Wie geht #NewWork? Und:
Lässt sich das bei uns, in unserer Organisation, mit unseren Mitarbeitenden, überhaupt umsetzen?
Haben Sie sich die Fragen auch mal gestellt? Und geht Ihnen das theoretische Geschwurbel auch irgendwie auf den Keks?
Zwischen Utopie und Urlaubsantrag
Ja, diese #NewWork-Kiste ist eine gute Ideen einer schönen, ggf. fernen, Utopie. Aber lehrt uns die Realität nicht, dass die Mitarbeitenden nur froh sind, dass die richtige Person den Urlaubsantrag unterschreibt und um 17 Uhr Feierabend ist?
Ich habe in den letzten Wochen und Monaten festgestellt, dass sich mein Fokus hier im Blog auf die eher theoretischen Aspekte von New Work verschoben hat. Auslöser war sicherlich das Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ von Fritjof Bergmann und der (auch) daraus resultierende Beitrag zum elitären Scheiß.
Nicht mehr „Wie geht #NewWork“?“ stand im Vordergrund, sondern eher „Was ist #NewWork und welche Auswirkungen hat dies auf uns als Gesellschaft?“
Die Realität in den Organisationen
Diese zweite Frage ist relevant. Diese zweite Frage ist jedoch oftmals so weit entfernt von der Realität in den Organisationen, auch und explizit in den Organisationen der Sozialwirtschaft, dass mir diese theoretische Auseinandersetzung selbst zunehmend schwerer gefallen ist. Und:
Ich kann mich wissenschaftlich wunderbar mit der Theorie beschäftigen, brauche aber irgendwann den Punkt, wieder zurück zur Umsetzung, zur Praxis zu kommen. Oder kurz:
Praxis ohne Theorie leistet immer noch mehr als Theorie ohne Praxis. (Quintilian)
Drei Wege zu (mehr) New Work
Ich will Ihnen in diesem Beitrag (und in immer wieder folgenden Beiträgen) erprobte Ideen vorstellen, wie Ansätze eines Neuen Arbeitens schnell, einfach, kostengünstig und praxiserprobt auch in Organisationen der Sozialwirtschaft umgesetzt werden können.
Der Beitrag lehnt sich übrigens eng an einen lesenswerten, von Bastian Wilkat verfassten Artikel an.
Idee 1: Mittagspause
Bastian schreibt:
„Ab einer bestimmten Größe entstehen soziale Inseln in Unternehmen. Jeder werkelt vor sich hin. Man kennt seine engen Kollegen. Die anderen grüßt man mal kurz in der Kaffeeküche. Durch den Wissenshunger entsteht ein lockerer fachlicher Austausch mit Personen, die man noch nicht so gut kennt.“
Die Umsetzung in der Mittagspause erscheint mir eine wunderbare Idee der Umsetzung des „kollaborativen Lernens“. Konkret: Jemand stellt seinen Bereich, ein Thema, ein neues Projekt kurz vor, es gibt eine (kurze) Diskussion dazu, und alle sind auf dem neuesten Stand.
Die Umsetzung in der Mittagspause erscheint mir jedoch ziemlich schwierig, wenn man an die Arbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft betrachtet. Bspw. ist es in der stationären Jugendhilfe oftmals so, dass eine gemeinsame Mittagspause nicht stattfindet, da der Pädagoge allein auf der Gruppe ist und froh sein kann, überhaupt eine Mittagspause zu haben. Gleiches gilt bspw. für Mitarbeitende im ASD, die oftmals allein unterwegs sind.
Aber wäre es nicht möglich, einmal im Monat die gemeinsame Teamsitzung anders, neu, offener zu gestalten, um damit zu einem „Lernen für alle“ zu gelangen?
Mir ist es wichtig, hier zu betonen, dass es nicht um die einzelnen Fälle gehen sollte. Dafür ist die Fallsupervision deutlich besser geeignet. Spannender, und deutlich produktiver, sind Erfahrungen, Hobbys, Interessen der Mitarbeitenden, die zwar irgendwie privat sind, aber gleichzeitig einen positiven Input auf die Arbeit haben könnten. Denkbar wäre z.B., dass sich ein Mitarbeiter mit der Erstellung von Websites befasst. Wie geht das? Warum tut er das? Wo wären Anknüpfungspunkte für die Nutzerinnen im Jugendtreff? Ein etwas einfaches Beispiel, das aber deutlich macht, wie die Denkrichtung liegen sollte.
Idee 2: Social Innovation Night
Ich biete die Social Innovation Night im Herbst 2017 zum dritten Mal an und werde immer wieder gefragt, was denn die eigentliche Absicht, das Ziel hinter dem Format ist.
