Agiles Projektmanagement in Organisationen der Sozialwirtschaft

Projektmanagement

Inhalt:

Ein kurzes Review zu meinem ersten Lehrauftrag

War was?

Ich bin hundemüde. Hinter mir liegt ein anstrengendes Wochenende. Zwei Tage Seminar mit Studierenden des Master-Studiengangs „Sozialmanagement“ an der EH Freiburg.

Der aufmerksame Leser wird sich denken: Was? Der hat doch gerade erst seinen Abschluss gemacht!  Ja, das ist richtig. Gleichzeitig war ich schon länger im Gespräch mit der Studiengangsleitung zur Frage, ob nicht ein Lehrauftrag drin wäre. Dazu hatte ich einfach mal Lust.

Das dann der Mensch, der zuvor das Seminar zum Thema Projektmanagement gehalten hat, aufgrund von Krankheit plötzlich ausgefallen ist, war reiner Zufall. Somit bin ich zu dem Lehrauftrag deutlich schneller gekommen, als gedacht.  Das hat jedoch impliziert, dass zwischen Zusage und Durchführung gerade einmal zwei Wochen lagen. Und ganz ehrlich: Das waren zwei Wochen intensiver Arbeit neben dem Leben und dem ganzen Rest.

So beschäftige ich mich zwar auch aus beruflichen Gründen mit Projekten unterschiedlicher Größe (als Beispiel ein Studiengang in Deutschland versus fünf Studiengänge in Saudi-Arabien, mit entsprechend unterschiedlich vielen eingebundenen Menschen).

Gleichzeitig ist Arbeit in Projekten jedoch etwas komplett anderes, als berufserfahrenen Menschen auf Master-Niveau Projektmanagement kompakt an einem Wochenende zu vermitteln. Und dann auch noch so, wie ich es für richtig halte 😉

Was ist?

Oder anders: Wie halte ich Projektmanagement denn für richtig? Und kann man Projektmanagement in Organisationen der Sozialwirtschaft überhaupt irgendwie halten? Kann man Projektmanagement insgesamt und dann noch spezifisch in Organisationen der Sozialwirtschaft anders denken und auch noch anders machen? Neu? Womöglich besser? Oder ist es nicht eigentlich klar, was darunter zu verstehen ist?

So lautete die erste Frage an die Studierenden natürlich: Was ist ein Projekt und was ist unter Projektmanagement zu verstehen? Die Antworten bewegten sich erwartungsgemäß zwischen den üblichen Verdächtigen: Phasen, Meilensteine, Projektleitung, Planung, Kontrolle, Kosten, Ressourcen etc.

Und das war dann auch mein Teil für Tag 1, also den kompletten Freitag nachmittag: Freitag als „klassischer Projektmanagementtag“!

Agiles Projektmanagement in Organisationen der Sozialwirtschaft

Den Samstag habe ich dann versucht, unter das Thema „Agiles Projektmanagement in Organisationen der Sozialwirtschaft“ zu stellen.

Oha! Agiles Projektmanagement in Organisationen der Sozialwirtschaft? Buzzwords aus anderen Branchen? Methoden und Tools aus der IT, die ja nun – auf den ersten Blick zumindest – so gar nichts mit Sozialer Arbeit zu tun hat?

Ich habe schon öfter betont, dass ich die Übernahme irgendwelcher Methoden aus anderen Branchen und die unhinterfragte Übertragung von Methoden und Denkweisen auf Organisationen der Sozialwirtschaft mehr als kritisch betrachte. Die dadurch hervorgerufenen Effekte sind überall spürbar. Schlagwörter wie die Ökonomisierung und Privatisierung sozialer Dienstleistungen sind jedem ein – zumindest vager – Begriff. Dokumentationspflichten aufgrund irgendwelcher Qualitätsmanagementanforderungen, Zertifizierungen durch Agenturen, die wenig mehr bringen als ein Loch im Budget und mit der eigentlichen Qualität sozialer Arbeit nur ganz wenig zu tun haben, sind ebenfalls jedem bekannt, der sich etwas länger in sozialen Organisationen aufhält.

Und dann will ich „agiles Projektmanagement“ auf Organisationen der Sozialwirtschaft übertragen? Noch dazu, wenn der Arbeitsbereich, in dem ich mich beruflich bewege, gefühlt alles andere als agil ist und ich mir mein Wissen über agiles Arbeiten bislang angelesen und allerhöchstens diskutiert habe?

Das ist schon ziemlich überheblich, oder?

Haltung, oder: Geht es um etwas anderes?

Wenn man sich die Entwicklungen agilen Arbeitens, agiler Softwareentwicklung und inzwischen zunehmend auch agilen Managements branchenübergreifend anschaut, wird ziemlich schnell deutlich, dass es zwar Methoden und Tools aus der IT- und Softwarenetwicklungsbranche sind, die unter dem Begriff der „Agilität“ gefasst werden.

