Wie Ihr wirklich erfolgreiche Projekte aufsetzt

Inhalt:

Über ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts wird durch Projekte erwirtschaftet. Im Jahr 2018, so prognostizieren die Studienautoren, wird die Bruttowertschöpfung durch Projekte bereits über 40 Prozent ausmachen.

Die projektbasierte Arbeit nimmt auch und insbesondere in Organisationen der Sozialwirtschaft einen großen Raum ein:

„Wohin auch immer man im Nonprofit-Sektor blickt, man stößt unweigerlich auf Projekte: Die meisten NPOs arbeiten in und mit Projekten, sei es in ihren Primär- (…), Sekundär- (…) oder Tertiärprozessen (…)“ (vgl. Mayerhofer et al., 2002, 457).

In beinahe jedem Curriculum für Studiengänge der Sozialen Arbeit – unabhängig ob Bachelor oder Master – findet sich ein Modul oder zumindest eine Lehrveranstaltung zum Thema, Organisationen der Sozialwirtschaft veröffentlichen eigene Arbeitshilfen zur Entwicklung von Projekten (vgl. bspw. SKF, 2007) und einige Organisationen der Sozialwirtschaft bezeichnen sich selbst als „Projekt“ (bspw. Wohnprojekte, Projekte für benachteiligte Jugendliche).

Angeregt durch den Artikel von Sabine Depew, die Projekte mehr als berechtigt als den Motor Sozialer Arbeit bezeichnet, habe ich eine scjon etwas ältere Hausarbeit zum Thema Projektmanagement ausgepackt und für Euch aufbereitet.

Projekte werden entwickelt und für bestimmte Zielgruppen angeboten – bspw. für die Arbeit mit älteren Menschen, Kindern, Jugendlichen oder Menschen mit Behinderung – sowie für unterschiedliche Zielsetzungen – bspw. Projekte zur Einführung von Qualitätsmanagement oder Projekte zur Organisationentwicklung. „Der Begriff ‚Projekt’ wird also in ganz verschiedenen Bedeutungen verwendet“ (ebd.). Ziel von Projekten in Organisationen der Sozialwirtschaft ist meist, flexibel auf neue Bedarfe zu reagieren. Diese werden entweder organisationsintern entwickelt (bspw. Aufbau eines neuartigen Angebots für eine besondere Klientel innerhalb einer stationären Jugendhilfeeinrichtung, Erarbeitung eines Leitbildes) oder organisationsextern von Stakeholdern (bspw. Politik, Gesellschaft, Arbeitsagentur) an die Organisation herangetragen (bspw. Anfrage eines Jugendamtes zur Eröffnung einer neuen Wohngruppe für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge für einen bestimmten Zeitraum oder die gesetzliche Pflicht zur Erarbeitung von Qualitätsstandards in Pflegeeinrichtungen).

Wie lassen sich Projekte so aufsetzen, dass ein möglichst großer Nutzen, ein echter Mehrwert erzeugt wird?

Ist die Methode des „Design Thinking“ geeignet, die Phase der Ideen- und damit der Projektentwicklung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt so zu gestalten, dass ein Scheitern des Projektes aufgrund der von Anfang an richtigen Zielsetzung möglichst verhindert werden kann?

Einführend wird der Projektbegriff sowie Zielsetzungen von Projektarbeit mit einem besonderen Fokus auf Projekte der Sozialwirtschaft erläutert, um damit eine Definition generieren, die im weiteren Verlauf grundlegend bleibt.

Daran anschließend werden die Phasen eines Projektes dargestellt, um dann auf die Phase der Ideenfindung direkt einzugehen und die Methode des „Design Thinking“ vorzustellen. Der Mittelpunkt ist damit der Prozess der Generierung von Projektideen sowie der Methode des „Design Thinking“.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob „Design Thinking“ als eine innovative Methode zur Ideenfindung auch für die Projektentwicklung in Organisationen der Sozialwirtschaft sinnvoll Anwendung finden kann.

Am Ende findet Ihr ein Fazit, in dem insbesondere auch kritische Aspekte der Übernahme von Methoden aus anderen Professionen (bspw. Design, Entrepreneurship) diskutiert werden.

Projektdefinition und -zielsetzung

Wie lassen sich Projekte überhaupt definieren? Welche Merkmale weisen sie auf? Für welche Zielsetzung kommen Projekte überhaupt in Frage, um erfolgreich zu sein?

Projektdefinition

Wie definiert sich ein Projekt? Eine Antwort auf die Frage wird in unterschiedlichen Zusammenhängen auf unterschiedliche Art gegeben. Eine einheitliche Definition findet sich dagegen nicht. „In der Managementpraxis dominiert ein Projektbegriff, ‚der unterschiedslos alles Mögliche als Projekt bezeichnet, das nur irgendwie aus dem Alltagskrams herausragt’“ (Mayerhofer et. al., 2002, 460). Wöhe (2010, 123) definiert Projekte als „komplexe Aufgaben, die im Wesentlichen durch Neuartigkeit, Einmaligkeit und Wichtigkeit für das Gesamtunternehmen gekennzeichnet sind.“ Ebenfalls sehr allgemein lautet die Definition des Deutschen Instituts für Normung e. V. Ein Projekt ist demnach ein „Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit aber auch Konstante der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen; Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben; projektspezifische Organisation.“ (DIN 69901 in Roux, 2011). Berenfänger (2011, 670) legt dar, dass ein Projekt gekennzeichnet ist durch „die Wesensmerkmale Neuartigkeit und Einmaligkeit (…), Komplexität, bereichsübergreifende Zusammenarbeit, zeitliche Befristung, definiertes Projektergebnis, definierte (Wirkungs-) Ziele, planmäßiges und systematisches Arbeiten und Definition einer Projekthierarchie neben der normalen Linienorganisation.“

