Empowerment als zukunftsfähige Personalentwicklung für New Work

Personalentwicklung für New Work

Inhalt:

Das Konzept „New Work“ lässt sich mindestens aus den drei Ebenen Gesellschaft, Organisation und Mensch betrachten. New Work, verstanden auf organisationaler Ebene als die sich durch die wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen – Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel etc. – ergebenden organisationalen Veränderungen, führt zu Flexibilisierungen, veränderten Organisationsstrukturen und einer Veränderung der Arbeitsbeziehungen. New Work auf individueller Ebene – so zumindest meine Hoffnung – führt zu Selbstständigkeit, Freiheit und der Teilhabe aller Menschen an der Gemeinschaft. New Work in diesem Sinne hat somit sehr viel mit Inklusion zu tun, ein spannendes, jedoch anderes Thema. Denn gleichzeitig kann ich das folgende Zitat voll unterstreichen:

„Die Menschen sind (…) so sozialisiert, dass sie in bestehenden Handlungsroutinen stecken bleiben. Sie erwarten, dass Führungskräfte für sie Entscheidungen treffen und meinen, dass funktionierendes unternehmerisches Handeln fixe Pläne und genaue Kontrolle braucht.“

Noch einmal kurz: Die Organisationen werden gezwungenermaßen flexibler. Das erfordert wiederum Menschen, die selbstbestimmt und selbst-bewusst denken und handeln können.

Verhaftet in Handlungsroutinen

Gleichzeitig sind Menschen oftmals verhaftet in Handlungsroutinen, die das Gegenteil dieses selbstbestimmten Handelns sind.

Überspitzt formuliert werden Vorgaben eingehalten, auf Anweisung gewartet, Befehle ausführt, Zuständigkeiten gesucht anstatt selbst zu denken, zu entscheiden und Dinge neu, anders und besser (oder überhaupt) zu machen.

Stephan Heiler und Gebhard Borck[efn_note]Heiler, St., Borck, G. (2018): Chef sein? Lieber was bewegen!: Warum wir keine Führungskräfte mehr brauchen. S. 87f.[/efn_note] beschreiben den Umstand wie folgt:

„Für uns steht außer Frage, dass [Menschen zur Selbstorganisation] fähig sind. Wie gut sie für die Firma mitdenken können, hängt mit der persönlichen Biografie zusammen. Eigenständigkeit baut auf Übung. Wir werden geboren und lernen zu laufen, zu reden, zu rechnen etc. All das ist von Beginn an in uns angelegt. Wie wir uns darin entwickeln, ist verbunden mit dem, was die Umwelt von uns erwartet. Ähnlich verhält es sich mit der Selbstständigkeit. Je früher jemand anfängt, sie in Gesellschaft zu üben, umso einfacher fällt es ihm, in einem selbstorganisierten Unternehmen klarzukommen. Ein Arbeitsleben, das aktiv darauf zählt, bildet auch die Fertigkeit Zug um Zug (weiter) aus.“

Wie aber kann es gelingen, mehr Menschen auf diesem Weg mitzunehmen? Wie kann es gelingen, die sich durch die ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen zwingend ergebenden Umwälzungen im Leben und Arbeiten der Menschen so zu gestalten, dass diese individuell und gesellschaftlich positive Auswirkungen haben?

Wie kann es gelingen, die Menschen für die Zukunft der Arbeit zu empowern?

Empowerment

Empowern? Moment, da war doch was? Ja, genau:

Der Blick auf die sozialarbeiterische Methode des „Empowerments“ lohnt sich hier wirklich.

Ohne in die Tiefe zu gehen  wird bei der vornehmlich , aber nicht nur einzelfall-, also am jeweiligen Menschen orientierten Methode deutlich, dass es dabei auf individueller Ebene um die „Suche nach Stärken und Ressourcen in der Person und Lebenswelt der jeweiligen AdressatIn (…) sowie die gemeinsame Gestaltung einer geeigneten Form der Unterstützung“ geht.

Und weiter: „Auf der Gruppenebene geht es um das Gestalten von sozialen Zusammenhängen, den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung von fördernden Netzwerkstrukturen, die die Selbstorganisation von Menschen unterstützen“[efn_note]Herrmann, F. (2015): Konfliktkompetenz als Teil professioneller Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeit. In: Bolay, E. et. al (2015): Methodisch Handeln – Beiträge zu Maja Heiners Impulsen zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Springer, Wiesbaden, S. 115f.[/efn_note].

