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Dialogräume gestalten oder: Wie es gelingt, mit Angst, Unsicherheit und Spaltung umzugehen

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Die Pandemie ist alles andere als vorbei, da beginnen alte weiße Männer ihre Machtfantasien an der russisch-ukrainischen Grenze auszuleben. Das wirkt wie ein beleidigtes Kind, dem man im Sandkasten den Eimer geklaut hat. Die Klimakatastrophe zeigte im letzten Jahr mit krassen Überschwemmungen und in diesem Jahr mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 160 km/h, dass der Mensch der Erde ziemlich egal ist. Digitale Entwicklungen bedrohen ganze Branchen. Die individuell notwendigen Kompetenzen, um hier „mithalten“ zu können, sind in der Breite alles andere als entwickelt. Und in Teams, Organisationen und der Gesellschaft als Ganzes flammen Konflikte auf, die sich um den korrekten Umgang mit den Regeln und Vorgaben zur Bekämpfung der Pandemie drehen. Wie kann es gelingen, in diesen komplexen, sich permanent verändernden Zeiten den Kopf über Wasser zu halten? In meinen Augen müssen wir dazu wieder wirklich miteinander ins Gespräch kommen. Dazu will ich hier anregen, Dialogräume zu schaffen.

Was sind Dialogräume?

Als Dialogräume definiere ich Zeiten und Räume, in denen es möglich ist, angstfrei miteinander ins echte Gespräch zu kommen. Daraus resultiert gegenseitiges Verstehen. Und daraus wiederum resultieren neuen Handlungen zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.

In dieser Definition sind ein paar Aspekte enthalten, die wir näher anschauen müssen. Zu klären ist insbesondere, was unter Zeit und Raum zu verstehen ist, wie viele Personen teilnehmen können, wie die Schaffung psychologischer Sicherheit gelingen kann und und wie echtes Zuhören gelingt.

Zeit und Raum

Dialogräume brauchen Raum und Zeit. Aber Dialogräume müssen nicht in super hip ausgestatteten Future-Offices stattfinden. Im Gegenteil geht es darum, das zu nutzen, was ist: Die Teamsitzungen, der gemeinsame Spaziergang um den Block, das Sofa zu Hause, den Gemeindesaal, das Café um die Ecke. Notwendig ist jedoch, sich Zeit und den möglichst ungestörten Raum für den Dialog zu reservieren.

Allein, zu zweit oder in der Gruppe

Redest Du auch manchmal mit Dir selbst? Und hörst Du Dir zu? Wirklich?

Mir gelingt das nicht besonders. Jeder in meinem inneren Team beansprucht die Bühne – vor allem in herausfordernden Zeiten. Das führt zu ziemlichem Lärm in meinem Kopf. Was ich damit sagen will:

Auch allein macht es Sinn, den eigenen Anteilen zu zuhören zu können. Dazu ist Ruhe nötig, Meditation, Wald, Rauskommen.

Ein Dialograum ist aber auch zu zweit wunderbar zu gestalten. Auch im Zwiegespräch, im Gespräch mit dem/der Partner_in, mit dem/der Kolleg_in, mit dem/der Vorgesetzten, ist Ruhe und Zeit notwendig, um Zuhören gelingen zu lassen. Zum letzten Punkt gibt es übrigens wenig Schlimmeres als standardisierte, angstbesetzte, jährliche Mitarbeitergespräche. Das ist kein Dialog.

Und auch in Teams, Organisationen und großen Gruppen gelingen Dialogräume, zu denen es wiederum Zeit, Ruhe und die Möglichkeit braucht, den anderen Teilnehmer_innen angstfrei zuhören und seine Gedanken und Gefühle äußern zu können.

Angstfreie Räume und psychologische Sicherheit

Zum letzten Punkt habe ich das Konzept der psychologischen Sicherheit in meinem letzten Newsletter bereits aufgegriffen:

Um in Teams und Gruppen das äußern zu können, was man wirklich denkt und fühlt, ohne Gefahr zu laufen, dafür abgestraft, komisch angeschaut, in eine Ecke gestellt zu werden, braucht es emotionale bzw. psychologische Sicherheit.

Psychologische Sicherheit ist „a sense of confidence that the team will not embarrass, reject, or punish someone for speaking up“, so Amy Edmondson, die an der Harvard Business School als Professorin für Führung und Management zu den Geheimnissen erfolgreicher Teams, dem Lernen in Organisationen und zur psychologischen Sicherheit lehrt und forscht.

Für psychologische Sicherheit in Teams sind insbesondere zwei Faktoren wesentlich (vgl. diesen Link hier):

  • Durchschnittlich ausgeprägte soziale Sensibilität. Jeder im Team ist in der Lage und willens wahrzunehmen, wie es dem Gegenüber gerade geht. Dadurch kann jede/r in der Regel angemessen auf diese wahrgenommene Befindlichkeit reagieren. Neudeutsch würde man von der Fähigkeit zu einer Begegnung auf Augenhöhe sprechen.
  • Gleichmässig ausgeprägte Redeanteile aller Teammitglieder. Am Ende des Tages sind alle ungefähr gleich häufig zu Wort gekommen und haben gleich grosse Redeanteile erhalten. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Art und Weise, wie Redeanteile von einer zur nächsten Person übergeben werden. Sprich, ob man sich traut und sicher fühlt, sich überhaupt zu Wort zu melden. Oder ob die innere Zensurstimme die Oberhand gewinnt, basierend auf einem Glaubenssatz wie, «da sage ich lieber nichts, damit es mir nicht so ergeht wie der Kollegin letzte Woche, über die seither hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird».“

Eigentlich einfach, oder? Naja, spätestens wenn es ans Zuhören geht, wird es etwas herausfordernd…

Zuhören

Im vorletzten Absatz habe ich das Zuhören angesprochen. Zuhören ist aber – das hat spätestens Otto Scharmer sehr eindrücklich auf den Punkt gebracht – nicht gleich Zuhören.

Scharmer unterscheidet die vier Ebenen des Zuhörens „Downloading, Seeing, Sensing und Presencing“, die ich hier nur skizzieren kann:

  1. Downloading: Downloading ist die erste Ebene des Zuhörens. Sie ist hilfreich für einfache, wiederkehrende Prozesse und Routinen, die sich bspw. in Checklisten, Anleitungen o.ä. zusammenfassen lassen. Downloading im Gespräch erkennt man bspw. An Äußerungen wie „Das wissen wir schon!“, „Kein Problem!“ bis hin zum „Hier ist die Lösung auf Deine Frage!“ Kurz: Es geht nicht um das Neue, sondern nur um die Bestätigung bzw. Ablehnung der eigenen Annahmen.
  2. Seeing: Seeing fokussiert auf die im Gespräch geäußerten Daten und Fakten. Man nimmt diese bewusst wahr und reflektiert Widersprüche zum Gewohnten. Man versucht außerdem, die Widersprüche mit eigenen, gewohnten Mustern und dem eigenen Wissen zu verknüpfen. Im sachlichen Gespräch findet eine Auseinandersetzung über Daten und Fakten statt. Das logische Denken dominiert. Aussagen auf dieser Ebene sind bspw. „Das kann nicht sein“ oder „Das stimmt so nicht! Die Statistik zeigt ganz andere Zahlen.“ Hier kommen Widerstände zum Ausdruck und automatisch kommt die Stimme des Urteils (richtig/falsch) zum Vorschein.
  3. Sensing: Auf dieser Ebene des Zuhörens kommt es zur Öffnung des Fühlens. Empathie kommt ins Spiel und der Versuch, den Anderen wirklich wahrzunehmen und „in seinen Schuhen zu gehen“. Hier dockt auch die erste Notwendigkeit zur Gestaltung der psychologischen Sicherheit an – die zumindest durchschnittlich ausgeprägte soziale Sensibilität zur Schaffung eines Klimas des Vertrauens. Auf dieser Ebene des Zuhörens wandert der Aufmerksamkeitsfokus nach außen, außerhalb der eigenen Person bzw. Situation (oder auch Organisation). Hier kann es gelingen, gemeinsam mit dem/den Gesprächspartner_innen von außen auf die eigene Person, Situation oder Organisation zu schauen. Die blinden Flecken im eigenen Denken werden sichtbar.
  4. Presencing: Im Scharmers Theory U ändert das Zuhören auf Ebene des Presencing nicht nur die Sichtweise, die Perspektive. Wenn es gelingt, auf dieser Ebene zusammenzukommen, ist das Ergebnis, „dass wir am Ende nicht mehr dieselbe Person sind, die wir zu Beginn des Gesprächs waren“, wie es in diesem umfangreichen Beitrag zu den vier Ebenen des Zuhörens heißt. „Man agiert auf einem höheren Aufmerksamkeitslevel, und dies ermöglicht uns tiefer an die Quelle unseres eigenen (oder auch organisationalen) Selbst heranzukommen. „Wer möchte ich (wirklich) sein?“ (und nicht welche Rolle möchte ich spielen) und „Wo möchte ich Nutzen und Sinn stiften?“ sind hier die beiden zentralen Fragen.“ Daraus resultieren dann wirklich neue Handlungen, die aus der Zukunft her Gegenwart gestaltet.