Hier wird die Definition von Kowarschik (2012) zugrunde gelegt. Diese definiert ein Projekt als „ein zeitlich begrenztes, eigenständiges, komplexes und riskantes Vorhaben mit klaren Vorgaben bezüglich Funktionalität und Qualität und mit eigenem, fast immer begrenztem Budget“ (ebd., 8). Die damit vorgegebenen Merkmale eines Projektes – zeitliche Begrenzung, Eigenständigkeit, Komplexität, Risiko sowie Vorgaben bezüglich Funktionalität und Qualität und das insbesondere mit Blick auf Projekte in der Sozialwirtschaft fast immer begrenzte Budget – werden ebenda weiter erläutert.

Demnach sind bei der Projektarbeit neuartige, bislang unbekannte Probleme zu lösen, wobei Techniken, Methoden und Spezialisten eingesetzt und von einem Projektleiter koordiniert werden müssen. Das Risiko wird im Vergleich zum Tagesgeschäft als hoch eingeschätzt. Neben Führungskompetenzen werden Kompetenzen im Risikomanagement als wichtige Aufgaben des Projektleiters angegeben (vgl. ebd. 9).

Weitergehend hat ein Projekt klare Vorgaben bzgl. Funktionalität und Qualität, die von Seiten des Auftraggebers vorgegeben werden. Damit ist es am Ende eines Projektes möglich, zu entscheiden, ob die Ziele erreicht oder verfehlt wurden. Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung merkt Kowarschik (ebd.) an, dass häufig der Auftraggeber die Dauer des Projektes festlegt; der Auftragnehmer akzeptiert dies oder lehnt ab. Da ein Projekt aber eine riskante Unternehmung ist, „können keine genauen Termine abgegeben werden, sondern nur Zeitspannen, in denen ein Projekt voraussichtlich beendet ist“ (ebd.). Abschließend werden noch das meist begrenzte Budget eines Projektes, der Auftragnehmer und –geber sowie das Projektteam, der Ressourcenverbrauch eines Projektes sowie die von dem Projekt Betroffenen – die „Benutzer“ (ebd., 10) – erläutert.

Zielsetzung

Mit den gemachten Erläuterungen zur Definition eines Projekts sind die Rahmenbedingungen oder auch Merkmale allgemein beschrieben. Ein wesentlicher Aspekt – die Zielsetzung – muss jedoch gesondert aufgegriffen werden. So basiert jedes Projekt auf den zwei Säulen

  1. „Ziele“, mit der Frage, was mit dem Projekt erreicht werden soll, und
  2. „Ressourcen“, mit der Frage, wie das angestrebte Ziel erreicht werden soll.

Dabei werden die formalen Ziele durch den Auftraggeber (meist in Abstimmung mit dem Auftragnehmer) festgelegt, die einzusetzenden Ressourcen werden (meist) durch den Auftragnehmer festgelegt. Formale Ziele lassen sich mit der Orientierung an Funktionalität, Qualität, Kosten und Zeit vor Projektstart bestimmen.

Wesentlich sind jedoch die strategischen Ziele, die mit einem Projekt verfolgt werden sollen. „Ein Projekt verfolgt neben den vier vertraglich festgelegten Zielen Funktionalität, Qualität, Kosten und Zeit normalerweise auch strategische Ziele, wie Verbesserung des Arbeitsablaufs, Steigerung der Mitarbeitermotivation oder der Kundenzufriedenheit, mehr Marktmacht, etc. Diese Ziele können allerdings häufig weder präzise definiert werden, noch ist es am Ende möglich, definitiv zu entscheiden, in welchem Maße sie erreicht wurden. Das wesentliche strategische Ziel dürfte jedoch immer sein, dass das Projektergebnis für alle Beteiligten in irgendeiner Form von Nutzen ist“ (ebd., 12).

Mit der Frage nach den strategischen ebenso wie nach den vertraglich festgelegten Zielen geht die Frage einher, wie eine optimale Zielerreichung in beiden Zieldimensionen – formale sowie strategische Ziele – ermöglicht wird.

Ist es nicht möglich, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bestimmen zu können, dass die Projektziele wirklich erreicht wurden? Dazu führt Kowarschick (2012, 14) aus, dass bei „der Festlegung der Ziele (…) Auftraggeber und Auftragnehmer die Wünsche der späteren Benutzer berücksichtigen [müssen]. Ein Produkt, das am Benutzer vorbeientwickelt wurde, wird sicherlich kein Erfolg. Das heißt, von Anfang an sollte der Benutzer in die Projektplanung mit einbezogen werden!“

Auch wenn die verwendeten Begrifflichkeiten mit Blick auf Organisationen der Sozialwirtschaft zunächst befremdlich klingen („Produkte“ oder „Benutzer“), ist eine Adaptierung der Überlegungen auf Klienten in und Leistungsträger von Organisationen der Sozialwirtschaft als „Benutzer“ des Projektes spannend. Bevor jedoch auf diesen Aspekt mit Bezug auf das „Design Thinking“ vertieft eingegangen wird, werden die Phasen, die ein Projekt durchläuft, näher vorgestellt.

