Wir brauchen viel mehr Kindergarten!

"Das ist hier wie im Kindergarten!" oder "Die Führungskräfte verhalten sich wie im Kindergarten!" oder "Was für ein Kindergarten!" Solche Sätze kennst Du, oder? Kindergarten und Organisation stehen irgendwie im Widerspruch, so scheint es. Aber meine These hier lautet: Wir brauchen viel mehr Arbeit und Organisationen, in denen es wie im Kindergarten zugeht, denn zeitgemäße "New Work Organisationen" funktionieren genau so!
Kindergarten

Inhalt:

Ja, wir brauchen auch viel mehr Kindergärten! Aber darum geht es mir hier nicht. Wir brauchen viel mehr Kindergarten! Mir geht es darum, dass ich immer wieder über die Vergleiche der Arbeitswelt mit Kindergärten höre, lese und diese selbst verwende:

„Das ist hier wie im Kindergarten!“ oder „Die Führungskräfte verhalten sich wie im Kindergarten!“ oder „Was für ein Kindergarten!“

Kennen Sie, oder?

Hier ist ein genauerer Blick aufschlussreich. Diesen Blick will ich auf zwei Wegen wagen: Zunächst schaue ich auf die oben angesprochenen Bereiche, wann in Organisationen der Ausspruch „wie im Kindergarten“ verwendet wird. Daran anschließend nehme ich die Realität in Kindergärten in den Blick: Was passiert dort eigentlich wirklich? Dabei begründe ich die These, dass wir dringend mehr Kindergarten in unseren Unternehmen brauchen, aus verschiedenen Sichtweisen.

Part I: Der Blick in die Organisationen

Die eigene Arbeit „ist doch wie im Kindergarten!“

Dieser Ausspruch taucht dann auf, wenn man das Gefühl hat, mit der eigenen Arbeit unterfordert zu sein oder zu glauben, mit der eigenen Arbeit unterfordert zu sein. Die von oben (von wo sonst) vorgegebenen Aufgaben entsprechen nicht dem subjektiv empfundenen „Niveau“ oder Kompetenzlevel, das man für sich einnimmt.

Die Kolleg*innen verhalten sich „wie im Kindergarten!“

Damit ist insbesondere angesprochen, dass man sich selbst in der Konstellation des Teams nicht so einbringen kann, wie man es sich wünschen würde. Teamkonflikte werden nicht wirklich geklärt. Die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern ist schwierig, nicht vorhersagbar, irgendwie gestört. Das kann natürlich nicht an einem selbst, sondern nur an den Kolleg*innen liegen.

Der oder die Chef*in verhält sich „wie im Kindergarten!“

Damit kann entweder gemeint sein, dass die von der Führungskraft ausgehenden Arbeitsanweisungen mit der Realität nicht viel zu tun haben und somit komplett an dieser vorbeigehen. Die Chefin hat (wieder mal) keine Ahnung. Oder es ist gemeint, dass die Aufgabe zu schwer oder zu leicht ist, um wahrgenommen und gut ausgeführt zu werden.

Zusammenfassend zeigt diese etwas holzschnittartige Betrachtung der Feststellung, wann es in den Organisationen „wie im Kindergarten“ abläuft, dass es vornehmlich darum geht, die Unfähigkeit der anderen in den Vordergrund zu rücken. Ich bin gespannt, ob Sie auch noch Beispiele liefern können, wann es bei Ihnen „wie im Kindergarten“ abläuft.

Part II: Wie ist es denn jetzt im Kindergarten

Nach drei Kindern und einem Studium der Sozialpädagogik wage ich behaupten zu können, Kindergärten zumindest ansatzweise beschreiben zu können. Wichtig ist jedoch, hervorzuheben, dass jeder Kindergarten sehr individuell arbeitet und die folgenden Ausführungen damit wiederum nur eine Rahmung bieten können, die aber hoffentlich zur Orientierung beitragen kann. Praktisch erlebt habe ich bei den drei Kids übrigens bisher vier verschiedene Kindergärten und drei verschiedene Kitas.

Wertorientierung

Nach welchen Werten würden Sie ihr Kind erziehen? Oder: Nach welchen Werten erziehen Sie ihr Kind? Da fällt Ihnen sicherlich etwas ein. Für mich sind es Werte wie Freiheit, Selbstverantwortung, Mut, Optimismus, Individualität… Und wenn man die Werte, wie Eltern ihre Kinder gerne erziehen würden, nebeneinander legt, kommt man schnell zu dem Schluss: Das sind exakt die Werte, die auch Organisationen für ihre Mitarbeiter*innen erreichen wollen. Jedoch wird in den Kindergärten wirklich Wert auf diese Werte gelegt: Dinge probieren, versuchen, experimentieren. Fehlerkultur auf Top-Niveau!