Hast Du die vierte Ebene schon mal erlebt? Wenn ja, freue ich mich riesig über einen Kommentar, wie es dir gelungen ist. Denn einfach und oft ist sie wohl nicht zu erreichen. Aber ohne die dritte Ebene, das emphatische Zuhören, wird echtes Verständnis und die Gestaltung der daraus neu resultierenden Möglichkeiten schwer werden.

Dialogräume konkret

Ja, die Gestaltung von Dialogräumen ist auf den ersten Blick voraussetzungsreich.

Aber wenn man pragmatisch herangeht, eröffnen sich Möglichkeiten. Dazu hier ein paar Fragen und Anregungen, die Dir vielleicht helfen, auf individueller Ebene, auf Paarebene, auf Teamebene, auf Organisationsebene und auch auf Ebene der Gesellschaft Dialogräume zu schaffen.

Individuelle Dialogräume

Wo und wann nimmst Du Dir echte Auszeiten, in denen Du Dir und den in Dir agierenden Anteilen aufmerksam zuzuhören? Ich selbst versuche regelmäßig zu meditieren, um zumindest ein wenig Ruhe in das Geplapper in meinem Kopf zu bekommen. Außerdem hilft mir Bewegung, Wandern und Sport, um Nachdenken und mir selbst zuhören zu können. Und ja, als Familienvater mit drei Kindern geht es leider nicht darum, das nächste Sabbatical zu planen, sondern „Miniauszeiten“ im Alltag zu integrieren. Heißt konkret: 15 Min. meditieren und regelmäßig Bewegung (whatever regelmäßig means).

Dialogräume als Paar

Familien sind von den Auswirkungen der Pandemie hart getroffen. Homeoffice, Geldsorgen, Alltagsbewältigung ohne schöne Rituale (Fasnet daheim ist keine Lösung), unregelmäßiger Besuch von Kindergarten und Schule, Angst vor der eigenen Erkrankung und der Erkrankung von Angehörigen bis hin zum innerfamiliär unterschiedlichen Umgang mit essentiellen Fragen der Pandemiebewältigung (Impfen ja oder nein?) treffen Paare mit und ohne Kinder hart. Unter dem Begriff des „Zwiegesprächs“ findet sich ein interessantes Konzept, das es ermöglicht, im ganzen Alltagsscheiß wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Lohnt sich…

Dialogräume im Team

Hier verweise ich auf das schon angesprochene Konzept der psychologischen Sicherheit. Im Team gilt es, hierarchieunabhängig auf die gleichen Redeanteile zu achten (vorausgesetzt, die durchschnittlich ausgeprägte Empethiefähigkeit stimmt, was ich aber bei den Leser_innen meines Blogs mal voraussetze 😉

Der verlinkte Beitrag gibt Dir Fragen an die Hand, die für die systematische Reflexion und Verbesserung der Dynamik im Team hin zu mehr psychologischer Sicherheit sinnvoll sind:

  • „Wie gut nutzt ihr das Team-Potenzial auf einer Skala von 1 (low performing) bis 99 (high performing) aus?
  • Welche Kraftquelle gibt dir ganz persönlich in diesem Team am meisten Energie?
  • Was kostet dich ganz persönlich in diesem Team am meisten Energie?
  • Was ist dein Beitrag zu den Kraftquellen und Energiefressern im Team? Wie beurteilen die anderen Teammitglieder deinen Beitrag?
  • Wie steht es um eure psychologische Sicherheit? Was ist der Beitrag jedes Teammitglieds zur psychologischen Sicherheit?“

Nehmt ihr euch regelmäßige Zeit und Raum, die Fragen in Eurem Team zu reflektieren?

Dialogräume in der Organisation

Hier greife ich die Idee von Sabine auf, die sie in einem der letzten „Werkraum Zukunft“ Veranstaltungen die Idee der Denkräume geäußert hat. Kurz:

Es braucht „Denkräume“ in unseren Organisationen, in denen es angstfrei möglich ist, über die Zukunft nachzudenken, zu sprechen und – vielleicht im Sinne der Theory U von Otto Scharmer – Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen.

Oftmals reichen aber schon neue Formate wie gemeinsame Barcamps, die ohne Vorgaben Themen der Menschen in der Organisation öffnen. Ebenfalls hilfreich ist die Methode des Lean Coffee, die sehr schnell und kompakt abteilungsübergreifend neue Möglichkeiten der Kooperation innerhalb der Organisation eröffnen kann.

Dialogräume in der Gesellschaft

In einem der letzten Beiträge habe ich den Gedanken formuliert, dass die kommunalen Verwaltung eine Schlüsselrolle einnimmt, wenn es um New Work geht.

Unter New Work verstehe ich hier ganz explizit die Grundidee von Bergmann, der nicht von Organisationsentwicklung, sondern von der (sozialutopischen) Gestaltung der Gesellschaft spricht.

Und für die Gestaltung der Gesellschaft braucht es Begegnungs- und Dialogräume, die – so die These des Beitrags – von Seiten der kommunalen Verwaltung vor Ort gestaltet werden können (und müssen).

Es braucht vor Ort Dialogräume, in denen die Menschen aus dem Stadtteil, der Nachbarschaft, der Kommune wieder zusammen kommen können, um miteinander zu reden, sich zuzuhören und neue Ideen für ihren lebenswerten, zukunftsfähigen Sozialraum zu gestalten.

Zur Gestaltung und Begleitung der Dialogräume bedarf es neuer Kompetenzen auf Seiten der Mitarbeiter_innen in den Verwaltungen (oder die Einstellung von Menschen), damit entsprechend offene und damit unsichere Beteiligungsprozesse gestaltet, begleitet und „der Raum gehalten“ werden kann.

Hieraus, aus dieser „New Work Vision“ erwachsen auch, so zumindest meine Hoffnung, neue Optionen zur Bewältigung des Fachkräftemangels in den Verwaltungen.

Dialog in der Organisationsentwicklung

Noch ein Gedanke zum Abschluss, der mich in meiner Arbeit immer wieder tangiert:

Organisationsentwicklungsprozesse erzeugen Instabilität. Das hat bspw. Peter Kruse hier sehr lesenswert dargelegt. Instabilität erzeugt immer Unsicherheit. Und daraus wiederum folgt – völlig nachvollziehbar – Widerstand.

Entsprechend gilt es auch in Organisationsentwicklungsprozessen, Dialogräume zu schaffen, um die Ängste und Sorgen der von den angestrebten Veränderungen betroffenen Mitarbeiter_innen nicht nur zu hören, sondern daraus im besten Fall neue Optionen zur Gestaltung des Prozesses ableiten zu können.

Denn, auch das darf kein Geheimnis bleiben, jede Intervention in eine Organisation hat Vor- sowie Nachteile. Es gibt immer Gruppen, die am Status Quo leiden (sonst würden die Prozesse nicht angestoßen). Und gleichzeitig gibt es Menschen und Gruppen, die am Neuen leiden. Das lässt sich zwar nicht ändern, aber durch offenen, sicheren Dialog besprechbar machen.

Unsicherheit bewältigen im Dialog

Zum Ende greife ich noch einmal den Titel des Beitrags auf:

Die Anforderungen, Brüche und permanenten Veränderungen, die heute und in Zukunft an uns und vor allem an die nachfolgenden Generationen gestellt werden, sind unfassbar komplex, kaum überschaubar. Sie können vor allem nicht durch einfache „Schwarz-Weiß Antworten“ gelöst werden. Das macht Angst und löst massive Unsicherheiten aus – individuell, in Familien, in Teams, Organisationen und der Gesellschaft. Dies gilt vor allem, da wir den Umgang mit Komplexität in unseren formalen Bildungswegen nicht gelernt haben. Daraus folgt:

[bctt tweet="Wir müssen die Gestaltung komplexer Zukünfte ganz neu lernen. Das gelingt in Dialogräumen."]

Und zur Entwicklung der Kompetenzen zum Umgang mit Unsicherheit und zur Gestaltung komplexer Zukünfte braucht es das geschilderte, gesteuerte und oft auch begleitete Zusammenkommen. Wir brauchen Räume, in echten Dialog zu treten, Räume, sich zuzuhören, Gräben zu überwinden und gemeinsam neue Lösungen und damit soziale Innovationen zu entwickeln und umzusetzen. Und vielleicht zeigen sich durch die Dialoge sogar bislang verborgene Ressourcen zum Umgang mit Komplexität und Veränderung, die in der Vergangenheit bereits wirksam geholfen haben.


Haben die Informationen Dich in Deiner Arbeit weitergebracht? Dann freue ich mich, wenn Sie mir davon berichten.

P.S.: Hier findest Du noch einen Beitrag, in dem ich 10 Strategien für den erfolgreichen Umgang mit Unsicherheit darlege. Vielleicht hilft Dir auch das…

Is this the end of new work as we know it?