Die Projektphasen

Auch mit Blick auf die Projektphasen lässt sich festhalten, dass eine einheitliche Vorgehensweise bzw. Begrifflichkeit nicht gegeben ist: „Es gibt kein ‚einzig richtiges’ Phasenmodell!“ (ebd., 47). So betrachtet auch Mayerhofer (vgl. 2002, 466) verschiedene Phasenmodelle, die teils auf sachlich-rationalen, teils auf gruppendynamischen Aspekten basieren.

Kritisch anzumerken ist, dass „allen Phasenschemata (…) gemeinsam [ist], dass sie willkürlich Grenzen zwischen den Phasenübergängen setzen und lediglich auf bestimmte Aspekte des Projektverlaufs fokussieren – bei gleichzeitiger Ausblendung anderer“ (ebd.).

Festhalten lässt sich demgegenüber, dass eine Einteilung von Projekten in verschiedene Phasen dahingehend sinnvoll ist, dass interne und externe Meilensteine oder „Haltepunkte“ (ebd.) bestimmt werden können, die als Ende der jeweiligen Projektphase definiert werden.

Interne Meilensteine bezeichnen wichtige Teilschritte, die nur innerhalb des Projektteams von Bedeutung sind. Externen Meilensteine bestimmen dagegen Teilergebnisse, die dem Auftraggeber präsentiert werden, so dass mit ihm das weitere Vorgehen abgestimmt werden kann (vgl. ebd., 45f).

Weitergehende Vorteile bei der Einteilung eines Projektes in unterschiedliche Phasen werden darin gesehen, dass Kalkulationen hinsichtlich Zeit, Ressourcen, Personal etc. präziser möglich sind, wenn man ein Projekt in mehrere Phasen unterteilt und diese kalkuliert. Auch wird es möglich, die Zeit-, Budget- und Zielplanung schrittweise erfolgen zu lassen. „Man stattet beispielsweise das Projekt zunächst nur mit einem Budget für die ersten ein, zwei Phasen aus und entscheidet dann, ob man mit dem eigentlichen Projekt starten will“ (ebd., 47). Zu jedem Meilenstein bzw. zum Ende jeder Projektphase (Review) kann auch „eine formale Änderung alter Projektziele erfolgen (Änderungsmanagement, Change Management). Schlimmstenfalls kann entschieden werden, mehrere Phasen zu wiederholen (…)“ (ebd.) oder das Projekt ganz abzubrechen.

Im Folgenden werden die bei Homberg et. al. (2011) dargelegten Phasen angerissen[2]:

  • Vorprojektphase,
  • Projektplanungsphase,
  • Realisierungsphase,
  • Projektabschluss,
  • Präsentation und
  • Nachprojektphase.
Vorprojektphase

In dieser Phase werden „die Projektvorhaben bzw. die Projektidee (…) überprüft und sicher in die Planung überführt oder verworfen“ (Homberg et. al., 2011, 28). In diese anfängliche Phase werden Kontextklärung und Risikoanalysen ebenso wie Projektteambildung und Ressourcenklärungen gezählt. Hinzu kommt aber auch die Formulierung und Festlegung der Ziele der einzelnen Phasen (Meilensteine).

Projektplanungsphase

In der Projektplanungsphase steht – wie der Name schon sagt – die Planung des Projektes im Mittelpunkt. Schritte dabei sind bspw. die Einberufung einer Kick-Off-Sitzung, die Erarbeitung von Projektstrukturplänen oder auch die Festlegung von Arbeitspaketen. Darüber hinaus sollten auch Finanzen (bspw. in einem Kostenplan) sowie Kommunikationswege geregelt werden (vgl. ebd., 79ff).

Realisierungsphase

Die Realisierungsphase steht im Zeichen der Steuerung der Realisierung des Projektes, Projektcontrolling ebenso wie der Berichterstattung über erreichte (oder auch nicht erreichte) Meilensteine.

Projektabschluss

„Oft gibt es keinen klar erkennbaren Projektabschluss, weil z.B. die Gruppen bereits mit dem Projektergebnis arbeiten, während das Projektteam noch an letzten Kleinigkeiten bastelt“ (ebd., 110). Einerseits steht als Abschluss des Projektes damit die Frage, was das sachliche Projektende ausmacht. Dieses wird dann bspw. in einem Abschlussbericht dargelegt. Eng verknüpft ist auch die Projektpräsentation, in der das Projekt den internen und externen Stakeholdern präsentiert wird. Andererseits sind bei dem Projektabschluss aber auch die mit der Projektarbeit entstandenen „Sozialen Umweltbeziehungen“ (ebd., 111) in den Blick zu nehmen und meist auch aufzulösen: „Für ProjektleiterInnen stellt der Projektabschluss auf der Beziehungsebene eine Herausforderung dar, die nicht übersehen werden sollte“ (ebd., 116).

Präsentation

Die Präsentation des Projektes wird bei Homberg et. al. (2011, 118) als „Höhepunkt einer langwierigen und anstrengenden Projektentwicklung“ bezeichnet. Um die Präsentation eines Projektes erfolgreich zu gestalten stehen damit Fragen nach der geeigneten Art der Präsentation ebenso im Fokus wie die nach der richtigen Zielgruppe für die Präsentation. Damit ist bspw. eine Zielgruppenanalyse verbunden, an die sich die Auswahl der Inhalte der Präsentation und deren Aufbereitung anschließt (vgl. ebd., 119).