Das erste Mal in diesem Blog zitiere ich meine Chefin, die schreibt[efn_note]Kricheldorff, C. (2014): Altern und Soziale Arbeit. In Becker, S., Brandenburg, H. (Hrsg.), Lehrbuch Gerontologie. Gerontologisches Fachwissen für Pflege- und Sozialberufe. Eine interdisziplinäre Aufgabe, 97–114, Bern: Verlag Hans Huber.[/efn_note]:

„Das Empowerment-Konzept, (…), beschreibt (…) einen Prozess, in dem Betroffene ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen, sich dabei ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und soziale Ressourcen nutzen.“

Herriger[efn_note]Herriger, N. (2014): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Kohlhammer-Verlag (Stuttgart 2014), 5., erweiterte und aktualisierte Auflage.[/efn_note], der das Grundlagenwerk zum Empowerment in der Sozialen Arbeit verfasst hat, schreibt in seinem Vorwort zum Buch:

„Empowerment ist so programmatisches Kürzel für eine veränderte helfende Praxis, deren Ziel es ist, die Menschen zur Entdeckung ihrer eigenen (vielfach verschütteten) Stärken zu ermutigen, ihre Fähigkeiten zu Selbstbestimmung und Selbstveränderung zu stärken und sie bei der Suche nach Lebensräumen und Lebenszukünften zu unterstützen, die einen Zugewinn von Autonomie, sozialer Teilhabe und eigenbestimmter Lebensregie versprechen.“

Und den Theorieteil abschließend sieht Kleve[efn_note]vgl. Kleve (2007): Postmoderne Sozialarbeit. Ein systemtheoretisch konstruktivistischer Beitrag zur Sozialarbeitswissenschaft, 2. Auflage, Springer, Wiesbaden, 102f[/efn_note] in den Empowementansätzen zukunftsweisende Konzepte, um die Komplexität sozialarbeiterischen Handelns in den Griff zu bekommen.

Das Leben in die Hand nehmen

Zusammenfassend geht es bei dem Ansatz also darum, Betroffene darin zu unterstützen, ihre Angelegenheiten oder besser: ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Es geht um die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, ohne „allein auf weiter Flur“ zu stehen und soziale Ressourcen zu nutzen.

Es geht um die gemeinsame Suche nach Stärken, Ressourcen und Potenzialen. Es geht um das Gestalten von unterstützenden Netzwerkstrukturen auf individueller wie auf Gruppenebene.

Daraus erwächst die Möglichkeit, bestehende und steigende Komplexität bewältigen zu können.

Was wir wirklich, wirklich tun wollen, oder: Personalentwicklung für New Work

Kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor? Ist das nicht genau das, was wir in ausnahmslos allen (!) Organisationen, branchenunabhängig, heute und in Zukunft brauchen?

Wir brauchen Menschen, die sich ihrer Stärken, ihrer Selbstwirksamkeit, ihrer Potenziale bewusst sind, um damit – gemeinsam in flexiblen Netzwerken – eine zunehmend komplexe, hochdynamische Zukunft gestalten zu können!

Wenn es uns als Profession gelänge, uns selbst ernst zu nehmen, bräuchten wir mehr Sozialarbeitende in den Personalabteilungen aller Unternehmen.

Wir brauchen Menschen, die sich damit auskennen, Menschen darin zu begleiten, Stärken, Ressourcen und Potenziale zu entdecken.

Wir brauchen Menschen, die die Komplexität sozialer Systeme verstehen und (darin) leben können.

Und allein der Gedanke an die Möglichkeit, dass in Zukunft zunehmend mehr Menschen aufgrund der Roboterisierung ihren Job verlieren, erhöht den Bedarf an Menschen, die – ganz im Sinne Fritjof Bergmanns – Menschen darin begleiten können, das zu finden, was sie wirklich, wirklich tun wollen.

Really rosige Zeiten für Soziale Arbeit, würde ich sagen. Oder?

