Ein Weg zu mehr Transparenz in Organisationen der Sozialwirtschaft

Transparenz ist ein leitendes Prinzip in der Gestaltung zeitgemäßer Organisationen. Warum und wie Transparenz gelingt, erfährst du hier.
Transparenz

Inhalt:

Wie lässt sich die Transparenz der Arbeit sozialer Organisationen steigern?

Diese Frage steht im Zentrum dieses Artikels. 

Der Artikel ist damit die logische Fortsetzung des Artikels zur Frage, warum Transparenz für Organisationen der Sozialwirtschaft so wichtig ist.

Der Unterschied zwischen interner und externer Transparenz

Um Maßnahmen zu entwickeln, die zu mehr Transparenz in Organisationen der Sozialwirtschaft führen, macht es Sinn, zwischen externer Transparenz und interner Transparenz zu unterscheiden.

Der Unterschied ist einfach:

Externe Transparenz betrifft alle Maßnahmen, die nach außen gerichtet sind. Kühl spricht in Bezug auf Organisationen auch von deren „Schauseite“.

Mit der Schauseite „bringt eine Organisation zum Ausdruck, wie sie gesehen werden will“. Im Vordergrund aller nach außen gerichteten Maßnahmen steht somit die Frage: Wie wollen wir als Organisation gesehen werden?

Interne Transparenz hingegen betrifft die Arbeit in der Organisation: Wie lassen sich Abläufe, Verfahren, Prozesse etc. so gestalten, dass diese transparent für alle beteiligten sind. Wie gesagt, es geht hier nicht um die Frage nach dem Warum! Diese Frage habe ich bereits ausführlich dargelegt.

Externe Transparenz

Die oben angesprochene Schauseite der Organisation war früher extrem einfach zu gestalten. Vor wenigen Jahren reichte es für Organisationen der Sozialwirtschaft noch aus, immer mal wieder in der Zeitung aufzutauchen, entweder als beigelegte Werbebroschüre oder – für Organisationen der Sozialwirtschaft natürlich deutlich wichtiger – im Rahmen von Geschichten über Sommerfeste, tolle Projekte etc. Es gab vielleicht noch Serienbriefe, die kurz vor Weihnachten an mögliche SpenderInnen versandt wurden.

Im Jahr 2016 ist das alles nicht mehr ganz so einfach. Neben dem, dass die Möglichkeiten der Kommunikation mit den Interessengruppen der Organisationen enorm gewachsen sind, sind auch die Ansprüche der Interessengruppen extrem gestiegen: Die Menschen wollen informiert werden! Die Menschen wollen wissen, was sich hinter den Mauern der Organisationen abspielt. Das kann man jetzt kritisieren, das kann man auch ablehnen, helfen tut es nicht: Es ist so!

Tue Gutes und rede darüber!

Für die Organisationen der Sozialwirtschaft bedeutet dies jedoch, dass sie sich Gedanken machen müssen, ob und wie sie ihre Schauseite gestalten wollen. Wie gesagt, die Möglichkeiten sind enorm.

Gleichzeitig kommt Christian Müller zu der bislang noch wenig optimistischen Einschätzung:

Er schreibt, dass in keinem Arbeitsbereich der Satz „Tue Gutes und rede darüber!“ so selbstverständlich sein sollte „wie im Sozialbereich. Denn fast alle Aufgaben und Tätigkeiten in diesem Bereich haben das Ziel, benachteiligte und hilfsbedürftige Menschen auf die eine oder andere Art zu unterstützten und ihnen ein möglichst selbstbestimmtes und erfülltes Leben – in manchen Fällen auch das Überleben – zu ermöglichen. Eine optimale Basis für Öffentlichkeitsarbeit, so scheint es. Doch der Schein trügt, denn der Sozialbereich hat ein massives Kommunikationsdefizit und eine mangelnde Öffentlichkeitsarbeit.“ Hier könnt Ihr den Beitrag komplett lesen.

Meine Empfehlung

Ich bin nicht der Number One Ansprechpartner für Kommunikationsstrategien, PR und Marketing von Sozialen Einrichtungen. Da gibt es Menschen da draußen, die dies viel besser können.

Meine Empfehlung in dem Fall, dass Sie auf der Suche nach einer professionellen Beratung für die Kommunikationsstrategie, ob online, offline, per Video oder whatever sind: Ganz klar, der oben schon zitierte Christian Müller von Sozial-PR!