Nachprojektphase

In der Nachprojektphase steht die Nachbereitung des Projektes im Mittelpunkt. Dazu gehören die Evaluation des Erreichten mit Fragen bspw. nach den „Lessons-learned“ der Projektdurchführung selber, aber auch der Ergebnisse des Projektes. Die Frage, ob das Projekt das gewünschte Ergebnis erzielt hat, wird als wesentlich erachtet, in der Praxis jedoch oft (auch aufgrund von fehlenden oder nach der Projektpräsentation eingestellten Ressourcen) nicht so beantwortet, dass aussagekräftige Ergebnisse sichtbar sind.

„Design Thinking“ in der Ideenfindungsphase

Die im letzten Abschnitt aufgeworfene Frage nach der Zielsetzung des Gesamtprojektes und insbesondere dem Ergebnis des Projektes soll jetzt in den Mittelpunkt gerückt werden:

  • Was soll(te) mit dem jeweiligen Projekt erreicht werden?
  • Welche Zielgruppe soll(te) mit dem Projekt angesprochen werden?
  • Welches Ziel soll(te) mit dem Projekt verfolgt werden? Der Blick auf die Projektphasen zeigt, dass diese Fragen bei der Durchführung von Projekten oft nicht im Mittelpunkt stehen.

Um diese Fragen beantworten zu können, rückt die Entwicklung der Projektidee ins Zentrum:

Erst wenn geklärt ist, welche Zielgruppe welche Maßnahme benötigt, kann mithilfe eines professionellen Projektmanagements adäquat agiert werden. Beispielhaft könnte ein Leistungsträger einer stationären Jugendhilfeeinrichtung (Jugendamt) mit dem Bedarf der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge an die Einrichtung herantreten. Die Finanzierung steht, der Bedarf ist formuliert, wahrscheinlich wurde auch ein Zeitplan vereinbart, die Jugendhilfeeinrichtung ist somit gefordert, ein entsprechendes Projekt zu initiieren. Was ist aber das Richtige für die Zielgruppe? Eigene Wohngruppen? Oder die Integration der Jugendlichen in die bestehenden Wohngruppen? Oder ganz neue Lösungen? Fest steht:

Es muss etwas getan werden.

Hier, und das wird für erfolgreiches Projektmanagement als wesentlich erachtet, setzt die Phase der Ideenfindung an, der jedoch in der Literatur zum Projektmanagement keine große Bedeutung beigemessen wird:

Wie können Ideen für Projekt so entwickelt werden, dass sie mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit dem tatsächlichen Bedarf der Zielgruppe entsprechen?

Eine Möglichkeit, den Prozess der Generierung von Projektideen zu strukturieren, ist die Methode des „Design Thinking“ (vgl. bspw. Freund, 2013).

Ob diese Methode auch für die Generierung von Projektideen der Sozialwirtschaft zielführend eingesetzt werden kann, wird jetzt beleuchtet.

Dazu werden einführende Erläuterungen zur Anwendung des „Design Thinking“ gemacht. Anschließend wird dann das „Design Thinking“ in seinen einzelnen Schritten beschrieben. Dabei wird versucht, das Beispiel der unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge heranzuziehen und eine Verbindung zur Projektentwicklung in Organisationen der Sozialwirtschaft hergestellt.

„Design Thinking“ – Einführung

„‘Design Thinking‘ ist ein Innovationsansatz, der von David Kelley, Mitgründer der bekannten Design-Agentur IDEO und Professor an der Stanford Universität (…), entwickelt wurde“ (Weinberg, 2012, 248). Als wesentlich betont wird, dass „Design Thinking“ die Kunden direkt mit in den Entwicklungsprozess einbezieht. Der Kunde steuert jedoch keine Ideen bei, „sondern bringt lediglich seine Bedürfnisse bezogen auf ein Produkt und dessen Kontext im Entwicklungsprozess zum Ausdruck. So bleibt die Klärung der Frage, wie [Hervorhebg. i.O.] ein Bedürfnis befriedigt wird (…) beim Design Thinking dem Produktteam überlassen“ (Brandes, 2014, 56).

Die Übersetzung zu Projekten in der Sozialen Arbeit fällt leicht:

Die Bedürfnisse der Kunden stehen im Mittelpunkt und werden auch von den Betroffenen selbst artikuliert. Wie die Bedürfnisse aber durch ein bestimmtes Angebot befriedigt werden können, wie das konkrete Projekt damit ausgestaltet sein kann, bleibt den Professionellen überlassen. Damit kann auch dem Problem begegnet werden, dass die Bedürfnisse der Betroffenen bspw. einer Jugendhilfeeinrichtung nicht zwingend den Bedarfen entsprechen, die die Professionellen anlegen bzw. auch finanziert bekommen. Die Einbeziehung der Betroffenen ist jedoch für die Soziale Arbeit nicht selbstverständlich und kann zu neuen Einsichten führen.

„Design Thinking“ – drei wesentliche Elemente

Wie aber läuft ein „Design Thinking“-Prozess ab? Was ist notwendig, um einen „Design Thinking“-Prozess erfolgreich durchzuführen? Wie beschrieben, stehen im „Design Thinking“ „…Nutzerwünsche und -bedürfnisse sowie nutzerorientiertes Erfinden im Zentrum des Prozesses. Design Thinker betrachten die Aufgabe oder das Problem durch die Brille des Nutzers und begeben sich dadurch in die Rolle des Anwenders“ (Weinberg, 2012, 248).

