und respektvoll formuliert wird, um eine positive Atmosphäre zu bewahren. Ermutige Teammitglieder dazu, sowohl positive als auch konstruktive Rückmeldungen zu geben.
  • Fehler als Lernchance betrachten: Betone, dass Fehler Teil des Lernprozesses sind und nicht als persönliches Versagen betrachtet werden sollten. Ermutige Teammitglieder, aus Fehlern zu lernen und Lösungen zu entwickeln, anstatt Schuld zuzuweisen.
  • Teamzusammenhalt fördern: Initiiere Teamaktivitäten, die den Zusammenhalt stärken und das Vertrauen untereinander fördern. Schaffe eine positive Teamkultur, in der Unterstützung und Zusammenarbeit im Vordergrund stehen.
  • Vielfalt und Inklusion betonen: Achte darauf, dass alle Teammitglieder sich akzeptiert und respektiert fühlen, unabhängig von Hintergrund, Erfahrung oder Perspektive. Förderung einer Umgebung, in der unterschiedliche Meinungen und Ansichten geschätzt werden.
  • Führungskräfte als Vorbilder: Als Führungskraft solltest Du durch Dein eigenes Verhalten zeigen, dass psychologische Sicherheit von höchster Bedeutung ist. Sei selbst mutig und ermutige Führungskräfte dazu, selbst Unsicherheiten zuzugeben und offen über Herausforderungen zu sprechen.
  • Aktives Zuhören fördern: Betone die Bedeutung des aktiven Zuhörens, um sicherzustellen, dass alle Stimmen im Team gehört werden. Es hat sich bspw. als hilfreich erwiesen, wenn jedes Teammitglied unabhängig von der Hierarchie in Teamsitzungen die gleiche Redezeit hat.
  • Klare Erwartungen setzen: Stelle sicher, dass alle Teammitglieder klare Erwartungen bezüglich ihrer Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ziele haben. Klar formulierte Ziele tragen dazu bei, Unsicherheiten zu reduzieren und das Vertrauen im Team zu stärken.

Indem diese Prinzipien gelebt werden, kann psychologische Sicherheit im Team gesteigert werden, was wiederum zu einem offenen, kollaborativen und innovativen Arbeitsumfeld und damit übergreifend zu einer höheren Verbindlichkeit in der Erledigung von Aufgaben führt.

Steigerung der Verbindlichkeit im Team – tl;dr

Wieder ganz schön lang geworden. Aber Du siehst:

Die Steigerung der Verbindlichkeit im Team ist einerseits voraussetzungsreich. So braucht es funktional gestaltete Strukturen, damit Zusammenarbeit überhaupt funktionieren kann. Dies sind a) gemeinsame Ziele, b) klare Zuständigkeiten und c) definierte Prozesse. Jedoch reicht die Gestaltung der Basics guter Zusammenarbeit nicht aus, um alle Aufgaben in komplexen Settings verbindlich bearbeitet zu bekommen. Hier kommt d) die Promise Theory ins Spiel: Durch für alle einsehbare Versprechen an die Teammitglieder, eine Aufgabe in einer bestimmten Art und Weise bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfüllen (oder eben auch nicht), erhöht sich der soziale Druck: Wer will schon Versprechen brechen? Voraussetzung aber für die Promise Theory ist wiederum e) psychologische Sicherheit im Team – es muss bspw. akzeptiert sein, Anfragen auch ablehnen zu können, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen.

Andererseits reicht es jedoch häufig, die Basics der Gestaltung guter Zusammenarbeit – Ziele, Zuständigkeiten und Prozesse (vgl. bspw. das GRPI-Modell) – zu gestalten, um einen gewaltigen Schritt zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team und der eigenen Organisation voranzukommen.

Das wiederum ist kein Hexenwerk und sollte Fokus der Arbeit bspw. von Teamleitungen sein.

Quellen:

  • Gesmann, S., Merchel, J. (2019): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit: Handbuch für Studium und Praxis. Erste Aufl. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
  • Pukall, K. (2023): Selbstorganisation im Team. Wie gemeinsame Verantwortung für die Zusammenarbeit zu großartigen Ergebnissen führt. 1. Auflage 2023. Franz Vahlen.

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2 comments on “Fünf Wege zur Steigerung der Verbindlichkeit im Team

  1. Beate van Benthum am

    Lieber Hendrik,
    vielen Dank für diesen Beitrag. Er kam genau zur richtigen Zeit. Das Thema „Verbindlichkeit“ steht bei uns gerade im Focus. Nachdem es ein paar mehr oder weniger lustige Begebenheiten gab, haben wir im Team über unsere Erfahrungen gesprochen. Aus Fehlern lernen…. im Ansatz, also als Auftaktveranstaltung war das schon mal ganz gut und doch noch nicht so ganz rund, fand ich. Und nun kommt dein Artikel noch dazu! Da haben wir Glück gehabt, würde ich mal sagen 🙂
    Die Mandatsbeschreibung habe ich gleich mal ausgedruckt…. und jetzt geht es in die Umsetzung.
    Liebe Grüße aus Krefeld, Beate

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Liebe Beate,

      das freut mich sehr! Schön, dass Du den Beitrag nutzen kannst… Und es wurde mich sehr freuen, von deinen Erfahrungen zu hören…

      Liebe Grüße

      Hendrik

      Antworten

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