Nirgends ist die Komplexität höher

Wenn man Ausführungen zur Zukunft der Arbeit liest, findet sich spätestens nach zwei Sätzen der Ausspruch gestiegener Komplexität, die zur Notwendigkeit führt, unsere Organisationen anders zu gestalten (agil, evolutionär, New Work Style, wie auch immer). Und der Blick auf eine ca. 20 Kinder umfassende Kindergartengruppe zeigt genau, was Komplexität ausmacht: Sie können versuchen, alle Kids zum Tanz zu animieren. Dies kann auch gelingen, muss aber nicht. Und morgen sieht die Welt komplett anders aus, weil sich der kleine Klaus mit Fritzchen geprügelt hat. Immer anders, nie gleich! Die Interventionen des Personals sind – hoffentlich – nie kausal angelegt (wenn dies, dann das).

Nirgends steht selbstverantwortliches Lernen und Entwicklung so sehr im Zentrum

Ja, Schule, klar. Aber ich meine echtes Lernen. Lernen, so, wie es passiert, wenn Sie von etwas nicht mehr die Finger lassen können: Wenn Sie ein Buch nicht mehr aus der Hand legen, das Instrument nicht mehr weglegen, den Flow nicht mehr besiegen können. Mein Sohnemann steht am Wochenende morgens freiwillig um 07.00 Uhr auf um zu – ja genau – spielen! Das, was er die ganze Woche schon gemacht hat, von morgens bis abends. Seine Burn-Out Anzeichen halten sich mehr als in Grenzen und seine Entwicklung ist enorm (Laufen, Sprechen, Malen, Basteln…). Und das passiert im Kindergarten immer: Empowerment, verstanden als Persönlichkeitsentwicklung. Und welches Unternehmen würde sich danach nicht gerne die Finger lecken?

Agiles Arbeiten par excellence

Na, zumindest fast. Aber wenn ich bei Workshops mit Mitarbeiter*innen erzähle, wie agile Methoden funktionieren, kommt relativ schnell der Satz: Ja, so arbeiten wir doch auch, aber wir nennen es nicht so komisch. Kanban-Board – Pinnwand! StandUp – Kaffeerunde! Retro – Teamsitzung! Der Eingangssatz dieses Absatzes fokussiert darauf, dass ich überzeugt davon bin, dass es an der Art der Zusammenarbeit, am Wissen über Methoden selbstorganisierter Zusammenarbeit, fehlt. Hier gilt es im Sozialbereich insgesamt nachzusteuern. Aber die Grundanlagen moderner, selbstorganisierter Arbeit, sind vollumfänglich gegeben.

Ich könnte noch weitermachen: Das Thema Führung bspw. ist in Kindergärten hoch spannend: Auf Seiten der Erzieher*innen zeigt sich leider oft ein „traditionelles“ Führungsverständnis (formale Führung), wohingegen uns die Kids zeigen, wie natürlich Hierarchien aussehen können: Der, der am Besten klettert kann weniger gut malen und diejenige mit den besten Spielideen kann sich vielleicht noch nicht die Schleife binden. Führung wird damit zu einer Rolle, die je nach Situation und Setting von jemand anderem ausgeübt werden kann. Spannend ist, dass die Kids immer wieder nach einem Chef rufen. Aber ist dies der Chef, den wir in Organisationen wirklich wollen?

Fazit, oder: Wir brauchen mehr Kindergarten

Sie können einmal die obigen Ausführungen mit den Ausführungen zu unserer VUCA-Welt abgleichen: Volatilität, Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität finden sich in Kindergärten als normaler Alltag. Das ist nichts besonderes, worüber es sich zu sprechen lohnt. Oder sollten wir vielleicht vielmehr anfangen, genau darüber zu sprechen?

Ein anderer Blick lohnt sich auf die New Work Charta von Markus Väth. Diese fokussiert auf fünf Bereiche, Werte oder Prinzipien, die ein „New Work Unternehmen“ ausmachen. Ohne lange zu überlegen lassen sich viele der angeführten Aspekte auf Kindergärten übertragen.

Und nicht umsonst bin ich unterwegs mit der These, dass soziale Organisationen die perfekten New Work Organisationen sind.

In diesem Sinne: Lassen Sie mehr Kindergarten zu!


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7 comments on “Wir brauchen viel mehr Kindergarten!

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