Als wesentlich werden drei Elemente definiert, ohne die „Design Thinking“ nicht erfolgsversprechend sein kann (vgl. ebd. 249; vgl. bspw. auch Grots, 2009 oder Hilbrecht, 2012):

  1. Ein multidisziplinäres Team: Dieses sollte sich „…aus verschiedenen Disziplinen, Abteilungen und Hierarchieebenen zusammensetzen und neben internen auch externe Mitglieder umfassen“ (Grots, 2009, 19).
  2. Ein besonderes Raumkonzept: „Für innovative Lösungen wird eine kreative Umgebung benötigt, die architekturpsychologisch ‚Energie’, Offenheit und Kommunikation untereinander fördert“ (Hilbrecht, 2012, 35).
  3. Der besondere Prozess: hierbei geht es um die Phasen, nach denen „Design Thinking“ abläuft. Im Wesentlichen sind dies Inspiration, Ideenfindung und Implementierung (vgl. Hilbrecht, 2012, 36).

Die drei Elemente werden im Folgenden näher erläutert. Dabei wird eine Übersetzung auf Projekte der Sozialen Arbeit versucht.

Multidisziplinäres Team

Hinsichtlich der Zusammenstellung des Teams für erfolgreiches „Design Thinking“ ist es notwendig, Menschen aus möglichst verschiedenen Bereichen und mit möglichst verschiedenen Professionen zusammenzubringen. „Ein solches Team besteht idealiter auf horizontaler Ebene aus Teilnehmern der unterschiedlichsten Fachbereiche, wie Juristen, Medienwissenschaftlern, Theologen, Betriebswirten, Anthropologen, und vertikal aus allen Hierarchieebenen. Durch die Vielfältigkeit der einzelnen Personen wird die Stärke des Teams gefördert“ (Hilbrecht, 2012, 35). Eine der damit einhergehenden Herausforderungen ist das „Ablegen“ von bspw. durch unterschiedliche Hierarchieebenen vorgegebenen Rollen der einzelnen Teilnehmer während des „Design Thinking“-Prozesses. „Um als Teilnehmer in einem Design Thinking-Team mitzuarbeiten, ist eine Design- oder Design Thinking-Ausbildung nicht grundsätzlich notwendig“ (ebd.). Offenheit, sich einlassen können auf Neues, integratives Denken, Optimismus, Empathie und die Fähigkeiten zur Zusammenarbeit werden als wesentliche persönliche Fähigkeiten der Teammitglieder beschrieben (vgl. näher ebd.). Es wird auch von sogenannten „T-Shaped-personalities“ gesprochen: Dabei steht der vertikale Balken für das analytische Wissen, das jeder Design Thinker aus seinem eigenen Fachgebiet mit ins Projekt einbringt. Der horizontale Balken repräsentiert die persönlichen Eigenschaften und das Wissen über „Design Thinking“.

Wenn bezüglich der Teamzusammensetzung der Blick auf Organisationen der Sozialwirtschaft gerichtet wird, fällt auf, dass die geforderten Fähigkeiten (mit Ausnahme der spezifischen Kompetenzen im „Design Thinking“) als für Professionelle der Sozialen Arbeit inhärente, persönliche Kompetenzen bezeichnet werden können. So werden bspw. im Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit die „weiteren, nicht fachspezifischen Fähigkeiten, die für die erfolgreiche, professionelle Soziale Arbeit als Vorbedingung gelten müssen“ wie folgt beschrieben (vgl. Bartosch et. al., 2006, 13):

  • „die erprobte Fähigkeit, initiativ, alleine und im Team zu arbeiten,
  • die ausgeprägte Fähigkeit zur Kommunikation und Interaktion mit allen fachlichen und nichtfachlichen Akteuren des Arbeitsfeldes und ihres gesellschaftlichen Umfeldes (…),
  • Verantwortung und ausgeprägtes Bewusstsein für die Risiken ihres Handelns (…),
  • Fähigkeit, die Interessen von Klienten, Klientengruppen oder Systemen, sowie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Interessenlagen zu erkennen und abzuwägen,
  • die Fähigkeit, (…) Lösungsstrategien zu entwickeln und zu vertreten,
  • die Fähigkeit zur kreativen, verantwortlichen Mitwirkung in Projektmanagement (…)“,

Als herausfordernd gestaltet sich demgegenüber jedoch die Frage nach der Multidisziplinarität. So sind Teams der Sozialen Arbeit ggf. ausschließlich aus Sozialarbeitern/-pädagogen zusammengesetzt. Berücksichtigt werden kann jedoch zumindest die Bedingung der unterschiedlichen Hierarchieebenen.

Raumkonzept

„Neben der Multidisziplinarität eines Design Thinking-Teams und den persönlichen Eigenschaften eines Design Thinker ist ebenso die Umgebung, in der gearbeitet wird, sehr wichtig“ (Hilbrecht, 2012, 35). Die Inneneinrichtung sollte so gestaltet sein, dass die jeweiligen physischen Bedürfnisse (bspw. sitzen oder stehen) der Teammitglieder berücksichtigt werden können. Tische, Tafeln und Sofas sollten mobil, beweglich und verschiebbar sein. Weitergehend sollte viel Platz an den Wänden und entsprechendes Werkzeug und Material vorhanden sein, um die Eindrücke, die in den Gesprächen mit den Kunden entstehen, und neue Ideen zu visualisieren, sowie „geeignete Rückzugsorte, in denen Ideen ihre erste Form gegeben werden kann“ (Grots, 2009, 19). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die „Räume (…) durch Offenheit und Variabilität geprägt [sind] und (…) dadurch die spezielle Arbeits- und Denkkultur des Innovationsansatzes“ (Weinberg, 2012, 250) repräsentieren.