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Der Rhythmus fehlt, überall. Keine Feste, keine Feiern, kein Rahmen, kein Wochenende, kein Anfang, kein Feierabend, kein Ende, in Sicht schon mal gar nicht. Jetzt ließe sich an dieser Stelle wunderbar über die Notwendigkeit von Ritualen, Rahmen, Rhythmen schreiben. Halt, Routine, der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, zwischen Instabilität und Stabilität usw. Das sind alles hochgradig spannende Themen, die in der Entwicklung sozialer Systeme eine wesentliche Rolle spielen. Vielleicht komme ich mal dazu, etwas tiefer darauf einzugehen. Aber mich interessiert mehr, was der fehlende Rhythmus mit dem Inner Work von New Work macht, also mit der Wirkung auf uns Menschen. Oder besser: mit der Wirkung auf mich (aber vielleicht bleibt ja auch etwas, dass Du für Dich nutzen kannst).

Mein New Work wird brüchig

Für einen Beitrag habe ich mein New Work vor Kurzem definiert als ein Weg zur Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. In meinen New Work geht es um Freiheit und Verantwortung von Menschen mit dem Ziel, eine bessere Welt für alle zu gestalten. Mein New Work – das ist wohl wenig verwunderlich – orientiert sich damit stark am Grundgedanken von Frithjof Bergmann, der an keiner Stelle von Kickern, hippen Büromöbeln im Großraumbüro und Chai-Latte gratis zum MacBook spricht. Bergmann spricht von einer zukunftsfähigen Welt, die eben zu großen Teilen über die Kultur, wie wir arbeiten, bestimmt wird – New Work, New Culture. Aktuell titelt das Magazin ManagerSeminare, dass New Work größer gedacht und der gesellschaftliche Mehrwert von Unternehmen berücksichtigt werden sollte. Spannend, dass man überhaupt auf die Idee kommen kann, New Work ohne Gesellschaft zu denken…

In der Pandemie-Situation jedoch stelle ich fest, dass das mit der Selbstbestimmung alles andere als leicht ist: Da der Rahmen fehlt, der Rhythmus ins Stocken geraten ist, der Beat nicht mehr dropt 😉 und langsam, aber sicher selbst die Jahreszeiten ins Wanken geraten, werde ich auf mich selbst zurück geworfen. Das, was ich mir lange ersehnt habe, wird zu einer Zerreißprobe meines Vermögens, mich selbst auszuhalten. Der Wunsch nach Autonomie und Selbstbestimmung zeigt in der Realität die Orientierungslosigkeit, die sich ergibt, wenn der Weg nicht selbst gewählt ist. Der Zwang, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, auf seine Gedanken, Möglichkeiten, Grenzen und schon allein nur darauf, seinen Tag gestalten zu müssen, führt an (meine) Grenzen der Belastbarkeit.

Es zeigt sich (nicht nur) in der Pandemie, dass wir nicht auf das Leben in Selbstbestimmung vorbereitet sind. (Fast) niemand hat gelernt, mit der Situation umzugehen, wenige, und dann immer die gleichen Menschen um sich zu haben. Wir sind es gewohnt, den Rhythmus vorgegeben bekommen zu haben. Und selbst den Ort, an dem wir uns aufhalten, wurde von außen, nicht zuletzt durch das Schul- und Bildungssystem sowie tayloristisch ausgelegte Organisationen bestimmt. Oder warum sind die Büros voll, obwohl jedem bewusst sein müsste, dass es keine gute Idee ist, in einer Pandemie in einem Großraumbüro zu sitzen? Warum sind die Staumeldungen so lang wie eh und je? Oder warum warten wir sehnsüchtig darauf, dass alles wieder normal wird?

Marcus Raitner schreibt in seinem aktuellen Beitrag von der Autonomiefalle der Wissensarbeiter. Diese schnappt zu, wenn in der Wissensarbeit ein Vakuum fehlender Vorgaben herrscht, „das jeder Wissensarbeiter nach bestem Wissen und Gewissen zu füllen versuchte. Diese teilweise verzweifelten Versuche, wenigstens ein lokales Optimum an persönlicher Produktivität zu finden nennt Cal Newport die Autonomiefalle der Wissensarbeit.“ Aus dieser Perspektive heraus sind wir (Wissensarbeiter*innen) angewiesen auf funktionierende Prozesse, die unsere Arbeit strukturieren. Marcus nennt die Methode Scrum als Beispiel, dessen Erfolg seiner Meinung nach darauf zurückgeht,dass der Arbeitsablauf recht rigide strukturiert wird und viel weniger auf das konkrete Wie„, wodurch Fokus und Konzentration überhaupt wieder ermöglicht wird.

Mir gehen diese Gedanken auf einem Spaziergang (ja, ich könnte bei Gedanken an das Konzept Spazierengehen auch manchmal kotzen, aber frag mal meine Kinder…) über die Felder durch den Kopf und ich muss an einen befreundeten Landwirt denken, der seit vielen Jahren selbstbestimmt und oftmals allein, aber nicht einsam, auf seinem Traktor sitzt und seine Arbeit verrichtet (ja, Landwirt sein ist nicht so romantisch wie es vielleicht von außen wirkt). Ich denke weiter an die Menschen, die sich trauen, ihren Weg zu gehen, sich selbständig zu machen, Neues probieren, an den Schreiner, die Friseurin, die Freelancerin und den Erzieher, der sich traut, einen eigenen Kindergarten zu gründen. Ich denke an Menschen, die sich trauen, ihren Weg zu gehen, ohne Netz und doppelten Boden und (fast) ohne von außen vorgegebenen Rhythmus.

Ach ja, noch was: Als Vater, Ehemann und als Mensch, der selbständig und angestellt agiert, kommt hinzu, dass ich nicht nur mich selbst in der neuen, auf Selbstbestimmung zurückgeworfenen Situation aushalten muss. Ich muss – auch wenn das hart klingt – meine Frau, meine Kinder, meine Kolleg* innen und noch mehr Menschen aushalten, die in der gleichen Situation sind: Zurückgeworfen, auf sich selbst. Niemand von den Menschen, die um uns herum leben, hat sich die aktuelle Situation ausgesucht. Daraus kann auf der einen Seite Traurigkeit, Wut, Verzweiflung folgen, während auf der anderen Seite gerade Euphorie, Freude, Ruhe und Möglichkeiten vorherrschen. Und ich meine die Seiten des Küchentisches.

POSIWID, oder: Wie hält man New Work aus?

Wie aber hält man das aus? Ich spreche nicht vom Aushalten der Unsicherheit, die aktuell daraus resultiert, nicht zu wissen, wie Die Zukunft werden wird. Mir geht es vielmehr um die Frage, wie es aushalten kann, selbstbestimmt zu agieren, ohne dass einem jemand vorgibt, wie der Rahmen, die Rhythmen, die Rituale sind. Nein, ehrlicher: Wie es mir gelingen kann, selbstbestimmt zu agieren, ohne dass mir jemand vorgibt, wie der Rahmen, die Rhythmen, die Rituale sind? Wiederum ehrlich: Ich weiß es oft nicht. Ich glaube aber, dass es ein paar Hinweise gibt, die über Morgenroutinen, Tagesstrukturen, gesundes Essen und ausreichend Bewegung hinausgehen. Ich glaube, dass es Phasen gibt, Rhythmen eben, die mal gut, mal nicht gut sind. Das Zulassendürfen von guten Phasen, wenn es anderen schlechter geht ebenso wie das Aushalten von schlechten Phasen, obwohl es doch eigentlich gut ist, sind sicherlich erste Hinweise.

Hilfreich ist vielleicht auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen: Was will ich hier? Wo will ich hin? Und wenn ja, wie viele? Nein, ehrlich: Ich bin mir bei der Zieldiskussion nicht sicher: Mein Ziel ist es, dass es meiner Familie und mir gut geht. Dann folgt, dass ich so leben will, das ich mit meinem Wirken einen Mehrwert generiere. Beides gelingt mir, mal besser, mal schlechter, aber beides ist kein Ziel, sondern jeder Tag.

Vielleicht trifft es POSIWID ganz gut: „The purpose of a system is, what it does!“ (Stafford Beer): Wenn man außen herum alles Glitzer und Chichi wegnimmt, bleibt als Ziel, was man (als Element sozialer Systeme) tut. Daraus wiederum folgt, dass es Sinn aus sich heraus macht, morgens aufzustehen und weiterzumachen.

The end of new work as we know it…

Beides aber, das Zulassendürfen wie die Frage nach dem Ziel, setzt Reflexion voraus bzw. die bewusste Beschäftigung mit sich selbst und seinen Ängsten, Freuden, Möglichkeiten und Grenzen. Über diese Reflexion kann es vielleicht gelingen, näher zu dem zu finden, wie mein oder auch Dein eigenes New Work (für mich verstanden als selbstbestimmtes Leben in einer Welt im Wandel), aussehen und gelebt werden kann. Auch wenn ehrliche Reflexion manchmal harte Arbeit ist und dabei nicht unbedingt das New Work herauskommt, dass wir wollten?