Interne Transparenz

Spannender für mich ist die Frage der internen Transparenz.

So können – ohne die externen Notwendigkeiten zur Kommunikation in irgendeiner Weise abzuwerten – zwar tolle Broschüren gedruckt, tolle Artikel gepostet, tolle Flyer verteilt werden. Die Schauseite der Organisation glänzt wie eine Speckschwarte, glitzert und blinkt wie eine Bordelltüre, macht so richtig was her. Aber innen hat sich noch gar nichts bewegt. Organisationsintern ist offene Kommunikation ein No-Go. Dienstwege sind einzuhalten und auf Antworten von oben kann man schon mal ein paar Wochen warten.

Frust und Misstrauen

Für die Mitarbeitenden ist insbesondere dieses – natürlich mehr als überspitzt dargestellte – Vorgehen mehr als frustrierend. Da wird so getan, als ob die Organisation so richtig innovativ, so richtig modern, so richtig offen für Neues ist.

Und die tagtägliche Realität der Mitarbeitenden sieht genau gegenteilig aus. In der Organisation herrscht – wenn es gut läuft – eine Kultur des Schweigens. Wenn es schlecht läuft, herrscht eine Kultur der Intransparenz, des „Hinter dem Rücken reden“, Klatsch und Tratsch, mit den bekannten Effekten: vor allem mit einer Misstrauenskultur in der Organisation.

Menschenbild für Transparenz

Damit ist der erste, wichtigste und grundlegende Aspekt, wenn man sich auf den Weg zu mehr Transparenz in der eigenen Organisation machen will, die Gestaltung der Organisationskultur von einer Misstrauens- hin zu einer Vertrauenskultur.

Nur dann, wenn Vertrauen in der Organisation herrscht, kann Transparenz Sinn machen und ihr Potential entfalten.

Und damit haben wir ein echtes Problem: Organisationskultur lässt sich nicht gestalten!

Organisationskultur ergibt sich aus den Geschichten und Handlungen der Menschen, aus der Kommunikation der Menschen in der Organisation, ergibt sich aus den Strukturen und Prozessen der Organisation.

Damit bleibt es nur, die Strukturen und Prozesse der Organisation zu überdenken und zu transformieren. Und zwar in Richtung Offenheit, Transparenz und Selbstorganisation.

Noch einmal: Nur dann, wenn es intern möglich ist, offen zu kommunizieren, kann Transparenz gelebt werden.

Klingt alles einfach, ist es aber nicht.

So geht es primär um das vorherrschende Menschenbild, mit dem die Führung der Organisation „auf ihre Mitarbeitenden“ schaut. Solange wie Mitarbeitende als überwachungsbedürftige, mechanistische Aufgabenerfüller gesehen werden, kann noch so viel Umstrukturierung passieren: Die Mitarbeiterin bleiben überwachungsbedürftige, mechanistische Aufgabenerfüller.

Beispielhaft lässt sich die Frage nach dem bedingungslosen Grundeinkommen stellen: Solange Sie davon überzeugt sind, dass eine große Mehrheit der Menschen sich in die soziale Hängematte legen, wenn bedingungslos für deren Auskommen gesorgt ist, solange wird es auch nichts mit dem Blick auf Ihre Mitarbeitenden als autonom handelnde, selbstverantwortliche Menschen.

Damit erfordert Transparenz deutlich mehr, als einfach nur ein Intranet zu installieren oder „Innovationspreise“ auszuloben.

Es geht darum, Ihre ganz persönlichen, tief verankerten Glaubenssätze ebenso infrage zu stellen wie die tief verankerten Glaubenssätze Ihrer Organisation.

In dem oben verlinkten Beitrag listet Mark Poppenburg einige organisationale Glaubenssätze auf.