Ehrlich gesagt kann ich nur sagen, dass es super spannend ist, Menschen unterschiedlicher Organisationen zu unterschiedlichen Themen in einem etwas anderen Setting zusammenzubringen und dadurch Diskussionen und Vernetzung entstehen zu lassen. Es gibt kein – wie es in klassischen Veranstaltungen üblich ist – Oberthema. Und was sich entwickelt ist Austausch auf Augenhöhe, nachfragen, diskutieren, hinterfragen.
Gerade für mittlere und größere Organisationen ist es möglich, dieses „einfache“ Format bspw. einmal jährlich oder halbjährlich entweder organisationsintern oder auch unter Einbezug organisationsexterner Partner durchzuführen. Es werden Abteilungsgrenzen überwunden, es werden Lernmöglichkeiten auch über die eigene Organisation hinaus geschaffen. Und eine wesentliche Voraussetzung für innovationsfähige Organisationen ist die Nutzung der Stakeholder sowie der Netzwerke der Organisation.
Idee 3: Barcamps innerhalb der Organisation
In einem sehr lesenswerten und vor allem detaillierten Beitrag erläutert Dejan Mihajlovic, wie er die Veranstaltungsform „Barcamp“ für den pädagogischen Tag seiner Schule nutzt. Er schreibt im Rückblick:
„Es war großartig. Etwa ein Drittel des Kollegiums bot thematisch sehr unterschiedliche Session-Vorschläge, (…), an und füllte die drei (geplanten) Räume alle vier Slots.“
Jeder, der schon mal ein Barcamp besucht hat, kann sehr wahrscheinlich von der sehr besonderen Stimmung berichten, wenn es darum geht, Beiträge zu finden, zu diskutieren und sich auszutauschen. Der Satz „Es hat sich gelohnt, den Kontrollverlust zu wagen.“ bringt es auf den Punkt: Die vermeintliche Kontrolle über Themen, Gesprächsverläufe, Hierarchien aufzugeben, bringt Dinge ins Rollen, die es sonst nie ans Tageslicht geschafft hätten.
Für alle, die einmal live erleben wollen, wie ein Barcamp abläuft, sei das „Barcamp Soziale Arbeit“ empfohlen, das am 28./29. August 2017 in Bonn stattfindet. Ich kann dieses Jahr aller Voraussicht nach nicht teilnehmen. Das ist schmerzlich, da (auch) ich beim letzten Barcamp beeindruckt war von den Diskussionen, Möglichkeiten und der offenen Atmosphäre.
Kontrollverlust wagen
Und das ist jetzt New Work? Nein, natürlich nicht, und:
Ja, natürlich.
Solange eine Definition von New Work in Organisationen noch aussteht (und das wird wohl – hoffentlich – so bleiben) ist New Work für mich das Loslassen von bislang gültigen Regeln, Praktiken und organisationalen Routinen.
New Work ist (auch) das Wagnis, sich auf Unsicherheit einzulassen und damit einhergehend die Kontrolle aufzugeben.
Es lohnt sich, selber zu experimentieren, wie Ihre Organisation neue Wege gehen kann. Das ist insofern wichtig, als das weggefallene Routinen durch neue, andere Werte und Prinzipien ersetzt werden müssen, eben neue Wege.
Es wird sich etwas in Ihrer Organisation verändern. Mitarbeiter werden näher zusammen- oder weiter auseinanderrücken. Experimente werden scheitern. Experimente werden gelingen.
Durch die vorgeschlagenen Wege und Möglichkeiten werden Sie zusammen lernen und – voneinander – profitieren.
Noch einmal:
[Tweet „Es lohnt sich, den Kontrollverlust zu wagen.“]
Wie sieht es bei Ihnen aus:
Führen Sie entsprechende Formate durch? Haben Sie Erfahrungen sammeln könne, vielleicht auch Hindernisse und Probleme? lassen Sie uns in einen Austausch dazu treten, wie #NewWork auch in Organisationen der Sozialwirtschaft lebendig werden kann.
Ähnliche Beiträge:
- Podcast: Ist eine agile Organisation krisenfester? „Ich hoffe, dass jede Organisation in einen gemeinsamen Reflexionsprozess kommt....
- Sieben Gründe, warum Barcamps wichtig für die Entwicklung sozialer Organisationen sind Barcamps sind nichts Neues. Und trotzdem will ich hiermit darauf...
- Effectuation, oder: Wie man erfolgreiche Projekte umsetzt! Ich erwische mich oft dabei, dass ich tolle Ideen habe....
- Resonanz, Exnovation und Kooperation, oder: Das Ende des Business as usual für die Zukunft der Sozialwirtschaft Soziale Arbeit hat sich viel vorgenommen! Es stellt sich die...