Auch in diesem Punkt sollten Organisationen der Sozialwirtschaft entsprechend ausgestattet sein. Selbst wenn es sich um eine kleine Einrichtung handelt, die begrenzte räumliche Ressourcen zur Verfügung hat, ist es bspw. möglich, Räumlichkeiten für einen bestimmten Zeitraum anzumieten. Die Hoffnung, dass das Ergebnis des Ideenfindungsprozesses und damit das Projektergebnis deutlich besser ist als bei herkömmlichen Prozessen, kann die Investition lohnen und ggf. hohe Folgekosten verhindern.

Prozess

Der Prozess im „Design Thinking“ untergliedert sich in die folgenden Schritte (vgl. bspw. Grots, 2009, 19ff):

  • Verstehen,
  • Beobachten,
  • Synthese,
  • Ideengenerierung,
  • Prototyping und
  • Tests.

 Verstehen:

„Am Beginn des gesamten Innovationsprozesses steht das Verstehen der Problemstellung und des damit verbundenen Problemfelds, das alle Bedingungen und Einflussfaktoren umfasst“ (Grots, 2009, 19). Dieser Schritt in Verbindung mit dem Schritt des „Beobachtens“ wird auch als Recherchephase bezeichnet, in der das Verständnis aller Teammitglieder über die zu bearbeitende Fragestellung im Mittelpunkt steht. So kann ein Ergebnis der Recherchephase auch darin bestehen, dass die eigentliche Problemstellung hinterfragt und verschoben oder neu fokussiert wird oder auch tiefer liegende Fragestellungen zu adressieren sind. Als wichtig werden die grundsätzliche Offenheit gegenüber dem „Problem“ und die eingehende Vorbereitung und Durchführung der Recherche gesehen (vgl. ebd., 19f).

Mit Blick auf Projekte in Organisationen der Sozialwirtschaft ist jedoch fraglich, inwieweit die meist extern vorgegebenen Projekte bzw. Projektbeschreibungen zu verändern sind. In dem oben angesprochenen Beispiel der Maßnahmen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ergibt sich aber gleichwohl die Möglichkeit, die Überlegungen des Teams mit einzubeziehen.

Beobachten

In diesem Schritt geht es um die Erlangung von Informationen. Dies geschieht bspw. im Rahmen von qualitativen Untersuchungen. Beobachtungen gerade bei Personen, die nicht im Fokus klassischer Marktforschung stehen, können dabei wertvolle Informationsgeber sein, so Grots (vgl. 2009, 20). Beobachten meint in dem Zusammenhang eine Kombination aus aufmerksamer Beobachtung und darauf aufbauenden Dialogen und Interaktionen (vgl. ebd.). Entscheidend ist, die Aktivitäten im Kontext, also vor Ort, durchzuführen und Menschen in ihrem jeweiligen Umfeld zu befragen. Hintergrund ist, dass die geforderte Empathie für die Bedürfnisse der Menschen nur aufgebracht werden kann, wenn diese in ihrem Alltag begleitet werden. „Dabei gilt es, den Blick zu weiten und nicht allein auf das eigentliche Kernproblem zu richten. Informationen und Inspirationen sind vielmehr oft direkt neben dem Problemfokus, in dessen Hintergrund oder Umfeld zu finden“ (ebd.). Weitergehend wird es als unerlässlich bezeichnet, dass die Erkenntnisse der Recherchephase visualisiert werden. Mit diesem Vorgehen wird Material gesammelt, um die Informationen so gut wie möglich zu dokumentieren und allen Teammitgliedern zugänglich zu machen.

Im Projektbeispiel wäre es somit denkbar, Jugendliche der eigenen Organisation, andere Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund etc. zu begleiten, zu befragen und mit ihnen zu sprechen. Da die Professionellen in Organisationen der Sozialwirtschaft aufgrund ihrer Ausbildung sowie aufgrund ihrer täglichen Arbeit mit der Beobachtung und der Sammlung von Informationen über Bedürfnisse von Menschen befasst sind, dürfte dieser Schritt auch hier möglich sein.

Synthese

Bei der Zusammenführung der gesammelten Informationen werden die Daten und Eindrücke mit dem Gesamtteam geteilt. „In einem ersten Schritt werden alle Informationen visuell an die Wände des Projektraums gebracht und den anderen Team-Mitgliedern in narrativer Form (‚Storytelling’) vorgestellt“ (ebd.). Nicht die Berichte des Erlebten stehen dabei im Vordergrund, sondern die Verknüpfung mit dem gemeinsamen Gesamtbild des Teams, das sich im Dialog, durch Fragen und erste Interpretationen ergibt. Damit sollen nicht nur ein gemeinsamer Wissensstand des Teams, sondern neben der verbalen Verdichtung durch die individuellen Erzählungen des Erlebten auch eine sicht- und erlebbare Zusammensetzung bzw. implizite Deutung durch die Art der Anordnung der Informationen (Fotos und Notizen) an den Wänden entstehen. In einem weiteren Schritt wird versucht, Muster in den gesammelten Informationen zu entdecken. Damit sollen Gemeinsamkeiten, Oberthemen oder Schlagwörter gefunden werden, die Abstraktionen zulassen. Gearbeitet wird mit einem sogenannten Framework. Darin werden die erarbeiteten Informationen und gewonnenen Einsichten zusammengeführt und in ein Relationsverhältnis gestellt, indem es sie übersichtlich und verständlich darstellt. „Meist geschieht diese Zusammenschau durch diagrammatische Übersichten wie beispielsweise Mengen- oder Zwiebel-Diagramme, die Abhängigkeiten der einzelnen Elemente voneinander aufzeigen, oder sogenannte Journeys, die einzelne Schritte in einer Abfolge darstellen. Aber auch neue, der Aufgabe entsprechendere visuelle Abstraktionsformen eines Frameworks können entstehen“ (ebd.). Am Abschluss der Recherche bildet der Framework in visuell verknappter Form das Ergebnis ab, das alle bisher generierten Daten für die folgenden Schritte aufbereitet und kommunizierbar macht.