Nur ein Auszug daraus:

  • „Wenn Kollegen früher nach Hause gehen, sind sie faul.
  • Menschen leisten mehr, wenn man ihnen mehr Geld gibt.
  • Bei uns macht jeder nur Dienst nach Vorschrift. Nur wenige wollen Verantwortung übernehmen.
  • Die zur Wertschöpfung nötigen Aufwände sind verursachungsgerecht einer Quelle zurechenbar (Kostenstellendenken).
  • Die Zukunft ist planbar.
  • Maximale Effizienz bedeutet maximaler wirtschaftlicher Erfolg.
  • Das Top-Management muss in der Lage sein, das Unternehmen zu steuern.
  • Wenn es keine formale Hierarchie gibt, dann machen alle was sie wollen.
  • Jeder Sonderfall eines Wertschöpfungsprozesses kann antizipiert und im Prozesshandbuch abgebildet werden.
  • Regelmäßige Reportings sorgen dafür, dass die Entscheider informiert bleiben.“

Wie geht es Ihnen, wenn Sie diese Sätze lesen? Spontane Zustimmung? Dann sollten Sie – sofern Transparenz ein Thema für Sie ist oder werden soll – noch einmal darüber nachdenken.

Strukturen für mehr Transparenz 

Wenn Sie Transparenz in Ihrer Organisation jetzt aber tatsächlich als etwas Erstrebenswertes ansehen, stellt sich die Frage, wie die Organisationskultur verändert werden kann.

Wie oben schon angesprochen, geht dies aus einer systemischen Perspektive einzig durch die Veränderung der Prozesse und organisationalen Strukturen.

Stefan Kühl definiert Strukturen in Organisationen als die Umstände, die ermöglichen, „dass Entscheidungen keine einmaligen Ereignisse sind, sondern im Gegenteil dauerhaft Auswirkungen auf das Organisationsgeschehen haben.“

Er beschreibt die Ausbildung von Strukturen eindrücklich:

„Wenn zu Beginn alle Mitglieder des Unternehmens noch um den Küchentisch passen, scheint jeder mit jedem kommunizieren zu können. In solchen Start-ups entsteht häufig eine Arroganz gegenüber den alt eingesessenen Unternehmen, bei denen die rechte Hand häufig nicht mehr wisse, was die linke tue. Mit zunehmendem Wachstum verbringt die Organisation jedoch immer mehr Zeit damit, zu überlegen, wer weniger miteinander kommunizieren müsste: Wer muss bei einer Entscheidung nicht mehr informiert werden ? Welche E-Mails müssen nicht an alle verschickt werden? Welche Meetings müssen nicht mehr unter Beteiligung aller stattfinden ? So bilden sich häufig, ohne dass dies den Beteiligten bewusst ist, Kommunikationsbeschränkungen in Form von festgelegten Kommunikationswegen aus.“

Strukturen eben! 

Interessant ist, dass – gerade wenn von Agilität, New Work, Selbstorganisation oder mehr Transparenz die Rede ist – viele denken: „Keine Strukturen? Da bricht doch das völlige Chaos aus!“

Wie bei dem Feuer: Wenn dieses nicht in Grenzen gehalten wird, bricht es aus, wird unkontrollierbar, gefährlich!

Aber so ist es ganz und gar nicht. Genauso wie kein Alkohol, ist die vollständige Abschaffung der Strukturen auch keine Lösung.

Darum kann es also nicht gehen!

Vielmehr geht es darum, andere Strukturen zu schaffen, denn: Die Struktur gibt gerade in offeneren, auf Selbstorganisation setzenden Settings dem „Team Orientierung und Sicherheit und macht die höhere Komplexität der Zusammenarbeit überschau- und handhabbar.

Offenheit und Stabilität

Das Problem besteht aber tatsächlich darin, Organisationsstrukturen so zu gestalten, dass Offenheit ermöglicht wird, ohne die Stabilität der Organisation zu gefährden.

Ich behaupte, dass es Möglichkeiten gibt, die zu erledigende Arbeit nicht nur trotz der mit Blick auf Transparenz geforderten Offenheit erledigt zu bekommen, sondern vielmehr diese Aufgaben mit Transparenz und Offenheit sogar viel besser, effizienter und effektiver zu erledigen und dabei sogar noch Aspekte wie die Mitarbeiter- und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

Die eierlegende Wollmilchsau?

Kann das möglich sein?

Offenheit, Lebendigkeit, Arbeit erledigen, Mitarbeiterzufriedenheit, Sinn, Transparenz und Innovation in einem? Und das auch noch in Organisationen der Sozialwirtschaft?

Ja, ich bin davon überzeugt.

Und zwar haben sich in den letzten Jahren, im Zuge zunehmender Komplexität, Globalisierung und vor allem angetrieben durch die fortschreitende Digitalisierung neue Management-Frameworks herausgebildet, die dies nicht nur versprechen, sondern – richtig umgesetzt – auch ermöglichen.

