Mitarbeitergespräche in der Krise – muss das?

Mitarbeitergespräche

Inhalt:

Zum Thema Mitarbeitergespräche bin ich persönlich zwiegespalten.

Auf der einen Seite ist es irgendwie sehr befremdlich, einmal im Jahr mit seinen Vorgesetzten zu sprechen und basierend auf diesem Gespräch zu überlegen, wie es das nächste Jahr weitergehen soll.

Mitarbeitergespräche in der Krise

Aus dieser Perspektive sind Mitarbeitergespräche in der Krise:

Sie erinnern an die Strategie des Unternehmens, die alle 5 Jahre festgelegt wird: Innerhalb der 5 Jahre passiert soviel Unvorhergesehenes wie in den 365 Tagen im Leben einer Mitarbeiterin.

Ich finde immer noch den Vergleich mit zu Hause recht passend: Ich weiß nicht, wer von Euch mit seinem Partner ein „Partnergespräch“ führt? Darin ließen sich doch super die Ziele für das kommende Jahr festlegen und anhand der festgelegten Ziele bewerten, wie die Partnerin das Jahr über so performt hat? Oder das Gleiche mit den Kinder:

Die Anwendung bspw. der folgenden „12 Fragen für geniale Mitarbeitergespräche“ auf die Kids, am besten Teenager, macht richtig Laune:

  1. Was motiviert dich?
  2. Was ist dein größter Wunsch an mich als Chef/Führungskraft (hier musst Du immer Mama/Papa/Oma/Opa etc. einfügen)?
  3. Wenn es eine Sache gibt, die du zukünftig unbedingt übernehmen möchtest, welche wäre das? Vielleicht den Müll?
  4. Wenn es eine Sache gibt, die du zukünftig keinesfalls mehr machen möchtest, welche wäre das? Vielleicht den Müll?
  5. Hast du Stärken, die ungenutzt bleiben? Wie könntest du sie einbringen? Snapchat? TikTok?
  6. Woran möchtest du bei dir selbst gerne arbeiten?
  7. Was gefällt dir im Unternehmen (aka Familie) am besten?
  8. Was fehlt dir im Unternehmen am meisten?
  9. Was lässt sich an deinem Arbeitsplatz (aka Bett) konkret verbessern?
  10. Was muss passieren, damit du noch lange für unser Unternehmen arbeitest? 😉
  11. Welche Maßnahme (egal welche) würdest du als erstes umsetzen, wenn du an meiner Stelle wärst?
  12. Welche Frage sollte ich dir bei unserem nächsten Gespräch unbedingt stellen (wieder stellen)?

Ich muss schmunzeln, wenn ich an K1, 14 Jahre, denke, aber genauso, wenn ich an den Sohnemann denke, der etwa alle 5 Minuten sein Leben infrage stellt und überlegt, ob denn jetzt Feuerwehrmann, SEK-Einsatz-Polizist oder doch besser Hochseeretter als Lebensperspektive in Frage kommt…

Und wenn ich dann noch Regel 1 der „6 Regeln für erfolgreiche Mitarbeitergespräche“ lese, wird mir schwummerig:

  • Jeder soll gewinnen!

Ja, sind wir denn im Krieg?

Komplexität gestalten

Ihr versteht das Problem:

Das einmalige Gespräch zur Festlegung von Zielen, Weiterbildungsbedarfen, Entwicklungsmöglichkeiten oder was auch immer, macht angesichts der Komplexität und Dynamik des Lebens insgesamt keinen Sinn. Und mit Blick auf Unternehmen und Organisationen aller Branchen macht es ebenfalls – eigentlich – wenig Sinn.

Mit dem Mitarbeitergespräch wird eine zweckrationale Organisationslogik unterstellt, die die Mitarbeiterin als Zahnrad im System sieht, das immer mal wieder ausgerichtet, geschmiert, geölt und festgeschraubt werden muss, damit der Karren weiterhin rund läuft.

Der Karren läuft aber plötzlich gar nicht mehr. Dazu musst Du dir einfach mal all die Zielvorgaben vorstellen, die gerade in den letzten drei Wochen aufgrund von Corona einfach komplett zusammengefallen sind…

Mitarbeitergespräche: Gerade in der Krise!

Aber, und damit kommen wir zu der anderen Seite der Mitarbeitergespräche und dem oben eingeschobenen „eigentlich“:

Die meisten von Euch bewegen sich nicht in den hochgradigst innovativsten, netzwerkartig strukturierten, auf Selbststeuerung und Ganzheitlichkeit basierenden und dem organisationalen Sinn, dem Purpose, folgenden, agilen Unternehmen, oder? Wer mag, darf widersprechen.

Wir bewegen uns vielmehr in klassischen Organisationen, formal-hierarchisch strukturiert, mit Vorgesetzten und Weisungsbefugten. Das ist OK und daran will ich (hier und jetzt zumindest 😉 auch gar nicht rütteln.

Mit Blick auf die Mitarbeitergespräche will ich vielmehr darauf hinweisen, dass diese – wenn sie denn schon als ein Führungsinstrument genutzt werden – auch und gerade in der Krise durchgeführt werden sollten.

Denn gerade in der Krise – ob Corona oder welche Krise auch immer – schwindet verständlicherweise die Sicherheit der Menschen im Unternehmen:

  • Wie soll es weitergehen?
  • Ist mein Arbeitsplatz sicher?
  • Wie steht es um das Gesamtunternehmen?
  • Was kann ich dazu beitragen, dass wir den Karren aus dem Dreck bekommen?
  • Gibt es einen Plan B, C oder D und wie sieht der aus?
  • usw.

Logisch haben auch und gerade die Führungskräfte in der Krise alle Hände voll zu tun. Aber vielleicht ist es hilfreich, gerade in der Krise einen Schritt zurück zu treten, demütig auf die Leistungen der Menschen im Unternehmen zu schauen und die Mitarbeiter* innen viel weniger operativ zu unterstützen, als ihnen emotional und dienend zur Seite zu stehen.

Solidarität und Kooperation unterstützen

Denn – und das zeigen gerade ganz viele tolle Beispiele – die Krise führt zu enormer Solidarität den Menschen und – hoffentlich auch – dem Unternehmen gegenüber. Solidarität und Kooperation rücken in den Vordergrund. Und – wie es Thomas Mampel in dem Gespräch hier so passend ausführt – rücken die im Unternehmen gelebten Werte in den Vordergrund. Die Krise wirkt wie ein Filter, der alles im Unternehmen – das Positive wie Negative – sehr scharf zeichnet und deutlich macht.

Als Führungskraft an dieser Stelle den Mitarbeiter*innen zu vermitteln, dass es gerade Wichtigeres gibt als das schon lang terminierte Mitarbeitergespräch wirkt radikal kontraproduktiv.

Vielmehr macht es in dieser Situation Sinn, nicht im Weg zu stehen und die Arbeit durch Kontrolle oder die Vorgabe von Arbeitszeiten im HomeOffice zu behindern, sondern Unterstützung zu bieten, Monitore für das Homeoffice und Brötchen für die Helfer*innen vor Ort zu liefern und eben Gespräche zu führen, wie es weitergehen kann.

Nutzt diese Chance!

P.S.: Mitarbeitergespräche lassen sich auch wunderbar online führen!

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