Kommen wir über diese Reflexion vielleicht sogar zu einer Vorstellung von New Work, die so ganz anders ist, als all das, an was bei New Work bislang gedacht wird? Ist New Work aber nicht genau das: Nicht zu wissen, was New Work ist und sein kann? Damit wird New Work zum selbstbestimmten, autonomen Leben, bei dem auch niemand weiß, was genau das ist und wie es genau geht…

Doch noch etwas Organisationsentwicklung

Abschließend, zur Versöhnung, sozusagen, aber doch noch ein Gedanke, der mit der Gestaltung zeitgemäßer Organisationen und der Arbeitswelt der Zukunft zu tun hat: Es braucht Zeit, die Menschen, mit denen wir in unseren Organisationen zu tun haben, dabei zu begleiten, anders, neu, autonom und selbstbestimmt zu arbeiten. Die Einsicht ist nicht neu, gewinnt aber an Bedeutung, wenn wir auf die Herausforderungen blicken, mit denen wir, jede*r einzelne von uns, in der Anpassung an und im Umgang mit der aktuellen Situation zu kämpfen haben.

Vielleicht gelingt es uns in diesen für viele unsicheren Zeiten, mehr Verständnis aufzubringen für die oftmals völlig unterschiedlichen und sich kontinuierlich wandelnden Bedürfnisse der Menschen um uns herum? Nein, ehrlicher:

Vielleicht gelingt es mir?

Von Monstern, Vielfalt und der Zukunft – Review 2020/2021

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Puhhh, ziemlich düsteres Bild, hier oben im Titel… Und damit Willkommen zu meinem jährlichen Review, der im Wechsel von 2020 zu 2021 etwas anders ausfallen wird als in den Jahren zuvor (im Übrigen sind eigenen Reviews im Rückblick sehr lesenswert, solltest Du mal ausprobieren…).

Wir befinden uns gerade „zwischen den Jahren“, mitten in den Rauhnächten. Die Rauhnächste sind die Zeit zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen. Im Rückblick auf das vergangene und im Ausblick auf das kommende Jahr sind sie eine besondere Zeit, eine Zeit der Einkehr, des Innehaltens, der Ruhe und der Meditation.

Besondere Zeiten

Das wir uns im Jahr 2020 in „besonderen Zeiten“ befunden haben und diese besonderen Zeiten wohl noch weit ins Jahr 2021 reichen werden, muss nicht mehr erwähnt werden. Aber die für mich wesentliche Erkenntnis im Rück- und Ausblick ist, dass die Zeit für Dich, für die Menschen in Deiner Umgebung, die Menschen in meiner Umgebung und für mich je ganz individuell „besonders“ ist

Und „Besonders“ kann damit unendlich viele Bedeutungen haben. Besonders

  • schön,
  • traurig,
  • ruhig,
  • einsam im positiven wie negativen Sinn,
  • besonders verzweifelt,
  • angstbesetzt und
  • frustrierend genauso wie
  • optimistisch,
  • offen,
  • neugierig und/oder
  • wertvoll. 

Die je individuellen Sichtweisen zeigen, dass es „die“ Gemeinschaft oder „die eine“ Gesellschaft nicht gibt. Das Große, Zusammenhaltende, Gemeinsame gibt es nicht (mehr), auch wenn dies zu Beginn der Pandemie noch so beschworen wurde.

Unsicherheit 2020

Wenn es keine Orientierung mehr gibt, verunsichert dies. Denn die haltgebende Orientierung wurde uns auf vielerlei Ebene im letzten Jahr genommen – unglaublicherweise durch einen nicht sichtbaren, nicht greifbaren Virus, der die ganze Welt in Schach hält. 

Die für mich daraus resultierenden Fragen, die ich versuche in das Jahr 2021 mitzunehmen, lauten:

Kann es gelingen, die Individualität und Diversität, unsere Unterschiedlichkeit zu nutzen, um daraus Zukunft zu gestalten? Kann es gelingen, das sich durch die Krise des Jahres 2020 an allen Ecken deutlicher zeigende Positive wie Negative so zu reflektieren, dass es für die Gestaltung der Systeme unserer Gesellschaft, unserer Organisationen und Unternehmen, unserer Teams und auch unseres ganz individuellen Lebens nutzbringend wird?

Vielfalt nutzen

Können wir die Vielfalt nutzen, die uns durch die Pandemie vor Augen geführt wurde? 

Meine Hoffnung ist, dass uns dies gelingen kann, vielleicht sogar gelingen muss…

Organisationale Vielfalt

Auf organisationaler Ebene müssen wir dazu vom Reden über neue Strukturen, Selbstorganisation, den Menschen im Mittelpunkt, dem Reden von der ach so nötigen Innovation und all den wichtigen Aspekten, die unter einer zeitgemäßen Organisationsgestaltung zu verstehen sind, ins Handeln, ins ernsthafte Tun, ins Umsetzen kommen:

Wenn wir wollen, dass unsere Organisationen nicht nur „wieder auf die Beine kommen“, sondern insgesamt resilienter gegenüber Krisen und Veränderungen agieren können, müssen wir wegkommen von formal-hierarchischen Strukturen hin zur Arbeit in Netzwerken. Wir müssen wegkommen von Stellenbeschreibungen, die bestimmte Zuständigkeiten klären hin zu Mandaten, die kompetenzbasiert ausgefüllt werden.

Wider die Monokultur

Bild „Monokultur“ by Lothar Epe (Vater 😉

Wir müssen wegkommen von Monokulturen hin zur Akzeptanz, dass gerade unsere Organisationen, Verbände, Bildungseinrichtungen, Verwaltungen und NPO’s davon leben, in unterschiedlichen Bereichen unterschiedliche Kulturen nicht nur zu dulden, sondern diese Unterschiedlichkeit als existentiell für das Überleben der Organisation anzusehen. In Workshops und Beratungen im letzten Jahr ist mir dies immer dann deutlich geworden, wenn ich die Menschen gebeten habe, ihre Organisation zu malen (das geht auch in Online-Workshops prima):

Bei nur wenigen Menschen ergab sich als Bild das klassische „Organigramm“, so wie es auf den Homepages abgebildet ist. Viel häufiger zeigte sich die „Wertschöpfungsstruktur“ der Organisation: Es wurden kleine Einheiten, Kreise, Teams… um einen unterstützenden Kern herum gemalt. Warum sollte es nicht gelingen, jedes dieser Teams, jede Einheit mit seiner individuellen Kultur und der daraus resultierenden Vielfalt zu betrachten anstatt nach der einen Kultur zu suchen, die durch irgendwelche Regeln und Vorgaben versucht wird, festzuhalten? Es besteht die Gefahr, gerade in Krisenzeiten hinter der großen Masse herzulaufen oder der Einfachheit halber alles so zu machen, wie wir es gewohnt sind. Aber noch einmal: Wir werden das Gegenteil, wir werden Diversität brauchen, um in der existierenden Komplexität agieren zu können. Und das Gute ist: Wir können Diversität!

Übrigens besteht in der Vielfalt die große Chance der Digitalisierung bzw. der digitalen Möglichkeiten: Vielfältige individuelle, dafür aber an die Bedarfe der Nutzer*innen, der internen wie externen Stakeholder angepasste Lösungen werden möglich, ohne die Effizienz der Gesamtorganisation infrage zu stellen.

Ganz konkret für mich im Jahr 2021 bedeutet diese Vielfalt, dass ich – getreu dem Motto „connecting perspectives to change systems“ – meinen Blick auf andere Systeme (neben dem Sozialwesen) erweitern werde. So bin ich schon lange davon überzeugt, dass die Methoden, Herangehensweisen und Lösungsoptionen, die wir im Sozialen (insbesondere aufgrund der Komplexität des Gegenstands) nutzen, wunderbar hilfreich sein können, um auch andere Systeme gestalten zu können. Ich freue mich darauf – das darf schon verraten werden – mit Schulen und Volkshochschulen zusammenarbeiten zu dürfen und bin gespannt, welche weiteren Bereiche, Systeme und Organisationen mit ihren Fragen kommen werden.

Individuelle Vielfalt

Auf individueller Ebene und damit auf der Ebene von jedem Einzelnen kann es nicht darum gehen, irgendwelche „Mindsets“ zu ändern. Denn auch dieses Bild der „Haltung eines Menschen“ geht von der „einen“ Haltung aus, die jeder von uns hat, aber mal ehrlich:

In der Zeit der Pandemie ist zumindest meine Haltung der Krise gegenüber von der Schockstarre über den demütigen Blick und einer trotzigen Wut den ganzen Entwicklungen gegenüber bis hin zu einer Neugier den sich durch die Krise ergebenden neuen Möglichkeiten gegenüber gewechselt. Meine Haltung wechselt, täglich, je nach Gegenstand, Thema, Stimmung, Tageszeit… Die Akzeptanz dessen, mehrere, sich teilweise widersprechende Haltungen, Gefühle, Sichtweisen in mir selbst zu vereinen, ist für mich eine Kunst, die ich versuche, oftmals schmerzhaft, zu erlernen. Und ich bin davon überzeugt:

Durch den Versuch, Haltungen zu akzeptieren, werden neue Haltungen, Herangehensweisen, Sichtweisen entstehen, die mich wieder weiter verändern, je nach Sichtweise, Rahmenbedingungen, Blickwinkeln. 