Diese agilen Methoden und Tools unterliegen aber einer Denkweise, einer Haltung oder Werten, die aus meiner Perspektive  wunderbar unter dem Schlagwort „New Work“ gefasst werden können.

Gleichzeitig sind die Werte auch für eine neu zu denkende Grundhaltung mit Blick auf Organisationen der Sozialwirtschaft anwendbar.

Nur kurz der Blick auf das agile Manifest:

  • Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software vor umfassender Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung vor dem Befolgen eines Plans

Ein „Agiles Manifest Sozialwirtschaft“

Ganz klar: Bei dem agilen Manifest muss man ein wenig abwandeln, um dieses auf Organisationen der Sozialwirtschaft übertragen zu können. Aber dann wird ein Schuh für die Sozialwirtschaft draus!

Hier also mein „Agiles Manifest Sozialwirtschaft“ (ich muss selbst schmunzeln, bin aber auf Eure Rückmeldungen gespannt):

  • Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Methoden
  • Lösung von Problemen vor umfassender Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit Klienten/Kostenträgern vor Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung vor dem Befolgen eines Plans

Auch das agile Manifest betont, dass die jeweils zweitgenannten Punkte wichtig sind und damit nicht wegfallen können, das nur kurz. Jedem, der sich – als Fachkraft oder auf Leitungsebene – professionell in Organisationen der Sozialwirtschaft bewegt, wird einleuchten, dass aber eben diese zweitgenannten Aspekte oftmals überwiegen, also die Dokumentation über die Lösung von Problemen gestellt wird bzw. in der alltäglichen Arbeit gestellt werden muss usw.

Zusammenfassend geht es – wenn man sich dann weitergehend vertieft mit agilen Werten und der Herunterbrechung dieser Werte in agile Prinzipien befasst – wie schon oben betont, zuallererst um eine veränderte Haltung. Diese Haltung passt wunderbar auf die heutigen und zukünftigen Notwendigkeiten und Anforderungen der zunehmenden Komplexität sozialer Arbeit.

Und diese neue, andere Haltung zu vermitteln, war mir in den vergangenen zwei Tagen wichtig.

Was bleibt?

Oder anders gefragt: Was habe ich gelernt?

Ich habe eindeutig gelernt, dass mir die Durchführung solcher Seminare enorm Spaß macht. Ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Möglichkeiten, mein Wissen und meine Überlegungen, aber auch meine eigenen Erfahrungen zu Themen des agilen Managements, zu New Work, zu einer notwendigen Veränderung von Arbeit auch und gerade in Organisationen der Sozialwirtschaft weiterzugeben. Vielleicht lesen es ja auch die Studies aus dem Seminar: Es war richtig geil!

Gelernt habe ich weiter, dass die Diskussion enorm gewinnbringend war, für mich auf jeden Fall, und wenn ich die Rückmeldungen der Studierenden in meiner sozialarbeiterischen Empathie (spätestens hier lacht sich meine Frau tot) richtig deute, auch für die Studierenden.

Gelernt habe ich aber auch, dass meine Grundhaltung immer noch extrem geprägt ist von „altem Denken“, von Hierarchien, von Erlaubnis, von Dokumentation, von dem Befolgen eines Plans vor dem Reagieren auf Veränderungen.

Ganzheitlichkeit, Sinn und Selbstorganisation als Grundhaltungen einer neuen Art, Zusammenarbeit zu gestalten, nicht nur zu lernen, sondern zu leben, ist harte Arbeit, für mich persönlich und damit – so zumindest meine nicht unbegründete Annahme – auch und vor allem für Organisationen, die in den Strukturen auf den ersten Blick gefangen sind.

Hier herauszukommen, auszubrechen und neue Wege zu gehen, bedarf enormer Anstrengungen, weil man gegen den Strom schwimmt und sich somit immer wieder die Rübe anhaut, zwangsläufig.

Aber: Ich bin nicht nur überzeugt von dem Weg, weil es einfach schön ist, anders als angstbesetzt miteinander zu arbeiten. Ich bin auch überzeugt von der Notwendigkeit neuer Wege für Organisationen der Sozialwirtschaft, weil es für diese Organisationen zukünftig gar nicht mehr anders möglich sein wird, mit den Herausforderungen adäquat umzugehen.

Ich bin und bleibe gespannt.

P.S.: Noch mal kurz zu dem „Agilen Manifest Sozialwirtschaft“:

Hier muss man selbstverständlich jeden der einzelnen Bausteine herunterbrennen in agile Werte und diese wiederum in agile Prinzipien, die dann als Arbeitsgrundlage für die Zusammenarbeit herhalten. Ich glaube, dass die dabei herauskommenden Werte sich gar nicht groß von den Werten und Prinzipien, die in den Veröffentlichungen zu agilem Arbeiten benannte und beschrieben werden, unterscheiden. Vielleicht wäre das eine weitere Diskussion auf dem Barcamp in Bonn wert?

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