Oder doch die übelste Karre

Genau hier verwundert es mich (manchmal), dass gerade die Menschen, die sich dem Empowerment im Rahmen ihrer Berufstätigkeit als professioneller Methode bedienen (sollten?), in Organisationen arbeiten, in denen das Empowerment der Mitarbeiter*innen oftmals alles andere als großgeschrieben wird. Oder liegt es gar nicht an den Organisationen, sondern an den Menschen in den Organisationen?

Fragen über Fragen, aber vielleicht ist das vergleichbar mit dem KFZ-Mechaniker, der selbst mit der übelsten Karre durch die Gegend fährt. Oder doch eher mit dem Hobbyschrauber, der im Kern keine Ahnung von Autos hat?


P.S.: Ich werde mich in Zukunft verstärkt dem Thema der Entwicklung von Menschen im Kontext der Transformation hin zu mehr Agilität oder von mir aus auch der „Personalentwicklung für New Work“ befassen. So ist die Annahme, dass sich soziale Organisationen allein aufgrund der oben geschilderten, theoretisch vorhandenen Fähigkeit der Professionellen zum Umgang mit Komplexität hin zu Lebendigkeit und damit Lebensfähigkeit entwickeln, eher naiv. Vielmehr stellt sich die Frage, warum es den Professionellen gerade nicht gelingt, „agil“ im besten Sinne zusammenzuarbeiten und was es dafür im Sinne der Weiterbildung und Personalentwicklung für New Work braucht. Was fehlt den Menschen, um dahin zu gelangen, ihre Organisationen agil zu gestalten? Oder konkreter: Was fehlt Dir und Ihnen, um Zusammenarbeit agil zu gestalten?

P.P.S.: Ich benutze die „Buzzwords“ Transformation und Agilität ganz bewusst. Denn die Begriffe selbst können nichts für ihre inflationäre Verwendung. Spannender ist, was sich dahin verbirgt. Und dem werde ich gemeinsam mit Ihnen und Dir auf die Schliche kommen… 😉

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3 comments on “Empowerment als zukunftsfähige Personalentwicklung für New Work

  1. Matthias Jung am

    „Wie kann es gelingen, die sich durch die ergebenden gesellschaftlichen Veränderungen zwingend ergebenden Umwälzungen im Leben und Arbeiten der Menschen so zu gestalten, dass diese individuell und gesellschaftlich positive Auswirkungen haben?“

    Lieber Hendrik,
    ich stimme deiner Analyse zu und teile auch die Perspektiven, die du entwickelst.
    Ich frage mich aber, ausgehend von dem zitierten Satz, der ja im Grund ein politischer Satz ist: Wie kann es gelingen, Menschen zu ermutigen, sich entsprechend einzubringen, wenn keinesfalls sicher ist, dass ihre Tätigkeiten positive Auswirkungen haben, weil die Rahmenbedingungen eher ernüchternd, frustrierend oder was auch immer sind (Klimakrise, Rechtspopulismus, Fake-News usw.)? „Reicht“ es als Motivation aus, wenn ich in meinem individuellen Umfeld mich als handlungsfähig verstehe und erlebe? Was ist, wenn die positiven Auswirkungen meines, unseres heutigen Engagements erst in der Enkelgeneration wirksam werden? Der Individualismus, auf den Empowerment aufsetzt, hat eine dunkle Rückseite: größere Horizonte sind wenig im Blick.
    Wie können diese Horizonte als Rahmenbedingungen fruchtbar gemacht werden?
    Das ist die Frage, die mich seit längerem umtreibt.
    Viele Grüße
    Matthias

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Lieber Matthias,

      danke für Deinen Kommentar, über den ich erstmal länger nachdenken musste und zu dem ich auch keine Antwort habe.
      Es wäre einfach zu sagen, dass erst über die Erfahrung von Selbstwirksamkeit das Größere in den Fokus rücken kann: Erst dann, wenn ich mich als wirksam erlebe, schöpfe ich daraus Kraft, mich weitergehend zu engagieren. Aber das ist wiederum nur eine Hoffnung. Somit braucht es vielleicht immer wieder Menschen, denen es gelingt, größere Perspektiven aufzuzeichnen, für die sich der tägliche Aufwand lohnt? Menschen, die Visionen einer Welt zeichnen, in der unsere Enkel leben sollten?

      Dir aber noch einmal ganz herzlichen Dank für die Gedankenanregung!

      Liebe Grüße

      Hendrik

      Antworten

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