Wiederum jedoch ergibt sich daraus keine „Sicherheit“, auch wenn ich mir diese oftmals noch so sehr herbeisehne. Vielmehr gilt es für mich (und vielleicht ja auch für Dich), eine pragmatische „Unsicherheitsbewältigungskompetenz“ in der sich immer wieder neu zeigenden Vielfalt auszubilden.

Bevor wir eine Situation bewerten, ist es dringend geboten, zu Beobachten, Wahrzunehmen, zu Spüren, sich Hineinzufühlen in die Zukunft, die entstehen will. Dann können wir die Zukunft ausprobieren. Vielleicht sind das wichtige „Methoden“, wie die Ausbildung pragmatischer Unsicherheitsbewältigungskompetenz gelingen kann?

Vielleicht helfen Dir ja auf dem Weg des Beobachtens, Wahrnehmens, Spürens, sich Hineinfühlens in die Zukunft, die entstehen will und des Ausprobierens dieser Zukunft die Reflexionsfragen, die ich unter #RauhnachtReflexionen auf Twitter bis zum 06. Januar 2021 veröffentlichen werde? Bin gespannt, von Dir zu erfahren, wie es Dir gelingt…

Vielfalt als Gesellschaft

Ich bin über das folgende, für mich sehr passende Zitat von Antonio Gramsci gestolpert:

“Die alte Welt liegt im Sterben und die neue Welt kämpft darum, zum Leben zu erwachen: momentan ist die Zeit der Monster.”

Die Übergänge zwischen den Welten, zwischen Formen des Zusammenlebens und daraus resultierende neue Stufen, wie wir unser Leben leben, sind schon häufiger beschrieben worden. Sehr nachvollziehbar finde ich die Bilder von Otto Scharmer, in denen er die Entwicklungen vom Ego- zu den Eco-Systems eindrücklich beschreibt:

In den Übergängen zeigen sich Monster als gegenläufige, negative Entwicklungen, manchmal auch als Menschen, die das Gegenteil dessen anstreben, was hier als positive Zukunft, als Eco-System, beschrieben ist. Beängstigend sind für mich auf dieser dunklen Seite bspw. die Rattenfänger der #SchandefürDeutschland, die versuchen, die Unsicherheit der Menschen auszunutzen und über einfache Antworten auf komplexe Fragen demokratische Strukturen, Vielfalt und Freiheit zu vergiften. Monster zeigen sich aber auch in mir, in meinen Ängsten und unsicheren Verhaltensweisen, in meinem fehlenden Mut, neue Wege zu gehen, in der unberechtigten und unreflektierten Kritik an Menschen und deren Lebensentwürfen und vielem mehr…

Ich hoffe, dass es uns über die skizzierten zwei Wege – über die Arbeit an uns und die Arbeit an unseren Organisationen – gelingt, die und unsere Monster zu bezwingen und damit dann doch das große Ganze, die Gesellschaft zu gestalten. Ich hoffe, dass es gelingt, die damit einhergehenden Fragen neu anzugehen und auf positive Lösungswege für anstehende Herausforderungen zu kommen.

Diese Herausforderungen, denen wir uns jetzt und in Zukunft widmen müssen, gibt es mehr als genug, soviel steht fest. Ich glaube nur, dass wir unseren Werkzeugkoffer grundlegend überdenken müssen, denn mit den Werkzeugen für die Antworten auf gestern und heute werden wir die Antworten auf morgen nicht zwingend finden…

Von Monokulturen zur resilienten Vielfalt

Abschließend will ich Dich mitnehmen in meine sauerländische Heimat, die ich dieses Weihnachten nicht besuchen konnte:

Auf dem Bild oben seht ihr eine „Fichtenmonokultur“ – die im Sauerland vorherrschende Vegetation. Blöd ist, wenn die Bäume vornehmlich durch den Klimawandel und zwei heiße Sommer extrem geschwächt sind und zum gleichen Zeitpunkt der Borkenkäfer die Bäume befällt. Nein, falsch:

Es ist nicht blöd, es ist eine Katastrophe. Meine Heimat verändert sich radikal, die Bilder sind dramatisch, die Wälder, in denen ich als Kind gespielt habe, sind kahle Hänge. Aber es ist eine Katastrophe mit Ansage:

Monokulturen sind nicht resilient, nicht widerstands- und anpassungsfähig genug, mehreren Herausforderungen gleichzeitig – hier: Trockenheit und Borkenkäfer – erfolgreich zu begegnen. Und ganz ursprünglich gab es im Sauerland auch keine Fichtenmonokulturen, sondern Mischwälder, Vielfalt, Unterschiedlichkeit, Biodiversität. 

In einem Positionspapier zur Zukunft der Wälder im Klimawandel des Bundesamts für Naturschutz (BfN) wird gefordert, „vielfältige, resiliente Wälder zu entwickeln, die mit den Veränderungen des Klimawandels zurechtkommen, sich anpassen oder neu organisieren können und dabei ihre grundlegenden Funktionen und ökologischen Leistungen beibehalten.“

Warum ich das zum Abschluss schreibe dürfte klar sein:

Vielfalt bedeutet Resilienz, auf allen Ebenen, in der Gesellschaft, in Organisationen, in jedem Einzelnen von uns und auch im Wald.

Jetzt, heute und im Jahr 2021 stehen wir nicht nur vor der Möglichkeit, unsere Systeme und Organisationen, genau wie unsere Wälder, vielfältig und divers zu gestalten. Nein, wir stehen vor der Notwendigkeit, gemeinsam unsere Unterschiedlichkeit zu nutzen und Zukunft zu gestalten. 

Ich wünsche Dir dafür die Kraft und Unterstützung, die Du für Dich, die Menschen in Deiner Umgebung, für Deine Organisation und die Arbeit an einer lebenswerten Gesellschaft der Zukunft brauchst. 

Danke für Deinen Einsatz!

Wir sehen, lesen und hören uns in 2021…

Werkraum Zukunft, oder: #sozialcamp weiter denken

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2015 habe ich mich mit Sabine am Kölner Hauptbahnhof getroffen. Sabine ist eine meiner ersten Bekanntschaften aus der Blogger*innenszene, die es aus der virtuellen Welt in mein reales Leben geschafft haben. Vor mehr als 5 Jahren war das für mich noch eine echte Besonderheit und ich glaube, dass es für viele, viele Menschen da draußen immer noch eine Besonderheit ist: Nachhaltige Begegnung geht auch online.

Sozialcamp?

Unsere Begegnung mündete in der Diskussion darüber, dass es dringend ein Barcamp für die Soziale Arbeit braucht. Ich rede gerne, Sabine macht halt mal und hat ein Jahr später, 2016, (mit einem engagierten Team, natürlich) das erste Sozialcamp auf die Beine gestellt. Dieses Jahr hat das Sozialcamp damit zum fünften Mal stattgefunden, natürlich digital, denn digital war für die barcampenden Sozial-Profis schon immer natürlich.

Für mich war das Barcamp immer eine mehr als bereichernde Erfahrung, irgendwo zwischen Klassentreffen (dem Wiedersehen der digitalen Sozialblase ;-)), Klassenarbeit (Vorbereitung gehört genauso dazu wie Neu- und Ver-Lernen) und Tanztee (bissle Party muss schon sein…). Ich bin überzeugt, dass das Sozialcamp auch weiterhin mein Jahr bereichern wird (auch wenn es – kleiner Hinweis – sehr zu einem „Caritas-Camp“ geworden ist).

Was ist ein Barcamp?

Nur kurz, für Barcamp-Neulinge:

Das Publikum, die Teilnehmer*innen, nein, besser Teilgeber*innen, gestalten das Programm. Wer mag, kommt nach vorne, stellt kurz sein Thema vor, seine Frage, seinen Vortrag oder was auch immer, und wenn sich genügend Interessierte am Thema finden, findet die Session statt. Eine Session dauert 45 Minuten, wer da ist, ist da und wer wieder gehen will, geht. Das Gesetz der zwei Füße ist zwar gnadenlos, aber auch ehrlich, im Gegensatz zu Versammlungen, auf denen zwangsweise zu den langweiligsten Grußworten des Vorsitzenden gelächelt werden muss, um nicht gegen die kulturellen Regeln zu verstoßen.

Ich liebe die auf Barcamps herrschende Zwanglosigkeit, die zu Offenheit und echtem Lernen führt. Gleichzeitig bleibt ein Problem in der 45minütigen Taktung: 45 Minuten sind brutal kurz, um ein Thema tiefergehend zu beleuchten. Hinzu kommt, dass die Dokumentation eines Barcamps nicht ganz leicht ist: Zwar sollen die sozialen Medien fleißig mit einem entsprechenden Hashtag befüllt werden (schaut mal unter dem #sozialcamp bei Twitter), aber gerade in unserer Sozialszene ist die flächendeckende Nutzung und Verbreitung sozialer Medien (teilweise auch aus guten Gründen) noch immer nicht Standard.

Meetup?

