Übergreifendes Social Marketing, oder: Warum gibt es so wenig geile Geschichten der Sozialen Arbeit?

Inhalt:

Ich bin gerade auf dem Rückweg aus Berlin. Hip und cool und alles, was einem dazu so spontan einfällt. Da sitzen coole Jungs und mindestens ebenso coole Mädels in abgerockten, aber ziemlich stylischen „Büroräumen“, die maximal als im Entstehen befindlich bezeichnet werden könnten. In Freiburg wäre die Bauaufsicht gekommen und hätte die Räumlichkeiten schon längst dicht gemacht, wahrscheinlich wegen Brandschutzmängeln und überhaupt, wie sieht das denn aus?

Des geht hier net!

Doch das geht! Und zwar richtig gut. So versuchen die Jungs und Mädels aus einer völlig anderen als der uns „im Sozialwesen“ bekannten Warte heraus, gute Arbeit zu leisten. Auf neuen, innovativen Wegen, mehr oder weniger „erfolgreich“, wobei schon fraglich ist, was unter „Erfolg“ zu verstehen ist.

Den „Impact“ mit der Reichweite der Homepage nachzuweisen ist in der Sozialen Arbeit nicht unbedingt gängig (unabhängig davon, dass es auch nicht viel Sinn macht).

Ich bin nachdenklich.

Warum gelingt es diesen jungen (oder zumindest so wirkenden), motivierten, engagierten Menschen, das was sie tun, so gut nach außen zu verkaufen?

Ja, es ist klar, dass die „wirkliche Wirkung“ der sogenannten „Social Entrepreneurs“ – gemessen nicht an den Zugriffszahlen auf irgendwelche Homepages sondern am direkten Erreichen von Menschen – verglichen mit der „etablierten Sozialwirtschaft“ verschwindend gering ist.

Darum geht es mir aber gar nicht, oder irgendwie doch.

Ich würde mich jetzt einmal als „internetaffin“ bezeichnen. Ich bin in diesem von Angie als Neuland bezeichneten Internet jetzt schon einige Jahre unterwegs, mit unterschiedlichen Interessen. Ich will auch gar nicht mehr raus. Das bringt mir manchmal ziemlichen Stress mit meinen engsten MitbewohnerInnen ein, aber das nur am Rande.

Spannend ist, dass Geschichten über „erfolgreiche Soziale Arbeit“ in diesem Internet und in den Medien überhaupt kaum zu finden sind.

Horrorgeschichten finden sich immer mal wieder: Kind hier tot, Jugendamt versagt! Wer ist verantwortlich?

Aber gute Geschichten über die Soziale Arbeit? Geschichten, die erzählen, welche Wege man gegangen ist, wie man wo wem geholfen hat, welche Herausforderungen damit auch einhergehen, wo Scheitern unvermeidlich war, wo es aber eben auch zu „geilen“ Ergebnissen gekommen ist?

Wenn ihr welche habt, immer her damit!!!

Vielmehr wird – wenn man sich ein wenig mit Medien und der Frage der Sozialen Arbeit darin beschäftigt – deutlich, dass es eine grundlegende Skepsis der Sozialarbeiter gibt, sich diesen Medien in angemessener Art und Weise zu stellen:

Auf die Nachfrage in einer großen, fachspezifischen Facebook-Gruppe, warum sich Sozialarbeiter so schwer mit dem Kontakt zu Journalisten tun, kommt eine ellenlange Liste von Antworten zu ethischen Fragestellungen, zum Schutz der Klienten, zu Ressourcenproblemen, zu Problemen in der Vorbereitung und in allem möglichen.

Aber einfach mal aufstehen und die geilen Geschichten nach außen tragen?

Traut sich keiner?

Ja, ja, ich weiß! Ich denke schon wieder viel zu einfach, viel zu pragmatisch für unsere komplexe Sozialwirtschaft. Der einzelne Mensch kann ja gar nicht – und schon gar nicht von der Presse oder den Jungs im Internet (und Mädels) – umfänglich wahrgenommen werden und so weiter und so fort…

Alles richtig!

Aber die Geschichte von dem syrischen Flüchtlingsjungen, der mal eben so, ohne Training, einen Marathon in seiner Altersklasse gewinnt, nicht nach außen zu tragen – trotz aller Schwierigkeiten – erachte ich als fahrlässig.