Die Feststellung, dass wir so, wie wir bislang gearbeitet haben, nicht weitermachen können, verdeutlicht sich in diesen Ansätzen.

Laloux und Teal Organizations

Frederic Laloux beschreibt in seinem Buch „Reinventing Organizations“ den Weg hin zu einer auf Selbstorganisation, Ganzheitlichkeit und Sinn basierenden Organisation, die – so die von ihm untersuchten Beispiele – genau dies erreichen: Offenheit, Lebendigkeit, Arbeit erledigen, Mitarbeiterzufriedenheit, Sinn, Transparenz und Innovation!

Ohne an dieser Stelle auf die einzelnen Praktiken dieser Organisationen und die Übertragbarkeit auf Organisationen der Sozialwirtschaft einzugehen, empfehle ich dringend einen Blick in das Buch.

Agiles Management

Etwas handfester als die Ausführungen von Laloux, gleichzeitig aber ähnliche Werte und Prinzipien zugrundelegend, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit dem Konzept des agilen Managements.

Gerade aufgrund der Komplexität der Arbeit mit Menschen ist dieses Konzept aus meiner Perspektive enorm hilfreich, um Arbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft neu zu denken und zu strukturieren.

Auch hier ist es an dieser Stelle nicht angebracht, das Konzept vollständig (geht das überhaupt) zu beleuchten. Ich empfehle als Einstieg in die Thematik einen Blick in das Buch von Valentin Nowotny: „Agile Unternehmen – nur was sich bewegt, kann sich verbessern!“. Hier habe ich dazu eine Rezension geschrieben.

Ebenfalls spannend ist der Blick in den Blog „Agile Verwaltung“, da sich dieser mit agilem Management in Umfeldern auseinandersetzt, die – wie Organisationen der Sozialwirtschaft – nicht primär als „agil“, also lebendig, wendig oder schnell, angesehen werden.

Selbstorganisation als Kern von Transparenz in Organisationen der Sozialwirtschaft

Beide „Konzepte“ setzen aber als einen wesentlichen Bestandteil auf die Selbstorganisationsfähigkeiten der beteiligten Menschen.

Teams organisieren sich selbst, was vor allem im agilen Management im Zentrum steht. Oder, noch extremer, Menschen agieren selbstverantwortlich und organisieren sich selbst, wie bei Laloux beschrieben.

Selbstorganisation bedeutet, ganz kurz, dass Entscheidungen und Verantwortungen nicht mehr allein Aufgabe der Geschäftsführung, der Abteilungsleitung oder kurz Aufgabe des „Chefs“ sind, sondern alle Mitarbeitende in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. Andreas Zeuch spricht von „Unternehmensdemokratie“, Frederic Laloux sieht die Selbstorganisation – neben dem Sinn und der Ganzheitlichkeit – als ein wesentliches Prinzip zukunftsfähiger Organisationen. Näher dazu sind meine Gedanken hier nachzulesen.

Fazit:

So richtig greifbar war das jetzt aber nicht, oder?

Keine Tools und Methoden, die Ihre Organisation mal eben so nach innen (und außen) öffnet? Nichts, was mal eben so anwendbar ist? Also alles für die Katz?

Nein, natürlich nicht.

Es ist mir nur wichtig, zu verdeutlichen, dass

  1. Transparenz innerhalb der Organisation ein wirklich wichtiger Aspekt ist, wenn man Organisationen der Sozialwirtschaft erfolgreich in die Zukunft führen will, und
  2. Transparenz nicht mal eben so gefordert und von oben nach unten delegiert werden kann, sondern einen radikalen Wandel der Werte, Haltungen und Glaubenssätze, also des in der Organisation vorherrschenden Menschenbildes voraussetzt.

Kein leichtes Unterfangen, wirklich nicht.

Aber wenn Sie Ihre Organisation nach vorne bringen und zukunftsfähig aufstellen wollen, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Transparenz und damit Selbstorganisation ganz nach oben auf die Agenda zu setzen.

Umso absurder empfinde ich übrigens, die immer wieder festzustellende Tendenz, komplexe Arbeitsfelder durch „Zentralisierung“ wieder „kontrollierbar zu machen.

Das aber nur am Rande…

P.S.: Hört Ihr gerne Podcasts? Dann hört doch mal hier rein, explizit zum Thema Transparenz!

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