Braucht es also noch was Neues, ein anderes Format? Ich habe dazu mit Sabine gesprochen, die sofort begeistert war, ein neues Projekt zu initiieren, da sie ebenfalls darüber nachdachte: Wie gelingt es, die die Sozialwirtschaft bewegenden Themen so zu bearbeiten, dass man einerseits einen tieferen Einblick bekommt und nachhaltiger an Themen arbeiten kann und man andererseits die Freiheiten des Barcamps jenseits von trockener Veranstaltungslangeweile genießen kann.

Dafür gibt es das Meetup, das sich wie folgt definieren lässt:

„A meetup is an organized gathering of people, especially a regular meeting of people who share a common interest or hobby. It is usually initiated and arranged through a social network or website.“

Joah, klingt nicht so kompliziert: Ein organisiertes Treffen von Menschen, die ein gemeinsames Interesse haben, digital organisiert. Unser gemeinsames Interesse ist:

Eine zunehmend unsichere Zukunft positiv zu gestalten!

Meetup Werkraum Zukunft

Eine zunehmend unsichere Zukunft lässt sich am Besten in einem unfertigen Lernraum gestalten. Wir müssen an dieser Zukunft gemeinsam rumschrauben, hier mal was schweißen, dort mal was basteln, Dinge absägen und in den Müll werfen, etwas dreckig, manchmal, irgendwie auch überraschend, nicht wissend, was herauskommen wird – ein Werkraum Zukunft!

Geboren war das Meetup „Werkraum Zukunft.

Zum einen hatte ich die URL noch irgendwo rumliegen ;-), zum anderen wollten wir bewusst nicht „das Soziale“ mit in den Titel aufnehmen, da sich Zukunft ausschließlich gemeinsam und interdisziplinär gestalten lässt.

Selbstverständlich hat der „Werkraum Zukunft“ in der heutigen Zeit seine Tore in der digitalen Welt geöffnet. Das mit dem analogen Zusammenkommen ist gerade so semi-begeisternd (auch wenn alle danach lechzen, wieder real zusammen kommen zu können, das holen wir dann nach, versprochen!).

Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft am 17.12.2020 um 20 Uhr

Wir freuen uns riesig, noch vor Weihnachten, bereits am 17.12.2020 um 20 Uhr, digital via Zoom zusammen zu kommen.

Für den Abend hat Peter Stepanek spontan zugesagt, um uns bei Glühwein und Spekulatius mitzunehmen in das Thema Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft.

Peter ist Professor für Sozialwirtschaft an der FH Campus Wien, geschäftsführender Vorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft e.V. (INAS) und lehrt und forscht im Europäischen Masterstudium Sozialwirtschaft & Soziale Arbeit. Dort beschäftigt er sich mit seinen Studierenden unter anderem intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft.

Hier findest Du Peter Stepanek auf Twitter.

Du willst Dir im Werkraum Zukunft die Hände schmutzig machen und Zukunft mitbauen?

Dann musst Du Dich zu unserem ersten Treffen anmelden, damit wir Dir den Link zur Zoom-Konferenz schicken können. das geht ganz einfach hier über diesen Link.

Hier kannst Du übrigens selbst Themenvorschläge einbringen. Wir versuchen, Dein Thema zeitnah zu terminieren (ohne Gewähr, natürlich, und mit dem Hinweis, dass der Werkraum Zukunft etwa alle 3 – 4 Monate stattfinden wird).

Und jetzt sind wir noch gespannt auf Dein Feedback, Anregungen und Ergänzungen, wie wir die Veranstaltung besser machen können. Danke!!!

Hier geht’s zur Website www.werkraum-zukunft.de!

Die perfekte New Work Weiterbildung

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Es interessiert mich, seit ich mich mit New Work beschäftige: Kann man New Work lernen und lässt sich daraus eine Weiterbildung, ein Programm basteln?

Ja klar, da gibt es schon Angebote auf dem Markt, aber so richtig zufrieden gestellt haben die mich nicht. Mehr noch: Meist ärgere ich mich über diese Angebote:

https://twitter.com/HendrikEpe/status/1312271434807480320

Bei New Work geht es nicht um mehr Produktivität, Effektivität, höhere Zufriedenheit oder Geschwindigkeit! Das ist vielleicht sogar das Gegenteil von New Work, das ist allerhöchstens „Lohnarbeit im Minirock„, wie es Bergmann ausdrückte. Und in den Weiterbildungen zum Thema New Work geht es nur – wenn überhaupt (siehe oben) – um (unbestritten wichtige) Fragen zeitgemäßer Organisationsentwicklung, die unter dem Label New Work verkauft werden. Aber wenn man das ursprüngliche Konzept von Bergmann zugrunde legt, wird es eng, denn:

New Work ist weit mehr als Organisationsentwicklung.

Faszinierenderweise bin ich aber endlich auf die perfekte New Work Weiterbildung gestoßen, die nicht nur den Aspekt der Organisationsentwicklung, sondern auch das Individuum und die Gesellschaft in den Blick nimmt. Es werden Menschen als Individuen ebenso wie Gruppen in deren Nahräumen in den Blick genommen. Der organisationale Aspekt kommt leider ein wenig kurz, aber zumindest die Grundgedanken selbst der Ideen zeitgemäßer Organisationsentwicklung werden vermittelt. Und dann kann man – wenn man will – auch noch Vertiefungen belegen, die bspw. Innovation, Organisation oder die Arbeit mit dem Individuum, der Gruppe oder der Gesellschaft spezifisch aufgreift.

Unfassbar, eigentlich, oder?

Ich skizziere im Folgenden mal die Vision, das Grundkonzept und – zumindest in Ansätzen – die mit der New Work Weiterbildung vermittelten Kompetenzen.

Die Vision der New Work Weiterbildung

Die New Work Weiterbildung fokussiert praxisorientiert auf gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage für die New Work Weiterbildung. Dabei stützt sie sich auf ein interdisziplinäres Theoriegerüst, angefangen bei den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften über Medizin und Psychologie bis hin zur Systemtheorie uvm.. Mit der New Work Weiterbildung werden Menschen befähigt und ermutigt, so dass sie die Herausforderungen ihres Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei werden organisationale Strukturen berücksichtigt.

Klingt schon mal gut, oder? Mir gefällt der Aspekt der Autonomie und Selbstbestimmung ganz besonders, da ich davon überzeugt bin, dass Menschen nur dann Autonomie und Selbstbestimmung stärken können, wenn sie selbst autonom und selbstbestimmt handeln.

Jetzt aber zum Grundkonzept:

Grundkonzept der New Work Weiterbildung

Die New Work Weiterbildung ist so aufgebaut, dass am Anfang eine selbst zu definierende Aufgabenstellung, deren Bearbeitung durch New Work Professionals erfolgen kann/soll/muss, steht.

Dabei wird unterstellt, dass New Work Professionals nicht nur individuell, sondern in professioneller und gesellschaftlicher Verantwortung tätig werden. Sie reagieren nicht nur auf bestehende, allgemein erkannte Aufgabenstellungen, sondern agieren auch durch die Bearbeitung‚ von gesellschaftlich und/oder professionell als relevant angesehenen Herausforderungen.

Die für die Bearbeitung von solchen Aufgabenstellungen notwendigen allgemeinen Fähigkeiten und professionellen Eigenschaften sind einerseits individuell verortet (individuelle Kompetenzen). Andererseits sind sie auch Teil des kollektiven Wissens- und Fähigkeitskanons sowie eines grundlegend geteilten New Work Selbstverständnisses.

Die New Work Profesionals können auf dieser Basis und damit im Bewusstsein der Folgen ihrer Tätigkeit für die von ihnen zu beratenden, zu betreuenden und/oder zu begleitenden Menschen/Organisationen und soziale Systeme in kritischer Reflexion gesellschaftlicher Funktionszusammenhänge handeln.

Die New Work Weiterbildung folgt, ausgehend von einer grundsätzlichen Entscheidung für eine grundständige, generalistische Ausrichtung, der gedanklichen Linie von Erweiterung und Vertiefung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen und Haltungen mit der darauf folgenden Möglichkeit zur Spezialisierung, wie bereits oben angesprochen.

Zur Ermöglichung professionellen „New Work Handelns“ beginnt die Weiterbildung, wie gesagt, mit der gemeinsamen Definition einer bestimmten Problemstellung, die je nach Interesse, individuell, bezogen auf eine Gruppe oder Gemeinschaft oder die Gesellschaft, national wie international, ausgerichtet sein kann. In einem zweiten Schritt werden grundlegendes Wissen und ein Verständnis geschaffen, damit die Aufgabenstellung in ihrer Komplexität eingeordnet werden kann und die hinter der Aufgabenstellung liegende Problemstellung greifbar wird.