Ideengenerierung

In der nun anschließenden Phase werden Ideen für die aus dem Framework hergeleiteten möglichen Felder für Innovationen mit Hilfe klassischer Kreativitätstechniken generiert. Eine Möglichkeit dabei ist das Brainstorming. „Dabei werden vor der Brainstorming-Session konkrete Fragestellungen aus den potenziellen Innovationsfeldern abgeleitet und formuliert. Diese Fragen schaffen die Brücke zwischen den weit gefassten Feldern aus dem Framework und den möglichst konkreten Ideen, die im Brainstorming entstehen sollen“ (Grots, 2009, 21). Die Methode des Brainstormings ist insofern hilfreich, da auch hier die Visualisierung einen wesentlichen Raum einnimmt. Im Anschluss an die Brainstorming-Session werden deren Ergebnisse geordnet. Sofern die Ideen zuvor bspw. auf Post-It-Notes festgehalten wurden, ist eine Sortierung und Gruppierung einfach möglich. Ähnliche Ideen oder Ideen, die aufeinander aufbauen, können so zusammengefasst werden. Die aussichtsreichsten Ideen werden dann unter den Kriterien von Anziehungskraft, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit ausgesucht.

Prototyping

Das Prototyping widmet sich der Entwicklung ausgewählter Lösungsmöglichkeiten. „Ziel ist es, potenzielle Lösungen zu gestalten, indem diese erfahrbar und kommunizierbar gemacht werden“ (Hilbrecht, 2012, 39; Kurs. d. d. Verf.). Mit Blick auf die Entwicklung von Projektideen in Organisationen der Sozialwirtschaft liegt in der Erfahrbarkeit wohl eine der wesentlichen Herausforderungen. So sind Prototypen bei Produkten, die von deren Nutzern bewertet werden, unproblematisch. Prototypen von (Dienstleistungs-)Projekten, die mit anderen, ggf. bedürftigen Menschen umgesetzt werden, einzig um deren Feedback einzuholen, scheinen ethisch bedenkenswert und gleichzeitig schwer in der Umsetzung. Konkret am obigen Beispiel der Wohngruppe für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge ist diese Phase auf den ersten Blick nicht durchführbar. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, wie mit neuen, äußerst komplexen Herausforderungen, bei denen noch keine Beispiele vorliegen, in Organisationen der Sozialwirtschaft umgegangen werden kann. Hier wäre eine These, dass die Offenlegung der mit neuen Herausforderungen einhergehenden Probleme und damit der offene Ausgang der Intervention ggf. den Umgang mit den Problemen und auch die Kommunikation mit der Öffentlichkeit in diesen Punkten einfacher gestalten könnten. Die Alternative sind im Nachhinein bspw. durch die Presse aufgegriffene Schwierigkeiten, die den Professionellen in der Situation wahrscheinlich schon bewusst waren[4]. Hervorzuheben ist in dem Zusammenhang auch, dass in der Literatur zum „Design Thinking“ durchgehend von Prototypen als physisch greifbaren Formen gesprochen wird (vgl. bspw. ebd.). Weitergehend wird bei der klassischen Vorgehensweise im „Design Thinking“ auch davon ausgegangen, dass der Prototyp dem Fortschritt im Prozess angepasst werden sollte, „sprich: In frühen Phasen sollten die Prototypen grob und in einem kurzen Zeitraum entwickelt werden, um möglichst schnell von ihnen zu lernen und viele verschiedene Möglichkeiten zu erforschen“ (ebd.). Auch hier treten mit Blick auf Projekte in Organisationen der Sozialwirtschaft die schon angesprochenen Probleme auf: Können die Prototypen so schnell revidiert werden, dass man eine möglichst perfekte Idee von dem zu realisierenden Projekt erwirbt? Eine diesbezüglich interessante Methode, die als eine Möglichkeit des Prototyping im „Design-Thinking“-Prozess immer wieder angeführt wird, ist das „storytelling“ (vgl. bspw. Ettl-Huber, 2014).

Tests

„Mit dem Prototyping einhergehend erfolgen Tests und Feedbackschleifen“ (Grots, 2009, 22). Als wesentlich wird eine konkrete Form des Prototyps hervorgehoben. So kann in Gesprächen dieser Prototyp weiter präzisiert oder aber Alternativen und Varianten hervorgebracht werden. Grundsätzlich geht es darum, „das Wissen, die Erfahrung und Intuition der Menschen mit aufzunehmen, um neue Ideen entstehen zu lassen“ (ebd.). Deutlich wird einerseits, dass der Prozess des „Design Thinking“ als „iterativer“ Prozess zu sehen ist, der nicht linear erfolgt, sondern die vorhergehenden Schritte immer wieder in Frage stellt und neu bewertet. Andererseits werden in diesem letzten Schritt die Probleme des „Prototypings“ mit Blick auf Organisationen der Sozialwirtschaft erneut offenbar. So ist es in schwierig, neue Ansätze mit Menschen erst zu testen, bevor dann das eigentliche Projekt umgesetzt wird. Wie schon angesprochen, kann dies auch nur ein Problem „in den Köpfen“ der Professionellen sein, da Projekte in Organisationen der Sozialwirtschaft aufgrund deren komplexen Gegenstands (Was kann es Komplexeres geben als die Arbeit mit Menschen? vgl. dazu bspw. Gaitanadis, 2001) von vorneherein nur „testweise“ durchgeführt werden können, da sich permanent Veränderungen ergeben.