Damit entgehen uns als „Sozialwesen“ Chancen, die nicht bezahlbar sind.

Die auch nicht bezahlt werden müssen. Die aber deutlich zeigen, dass die Arbeit mit den Menschen sinnvoll ist, Spaß machen kann, geil ist, Sinn und Erfüllung liefern kann.

Ja, da redet er, der Sesselpupser! Im ICE von Berlin nach Freiburg! Dekadent noch dazu, weil er sich gerade einen Milchkaffee bestellt hat im Boardrestaurant. Und spinnt vor sich hin.

Aber mal ehrlich:

Warum schaffen wir es nicht, die zu großen Teilen wirklich enorm gute Arbeit besser nach außen darzustellen? Warum muss man nach „geilen Storys“ der Sozialen Arbeit so lange suchen? Wo liegen die Hürden in einem „Social Marketing“, dass sich nicht auf die einzelne Organisation beschränkt sondern die Profession als Ganzes umfasst? Wo finden sich die Erfolgsstorys von Sozialarbeitern, die Großartiges geleistet haben? Die „Steve Jobs“ der Sozialen Arbeit, die als Vorbild dienen können? Wo finden sich die Geschichten über neue, innovative Wege, Herausforderungen, auch schwierige Wege und Scheitern?

Sicher nicht in der Bild, und das ist auch gut so.

Aber wo bitte dann?


Empfehlenswert zur Frage von Sozialer Arbeit und Journalismus übrigens der Blog von Rebecca Sommer. Einfach hier klicken.

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9 comments on “Übergreifendes Social Marketing, oder: Warum gibt es so wenig geile Geschichten der Sozialen Arbeit?

  1. Lydia am

    Hi Hendrik, die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Es sind jetzt zwar durch die Flüchtlingskrise einige „inspirational stories“ in den sozialen Medien im Umlauf, aber die betreffen eher Freiwillige oder Aktionen wie das kostenlose Haareschneiden für Flüchtlinge, die professionell erzählt sind. https://www.youtube.com/watch?v=DZlVVyJQFOk Aber warum hört man so wenig von den Leuten, die seit Jahren professionell mit Flüchtlingen arbeiten? Die müssten doch dazu viel mehr und im Zweifel Qualifizierteres zu sagen haben? Vielleicht greife ich das Thema mal bei Büronymus auf. Kann ich mich dann mal bei Dir melden?

    Antworten
    • Hendrik Epe am

      Hey,

      das kannst du natürlich gerne tun!

      Und ich gebe Dir recht: Meist schreiben (irgendwelche) Journalisten (nicht immer schlechte) Stories, die sich gut „verkaufen“ lassen. Aber gute Geschichten von Professionellen sind wirklich rar, leider…

      Bin gespannt und freu mich 😉

      Hendrik

      Antworten
  2. callacake am

    Hi, habe mir gerade Deinen Artikel durchgelesen. Ich muss wirklich zustimmen. Es gibt leider viel zu wenig gute Geschichten. Nun gibt es doch Marketingberater mit super klasse Kontakten ohne Ende. Social Working wird auch immer populärer. Vielleicht sollte sich einfach mal jemand die Arbeit machen – wenn auch kostenlos – und hier einige gute Artikel schreiben und diese, so würde ich vorschlagen, zielgruppengerecht in der Tagespresse abdrucken. Ob Sozialarbeiter einen Mehrwert vom Netz haben??? keine Ahnung. Leider sind wir offensichtlich auch in einer Gesellschaft angekommen, in der man mehr Geld mit schlechten Nachrichten verdienen kann als mit guten. Wenn ich hingegen manche Success Stories irgendwelcher Agenturen a la Selbstbeweihräucherung lese, wirds mir fast schlecht. Aber gut, das ist ja ein anderes Thema… Liebe Grüße J.

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    • Hendrik Epe am

      Hey, danke für die Deine Worte. Ob jedoch „Social Working“ immer populärer wird, ist fraglich. Vielleicht steigt das Bewusstsein für Soziale Themen, aber professionelle Soziale Arbeit kämpft dann doch mit vielen Problemen. Das ist aber wiederum ebenfalls ein anderes Thema… Somit: Hab einen tollen Freitag und noch einmal Danke! Hendrik

      Antworten

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