Etwas konkreter gefasst differenziert die New Work Weiterbildung zwischen den folgenden Bereichen, die alle zu absolvieren sind:

  • Bereich ‚Grundlagen New Work‘
  • Bereich ‚Erweitertes Gegenstands- und Erklärungswissen für New Work‘
  • Bereich ‚Normative Grundlagen für New Work‘
  • Bereich ‚Gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen für New Work‘
  • Bereich ‚Allgemeine Handlungstheorie und spezielle Handlungstheorien / Methoden für New Work“
  • Bereich ‚Handlungsfelder und Zielgruppen für New Work‘
  • Bereich ‚Forschung und Entwicklung für New Work‘

Kompetenzen der New Work Weiterbildung

Es ist nicht ganz leicht, hier genau zu sagen, welche Kompetenzen vermittelt werden, da sich die Weiterbildung ja an den Problemstellungen der Teilnehmer*innen orientiert. Und für jeden der oben angesprochenen Bereiche ließe sich hinsichtlich der Kompetenzen in die Tiefe gehen. Beispielhaft greife ich nur den Bereich ‚Gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen für New Work‘ heraus. Da heißt es:

„Die Kenntnis der Rahmenbedingungen, unter denen New Work stattfindet, ist nicht nur Ausgangspunkt für die Analyse von Handlungsspielräumen, sondern auch für eine Analyse im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Veränderung dieser Bedingungen. Der Bereich umfasst folgende Themen:

  • Sozialpolitik, Sozialrechte als nationale Rechtsbasis
  • Rechtliche Rahmenbedingungen im Vergleich: lokal/national, europäisch (Europäische Menschenrechts-/Sozialcharta) und international; Entstehung und Wandel im Vergleich
  • Wirtschafts-, Bildungs- und Gesundheitspolitik in ihrer Bedeutung für New Work
  • New Work im Dreieck zwischen ziviler und sozialer Bürgerschaft/Nichtregierungsorganisationen, Staat/Politik und Wirtschaft“

Klingt vielversprechend, oder? Vielleicht sogar ein wenig zu optimistisch, aber man darf ja nach den Sternen greifen.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Das Beste an der New Work Weiterbildung ist, dass diese umsonst ist und an ganz vielen Orten in Deutschland absolviert werden kann. Ja, es machen sich einige private Anbieter auf den Weg, die Weiterbildung auch anzubieten, um damit Geld zu verdienen, was ich persönlich unproblematisch finde. Gute Konkurrenz belebt in dem Fall wirklich das Geschäft und die Entwicklung der Weiterbildung insgesamt. Voraussetzung ist, das man Abitur hat und studieren darf, aber wer darf das heute nicht? Die Dauer liegt bei mindestens 3 Jahren, in Vollzeit. Es gibt aber inzwischen auch Varianten, die berufsbegleitend absolviert werden können.

Fazit:

Noch einmal zusammenfassend orientiert sich die New Work Weiterbildung am Handlungsbereich des Verhinderns und der Bewältigung sozialer Probleme, die sich in ungleichen Möglichkeiten zur Lebensführung, unterschiedlichen Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Leben sowie dem Mangel an Bildung, Gesundheit, Beschäftigung, Einkommen, sozialen Beziehungen und weiteren gesellschaftlichen Ressourcen zeigen. Führung und Management von Unternehmen inkl. Betriebswirtschaftslehre, Personal- und Organisationsentwicklung, Projektberatung und Projektmanagement sind Teil, aber nicht Kern der Weiterbildung.

Die Weiterbildung untergliedert sich in verschiedene „Bereiche“, die alle absolviert werden müssen, um dem generalistischen Anliegen zu folgen. Vertiefungen lassen sich später absolvieren. Und inzwischen haben auch schon tausende junge Menschen die New Work Weiterbildung absolviert, in Deutschland, Europa und sogar weltweit.

Unglaublich, oder? Für mich zeigt sich: Wir haben kein Erkenntnisproblem. Es ist alles da.

Wir haben aber definitiv ein Problem damit, die umfassenden Kompetenzen, die in der Weiterbildung vermittelt werden, so darzustellen, dass deutlich wird, was die New Work Professionals wirklich draufhaben.

Das könnten wir ändern, in dem wir – die wir alle diese Weiterbildung absolviert haben – mit der Gestaltung der Gesellschaft beginnen: Im Kleinen, den Einrichtungen, Diensten, Kindergärten und Kitas, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Pflegediensten etc. und im Großen, in den Verbänden und Institutionen, die Politik gestalten können.

Und beim vorherigen Absatz ist es wohl deutlich geworden:

Ich spreche von dem grundständigen Studium der Sozialen Arbeit 😉 Meine Inhalte sind entlehnt aus der „Internationalen Definition für Soziale Arbeit„, die sich auf den Seiten des DBSH findet, sie sind aus dem „Qualifikationsrahmen für Soziale Arbeit“, die vom Fachbereichstag Soziale Arbeit erstellt wurden (und mal wieder aktualisiert werden müssten) und aus dem „Kerncurriculum Soziale Arbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit. Meist musste ich in den genutzten Quellen nur Soziale Arbeit mit New Work ersetzen, an manchen Punkten habe ich kleine Anpassungen vorgenommen. Deutlich wird:

Soziale Arbeit, vielleicht aus dem Verständnis einer „New Social Work“, kann die Profession und Disziplin sein, die gerade heute, gerade in Zeiten von (lokalen und globalen) Krisen und Umbrüchen, ganzheitlich, sinnorientiert und zeitgemäß Antworten, Methoden, Vorgehensweisen und Hilfe anbieten kann. Dafür braucht es engagierte Menschen im sozialen Sektor und mutige soziale Organisationen, die Schritte nach vorne gehen und immer wieder auf’s Neue Zukunft gestalten.

Das innere Team in der Krise

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Welche Partei wählst Du? Klar, musst Du hier nicht beantworten, aber mir fällt auf, dass ich es zunehmend schwerer finde, eine einfache Antwort auf die gestellte Frage geben zu können: Grundsätzlich stimme ich vielen Positionen der Grünen zu. Gleichzeitig erachte das Engagement der FDP für die Unterstützung von Selbständigen als sinnvoll. Schön wäre, wenn die FDP irgendwas mit liberaler Politik zu tun hätte, dann wäre ich wahrscheinlich noch mehr bei ihr. Gleichzeitig kann ich in ein paar Punkten die Positionen der Linken unterstützen. Entsprechend schwer fällt mir die Antwort.

Genauso schwer fällt mir die Antwort auf die Frage „Wie geht’s Dir eigentlich?“

Inspect and Adapt, oder: Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die (Zeit nach der) Krise

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In der Coronakrise wird alles auf den Kopf gestellt: Menschen müssen von zu Hause arbeiten, auch wenn die eigene Organisation nicht im Traum daran gedacht hat, ein HomeOffice Konzept zu erarbeiten. Die Digitalisierung und selbst die Digitalisierung der Sozialen Arbeit, bekommt unfreiwillig einen Boost, den wir mit noch so vielen Vorträgen und Workshops nicht hinbekommen hätten. Menschen müssen Menschen „remote“, also aus der Distanz beraten, begleiten, schützen, fördern, obwohl der analoge Beziehungsaufbau eines der wesentlichen Werkzeuge sozialer Arbeit war, ist (und aller Voraussicht nach bleibt).

Zwangsagilisierung führt zu neuer Organisationskultur

Das ist alles spannend, schön und nett und funktioniert sogar so beängstigend gut, dass wir nach der Krise nicht wieder einfach so zur 8-Stunden Präsenz am Schreibtisch im Büro zurückkehren können, nur damit der Chef oder manchmal auch die Chefin das eigene Gefühl bestätigt sieht, die Schäfchen im Trockenen zu haben aka die Angestellten vor den Bildschirmen sitzen zu sehen.

Auch langwierige, Kaffee- und Keks-geprägte Teamsitzungen, die besser eine E-Mail geworden wären, lassen sich zukünftig nur noch schwer realisieren, wenn es gleichzeitig möglich ist, Veranstaltungen der Sozialen Arbeit mit mehr als 200 Teilnehmer*innen zielführend und komplett online durchzuführen.

Die durch die Krise geforderte Zwangsagilisierung der Organisationen wird neue Organisationskulturen hinterlassen, sofern, ja, sofern die Organisationen noch bestehen.

Denn – auch wenn es hart ist – wird auch dies in der Krise deutlich: Organisationen, die schon vor der Krise hinsichtlich ihrer ökonomischen Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells „auf Kante genäht“ waren, werden nach der Krise nicht mehr existieren. Das trifft, so hart es ist, nicht nur lustige StartUps in Berlin, sondern auch soziale Organisationen.

Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die Zeit nach der Krise

Entsprechend ist es schon jetzt, während der Krise, relevant, aktuelle, in der Krise aufkommende Probleme anzugehen und Strategien sowie Strukturen Ihrer Organisation für die Zeit nach der Krise, für morgen und übermorgen, zu gestalten.

Das klingt jedoch einfacher als die Bearbeitung dann in der Realität ist.

Denn bislang musste Strategieentwicklung doch irgendwie ein langwieriger Prozess sein, der immer in einer Hochglanzbroschüre endet, die niemand liest, geschweige denn die darin enthaltenen Aspekte umsetzt, oder?

Aktuell brauchen wir eine andere, eine kompakte und radikal lösungsorientierte Vorgehensweise der Strategie- und Organisationsentwicklung.