Fazit

Jetzt aber konkret:

Ist die Methode des „Design Thinking“ geeignet, die Phase der Ideen- und damit der Projektentwicklung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt so zu gestalten, dass ein Scheitern des Projektes aufgrund der richtigen Zielsetzung möglichst verhindert werden kann?

Im Rückblick ist fraglich, ob die Fragestellung überhaupt zu beantworten ist.

Dabei steht weniger die Frage nach der Methode des „Design Thinking“ im Vordergrund als vielmehr die Frage, ob Projekte in Organisationen der Sozialwirtschaft überhaupt mit „herkömmlichen“ Methoden des Projektmanagements „zu einem Erfolg“ geführt werden können.

So zeigt die Methode des „Design Thinking“ einen „agilen“ Ansatz der Gewinnung von neuen Ideen.

Ideen, aus denen neue Produkte und Dienstleistungen entstehen, werden damit nicht „am grünen Tisch“ entworfen, sondern in der permanenten Auseinandersetzung mit den zukünftigen Nutzern. Damit können Ressourcen für Fehlplanungen eingespart werden. Wichtiger als die Einsparpotentiale erscheint jedoch eine geänderte Denkweise, die Anpassungen in laufenden Projekten nicht als „Scheitern“ oder „Fehler“ betrachtet, sondern vielmehr als Möglichkeit, aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen.

Mit Blick auf Projekte in Organisationen der Sozialwirtschaft ergibt sich hier Potential.

So ist ein Scheitern der Projekte einerseits beinahe „ausgeschlossen“. Die Arbeit mit Menschen erfordert es, dass angegangene Projekte insoweit realisiert werden, dass zumindest „irgendwelche“ Ergebnisse präsentiert werden können. Als Beispiel ist die Eröffnung einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge für eine Einrichtung der Jugendhilfe kaum zu revidieren. Bei großen, nicht zu lösenden Problemen wird die Organisation wahrscheinlich versuchen, die Wohnform nach und nach anzupassen anstatt ein „Scheitern“ einzugestehen und wieder neu zu beginnen.

Andererseits ist Scheitern bei der Arbeit mit Menschen, die aus vielerlei Gründen auf die Hilfe von Dritten angewiesen sind, beinahe vorprogrammiert. Wiederum das Beispiel der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aufgreifend, ist nur für eine geringe Zahl in Deutschland lebender Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nachvollziehbar, was eine Flucht aus einem Kriegsgebiet bedeutet, welche Schwierigkeiten und Traumatisierungen damit einhergehen und wie mit diesen Schwierigkeiten zielführend umgegangen werden kann.

Fraglich ist grundsätzlich, ob die Arbeit mit und in Projekten überhaupt den zukünftigen Bedarfen nach flexiblen Reaktions- bzw. Lösungsmöglichkeiten auf immer komplexer werdende Problemlagen gerecht wird.

„Jedes klassische Projekt läuft Gefahr, mit Gantt-Charts, Meilensteinen und Kennzahlen eine Planbarkeit vorzugaukeln, die die Wirklichkeit schlichtweg nicht bietet“ (Brandes, 2014, 38).

Als Fazit lässt sich somit festhalten, dass die Methode des „Design Thinking“ nicht in „Reinform“ für die Phase der Ideenentwicklung bei Projekten in Organisationen der Sozialwirtschaft übernommen werden kann. Es müssen fachspezifische Anpassungen erfolgen, mit denen Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen der Realität in Organisationen der Sozialwirtschaft anpassen.

Gleichzeitig – und das wird als wesentliche Erkenntnis betrachtet – kann die hinter der Methode des „Design Thinking“ stehende „agile“ Denkweise auch und gerade für Organisationen der Sozialwirtschaft nutzbringend eingesetzt werden:

Das Eingeständnis, dass bei der Arbeit mit Menschen mit komplexesten Problemlagen nicht alle Probleme von jetzt auf gleich und vor allem nicht von vorneherein „durchgeplant“ gelöst werden können, ist für die Herangehensweise an neue Herausforderungen hilfreich.

Darüber hinaus kommt bei näherer Betrachtung der Methode auch die Befürchtung auf, dass in der Sozialen Arbeit schon lange angewandte Konzepte von anderen Disziplinen erfolgreich aufgegriffen und „vermarktet“ werden.

So sind multiprofessionelle Teams ebenso wie besondere Raumkonzepte in der Sozialen Arbeit schon lange Thema. Und auch die Betrachtung des Prozesses – vom Verstehen über das Beobachten und Zusammenführen bis zur Ideengenerierung – sind auch für die Soziale Arbeit keine wirklich neuen Herangehensweisen an die Generierung von Ideen. Die beiden Schritte Prototyping und Tests sind – wie beschrieben – schwierig anzuwenden.

Insgesamt – so meine Einschätzung – sollte die Soziale Arbeit deutlich „mutiger“ auftreten und ihre eigenen, langjährig getesteten und ausgefeilten Methoden nicht „unter den Scheffel stellen“.

Literaturverzeichnis
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