Newsletter wird heute etwas kompakter, sorry. Das liegt an meinem
Organisationstyp - Einzelunternehmen mit der Feststellung: Alles geht einfach nicht...
Aber in der letzten Woche hatte ich zwei spannende Begegnungen, die ich hier mit Dir teilen (und für mich reflektieren) will.
Zum einen war ich in einem Modul einer Weiterbildung eingebunden. Mein Thema:
Wandel in Sozialen Organisationen in Zeiten des Wandels
So weit, so easy - eigentlich.
Denn anwesend waren vor allem Mitarbeiter:innen, die in irgendeiner Weise in verantwortungsvollen Positionen in
Werkstätten für Menschen mit Behinderung tätig waren.
Zum anderen war ich in Hamburg in einem
Jugendamt, das jährlich eine gemeinsame Veranstaltung mit allen Mitarbeiter:innen macht. Dabei ging es von meiner Seite aus um die Frage:
"Wie könnt ihr die Kultur behalten, die ihr habt?"
Das klingt auf den ersten Blick vielleicht verwunderlich, da landläufig die Meinung herrscht, dass insbesondere in Jugendämtern alles irgendwie schlecht läuft.
Beiträge über kapitulierende Jugendämter sind und waren ja Teil der Öffentlichkeit.
Nicht so in diesem Jugendamt: Die Stimmung war positiv, die Mitarbeiter:innen haben kreative Möglichkeiten gefunden, sich vorzustellen. Kurz: Es war richtig schön, dort zu sein.
Jetzt steht das Jugendamt nur vor dem Problem, dass ein Leitungswechsel ansteht. Und da bekanntermaßen Personalentscheidungen große Auswirkungen auf die weiteren Entscheidungen in Organisationen haben, stellte sich eben die Frage, wie die Kultur beibehalten werden kann.
Beide Perspektiven - der Blick in die WfbM und das Jugendamt - haben mir gezeigt, dass wir es
nicht mit dem einen Organisationstyp zu tun haben, sondern bei beiden von
"hybriden Organisationstypen" gesprochen werden kann.
Zum Thema "
Organisationstypus" schreiben Stefan Kühl und Julia Borggräfe Folgendes:
"Man erkennt den
Unterschied zwischen Organisationstypen nicht nur daran, ob Produkte hergestellt, allgemein bindende Entscheidungen produziert, Kranke behandelt oder junge Menschen belehrt werden, sondern auch daran, wie die Kommunikationswege aufgebaut, die Programme ausgerichtet sind und Personal rekrutiert und an die Organisation gebunden wird. Trotzdem fällt auf, dass häufig
wenig Sensibilität für die Spezifik eines Organisationstypus herrscht" (Hervorhebg. durch mich und
hier gibt es den ganzen Artikel).
Für mich lohnt sich natürlich der Blick auf den
Organisationstypus "soziale Organisation" (spezifischer eigentlich Organisation der Sozialwirtschaft). Dieser weist Spezifika auf, die ich immer wieder in den Blick nehme, hier oder im
Blog.
Die beiden
Beispiele Jugendamt und WfbM weisen jedoch Spezifika auf, die ich so noch nicht bewusst auf dem Schirm hatte und die mich zu der Begrifflichkeit der "hybriden Organisation" führen:
So verbindet das
Jugendamt die Spezifika sozialer Organisationen mit den Spezifika der Verwaltung - ein paradoxes Unterfangen. Das ist leicht erklärbar, wenn man bedenkt, dass Soziale Arbeit in dynamischen Settings versucht, gesellschaftliche Entwicklungen oder die Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen zu fördern, wohingegen Verwaltungen - basierend auf Gesetzen - idealtypisch durch Konditionalprogramme (klar vorgegebene Wenn-dann-Prozesse" gesteuert werden.
Genauso spannend ist der Blick auf die
WfbM. Denn diese verbinden die Spezifika sozialer Organisationen mit den Spezifika produzierender Unternehmen. Auf der einen Seite also wieder pädagogische, sozialarbeiterische Herangehensweisen, die auf die harte Wirtschaftsrealität treffen.
Kühl und Borggräfe schreiben in dem o.g. Beitrag weiter:
"Managementmoden wie Lean Management, Business Process Reengineering oder agiles Management, die für Unternehmen entwickelt wurden, werden an Verwaltungen, Universitäten oder Krankenhäuser verkauft, nachdem die Begeisterung für diese Konzepte in Unternehmen nachgelassen hat. Beratungsangebote, die in Organisationen der sozialen Hilfe entstanden sind, werden auf Verwaltungen, Armeen oder Polizeien übertragen, ohne dass allzu systematisch die Unterschiedlichkeit der Organisationen in den Blick genommen wird."
Ja klar, jede:r Organisationsberater:in wird unterschreiben, dass jede Organisation individuell zu betrachten ist. Gleichwohl
wäre es cool, wenn der hippe, agile Werkzeugkasten, den der:die Berater:in mitbringt, doch auch gekauft würde... (jaja, ich fasse mir an die eigene Nase).
Die auf den verschiedenen Organisationstypen basierende
Unterschiedlichkeit ist jedoch so groß, dass in Teilen auch
das Gegenteil dessen hilfreich ist, was aktuell als Managementmode durch's Dorf getrieben wird.
Und dann gibt es eben noch die
auszuhaltenden paradoxen Funktionsweisen hybrider Organisationen, deren Organisationsentwicklung und Veränderungsoptionen besonders heikel sind:
Der eine Teil (als konkretes Beispiel: der Verwaltungsteil im Jugendamt) braucht ggf.
agile Methoden und Arbeitsweisen zur Auflockerung festgefahrener Abläufe, wohingegen der andere Teil (der sozialarbeiterische Teil im Jugendamt)
eher der Formalisierung bedarf, um Klarheit und Zuständigkeit zu definieren.
Zur obigen Frage, wie das Jugendamt seine Kultur behalten kann, habe ich geraten,
eine "Parallelstruktur" neben der offiziellen Formalstruktur beizubehalten und bewusst zu gestalten.
Die Erläuterung, was darunter genau zu verstehen ist, geht hier zu weit, aber nur soviel:
Es geht unter anderem
um brauchbare Illegalitäten, Weglassen des nicht wirklich Notwendigen und um externe Irritation.
Vielleicht muss ich das mal in einem Beitrag vertiefen - wenn ich denn die Zeit dazu finde...
Bis dahin kannst Du ja mal überlegen,
in welchem Organisationstyp Du arbeitest und was typisch für Deine Organisation ist.
Vielleicht ist allein das ja schon hilfreich...
Dir wünsche ich ein hybrid-untypisches Wochenende!
Hendrik