Strategieentwicklung und -umsetzung anhand von „Inspect and adapt“

Sehr einfach formuliert (und mehr ist es auch tatsächlich nicht) lässt sich das Vorgehen an dem Scrum-Event „Inspect and Adapt“ orientieren:

In diesem Event in der agilen Methode Scrum prüft (inspect) das Team nach jedem Sprint, also jeder iterativen Schleife, wo es aktuell steht und was erreicht wurde. Dabei werden Aspekte deutlich, die zu verbessern sind, noch fehlen, die Schmerzen bereiten oder auch unbedingt in die Zukunft geführt werden sollten.

Entsprechend werden Maßnahmen zur Umsetzung der Veränderungen vereinbart (adapt).

Dieses einfache Vorgehen lässt sich für die Strategie- und auch einige Aspekte der Organisationsentwicklung wie folgt adaptieren (adapt, haha…):

1. Den Status Quo und aktuelle Erkenntnisse erfassen (inspect)

Das klingt immer so lapidar: Natürlich bist Du als Führungskraft im Status Quo drin. Du siehst doch das Chaos um dich herum. Und von Problemen hast Du echt genug. Warum also damit beginnen, den Status Quo und damit die Erkenntnisse (ein anderes Wort für Probleme, aber eben auch für Innovationen) zu erfassen?

Weil es enorm wichtig ist, gerade in der Krise (oder spätestens kurz danach) einen Schritt zurück zu treten und genau zu beleuchten, was denn jetzt gerade vorgefunden wird. Hilfreiche Fragen dazu sind:

  • Wie sieht der Status Quo aus?
  • Wo genau liegen unsere aktuellen Schwierigkeiten und Probleme?
    • Als hilfreiches Tool zur Orientierung greife ich in Beratungen gerne auf das St. Galler Management Modell zurück, da es sehr ganzheitlich die Organisation in den Blick nimmt und nichts vergessen wird.
    • Leistungserbringung (bspw. Geschäfts-, Führungs- und Unterstützungsprozesse, Strategie, Struktur, Personal, finanzielle Ressourcen…)?
    • Anstehende Entscheidungen (bspw. bezogen auf das Personal, auf Investitionen, Projekte, zeitliche Fristen…)
    • Interne Kommunikation (bspw. Meetingkultur, Home Office…)
  • Was läuft gerade außerordentlich gut (bspw. Solidarität, Kooperation)?
  • Lassen sich Muster erkennen?

Praxistipp: Wo sammelt ihr in deiner Organisation aktuelle Fragen, Probleme und neue Ideen, die nicht unmittelbar angegangen werden können, aber auch nicht verloren gehen dürfen?

Da Du jetzt sicherlich irgendwie digital arbeitest, macht es Sinn, an einem Ort (bspw. in deinem Notizprogramm, Evernote, OneNote o.ä. oder als Team) eine Themensammlung aufzumachen. Diese kann beim nächsten Strategiereview durchgegangen werden.

2. Ableitung von Hypothesen

Spannungen, Probleme, Herausforderungen aber auch neue Praktiken und Innovationen gibt es gerade angesichts der aktuellen Krise zuhauf. Diese, positiven wie negativen, teilweise Widersprüchen Entwicklungen, zu erkennen, ist gut und wichtig. Ohne Konflikte und Dissens jedoch ist das Treffen von guten Entscheidungen schwer möglich.

  • Aber wie stehen die Herausforderungen und Konflikte, die Spannungen etc. zu Ihrer Arbeit, zu Deiner Organisation oder noch globaler: zum Zweck der Organisation?
  • Und was lässt sich daraus ableiten? Was ist zu tun, um die Probleme zu bewältigen und was ist zu tun, um die Innovationen zu bewahren? Und natürlich:
  • Welche Chancen lassen sich erkennen und welche Lösungsansätze werden gesehen?

Diese Fragen sind Teil des 2. Schritts:

Der Bewertung der unter Schritt 1 gewonnenen Aspekte und der Ableitung daraus gewonnener Erkenntnisse, neuer Ideen und Praktiken.

Dabei ist es relevant, jede Spannung, Herausforderung und neue Idee kurz in den Blick zu nehmen und eine Hypothese abzuleiten: „Wenn wir dies tun, passiert dies.“ „Wenn dieses Szenario eintritt, kommt es zu folgenden Auswirkungen.“ „Wenn wir uns um dieses Thema nicht kümmern, passiert dies.“ Es gilt hier, verschiedene Szenarien, Ideen für den jeweiligen Aspekt, zu entwickeln.

Und auch dieser Schritt muss nicht in langen Diskussionen enden, sondern kann sehr schnell gehen 😉

3. Iterativ testen, was wie wirklich wirkt (adapt)

Für die in Schritt 1 gesammelten und anhand der Kategorien des St. Galler Management Modells systematisch geordneten durch die Krise entstandenen Aspekte, die sich ggf. auch in Clustern abbilden lassen, wurden in Schritt 2 Hypothesen gebildet, die in Schritt 3 getestet werden:

  • Treten die in den Hypothesen formulierten Vorannahmen ein oder nicht?
  • Welche erwünschten oder auch unerwünschten Nebenwirkungen treten ein?
  • Welche überhaupt nicht berücksichtigten Wirkungen treten ein?
  • Was lässt sich daraus ableiten?

Um aber diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig, für die einzelnen Themenbereiche Verantwortliche festzulegen, die sich um die Umsetzung der Themen kümmern. Wieder mache ich gerne den Vergleich zu Scrum auf: Die Verantwortlichen lassen sich mit den „Product Ownern“ vergleichen: Sie müssen nicht selbst das Ergebnis umsetzen, sondern sind vielmehr verantwortlich dafür, dass die Umsetzung angemessen und im Sinne der Organisation läuft.

Die Verantwortlichen sollten sich ein passendes Team suchen, das die für die Umsetzung notwendigen Kompetenzen mitbringt. Hier macht es deutlich mehr Sinn, auf Freiwilligkeit zu setzen. Zwang senkt die Motivation, aber dazu muss man nicht so viel sagen.

Du solltest nur ebenfalls bei den sog. „Zuständigkeiten“ vorsichtig sein. Derjenige, der für Thema XY zuständig ist, muss in der aktuellen Krise nicht der Beste für das Thema sein. Denn aktuell werden viele Einrichtungen so durchgeschüttelt, dass sich auch die angeblich strukturgebenenden Zuständigkeiten neu mischen (müssen).

Wer für was zuständig ist, lässt sich nicht mehr einfach sagen. Und diese Unsicherheit gilt es auszuhalten.

(Virtuelle) Rahmenbedingungen

Kurzzeitstrategie

Noch ein paar kurze Infos, wie ich die Begleitung bei den vorgestellten Punkten aktuell online sicherstelle (was natürlich auch einfach kopiert werden kann ohne Begleitung):

Da analoge Treffen aktuell eher schwer möglich sind und im kompletten Führungskreis einer Organisation auch nicht sinnvoll erscheinen, arbeite ich natürlich digital. Die Möglichkeiten sind faszinierend und – ein paar Aspekte (stabiles Netz bspw.) vorausgesetzt, nicht so kompliziert.

Ich arbeite mit Bluejeans als tool für die Videokonferenz. Parallel dazu baue ich eine Online-Whiteboard mit Mural, einer für die Basics kostenfrei gut nutzbaren App zur Visualisierung von Arbeitsergebnissen.

Damit gelingt die Kommunikation mit Blick in die Augen und gleichzeitig die Visualisierung der Diskussion und der Ergebnisse.

Zeitlich sind aus der bisherigen Erfahrung Sitzungen mit drei Mal zwei Stunden Länge sinnvoll: Zwei Stunden sind lang genug, um einzuchecken, Nebengespräche zu führen und gut digital zu arbeiten. Sie sind aber auch kurz genug um die Fokussierung, die bei den Videokonferenzen krass ist, aufrecht zu erhalten. Und die Durchführung anhand von drei Sitzungen ermöglicht die Reflexion zwischen den Sitzungen.


Macht das für Deine Organisation Sinn? Dann kurz anrufen oder ne Mail schreiben. Ich freu mich auf Dich und Deine Einrichtung!

Mitarbeitergespräche in der Krise – muss das?

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Zum Thema Mitarbeitergespräche bin ich persönlich zwiegespalten.

Auf der einen Seite ist es irgendwie sehr befremdlich, einmal im Jahr mit seinen Vorgesetzten zu sprechen und basierend auf diesem Gespräch zu überlegen, wie es das nächste Jahr weitergehen soll.

It’s Time for New Work!

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Ist es im Zuge der Corona-Krise gerade etwas ruhig geworden um das Thema New Work?

Ach ja, kurz:

Man darf und durfte New Work noch nie mit der Gestaltung von Organisationen verwechseln, auch wenn – davon bin ich auch immer noch überzeugt – Werthaltungen, die hinter dem New Work Konzept stecken, mehr als hilfreich für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen sind:

Vertrauen, oder: Zum Umgang mit fehlendem Slack in Sozialen Organisationen

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Stefan Kühl schreibt, dass es für Organisationen hochgradig relevant ist, „Slack“ zu produzieren, Fettpolster, um Zeiten der Krise gut bewältigen zu können. Er betitelt den Beitrag treffend mit den Worten

„Vom Nutzen und Schaden von Fettpolstern“.

Organisatorische Fettpolster werden deutlich, wenn man sich seine Beispiele anschaut: